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Die perfekte Version

Mer

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12.07.2018
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Die perfekte Version

Knallend schlägt er die Tür hinter sich zu und sinkt erschöpft auf der anderen Seite zusammen. Sein Blick wandert über die dunklen, engen Wände seines Zimmers, vollbehangen mit selbstgezeichneten Bildern. Das Meiste sind Kohlezeichnungen, doch es gibt auch einige wenige Bilder aus Ölfarbe und Aquarell. Es sind finstere Zeichnungen. Dunkle Wesen zieren das Papier. Nur in wenigen Bildern findet man ein bisschen Farbe.
„Male dich selbst, wie du gerne sein würdest“, hatte sein Psychologe gesagt.
Er seufzt. Er weiß doch gar nicht, wie er sein möchte. Hilfsbereit und freundlich? Intelligent und erfolgreich? Oder mächtig und beliebt? Und wie kann man so etwas auf Papier festhalten?
In Gedanken versunken steht er auf und geht gebückt zu seinem kleinen, überhäuften Schreibtisch. Dabei fällt sein Blick auf den alten, zerbeulten Schminkspiegel, der immer in der einen Ecke auf dem Tisch steht. Traurige, müde Augen blicken ihm unter langen, fettigen Haaren entgegen. Angeekelt wendet er schnell seinen Blick ab, greift nach Papier und Bleistift, zündet die kleine Stehlampe an - die nur noch ein schwaches, gelbliches Licht von sich gibt und legt sich mit seinen Utensilien auf den Boden. Zitternd schwebt seine Hand über dem weißen, unangetasteten Papier. Kurz zögert er. Dann setzt er an.
Zuerst vorsichtig, doch dann werden seine Striche zusehends mutiger und ungeduldiger. Mit einem Mal zerknüllt er das angefangene Portrait und beginnt von neuem. Anschließend durchwühlt er hastig seine zugemüllten Ecken, bis er eine Leinwand in Menschengröße findet. Verbissen tanzt seine Hand über das Weiß, nimmt schließlich Pinsel dazu und fährt mit dem sanften Einmassieren der Ölfarben fort. Jeden Sinn für Raum und Zeit verdrängt er.
Es vergehen Stunden und Tage in denen er ohne Pause, wie besessen zeichnet. Nach und nach entsteht ein Bild, das einen hochgeschossenen, aufrecht stehenden, gut aussehenden Mann zeigt. Aus seinen Augen trotzt es vor Selbstsicherheit. Ein kleines Lächeln umspielt seine engen Lippen. Erstaunt blickt er auf sein Werk. Eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden. Auf einmal spürt er so etwas wie Stolz. Genau so.
Sicher setzt er die letzten Pinselstriche. Staunend betrachtet er das noch feuchte Gemälde. Es ist das beste Werk, das er jemals vollbracht hat.
Der Mann, der ihn in einer perfekten Version darstellt, ist wahrheitsgetreu gezeichnet und man hat unweigerlich das Gefühl neben einer lebenden Person zu stehen. Jeder Pinselstrich sitzt ausgezeichnet. Die hohe Stirn, das volle Haar, die hohen Wangenknochen, die gespannte Brust - alles ist perfekt.
Bewundernd hebt er seine Hand und berührt den gezeichneten Arm seines Abbildes. Die Leinwand ist bereits wieder trocken. Wie lange hat er das Bild betrachtet?
Plötzlich bemerkt er einen großen, teuer aussehenden Ring an der Hand seines Abbildes. Erschrocken zuckt er zurück. Er kann sich nicht entsinnen, dieses Stück gemalt zu haben. Verwirrt runzelt er die Stirn. Diesen Ring kennt er nicht. Angestrengt kneift er die Augen zusammen und seine Finger streichen über das gezeichnete Eisen.
Auf einmal schaut er auf und sein Blick trifft den seines Abbildes. Er schaut ihn an. Sein Mund öffnet sich zu einem stummen Schrei und er stolpert entsetzt zurück. Zu spät. Ohne ein Geräusch steigt sein Abbild einfach aus dem Bild und lässt die Leinwand leer zurück - als hätte der Maler nur einen Hintergrund gemalt, jedoch vergessen das Wesentliche darin festzuhalten.
Die perfekte Version von ihm greift still lächelnd nach seiner Hand und er fühlt, wie ihm auf einmal die Luft zum atmen entweicht. Hilflos sieht er dabei zu, wie sein Abbild sich in seinen Körper hüllt, vergleichbar mit dem Anziehen einer Jacke.
Mittlerweile fühlt es sich so an, als würde jemand allen Sauerstoff aus seinem Körper saugen und selbst, als nichts mehr davon übrig ist, immer weiter saugen. Seine Lunge zieht sich schmerzhaft zusammen und schwarze Punkte tanzen vor seinen Augen. Bis alles plötzlich in völliger Dunkelheit untergeht.

