Was ist neu

Die Parabel vom Selbst und seinem Ich

Mitglied
Beitritt
24.10.2007
Beiträge
4

Die Parabel vom Selbst und seinem Ich

Da rief etwas leise, vornehm und kaum vernehmbar zum Ich: „He du Ich, komm zu mir in den Fluss und lass dich von mir tragen!“. Doch das Ich hörte nichts und thronte weiter auf seinem Steinhaufen am Ufer. Es genoss die gerade entdeckte Sonne in der Höhe und es hatte das was man sein Selbst nennt, überhaupt nicht bemerkt. So viele Jahre hatte das Ich hart daran gearbeitet, den Stein zu erobern. So wurde es Abend und die Sonne ging unter. Da wurde es dem Ich auf einmal kühl und einsam auf seinem Steinhaufen. Doch das Wasser unter ihm gluckste so vergnügt wie am Tage. Stetig war sein Rauschen, Helle oder Dunkelheit schienen keinen Einfluss auf es zu haben. Bald fing die Dunkelheit an zum Ich zu sprechen. Nichts sehen können, nur hören, in sich lauschen. Seltsame Stimmen drangen da zum Ich. Sie waren so fremdartig und zugleich so vertraut. Das Ich erstarrte vor Angst bis die Nacht vorüber war.

Mit den ersten Sonnenstrahlen war das Ich froh wieder sehen zu können, bemerkte bekanntes vom Vortage und erhob sich stolz und frohgemut. Doch weh, was sah es da? Andere Steinhaufen, höhere, mit anderen Ichs, die hochmütig und Ichzufrieden auf unser Ich hinab blickten, oder es schlicht ignorierten, über es hinwegblickten. Aber einige, obwohl erhöht auf ihren geschaffenen Steinhaufen, waren noch nicht von den Sonnenstrahlen des Morgens berührt worden, und sahen ein wenig verkümmert aus. Das sah unser Ich aber nicht, denn der Zweifel ob seiner geringen Höhe und die Sehnsucht dies zu ändern, hatten schon an ihm zu nagen begonnen.

Auf der Suche nach dem nächsten höheren Steinhaufen, der Befreiung von den Qualen der Meinungen und von der Voreingenommenheit und der Befriedigung der Ichsucht versprach, traf unser Ich ein anderes Ich. Dies schaute krank und unzufrieden aus, doch das sah unser Ich nicht, denn es war ganz von seinem erlösenden Ziel erfüllt. Unser Ich fragte: “Wo geht lang der Weg zur Erfüllung?“ Das andere Ich schaute kurz nachdenklich, doch dann schien es sich zu besinnen. Denn einen Fehler einzugestehen, oder dem eigenen, angenommenen Sein zu widersprechen, das tat keinem Ich gut. So sprach das andere Ich zu dem Unsrigen: „Folge mir, und ich werde dir den Weg zur Erfüllung zeigen. Doch zuerst musst du mir dabei helfen, meinen Steinhaufen etwas höher und stabiler zu machen. Das wird auch dir gut tun“. Freudig machte unser Ich sich daran, dieser Aufgabe nachzukommen.

So arbeitete unser Ich hart jeden Tag. Wenn es den Steinhaufen des alten Ichs erhöht hatte, gab dieses ihm ein paar Kieselsteine und Worte der Ermunterung: „Bald, bald wirst du deine Zweifel verlieren“. Da fühlte unser Ich sich wohl und sonnte sich im Lichte des anderen Ichs. Wenn das andere Ich sich schlecht fühlte, verstand das unser Ich nicht, es war doch so hoch über ihm, dann peitschte es unser Ich mit den Worten: „Wenn du so weiter machst, dann wird aus dir nichts und du wirst auf ewig von deinen Zweifeln verfolgt.“ Dann zuckte unser Ich zusammen und arbeitete um so härter und das andere Ich schaute ihm mit einem wohlwollenden Lächeln zu.

Doch wenn es dunkel wurde, wenn Ruhe einkehrte, da begann etwas aus unserem Ich heraus zu leuchten und es hörte ein Murmeln und ein Glucksen, das es nicht verstand. Da wurde dann in der Angst sein Zweifel noch größer und unser Ich begann nach Schuldigen dafür zu suchen. So ver*giftete es sich zunehmends selbst und seine Ängste der Nacht wurden immer größer. Und mit seinen Ängsten begann der Hass ihn zu durchfluten und sein Denken zu bestimmen.

