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Die Nacht zuvor

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18.09.2010
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Die Nacht zuvor

Die Sonne brannte ihm auf den Pelz. Die Baseballkappe lag quer über sein Gesicht und spendete seinen Augen ein wenig Schatten, aber er merkte, wie sein Bauch und seine Beine langsam durchgebraten wurden.

Sein Kopf rief ihm deutlich zu, jetzt aufzustehen und sich in den Schatten zu begeben. Strandcafe? Hotelbar? Zimmer? Attraktivität in absteigender Reihenfolge...

Allerdings war da der Schweinehund in seinem Innern. Der sagte ganz klar: Liegenbleiben! Bei dieser Hitze war Bewegung verdammt anstrengend. Und die Nacht zuvor war sehr hart gewesen!

Die Nacht zuvor. Ja, das war was.

An alles konnte er sich nicht mehr erinnern. Irgendwann am frühen Morgen war da ein schwarzes Loch. Später hatte er sich aus dem Zimmer an den Strand geschleppt, das Frühstücksbuffet im Hotel war da längs geschlossen. Sein Kopf hatte gerade so durch die Zimmertür gepasst.

Der Abend hatte gar nicht mal so gut angefangen. Sein Kumpel hatte keine Zeit für ihn, weil er zwei Tage zuvor diese Brünette aus Nürnberg kennen gelernt hatte und seitdem praktisch vom Angesicht der Erde verschwunden war. Glückspilz!

Jedenfalls hatte er sich an der Hotelbar ein paar Bier genehmigt und war dann allein los gezogen. Im ersten Laden war nichts los gewesen und er war nach einigen weiteren kühlen Blonden ein paar Türen weiter gegangen. Wie hieß der Laden nochmal, in den er sich dann verirrt hatte? Den kannte er noch nicht, sah eigentlich nicht sehr viel versprechend aus. Warum war er gestern dort gelandet? Fragezeichen. Egal jetzt.

Wie auch immer, von drinnen machte der Schuppen dann doch einiges her. Viel Glitzer, gute Mucke, gutes Publikum. Mannomann, heißes Material war dabei! Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen, als er an die Bräute dachte, die sich letzte Nacht da getummelt hatten. Da war er genau richtig!

Müsste mal langsam aus der Sonne, dachte er. Andererseits, die Erinnerung war gerade so schön plastisch. Wie war's dann weiter gegangen? Er hatte ein bißchen auf der Tanzfläche mitgemischt, hatte es aber nicht geschafft, Tuchfühlung zu einem der möglichen Zielobjekte aufzunehmen. Arrogantes Volk, das. Einige Schnitten hatten ihn kurz gemustert und sich dann schnell lohnenderen Exemplaren der Spezies zugewendet. Das hatte an seinem Selbstvertrauen genagt, aber so schnell gab er nicht auf.

Zwischendurch hatte er sich immer mal wieder an die Bar durchgekämpft. Das war irgendwie kein Laden für Bier, also hatte er lässig ein paar Cocktails geschlürft. Bei einer Bestellung war er sich nicht mal sicher, ob er den Namen richtig ausgesprochen hatte. Jedenfalls guckte der Typ hinter der Theke ihn halb mitleidig, halb amüsiert an. Frechheit, was wußte der schon? Den ganzen Sommer Cocktails für Urlauber mixen, war ja wohl keine Leistung. Er überlegte kurz, dem Clown ein paar Brocken Fachchinesisch aus seinem eigenen Job hinzuwerfen. Allein sein Titel, „Senior Data Management Specialist“, hätte wohl schon den gebührenden Respektabstand hergestellt. Aber was soll's, die innere Genugtuung musste diesmal reichen.

Er war wohl schon eine ganze Weile in dem Laden gewesen, jedenfalls konnte er sich an mindestens fünf verschiedene Cocktails erinnern, die er niedergemacht hatte. Dann sah er SIE. Sie stand mit einer anderen Braut an einem kleinen Tisch nahe der Haupttanzfläche. Lange schwarze Haare, eine Figur, die das Minikleid bestens ausfüllte, und endlose schlanke Beine. Aber das Beste waren die Augen. Als er sie sah, hatte sie zufällig gerade in seine Richtung geblickt und ihm war fast die Luft weggeblieben. Grün-blaue Vulkankraterseen, unergründlich tief und geheimnisvoll. Er war sofort hin und weg gewesen. Das war sie, sie war sein!