Als er wieder zu sich kommt ist es still. Die alte Stehlampe liegt kaputt auf dem Boden. Mühsam steht er auf und tastet nach den schweren dunklen Vorhängen, die ebenfalls mit Bildern zugehangen sind. Ungeduldig reißt er sie weg und Mondlicht scheint in das kleine Zimmer.
Langsam schaut er sich um. Bis auf die Stehlampe scheint alles in Ordnung zu sein. In der Mitte des Raumes steht immer noch die Leinwand. Leer.
Er schluckt und blickt sich um, dabei fällt sein Blick auf den kleinen Schminkspiegel und er zuckt erschrocken zurück. Nicht seine Augen blicken ihm entgegen, sondern die kalten Augen seines Abbildes, der perfekten Version seiner selbst. Entsetzt blickt er auf seine Hände und im fahlen Mondlicht erkennt er den fremden Ring an seinem Finger.
Panik steigt in ihm auf und sein Herz fängt an schnell und unregelmäßig gegen die Rippen zu pochen.
Im nächsten Moment spürt er, wie das Hämmern seines Herzes sich wieder verlangsamt, als würde eine fremde Macht das Organ mit einem starken Griff dazu zwingen still zu sein. Langsam beruhigt sich sein Herz, nur sein Verstand arbeitet noch voller Adrenalin, doch auch dieser wird von der fremden Macht betäubt und still gelegt. So lange bis er schließlich vollkommen gefühllos ist.
Er verzieht sein Gesicht zu einem starren Lächeln, drückt die Türklinke runter und verlässt das kleine Zimmer. Ein Mann in einem langen, schwarzen Mantel tippt grüßend an die Hutkrempe seines Zylinders, als er am Spiegel im Flur vorbeigeht. Es dauert einen Moment, bis er versteht, dass er es selbst ist.
Mit Schwung öffnet er die Haustür und tritt auf die verlassene nächtliche Straße seines Hauses. Die Straße windet sich wie eine Schlange, als er sie entlang geht - die umliegenden Häuser bewegen sich wie Grashalme im Wind hin und her. Sicheren Schrittes geht er seinen Weg - von den Hauswänden schallen seine Tritte wieder.
Der Spaziergang führt ihn an einem großen, von Mauern umgebenen, Friedhof vorbei. Am Eingang steht ein riesengroßer, steinerner Engel. Das ursprüngliche Weiß ist an einigen Stellen bereits einem dreckigen Schwarz gewichen. Mutig hält der weibliche Engel einen langen, spitzen Speer in die Höhe, bereit jeden Angreifer, der die Ruhe der Toten stört, sofort abzuwehren.
Ungerührt geht er vorbei - steinerne Augen blicken ihm nach. Schließlich biegt er in eine große, gepflegte Allee ein. Graue, steinerne Löwen empfangen den Gast. Das Gebäude in das er geht ist riesengroß. Von innen hört man laute Stimmen amüsiert reden. Wie gebeten tritt er ein und wie gebeten wird er empfangen.
In dem ersten Saal ist ein Büfett aufgebaut. Köstlichkeiten, wie man sie nie gesehen hat, sind entlang einer gigantischen Tafel aufgetischt. In der Mitte des prachtvollen Saales steht ein wunderschöner Schokoladenbrunnen, um den sich Frauen und Männer in hübschen Kleidern und Anzügen scharen.
