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Die nervige Stimme
„Sollen wir am Esstisch oder auf der Couch essen?“
„Lieber auf der Couch. Ich würde gerne nebenbei Nachrichten gucken, wenn es dir Recht ist.“
„Klar! Ich habe übrigens noch eine Flasche Ginger Ale gekauft. Sollen wir ein Glas zum Essen trinken?“
„Oh ja. Hast du die Flasche kalt gestellt?“
„Ja, steht im Kühlschrank.“
„Perfekt! Ich hole die Flasche, du die Gläser!“
„Die Gläser stehen schon auf dem Tisch.“
„Okay!“
„Kommst du dann? Ich habe total Hunger.“
„Hier ist die Flasche. Ich komme sofort; ich ziehe mir nur eben schnell noch eine bequeme Hose an. Schalt doch schon mal die Tagesschau ein.“
„Ist gut, aber beeil dich. Mein Magen knurrt.“
„Bin schon da. Wie war denn dein Tag überhaupt?“
„Ach, eigentlich wie immer. Kaum zu bändigende Kinder mit hohem Bewegungsdrang und anschließendem Schmusebedarf. Und bei dir?“
Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.
„Ähnlich wie bei dir. Wir haben heute zwei Anklagen verhandelt. Ein Schwarzfahrer und ein Ladendieb. Anschließend war ich im Büro und habe bis gerade eben die kommende Woche vorbereitet.“
„Was ist bei den Verhandlungen rausgekommen?“
In Deutschland ist die Zahl der Abschiebungen gestiegen. Von Januar bis Oktober wurden bereits mehr Ausländer zurückgewiesen als im ganzen vorherigen Jahr. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums waren es in den ersten zehn Monaten knapp 22.000.
„Die Richterin blieb bei der Forderung der Staatsanwalt, so dass beide Sozialstunden ableisten müssen.“
„Wirst du in Berufung oder Revision gehen?“
„Nein, beide waren geständig und haben die Strafe sofort akzeptiert.“
„Waren es Jungs?“
„Ja, der Diebstahl ist von einem 17-jährigen Flüchtling begangenen worden und die Schwarzfahrt von einem ganz armen Würstchen. Der hat seine Mutter schon im Alter von 6 Jahren verloren und wurde von seinem alkoholkranken Vater geschlagen und mehr oder weniger alleine verzogen.“
„Der Arme!“
„Ja, sehr bemitleidenswert.“
Bei der Flucht über das Mittelmeer sind in diesem Jahr bereits mehr als 4600 Menschen ums Leben gekommen. Das seien etwa 1000 Tote mehr als im selben Zeitraum 2015, teilte die Internationale Organisation für Migration mit. Alleine in den vergangenen drei Tagen wurden 365 Opfer gezählt.
„Schmeckt‘s dir denn überhaupt?“
„Total lecker! Das Pesto ist dir richtig gut gelungen. Schmeckt´s dir etwa nicht?“
„Doch doch! Sehr sogar. Wollte nur wissen, ob es dir auch so gut schmeckt wie mir. Kannst du mir noch den Salat anreichen?“
„Hier hast du ihn, mein Schatz. Übrigens, du hattest Recht. Die Schmidts fahren tatsächlich in den Urlaub.“
„Dann habe ich im Garten neulich also doch richtig mitgehört.“
„Ja, habe den Schmidt heute auf dem Weg vom Gericht ins Büro getroffen. Haben kurz gequatscht. Die machen eine Kreuzfahrt. Von Mallorca über Korsika nach Sizilien und wieder zurück.“
„Haben die im Lotto gewonnen?“
„Ich weiß es auch nicht. Und die haben sich erst ein neues Carport bauen lassen. Irgendwie machen wir was falsch.“
Nachdem Brandanschlag auf ein geplantes Flüchtlingsheim in Tröglitz ist ein Landrat unter Polizeischutz gestellt worden. Der Politiker wird nach eigenen Angaben bedroht, weil er sich für die Unterbringung von Asylbewerbern in dem Ort in Sachsen-Anhalt einsetzt. Bei dem Anschlag halten die Ermittler einen politischen Hintergrund für naheliegend. Anfang März war bereits der Bürgermeister des Ortes wegen rechtsextremer Anfeindungen zurückgetreten.
„Hast du eigentlich davon gehört, dass es einen Feuerwehreinsatz an der städtischen Gesamtschule gegeben haben soll?“
„Quatsch“
„Doch! In einem der Chemieräume hat es wohl einen Vorfall gegeben, bei dem sich Rauch entwickelt haben soll. Habe es auf Facebook gelesen.“
„Wusste gar nicht, dass dort Chemie unterrichtet wird. Ist was passiert?“
„Nicht wirklich. Zumindest gab es laut Medienberichten keine Verletzten. Die Ursache ist wohl auch noch nicht geklärt.“
„Unfassbar. Nicht auszumalen, was los gewesen wäre, wenn dort etwas passiert wäre. Die haben doch eh schon so einen schlechten Ruf dort.“
„Geht die Tochter von den Schmidts nicht auf diese Schule?“
„Gute Frage. Das kann ich dir gar nicht sagen.“
Björn Höcke, Chef der AFD in Thüringen. Er ist bekannt für Provokationen. Gestern Abend provozierte er wieder. Mit seinen Aussagen zum Holocaust Gedenken löste er eine Debatte aus. Deutschland brauche eine 180° Wende in seiner Erinnerungspolitik, so Höcke. Und weiter: >>Wir Deutschen, und ich rede jetzt nicht von euch Patrioten die sich hier, heute versammelt haben; wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.<<
„Hast du bei deinen Eltern angerufen, wegen des kommenden Wochenendes?“
„Noch nicht. Mache ich morgen. Ich gehe aber davon aus, dass wir am Samstag hinfahren“
„Und wann genau?“
„Wahrscheinlich zum Kaffee und Kuchen, also so gegen drei; Yannick und Maleen wollten auch kommen“
„Das klingt ja nach einem richtig gemütlichen Familiennachmittag in Gera.“
„Ja, ich freue mich auch schon. Wir waren das letzte Mal vor drei Wochen bei Mama und Papa.“
„Stimmt. Aber denk bitte daran, dass wir vorher noch eine neue Badezimmerlampe kaufen wollten.“
„Ja ja, das machen wir vorher.“
„Hoffentlich!“
Nirgendwo ist die Regierungsbildung so unklar wie in Sachsen-Anhalt, denn hier hat die AFD nicht nur ihren größten Erfolg erzielt, sondern das beste Ergebnis, das eine außerparlamentarische Kraft aus dem Stand bei deutschen Landtagswahlen bisher geschafft hat.
„Willst du noch was vom Ginger Ale?“
„Ja, gerne. Könntest du aber vorher bitte umschalten oder ausschalten? Das ist ja unerträglich. Die Nachrichtensprecherin hat ja eine derart nervige Stimme; Das macht mich völlig aggressiv.“