Hatte sie ihn länger als nur für einen Augenblick angesehen? Oder spielte seine Fantasie ihm einen Streich? Doch, hatte sie eindeutig. Oder nicht? Er konnte es nicht sagen, seine Gedanken rasten. Sie hatte ein fast leeres Cocktail-Glas vor sich, an der Farbe des Getränks und dem Obstgedöns am Rand des Glases erkannte er, um welche Sorte es sich handelte. So einen hatte er als zweites oder drittes Getränk hier gehabt, oder? Er musste es riskieren.

Er schlängelte sich zur Bar und bestellte drei Gläser von dem Zeug. Dann balancierte er in Richtung des Tisches der Göttin. War nicht so einfach mit den drei Gläsern, irgendwie war schon ziemlicher Seegang. Verdammt, hätte vorher ein bißchen kürzer treten sollen, dachte er. Kam da ein anderer Typ geradewegs auf den Tisch zu? Nein, der Kerl bog ab in Richtung Tanzfläche, Glück gehabt. Keinen Bock auf Konkurrenz jetzt.

Er versuchte sich ins Gedächtnis zu rufen, welchen Spruch er abgelassen hatte, als er an den Tisch der beiden getreten war. Er kam nicht mehr drauf, bestimmt die Hitze hier. War aber wohl nicht ganz verkehrt, sie hatten seine Cocktails akzeptiert und ihn nicht gleich wieder weggeschickt.

Die blonde Freundin der Göttin hatte ziemlich schnell ihr Getränk genommen und sich getrollt. Lag es daran, dass er praktisch nur Löcher in die Schwarzhaarige gestarrt hatte und die andere überhaupt nicht zur Kenntnis nahm? Nicht sein Bier, man muss auch mal Glück haben.

Sie hieß Jade. Perfekt, aber nach einer Lieselotte sah sie nun auch wirklich nicht aus. War Amerikanerin, hatte aber eine deutsche Mutter und sprach praktisch akzentfrei deutsch. Nochmal Glück, sein mieses Englisch hätte die Situation bestimmt ruckzuck verpatzt.

Sie hatten die Cocktails geleert und dann getanzt. Und nochmal getanzt. Und nochmal. Und noch mehr Cocktails. Konnte das wirklich sein? Zwischendurch hatten ein paar andere Kerle versucht, ihm die Göttin auszuspannen. Er war jedes Mal am Rande des Herzkaspers gewesen, eine coole Reaktion wäre ihm nie und nimmer eingefallen. Aber sie hatte alle Avancen zurückgewiesen, hatte sich nur auf ihn konzentriert. War hier eine versteckte Kamera? Aber man konnte ja auch mal Glück haben, oder? Und überhaupt, wieso Glück? Er war ja nun wirklich keiner, der bei sowas auf Glück überhaupt angewiesen war.

Irgendwann waren sie eng umschlungen aus der Disco geschwankt. Sie hatte zu der Zeit auch schon einen gewissen Pegelstand erreicht, aber das musste ja nicht von Nachteil sein. Sie hatten sich für sein Hotel entschieden, sein Kumpel würde sich heute Nacht sicher nicht mehr blicken lassen und das hieß sturmfreie Bude.

Seine Erinnerungen an das, was nun folgte, wurden immer nebulöser. Ihr Körper hielt absolut das, was das Kleid versprochen hatte. Wie oft hatten sie es getan? Nicht oft genug vermutlich, aber er hatte leichte Schwierigkeiten, was die Ausdauer anbelangte.

War sie gleich danach gegangen? Oder erst am Morgen? Auf alle Fälle war sie nicht mehr da gewesen, als er aufwachte. Und auch keine Spur von ihr. Noch nicht mal eine Spur, dass sie jemals da gewesen war. Sie war doch da gewesen? Er seufzte. Die schwarzhaarige Braut aus dem Streifen im Pay-TV-Kanal des Hotels sah ihr wirklich ähnlich. Und wenn er in dem Laden nicht die kleine Stufe übersehen und ihr nicht die Cocktails übers Kleid geschüttet hätte, wäre aus dem Abend vielleicht kein Soloauftritt geworden.