Uninteressiert verlässt er den Raum und geht in den nächsten. Dicke Rauchschwaden empfangen ihn. Sie hängen tief im Raum und verschleiern jedem Besucher die Sicht. Männer mit Zigarren stehen und sitzen schwatzend oder Poker spielend im Salon verteilt. Lächelnd tritt er an einen Tisch und blickt über die Schulter eines dicken, alten Herren, um dessen Mundpartie sich Fettpartikel sammeln und Schweiß von seiner Stirn tropft und sein ordentlich gebügeltes Hemd durchnässt. Die Pokerkarten ergeben in den Händen des alten Mannes eine Straße. Immer noch gewinnend lächelnd setzt er sich neben den alten Herrn und greift dabei unauffällig in seinen Mantel. Im nächsten Moment hält er fünf Karten in der Hand. Die Karten ergeben einen Royal Flush. Kühl lächelnd weist er das gewonnene Geld ab, steht wieder auf und betritt den letzten Saal.
Zwei halbnackte Frauen, allein in Lederriemen gehüllt, stehen verführerisch an einem Klavier und singen, während die Finger einer dicken, stark geschminkten Frau flink über die Tasten tanzen. In der Mitte des Saales steht ein Junge - kaum älter als 16 - auf einem Podest. Geschminkt und in hübschen Frauenkleidern. Aufreizend tanzt er. Überall sitzen und stehen fette, alte Damen und Herren und lassen sich von jungem Fleisch befriedigen. An den Wänden hängen die seltsamsten Instrumente. Peitschen aus Leder und aus Eisen, Fesseln, spitze Messer in unterschiedlichsten Formen.
Suchend blickt er sich um und wird sogleich von zwei Mädchen und einem Jungen empfangen und auf ein breites, bequemes Sofa geleitet. Seine Finger streichen über weiche, nackte Haut. Knöpfe werden geöffnet und irgendwo reißt Stoff. Alle lachen. Alle unterhalten sich. Vor dem Entsetzten verschließen alle ihre Augen. Scharfe Klingen streichen sanft über die schlagende, menschliche Brust. Purpurnes, warmes Blut tränkt das weiße Sofa. Und über all dem spielt unaufhörlich ein lustig betörendes Klavierstück.
Ohne Eile schließt er seine Knöpfe, nimmt sich von einem vorbeigehenden Diener eine Serviette und schmiert sich das Blut daran ab. Erst als die ersten Schreie ertönen, verlässt er gemächlich den Saal, überquert auch den Salon und kommt an dem Schokoladenbrunnen vorbei. Die breiten Türen der Villa werden ihm aufgehalten, als er erneut in die Nacht nach draußen tritt. Die grauen, steinernen Löwen blicken ihm unruhig Schwanz schlagend hinterher, erheben sich jedoch nicht. Ungeschoren geht er die Straße entlang zurück. Angewidert stellt er fest, dass Blut auf seinem Mantel ist. Er zögert nicht lange, zieht ihn aus und wirft ihn über die hohe Mauer des Friedhofes.
Im nächsten Moment steht ihm der riesige, weiße Engel gegenüber. Seine steinernen Augen blitzen wütend. Machtlos schaut er dabei zu, wie sein Bauch von dem großen, weißen Speer durchbohrt wird und er wie eine Trophäe emporgehoben wird. Übermächtiger Schmerz lässt ihn nach Luft schnappen. Das Erste, das er wieder fühlt. Es dauert nicht lange, bis sein Herz aufhört zu schlagen.