Nach einiger Zeit war der Hass auch des Tages riesengroß und unser Ich sann nach einer Möglichkeit der Befriedigung. Was tun, um diesem bohrenden, diesem alles verschlingenden Gefühl nachzugeben? Wer war schuld daran? Da nahm unser Ich einen Stein und hieb damit das andere Ich von dessen Steinhaufen hinunter. Welch ein Gefühl der Befriedigung durchflutete da unser Ich! Es hatte gesiegt und aller Hass fiel von ihm ab. Es hatte die Sucht des Ichs befriedigt und ein angenehmer Rausch umnebelte ihn. So verging der Tag und die Nacht kam.

Und wie schon in so vielen Nächten zuvor, begann auch sein Stern wieder zu leuchten. Ärgerlich funkelte er ihn an: „Was hast du getan!? Wer bist du, dich diesem Trugschluss hinzugeben? Dir will ich nicht mehr leuchten!“ Da erwachte unser Ich schweißgebadet und zitternd. Was war das, was hatte ihn da verlassen?

Am nächsten Morgen, als aller Rausch des Vortages vergessen war, erkannte unser Ich die Trostlosigkeit des Steinhaufens, den es übernommen hatte. Es schaute sich um und sah, dass viele andere Steine, höhere, mit anderen Ichs die hochmütig und Ichzufrieden auf unser Ich hinab blickten oder es schlicht ignorierten, über es hinwegblickten in eine unbekannte Ferne. Und schon wieder begann sich eine Sehnsucht in unserem Ich auszubreiten. Doch diesmal war da noch ein anderer Zweifel dabei. Es rief nicht nur die Frage, wie komme ich da hinauf, sondern es war auch ein - wer bin ich – dabei.

Unser Ich stieg von seinem Stein und machte sich auf die Wanderschaft. Doch diesmal ließ es sich nicht von den Lockrufen der anderen Ichs beeinflussen. Es sprach mit ihnen, fragte sie: „Was ist wichtig?“ und es bekam viele Antworten. Es schaute was diese Antworten in ihm auslösten und stellte sich diesen Antworten offen und ohne Voreingenommenheit. Es beobachtete wie es auf die Meinungen der anderen reagierte. Unser Ich wollte nicht mehr nur starrsinnig in eine Richtung laufen und es wollte alle Süchte wie dem nach dem ich verlieren. Denn es hatte ja gesehen wohin das führt. Jede Sucht verlangt nach immer mehr Befriedigung.

Schließlich kam unser Ich zu einem etwas chaotisch aussehenden Steinhaufen auf dem ein altes Ich mehr lag als thronte und sich zugleich spöttisch und ängstlich blickend das Treiben der anderen anschaute. Unser Ich wurde neugierig und sprach das alte Ich an: „Altes Ich, was machst du da oben, warum siehst du so entspannt aus, obwohl dein Steinhaufen doch so chaotisch ist?“ Das alte Ich rührte sich nicht, sondern es grinste einfach nur weiter vor sich hin. Da setzte unser Ich sich auf den Fuß des Steinhaufens, lehnte sich nach hinten und ruhte aus. So vergingen einige Tage und Nächte. Das alte Ich sagte in dieser Zeit überhaupt nichts und doch war unserem Ich als ob ihm viel mitgeteilt würde, und ein seltsamer Friede kehrte in ihm ein.

Eines Tages sprach das alte Ich zu unserem Ich: „Und so konnte mein ich nach langer Zeit des Kampfes stolz auf einen großen unverrückbaren Haufen von Steinen blicken. Zwar bröckelten am Flussufer immer wieder welche ab, doch die ließen sich leicht austauschen. Mit den Jahren wurde ich älter und mein erhobenes ich immer schwächer. Von dem Selbst, meinem Selbst, hatte ich schon lange nichts mehr vernommen. Gehört von dem Selbst habe ich nur aus den Mündern anderer, die offener schienen als ich. Der Austausch der Steine wurde mit der Zeit schwieriger. Irgendwas zerrte immer stärker in mir und ich fühlte, dass ich an einem Platz bin, an dem ich nicht hingehöre. So, als sei ich losgelöst von meinem Inneren. Da bekam ich große Angst. All meine Kraft war vertan. Einen Haufen aus Steinen, einem nutzlosen Turme gleich, im Irgendwo hatte ich erschaffen. Dieser Steinhaufen wird dem Untergang geweiht sein, wenn ich eines Tages nicht mehr bin. Da verstärkte sich meine Angst vor dem Tode immer mehr. So tat ich nichts mehr und jetzt bin ich noch hier und bin doch nicht mehr hier.“

