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Die naschhafte Prinzessin
Es war einmal eine kleine Prinzessin namens Rosalie, die lebte mit ihren Eltern in einem herrlichen, weissen Schloß, umgeben von einem prächtigen Garten und einem glitzernden See.
Ihr Vater, der König, war ein freundlicher und gutmütiger Mann und ihre Mutter, die Königin, konnte ihrem liebsten Kind keinen Wunsch ausschlagen. Die kleine Prinzessin hatte aber eigentlich nur einen Wunsch: Süßigkeiten. Den ganzen Tag lang lag sie in einem rosa Kleidchen auf ihrerm gemütlichen Sofa und naschte süße Leckereien. Am liebsten aß sie Marzipan, Schokolade und Nougat, aber auch Drops und Gummibärchen konnte sie nicht widerstehen.
Ihre Eltern hatten ihr bunte Springseile und Bälle, goldene große Reifen und silberne Rollschuhe geschenkt, aber das war ihr alles viel zu anstrengend. Lieber saß Rosalie am Fenster, etwas Gutes zum Knabbern in der Hand, und guckte in den Garten hinunter, auch wenn das eigentlich sehr langweilig war.
Wie man sich vorstellen kann, wurde sie dick und rund wie ein Tönnchen. Mit sechzehn Jahren quoll sie alle zwei Wochen aus ihren Kleidern heraus und man musste immer wieder neue anfertigen lassen.
“Rosalie mein liebes Kind, iß doch nicht so viel, du wirst zu dick!”, sprach ihre besorgte Mutter und ihr Vater runzelte die Stirn, wenn ihr wieder einmal ein paar Knöpfe vom Kleid abplatzten.
“Papperlapapp!”, antwortete die Prinzessin kauend, “ich bin gerade richtig.”
Der verzweifelte König fragte den Hofarzt um Rat. Dieser stellte die Prinzessin auf die königliche Waage, aber die Waage quietschte nur und blieb bei der letzten Zahl stehen.
“Die Waage reicht nicht aus!”, sprach der Hofarzt und kraulte sich nachdenklich seinen Bart, “das heißt, dass die Prinzessin zu dick ist. Sie muss abnehmen.”
Von diesem Tag an gab der König allen im Schloß den Befehl, der Prinzessin nichts Süßes mehr zu geben. Stattdessen versuchte man, sie mit Kartoffeln, Knäckebrot und sauren Gurken zu ernähren.
Rosalie machte daraufhin ein furchtbares Spektakel und stampfte mit ihrem kleinen dicken Fuß auf.
“Wo ist die Schokolade!”, kreischte sie, “wo sind die Bonbons und Zimtwaffeln?”
Weil die Königin ihre kleine Prinzessin so schrecklich lieb hatte, gab sie ihr schnell ein Stück Kuchen, damit sie aufhörte zu toben. Der Koch konnte sie auch nicht traurig sehen und steckte ihr immer heimlich etwas zu und so kam es, dass sie kein bißchen abnahm, ja sie wurde sogar noch dicker.
Der König, welcher seine Tochter wirklich über alles liebte, dachte ”So geht das nicht” und beschloß, alle jungen Männer des Landes zusammenzurufen.
“Wer die Prinzessin von ihrer Naschhaftigkeit heilen kann, dem gebe ich sie zur Frau!”, versprach er den aufgeregten jungen Männern, die sich im Schloßhof versammelt hatten. Der Erste versuchte es mit Sport.
Morgens um acht Uhr stand er unter dem Fenster der Prinzessin und blies auf einer Trillerpfeife. Er wollte mit ihr durch den Schloßgarten rennen und über Baumstämme springen, aber die Prinzessin hatte nach drei Minuten keine Puste mehr und fiel ins Gras.
“Ich hasse Sport!”, schimpfte sie.
Der Zweite sprach: “Liebste, schönste Prinzessin, ich werde dir herrlichste Geschichten erzählen, bei denen du deine Naschsucht vergessen wirst. Geschichten, die von edlen Rittern auf edlen Pferden in edlen Ländern handeln, und von holden Jungfrauen, die unter Holderbüschen sitzen und….”
“Uuaaa!”, gähnte die Prinzessin und winkte ihn mit ihrer Hand weg, “du langweilst mich ja jetzt schon!”
Der Dritte steckte Kartoffelbrei auf ein Stäbchen, damit es wie Zuckerwatte aussah und reichte es erwartungsvoll der Prinzessin, doch die rümpfte die Nase und weigerte sich, es zu kosten.
“Zuckerwatte ist rosa und nicht graugelb, das weiß doch jeder!” , bemerkte sie nur.
Einer nach dem anderen versuchten die jungen Männer ihr Glück, aber niemandem gelang es, die Prinzessin zu heilen und zum Schluß gingen sie alle enttäuscht nach Hause.
Ein paar Tage später beschloss Rosalie, ein wenig durch den königlichen Garten zu spazieren, denn sie hielt es vor Langeweile nicht mehr in ihrem Zimmer aus. Sie hatte furchtbar schlechte Laune, denn sie hatte an diesem Tag noch nichts gegessen und daher konnte sie sich auch nicht an den schönen Blumen erfreuen. Plötzlich kam sie an ein kleines Häuschen, in dem der junge Schloßgärtner wohnte. Sie sah, wie er in der Sonne lag und genüßlich etwas Oranges knabberte.
“Was hast du da, gib’s mir!”,schrie sie und streckte ihre Hand danach aus. Der Gärtner reichte ihr, was er in der Hand hielt, und die Prinzessin biss hinein. Es schmeckte angenehm süß.
“Was ist das?”, fragte sie verwundert.
“Junge, knackige Möhren!” ,antwortete der Gärtner lächelnd.
“Gib mir mehr!” , rief die Prinzessin fordernd, überlegte dann kurz und fügte noch ein leises “bitte” hinzu.
Sie knabberte eine ganze Menge Möhren und fand es richtig aufregend, sie aus der Erde zu ziehen. Es war ein bißchen wie Geschenke auspacken fand sie, man wusste nie, wie die Möhre aussehen würde.
Den ganzen Vormittag verbrachte sie im Garten und ließ sich von dem Gärtner alles erklären. Sie vergaß ganz ihren Appetit auf Süßes und am nächsten Tag lief sie gleich morgens wieder hin. Diesmal kostete sie Zuckererbsen, kleine rote Kirschtomaten und pralle süße Paprika und weil sie schon eine Weile keine Bonbons mehr gegessen hatte und den ganzen Tag an der frischen Luft war, schmeckte alles einfach unglaublich gut.
Von nun an war sie fast jeden Tag im Garten zu finden und als es ihr zu langweilig wurde, nur herumzustehen, half sie dem Gärtner bei seiner Arbeit.
Nach zwei Wochen musste man ihr ein neues Kleid anpassen, diesmal ein kleineres.
“Ein Wunder ist geschehen!”, rief der König und die Königin klatschte begeistert in die Hände.
“Wer hat das geschafft?”, fragten alle verwundert und als die Prinzessin auf den jungen Gärtner zeigte, da riefen alle überrascht: “Sieh an, der Gärtner!”
“Mein lieber junger Gärtner”, sprach der König gerührt, “ ich gebe dir hiermit die Prinzessin zur Frau, wie ich es versprochen habe!”.
Alle klatschten und die Hofdamen quietschten vor Glück.
“Du kannst mit ihr im Schloß wohnen und ihr werdet elf Diener haben und Kleider aus Samt und Seide!”
Der Gärtner und die Prinzessin schauten auf ihre erdverkrusteten Hände, den Spaten des Gärtners und das Bündel Radieschen, was Rosalie in der Hand hielt und dann lächelten sie sich an.
“Heiraten will ich sie gern!”, antwortete der junge Gärtner, “denn sie versteht es gut, mit Pflanzen umzugehen”.
“Aber wohnen wollen wir im Garten”, fuhr die Prinzessin fort, “denn wer soll sich sonst um das schöne Gemüse kümmern?”