Als er zu sich kommt, liegt er in seinem Zimmer. Panisch blickt er an sich runter. Kein Blut. Kein Ring. Ein Blick in den alten Schminkspiegel zeigt, dass er wieder sich selbst vor sich hat. Gebeugt, ungepflegt und hässlich.
Erleichtert dreht er sich um und erblickt die Leinwand. Sie ist nicht mehr leer. Ein weißer, steinerner, weiblicher Engel ist dort zu sehen und sein langer, spitzer Speer durchbohrt den blutüberströmten Körper eines toten Mannes. Schaudernd schaut er sich um und findet einen weißen Bettbezug. Eilig wirft er diesen zitternd über die Leinwand und verlässt ohne einen Blick zurückzuwerfen das kleine, enge Zimmer - vollbehangen mit Kohlezeichnungen, Öl- und Aquarellgemälden.

 

Hola @Mer,

‚Seltsam’ ist ein feiner tag, so zwischen RL und Fantasy – mal sehen, wie Du das handhabst.

Knallend schlägt er die Tür hinter sich zu ...
(„Aufatmend schlage ich die Tür hinter mir zu.“ – so beginnt Deine ‚Kettenuhr’. Wird das ein Kennzeichen Deiner Werke?)
... und sinkt erschöpft auf der anderen Seite zusammen.
Hier meine ich, dass er auf ‚seiner’ Seite ..., oder? Radikale Lösung: ‚auf der anderen Seite’ streichen.
die dunklen, engen Wände
Enge Wände? Vielleicht ein enges Zimmer?
Bilder aus Ölfarbe und Aquarell.
Bilder ‚in Öl’ kenne ich;
‚aus Ölfarbe und Aquarell’ hieße ‚Bilder ... aus Aquarell’. Vorschlag: Bilder in Öl und einige Aquarelle.
zündet die kleine Stehlampe an
‚anzünden’ geht in meiner Vorstellung mit einem Streichholz
Luft zum atmen
zum Atmen
Straße seines Hauses
das hakelt
Wie gebeten tritt er ein und wie gebeten wird er empfangen.
Hier kann ich nicht folgen.
alte Damen und Herren und lassen sich von jungem Fleisch befriedigen.
Wohl eher vom Anblick des ...?
Als er zu sich kommt, ...
... war der Traum ausgeträumt, tja. Der Autor findet noch ein Ende, das unlogisch, aber seltsam ist – und die Geschichte ist aus.
Was hab ich gelesen? Eigentlich einen Kessel Buntes. Entschuldige, aber Du lässt Deine Fantasie von der Leine und kannst sie beinahe nicht mehr bändigen. Mir als Leser ist das zu viel Kulissenschieberei, der Effekte wegen. Könnte mir sogar vorstellen, dass ein Schreiber mit Deinem Talent das in einer ‚müßigen Musestunde’ auf einen Rutsch runterschreibt.
Böse Worte, aber sie sollen nur Deinen Ehrgeiz anstacheln.
Die von mir angemerkten Stellen hättest Du bei gründlicher Korrektur selbst herausgefunden, und ein paar fehlende Kommas sind nicht der Rede wert.
Wenn Du länger bei uns bist, kommentierst und besonders die Antworten der Autoren liest, wird sich Dir einiges erschließen, worauf es beim Schreiben einer Kurzgeschichte ankommt (Vorsicht: Meine „Werke“ sind nicht das beste Anschauungsmaterial!).
Am wichtigsten ist der Plot (Vielleicht liest Du mal pepperkorns „Der Sprung“ – brillantes Beispiel).
Ich hoffe, Du nimmst mir meine Offenheit nicht übel, es geht nur um den Text.
Ich wünsche Dir viel Elan für Deine nächste Geschichte, aber nimm Dir Zeit.