Da endlich erkannte unser Ich was es tun musste. Es kletterte hinauf, ohne oben sein zu wollen wie in seinen früheren Tagen, und kurz bevor es an den Rand des Steines des alten Ichs trat, dessen Höhe doch nicht die seinige war, sprach es zum alten Ich: “Sorge dich nicht. Ich danke dir für deine Worte und bald werde ich wieder da sein!“. Dann sprang es in die ungewissen Fluten hinein. Voll Unsicherheit und voller Vertrauen zugleich, denn unser Ich wußte jetzt, weiter hinauf zu dem was früher ein Oben war, ging es nicht mehr für ihn, und stehenbleiben in einer Welt der Wandlungen – das gab es nicht. Unser Ich spürte intuitiv, es musste ein Teil des großen Rhythmus werden, um wahrhaft frei zu sein.

Derart sich vertrauend im Zweifel sah es auf einmal sein Selbst klar vor sich, wie es unter ihm im Flusse vergnügt und frohgemut winkte, wie es umhertollte in diesen bedingenden und unbedingten Fluten des Lebens. Getragen vom Leben und sich selber und das Leben tragend. Ruhend und bewegend zugleich. Harmonie und Stille - Schöpfung und Werden.

Das Ich sprach zu seinem Selbst: „Wie schön es hier doch ist! Wie lange ich brauchte hierher zu kommen und doch beginne ich schon zu vergessen woher ich kam. Hier bin ich in mir und die große Quelle sprudelt aus mir heraus und ich bin zugleich die Quelle. Doch ab und zu ... ab und zu will ich ein Ich sein, denn das ist meine Bestimmung als Ich. Dann werde ich an das Ufer klettern und einen kleinen Steinhaufen bauen. Damit die anderen sehen können wo ich bin, wenn sie schauen wollen. Und wenn sie wollen, sie mir denn zu folgen vermögen. Und damit ich ihnen meine kleine Geschichte erzählen kann.“

Wie üblich sagte das Selbst nichts dazu, gluckste und plätscherte aber ein wenig mehr.

Oder?​

 

Salü Lupus,

willkommen hier auf KG.de. Ich hoffe, Du hast Dich vorher schon mit diesem Forum beschäftigt und weisst also, was auf Dich zu kommt ... :lol:

Also da sind einige Sätze, die Du anschauen solltest:

Wenn das andere Ich sich schlecht fühlte, verstand das unser Ich nicht, es war doch so hoch über ihm, dann peitschte es unser Ich mit den Worten: „Wenn du so weiter machst, dann wird aus dir nichts und du wirst auf ewig von deinen Zweifeln verfolgt
Dieser Satz ist zu lang und Du packst zu viel hinein ...
So ver*giftete es sich
*
Es schaute sich um und sah, dass viele andere Steine, höhere, mit anderen Ichs die hochmütig und Ichzufrieden auf unser Ich hinab blickten oder es schlicht ignorierten, über es hinwegblickten in eine unbekannte Ferne
Wie oben.
ein anderer Zweifel dabei. Es rief nicht nur die Frage, wie komme ich da hinauf, sondern es war auch ein - wer bin ich – dabei.
Zweifel, Frage ... statt 2x '-' Anfürungszeichen: "Wer bin ich?" ('Dabei' kann dann weg.)
Das alte Ich rührte sich nicht, sondern es grinste einfach
'grinste' ist nicht so toll ...
Und so weiter, bis zum letztendlichen
Nein, also das kannst Du mir als Leser nun wirklich ersparen, das ist zu umgangssprachlich und sagt nichts.

Nichts für ungut und herzlichen Gruss,
Gisanne

 

Hi Gisanne,
vielen Dank für die nette Begrüßung und deine Kommentare. Ja, ich hab mir eure Beiträge und Kommentare zuvor angeschaut.

Zu den deinigen:
- Ok, werde schauen die langen Sätze knapper zu gestalten
- Das abschließende "Oder" hab ich bei Nietzsche geklaut, und sollte den Text wieder in Frage stellen. Denn darum geht es doch auch in diesem Themenumfeld. Oder?

Viele Grüße, Lupus

 

Salü Lupus,

in diesem Falle ïst das 'Oder?' natülich ok. Verzeih!

Gisanne

 

Hallo Gisanne,

in diesem Falle ïst das 'Oder?' natülich ok.
Ja, sollte es nicht aus dem Text hervor gehen, ob man ein Element benutzen kann? Oder aus der nachgeschobenen Erläuterung? Die liest doch normalerweise keiner.

Viele Grüße Lupus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom