Die Offenbarung
Die Offenbarung
Es war ein früher spätsommerlicher Abend. Die Sonne hatte sich soeben verabschiedet und die Dämmerung befand sich noch im Anfangsstadium. Eine kleine Gesellschaft speiste auf einem Hügel an einem Tisch unter einer grossen Eiche. Die Lampinons, die an den Ästen des Baumes befestigt waren, wogten leicht in der Abendbrise hin und her. Einige vereinzelte Sterne wurden am Himmel sichtbar, der Mond hatte die Form einer Sichel.
Die Gruppe bestand aus drei Männern und zwei Frauen. Am Hang spielten zwei Kinder. Man aß Hühnchen und Bratkartoffeln sowie Brot. Auf einem Grill lagen einige Schnitzel. Wein und Wasser dienten als Getränke. Seit einiger Zeit wurde nicht’s mehr gesagt. Moses, ein junger durchtrainierter und gut aussehender Mann, ergriff das Wort:
„Nun, so steht es geschrieben… und er ergriff den Drachen, die Urschlange, welche der Teufel und der Satan ist, und band ihn für tausend Jahre. Und er schleuderte ihn in den Abgrund und verschloß diesen und versiegelte ihn über ihm, damit er die Nationen nicht mehr irreführe, bis die tausend Jahre zu Ende wären. Nach diesen Dingen muß er für eine kleine Weile losgelassen werden,“ zitierte er Offenbarung 20.2 und 3. „Und diese tausend Jahre sind nun zu Ende. Und wahrlich, es war eine grossartige Zeit. Aber wie könnten wir wirklich in Versuchung gelangen nachdem wir diese segensreichen tausend Jahre von Gott geschenkt bekommen haben.“
Jayson stand wortlos auf , entschuldigte sich und ging ein paar Schritte den Hügel herunter. Moses hatte Recht. Die Menschheit hatte über tausend Jahre Zeit gehabt zur Vollkommenheit heranzureifen. Aber Moses war ein grosser Prophet, er hatte das alte israelische Volk aus Ägypten geführt. Er hatte ihn Prüfungen bereits seine Lauterkeit bewiesen. Jayson selbst hatte einfach nur Glück gehabt. In einem Moment starb er durch eine feindliche Kugel in der Schlacht von Verdun im ersten Weltkrieg und im nächsten Augenblick erwachte er in einem Paradies wieder. Moses hatte sich seiner angenommen und im vieles gelehrt. Die biblischen Prophezeiungen von Armagedon und der darauf folgenden Gottesheerschaft waren wahr. Er hatte damals, zu Beginn des Milleniums, geholfen die Überreste der Toten zu beseitigen und die Erde neu zu gestalten sowie andere Neuankömmlinge aus den Gräbern willkommen zu heissen. Jayson dachte an das letzte Wochenende, als er auf einem der vielen Feste zum Lobpreis Gottes war, die in den letzten sechs Wochen so häufig auftraten. Die Veranstaltung war an einem See gewessen, eine kleine Bühne schwamm auf dessen Mitte. Die Musiker zauberten an jenem Abend ein Fest für die Sinne und machten ihm klar mit welchem Dilletantismus die Künstler vor der Zeit, sprich Mozart, Bach und andere, agiert hatten. Jayson hatte sich sagen lassen das die Menschen des frühen 21 Jahrhunderts mit all ihrem Können nicht mehr als naive Kinder waren, im Vergleich zu den Menschen der letzten drei bis vierhundert Jahren. Was ja auch logisch war, nutzten sie doch nur einen Bruchteil ihres Gehirns.
Ein Löwe näherte sich mit gemächlichem Schritt aus der Waldlichtung, am Ende des Hügels, der speisenden Gruppe. Majestätisch passierte er die Kinder die vor Freude glucksten. Für niemandem war das ein Grund zur Besorgnis. Auch die Prophezeiung der friedlichen Tiere hatte sich bewahrheitet. Der köstliche Geruch der Speisen hatte ihn angelockt. Die Kinder waren natürlich ganz wild darauf die einstige Raubkatze zu füttern.
Jayson lächelte und wandte sich von diesem friedlichen Bild ab. Er verstand nicht warum das alles jetzt enden sollte. Schon morgen würde Satan wieder Einfluss auf das Leben der Menschen nehmen dürfen. Wie erfolgreich würde er sein? Würde die Menschheit nach tausend Jahren des Friedens tatsächlich wieder aneinander abschlachten? Und das trotz ihres gewaltigen Wissens? Er blickte in die mittlerweile doch recht imposante Sternenflut am Himmel und wusste das die Zukunft ungewiss sein würde. Erstmals nach einem Jahrtausend würde das Leben wieder dem Chaos unterworfen werden