José

 

Hallo, @Mer

Prinzipiell ist es ein ambitioniertes Projekt, das Du Dir vorgenommen hast, ein bisschen ist das ja wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Ambitionierte Projekte sind super, denn im Ernstfall kann man dabei viel lernen: Wenn man die notwendige Sorgfalt und Hingabe an den Tag legt. Das heißt, lass Dir Zeit, gehe über alles ordentlich drüber, feile Deinen Text. Denn da ich da noch so viele Flüchtigkeitsfehler und stellenweise einfach auch formmäßige Hässlichkeiten sehe, die man als Autor/in auch hätte sehen ... müssen (sage ich mal), unterstelle ich Dir einfach mal, dass es Dir an der Sorgfalt noch ein wenig mangelt.

Aber keine Sorge, das kriegen wir hin. Im Detail gehe ich nur auf den ersten Abschnitt ein, und das hat einen ganz einfachen Grund: Absätze. Du machst praktisch keine davon. Das ist scheußlich, v.a. in der Mitte, wo Du dann einfach einen meterlangen Absatz schreibst. Hast Du mal versucht, das zu lesen? Ist extrem schwer. Im ersten Abschnitt ist es nicht ganz so schlimm, deshalb habe ich mich da rangetraut. Danach verweigere ich aber.

Falls Du unsicher bist, wann Absätze gesetzt werden, ein paar einfache Gedanken dazu: Wann immer sich das Thema ändert oder eine neue Handlung oder ein neuer Ort beginnen, sollten Absätze gemacht werden. Mach lieber erstmal zu viele als zu wenige, das schreckt die Leser/innen weniger ab.

Nachdem ich mich nun für mein Nicht-den-ganzen-Text-durchgehen gerechtfertigt habe (wobei Du das nicht nur als Rechtfertigung meinerseits, sondern auch als Kritik am Text verstehen solltest), lege ich den Finger auf eine andere Wunde: Adverbien.

Du benutzt extrem viele Adverbien. Das habe ich früher auch gemacht, weil es mir a) wie eine gute Sache erschien, um die Satzanfänge zu variieren. Ich habe mal alle Sätze rausgesucht, die in Deiner Geschichte im ersten Abschnitt mit einem Adverb anfangen:

Knallend schlägt er die Tür hinter sich zu und sinkt erschöpft auf der anderen Seite zusammen.
Angeekelt wendet er schnell seinen Blick ab, greift nach Papier und Bleistift, zündet die kleine Stehlampe an - die nur noch ein schwaches, gelbliches Licht von sich gibt und legt sich mit seinen Utensilien auf den Boden.
Zitternd schwebt seine Hand über dem weißen, unangetasteten Papier.
Kurz zögert er.
Verbissen tanzt seine Hand über das Weiß, nimmt schließlich Pinsel dazu und fährt mit dem sanften Einmassieren der Ölfarben fort.
Erstaunt blickt er auf sein Werk.
Sicher setzt er die letzten Pinselstriche.
Staunend betrachtet er das noch feuchte Gemälde.
Bewundernd hebt er seine Hand und berührt den gezeichneten Arm seines Abbildes.
Erschrocken zuckt er zurück.
Verwirrt runzelt er die Stirn.
Angestrengt kneift er die Augen zusammen und seine Finger streichen über das gezeichnete Eisen.
Hilflos sieht er dabei zu, wie sein Abbild sich in seinen Körper hüllt, vergleichbar mit dem Anziehen einer Jacke.

Es sind 13 (!) Sätze. Manchmal drei oder vier hintereinander. Das ist keine Variation der Satzanfänge, das ist Wiederholung.

b) dachte ich immer, dass Adverbien super sind, um Gefühle meiner Figuren rasch abzuhandeln. Gefühle solltest Du aber nicht rasch abhandeln, weshalb ich vorschlagen würde, dass Du auf praktisch alle Adverbien im Text verzichtest. Wenn Du das Gefühl im Text brauchst, ist es besser, zu zeigen, wie sich dieses Gefühl äußert, anstatt schnell ein Wort dafür zu finden. Beispiel:

Verbissen tanzt seine Hand über das Weiß, nimmt schließlich Pinsel dazu und fährt mit dem sanften Einmassieren der Ölfarben fort.

