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Die Prinzessin und der Frosch
Unter sieben Mädchen die jüngste zu sein – das ist auch für eine Prinzessin schwer. In einem Schloss zu wohnen, das wie ein Hochsicherheitstrakt bewacht wurde und das reale Leben aus sorgfältig zensierten Büchern und aufbereiteten Fernsehsendungen der königlichen Radio- und Fernsehanstalt zu erfahren, erweckte in mir oft den Wunsch, endlich erwachsen zu werden, zu heiraten und damit diesem Gefängnis zu entkommen. Und bis es endlich soweit war, musste ich meine Flucht auf den Schlosspark beschränken.
In einer abgelegenen Ecke des riesigen Parks bildeten zahlreiche Büsche ein undurchdringliches Dickicht. Ich hatte mir einen engen Pfad zu einer kleinen Lichtung angelegt, der mit mir wuchs, so dass meine Kleidung gar nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Aber es interessierte ohnehin niemanden, was die siebte Tochter in ihrer Freizeit unternahm.
Auf der Lichtung stand eine alte geradezu in den Himmel ragende Linde und neben ihr befand sich ein Brunnen mit einem runden gemauerten Rand. Ich holte aus meiner Umhängetasche ein weiches Kissen und einen Liebesroman – nach sechs Vorgängerinnen leicht mitgenommen wie meine Kleider oder die altmodische Spielekonsole, die ich auch mitnahm.
Oft setzte mich auf den Brunnenrand und las oder spielte, bis ich ins Träumen geriet und mich meinen Phantasien hingab.
Eines Tages war ich wohl ein wenig unaufmerksam und die Konsole segelte in den Brunnen.
Blobb.
Wieso Blobb und nicht Platsch? dachte ich. Ist der Brunnen etwa ausgetrocknet? Hoffnungsfroh beugte ich mich über den Brunnen und sah dicht unter dem Rand einen dicken grünen Frosch, der auf dem Rücken schwamm und mit seinen Vorderbeinen mein Prinzessinnenspiel auf seinem Bauch balancierte.
"Da habe ich aber Glück gehabt." Ich griff mir das Gerät und hielt es in der Hand – mitsamt Frosch, der mit seinen Saugfüssen auf den Knöpfen herumdrückte und offensichtlich nicht los lassen wollte.
"Was soll das, das ist meine Mask. Du kannst nicht einfach damit spielen."
"Quak."
"Lass sofort los oder ich werde ärgerlich."
"Quak."
"Mehr fällt dir nicht ein, du dummer Brunnenpaddler?"
Ich griff beherzt zu – eine Hand am Frosch, die andere an der MAjestätischen Spiele Konsole und ...
„Quaaoouuk“
„Das kann doch nicht sein. Ich bin stärker als deine blöden Saugfüße, du kleines grünes Ekel.“
„Quak. Quak.“
„Was soll das heißen? Glaubst Du mir nicht? Na warte. Autsch, das tut weh.“
Meine Froschhand rutschte ab und landete unsanft am Brunnenrand.
„Quak.“
„Auch noch schadenfroh? Na gut, dann werden wir mal sehen, wie viel Wahrheit in dem deutschen Märchenschatz steckt. "
Und ich hob mein Spielgerät samt Frosch hoch und gab dem Frosch ein kleines Küsschen.
Meine Verwandlung begann am Erdboden und während meine Füße verschwanden, dachte ich: "Ach je, der Massenerhaltungssatz" und öffnete den Mund zu einem lauten Schrei: "Quak."
Und dann quakten 999 weibliche Laubfrösche mit blonden Streifen auf dem Rücken rund um den Brunnen und der bis dahin einsame Frosch suchte entsetzt mit großen Sprüngen das Weite - jedenfalls bis zur nächsten Paarungszeit.
(Anmerkung des Chronisten: Fünf ehrenwerte Zauberer haben diesen Bericht in zwölf Tagen aus den Erinnerungsfetzen von 999 Fröschen kompiliert. Eine Rückverwandlung in die Prinzessin gelang ihnen nicht. Die 999 Frösche verweigerten jede Mitarbeit.)