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Die Plage des Malers
Die Plage des Malers
An einem Abend in der Galerie geschahen zwei Morde.
Er wanderte durch die still gewordenen Flure und betrachtete die Bilder, die sein Freund, ein Maler, gefertigt hatte. In einem der Flure traf er auf ein Bild, das ihm sein Freund zuvor schon zeigte. Doch schien er ihm nicht das ganze Bild gezeigt zu haben, denn nun war es viel größer und vollkommener als in den Tagen zuvor.
Das Haus war ein Palast mit vielen Türen und Fenstern geworden. Davor war ein Rosengarten, der den kleinen Teich und die Enten darin verdrängte an den Rand des Bildes. So stiegt das Wasser an bis an den Rand. Die Enten konnten nicht anders als ertrinken oder den Tod durch die Dornen finden, so sehr verdrängte der vollkommene Garten den Teich, der nunmehr eine große Welle schlug. Zwischen dem Garten und dem Palast lag ein weiter Platz. In seiner Mitte war ein Springbrunnen. Er stand dort, wo vor einigen Tagen noch die kleine Wasserpumpe von der Magd bedient wurde. Heute spielten die Kinder des Grafen dort. Die Magd hatten sie in den Brunnen geworfen, so wie sie den alten Hund vertrieben und ersetzten durch das stolze Pferd. Es galoppierte seinen erhabenen Ritt über den Platz, streckte seine Glieder über das ganze Bild aus und erschlug so alle Bewohner des alten Hofes, der durch den Palast verdrängt wurde.
Vor wenigen Tagen zeigte das Bild einen alten Bauernhof. Sein Fachwerk war überwuchert von Moos und Efeu. Vögel nisteten im Geäst eines alten Baumes, der an einem kleinen Teich stand. Im Teich waren Enten. Sie schnatterten zufrieden in das Bild hinaus. Eine junge Magd arbeitete an einer kleinen Wasserpumpe, während ein alter Hund sie schläfrig beobachtete.
„Das ist ein sehr schönes Bild“, sagte er zu seinem Freund, während er sah, wie der Pinsel die letzten Striche der Magd vollendete. Sein Freund nickte dankbar. Er versprach ihm, das Bild in einigen Tagen in die Galerie hängen zu lassen. Dann gingen sie in ein Teehaus und redeten noch viele Stunden über das Bild und die Malerei. „Es ist eine Plage“, sagte sein Freund.
„Hätte ich es gewußt, so hätte ich sie warnen können ! Ich hätte die Enten schnell vertrieben, dass sie sich einen anderen Teich suchen könnten. Den Hund hätte ich aufgescheucht, dass er sich in Sicherheit brachte. Die Bewohner des Hofes hätte ich gerufen und ebenso die Magd, um sie alle zu retten“, rief er laut in den Flur. Niemand hörte ihn.
Dann erinnerte er sich daran, dass ein Knecht auf dem Bild zu sehen war. Er sprach freundlich mit der Magd und spielte kurz mit dem Hund. Es schien, als wollte der Knecht zurück in das Haus laufen, aber dann eilte er an den Rand des Bildes.
Schnell rief er den Knecht. Er kannte seinen Namen nicht, aber rief dennoch laut an den Rand des Bildes. Hinter einem Rosenbusch kniete er, zitternd.
„Kann er etwas unternehmen ?“ rief er in der Galerie. Die Lichter wurden schon gelöscht.
Der Knecht, unsicher wegen der schallenden Laute aus der Ferne, verfing sich im Rosenbusch. Die Dornen stachen in seinen Leib und nahmen ihn in ihre drohende Mitte.
Das große Pferd schlug seine Hufe auf den Kopf des Knechtes, der sofort starb.
„Er wurde ermordet !“ rief er empört einem Angestellten der Galerie zu. Er weinte.
Die Hände faltete er vor sein Gesicht und dann legte er seinen Kopf an das Bild. Ein fester Schlag des Angestellten traf ihn von hinten an den Kopf.
Er starb schnell.
„Ich schlage meine Hände vor den Kopf, dann mache ich den letzten Pinselstrich. Ich schaue über mein Gemälde. Und schon naht eine neue Veränderung", sagte der Maler zu seinem Freund.
Er zögerte.
"Wohl dem, der kein Maler ist, hat er doch geringere Last auf kleineren Schultern zu tragen“, sagte er noch.
Lange hatten sie gesprochen. Schon längst war der Tee kalt geworden.
Einige Tage später ging er in die Galerie, um die Bilder des Freundes zu bestaunen.