Das Verbissene wäre wirkungsvoller, wenn Du es zeigen, anstatt beschreiben würdest. Z.B.: "Mit verkrampften Fingern tanzt seine Hand über das Weiß ..." Oder so. Überleg Dir, woran man sieht, dass Dein Prot verbissen ist, und zeige uns dann, was Du vor Deinem inneren Auge siehst. Das ist die Aufgabe eines Autors/einer Autorin: Bilder zu zeichnen. Nicht, Begriffe für Dinge zu finden. Deshalb würde ich Dir raten, jedes Adverb im Text (nicht nur die an den Satzanfängen) zu prüfen, 1) ob man es überhaupt braucht und 2) ob man nicht besser zeigen kann, was mit dem Adverb nur begriffen wird.

Weitere Kleinigkeiten im ersten Abschnitt:

Das Meiste sind Kohlezeichnungen, doch es gibt auch einige wenige Bilder aus Ölfarbe und Aquarell.

"es gibt", das klingt so lahm. Schöner wäre: "doch an den Wänden lehnen auch einige wenige ...", oder so. Das klingt gleich viel besser, nicht wie eine Bestandsaufnahme. Sondern eben wie ein Bild, das Du vor dem Auge Deiner Leser/innen zeichnest.

Es sind finstere Zeichnungen. Dunkle Wesen zieren das Papier. Nur in wenigen Bildern findet man ein bisschen Farbe.

Auch hier fehlt mir ein Bild. Mach es Dir nicht so leicht. Zeig uns lieber ein paar Beispielbilder, z.B. den schwarzen Gnom vor einem Friedhof bei Mondschein. Einfach, dass ich mir ein bisschen vorstellen kann, was Du mit "finsteren Zeichnungen" meinst. Dass ich mir etwas vorstellen kann, ist Deine allererste Aufgabe als Autor/in.

„Male dich selbst, wie du gerne sein würdest“, hatte sein Psychologe gesagt.

Die Geschichte steht im Präsens, deshalb gibt es hier keinen Grund für Plusquamperfekt. Du kannst einfach Präteritum verwenden.

Angeekelt wendet er schnell seinen Blick ab, greift nach Papier und Bleistift, zündet die kleine Stehlampe an - die nur noch ein schwaches, gelbliches Licht von sich gibt und legt sich mit seinen Utensilien auf den Boden.

Zwei Adverbien auf sieben Wörter im ersten Satzteil. Das ist nochmal extra unschön, denn es klingt nicht einmal gut. Der Gedankenstrich ergibt nur dann Sinn, wenn Du nach "gibt" wieder einen Gedankenstrich machst.

Mit einem Mal zerknüllt er das angefangene Portrait und beginnt von neuem. Anschließend durchwühlt er hastig seine zugemüllten Ecken, bis er eine Leinwand in Menschengröße findet.

Das ergibt keinen Sinn. Er beginnt von "Neuem" (übrigens groß), und erst danach sucht er eine Leinwand. Das ist sehr seltsam.

Es vergehen Stunden und Tage in denen er ohne Pause, wie besessen zeichnet.

Komma vor "in", Komma weg vor "wie".

Der Mann, der ihn in einer perfekten Version darstellt, ist wahrheitsgetreu gezeichnet und man hat unweigerlich das Gefühl neben einer lebenden Person zu stehen.

Komma vor "neben". "wahrheitsgetreu" ist hier außerdem das falsche Wort, oder? Schließlich ist es ja doch anders als die Realität. Wahrscheinlich willst Du sagen, dass es echt aussieht, meinst also "naturalistisch".

Angestrengt kneift er die Augen zusammen und seine Finger streichen über das gezeichnete Eisen.

Ich bin mir nicht sicher, glaube aber, dass Schmuck sehr, sehr selten aus Eisen hergestellt wird. Wahrscheinlich meinst Du generell "Metall"? Das ist ein Oberbegriff, könnte auch Gold oder Silber sein. Aber ein Ring aus Eisen ... Okay, ich habe das gerade kurz nachgeschaut, erfahre also, dass Ringe aus Eisen früher als Statussymbol galten. Hm. Also, ich bin da echt ins Schleudern geraten.

Ohne ein Geräusch steigt sein Abbild einfach aus dem Bild und lässt die Leinwand leer zurück - als hätte der Maler nur einen Hintergrund gemalt, jedoch vergessen das Wesentliche darin festzuhalten.

Komma vor "das". "einfach" würde ich streichen, umgangssprachlich und entkräftend.

Die perfekte Version von ihm greift still lächelnd nach seiner Hand und er fühlt, wie ihm auf einmal die Luft zum atmen entweicht.

"Atmen" groß.

Mittlerweile fühlt es sich so an, als würde jemand allen Sauerstoff aus seinem Körper saugen und selbst, als nichts mehr davon übrig ist, immer weiter saugen.

Zweimal "saugen", den Satz könnte man raffinierter bauen. Also entweder den Satz so bauen, dass man nur einmal "saugen" braucht, oder beim zweiten Mal ein anderes Wort benutzen.

Ich sage nur kurz was zum Spannungsaufbau. Tatsächlich glaube ich fast, es hätte der Geschichte vom Spannungsbogen her gutgetan, Du hättest den Mittelteil, den ich mal den Hyde-Teil nenne, weggelassen. Der Prot will ein perfektes Abbild seiner selbst schaffen, schläft ein, danach ist das Bild fürchterlich, und er weiß nicht, was geschehen ist.

Der Knackpunkt, warum der Hyde-Teil relativ langweilig ist (abgesehen davon, dass er durch die fehlenden Zeilenumbrüche praktisch unmöglich zu lesen ist), liegt im kleinen Wörtchen, das ich zu der kursivgesetzten, kurzen Inhaltszusammenfassung im vorherigen Absatz benutzt habe: "will". Dein Hyde-Part will gar nichts, zumindest nichts Erkennbares. Er geht irgendwohin, benimmt sich lasterhaft, und das war's.

Spannung hängt meistens damit zusammen, dass Du Dir überlegst, was Deine Figuren wollen. Jekyll in Deiner Geschichte will sich z.B. so malen, wie er am perfektesten wäre, womöglich will er sogar am perfektesten sein. Was Hyde will, weiß ich nicht. Der lässt sich einfach treiben. Und das ist leider nicht spannend.

Also, um Spannung herzustellen, würde ich Dir raten, den Abschnitt entweder ganz zu streichen und nur Andeutungen auf mögliche Traum-Vorkommnisse zu machen, oder Deinem Hyde-Part ein Ziel zu geben, etwas, das er will. Letzteres wäre natürlich insgesamt die spannendere Sache.

Ich bin gespannt, also: Make it work!

Und lass Dich nicht entmutigen. Wie gesagt, das Zauberwort (oder zumindest mein Zauberwort) ist Hingabe. Arbeit, Fleiß, Leidenschaft, Liebe, Sorgfalt. Nimm Dir also Zeit. Und schau Dich hier ruhig ein wenig um, dabei kann man wirklich ungemein viel lernen.

Spannungsreiche Grüße,
Maria

 

Hallo @TeddyMaria und @josefelipe,
danke dass ihr euch meinen Text angetan habt. ;)
Da ich bisher in anderen Kreisen wenig bis gar keine Kritik bekommen habe, ist es interessant auch diese Seite kennenzulernen. Einigen eurer Aussagen stimme ich zwar nicht zu, andere jedoch haben mir auf jeden Fall weiter geholfen. Das mit den Adverbien stimmt, ich weiß es auch und versuche schon es zu ändern.

Danke an euch beide
LG
Mer

 

Hallo @Mer,
nach einer halben Ewigkeit melde ich mich zurück und finde gleich einen Text, der mir gefällt. Es ist immer schwer, nach @TeddyMaria noch etwas konstruktives beizutragen, aber ich will es versuchen, vor allem, da dein Text wirklich viel hergibt.

In den düsteren Gedanken und Zeichnungen deines Protagonisten kann ich mich schnell wiederfinden (auch wenn ich nichts vom Malen verstehe). Er besitzt Fantasie, gleichzeitig fühlt er Leere in sich. Du beschreibst gut, in manchen Momenten hatte ich ein ganz klares Bild im Kopf. Leider ist die Geschichte etwas unstrukturiert und nicht gerade fehlerlos, da bitte selber noch mal gründlich drüber schauen.

Im ersten Teil bin ich eigentlich nur am Schminkspiegel hängen geblieben. Die Beule macht ihn zwar interessant, doch ich habe mich gefragt, wieso der Prot einen besitzt. Besser passen würde meiner Meinung nach etwas wie ein spiegelndes Stück Blech, eine Fensterscherbe. In der Friedhofszene wird der Engel eingeführt, danach musst du unbedingt einen neuen Absatz beginnen. Dein Prot schlüpft in das Leben eines anderen, hier finde ich die bloße Aneinanderreihung der stereotypischen und glanzlosen Stationen etwas übertrieben und nebenbei uninteressant. Vielmehr solltest du auf den Schluss mit dem Engel hinarbeiten, dass man im letzten Absatz nicht grübeln muss, was überhaupt passiert ist. Ausgerechnet hier erlaubst du dir sprachliche Ungenauigkeiten wie

Seine steinernen Augen blitzen wütend. Machtlos schaut er dabei zu, wie sein Bauch von dem großen, weißen Speer durchbohrt wird und er wie eine Trophäe emporgehoben wird. Übermächtiger Schmerz lässt ihn nach Luft schnappen. Das Erste, das er wieder fühlt.

Eilig wirft er diesen zitternd über die Leinwand und verlässt ohne einen Blick zurückzuwerfen das kleine, enge Zimmer - vollbehangen mit Kohlezeichnungen, Öl- und Aquarellgemälden.
Meiner Meinung nach sind die Wiederholungen unnötig und nehmen die Dramatik. Wenn er das Zimmer ohne Blick zurück verlässt, sollte das auch so stehen bleiben. Es spielt keine Rolle mehr, dass es klein und eng war, da er nicht mehr drin ist.

Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen. Im schlimmsten Fall ist meine Kritik noch verwirrender als deine Geschichte, aber ich muss auch erst wieder reinfinden. :D

Viele Grüße
Jonathan

 

Hallo @Rappi,

danke für dein Feedback. Mir ist klar, dass der Text nicht fehlerlos ist. Ich habe ihn einfach nur geschrieben und dummerweise ohne effektive Überarbeitung hochgeladen. Ich habe einfach geschrieben, was mir in den Sinn kam. Deswegen wahrscheinlich die fehlenden Absätze und die anderen Schlampereien. Ein Fehler, der mir so nicht noch einmal passieren wird.

Vielen Dank.
LG Mer

 

Hola @Mer,

Ei schau, dachte ich, was der Mer da schreibt:

Mer: schrieb:
Ich habe ihn einfach nur geschrieben und dummerweise ohne effektive Überarbeitung hochgeladen. Ich habe einfach geschrieben, was mir in den Sinn kam.

Da lag ich ja gar nicht so daneben:
Jose: schrieb:
Du lässt Deine Fantasie von der Leine und kannst sie beinahe nicht mehr bändigen. ... ... Könnte mir sogar vorstellen, dass ein Schreiber mit Deinem Talent das in einer ‚müßigen Musestunde’ auf einen Rutsch runterschreibt.

Kein großes Ding, nur der Beweis, dass ohne Input nicht viel Output zu erwarten ist. Aber Du verfügst über solch eine überbordende Fantasie, dass Du wohl ganze Galaxien unter „Fantasy“ erfinden wirst und wir gespannt sein dürfen.

José

 

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