 

Hey,

ich bins wieder :-) Merkwürdig, dass diese deine Geschichte noch niemand kommentiert hat, was soll's - ich mach es jetzt.
Zuerst das Positive: Deine Rechtschreibung und Zeichensetzung lassen - wie schon im ersten Text - kaum etwas zu wünschen übrig. Der Ausdruck ist größtenteils authentisch und die Mischung Hauptsatz-Nebensatz ausgewogen.
Nun zum, meiner Meinung nach, Verbesserungsbedürftigen:
Du beginnst im Präteritum, dein Prot erinnert sich an die vorhergehende Nacht, also müsste alles, was da geschehen ist - bis auf ein paar Ausnahmen - im Plusquamperfekt stehen. Das setzt du auch um, nur nicht konsequent genug. Ein Beispiel:
Wie hieß der Laden nochmal, in den er sich dann verirrt hatte? Den kannte er noch nicht, sah eigentlich nicht sehr viel versprechend aus.
Wenn du an der Stelle "den kannte er noch nicht" schreibst, bekomme ich den Eindruck, dass der Prot den Laden nicht kennt, während er sich an ihn erinnert, was ja unlogisch ist, da er dann bereits drin gewesen ist.
Oder:
Bei einer Bestellung war er sich nicht mal sicher, ob er den Namen richtig ausgesprochen hatte. Jedenfalls guckte der Typ hinter der Theke ihn halb mitleidig, halb amüsiert an. - war er sich nicht mal sicher gewesen, und der Typ hatte mitleidig geguckt
Du könntest den Text durchgehen und nach Stellen suchen, die du ins Plusquamperfekt umformulieren solltest (alle, die keinen Zustand, keine Atmosphäre o.Ä. beschreiben).
Zum Anfang der Geschichte habe ich auch einige Anmerkungen zu machen: Welche Funktion hat eigentlich die Szene, in der dein Prot unter der Sonne brutzelt? Im weiteren Verlauf sprichst du die Hitze ein paar Mal an, am Ende gar nicht mehr. Viell. durchschaue ich deine Absicht nicht, aber im Mom scheint mir dieser Anfang beliebig ersetzbar, was nicht sein sollte.
Auch sprachlich gibt es hier etwas zu verbessern, genauer: die Wortwiederholung.
Irgendwann am frühen Morgen war da ein schwarzes Loch. Später hatte er sich aus dem Zimmer an den Strand geschleppt, das Frühstücksbuffet im Hotel war da längs geschlossen. Sein Kopf hatte gerade so durch die Zimmertür gepasst.

Der Abend hatte gar nicht mal so gut angefangen. Sein Kumpel hatte keine Zeit für ihn, weil er zwei Tage zuvor diese Brünette aus Nürnberg kennen gelernt hatte und seitdem praktisch vom Angesicht der Erde verschwunden war. Glückspilz!

Dann etwas weiter die Wortwahl:
Er hatte ein bißchen auf der Tanzfläche mitgemischt, hatte es aber nicht geschafft, Tuchfühlung zu einem der möglichen Zielobjekte aufzunehmen. Arrogantes Volk, das. Einige Schnitten hatten ihn kurz gemustert und sich dann schnell lohnenderen Exemplaren der Spezies zugewendet. Das hatte an seinem Selbstvertrauen genagt, aber so schnell gab er nicht auf.
Solche Ausdrücke erzeugen keine Bilder in mir, was heißt denn "auf der Tanzfläche mitmischen?" - richtig tanzen? so gut wie's geht rumzappeln? Warum sind andere Exemplare der Spezies lohnender als dein Prot? Sehen die besser aus, sind jünger, teuerer angezogen? Schreibe konkreter, dann bin ich näher an deinem Prot, an seinem Erleben.
Und dann der Schluss: Das mit dem Getränke-direkt-auf-das-Kleid-der-Traumfrau verschütten hätte ich dir abgekauft, wenn dein Prot ein besoffener Teenie, der zum ersten Mal in ner Disko ist, wär. Aber er ist ein Mann , kein Frauen-gnadenlos-Aufreißertyp, aber doch mit gewissem Widerstand und Erfahrung mit Alkohol. Dementsprechend fad und unglaubwürdig finde ich den Schluss; ich bin sicher, dass du eine spannendere, anspruchsvolle Auflösung finden kannst!
Auf jeden Fall hab ich mich gefreut, wieder etwas von dir zu lesen, und wünsch dir weiterhin die Gunst der Muse :-)
Juno

 

Hallo Juno,

vielen Dank für Deine Kommentare!

Mit den Zeitformen muss ich wohl in der Tat sorgfältiger umgehen, darauf hatte ich nicht konsequent genug geachtet.

Mit dem Schluss bin ich selbst auch nicht zufrieden (und meine Frau auch nicht, was das angeht...). Ich habe versucht, da eine Pointe reinzubringen, speziell nach Deinem Kommentar zu der Radfahrergeschichte, die ich vor einigen Wochen gepostet hatte. Bei der Formulierung dieser Pointe habe ich mich aber, wie man wohl merkt, schwergetan. Das bedeutet wohl weiter üben ;-)

Was die Wortwahl angeht und die Art und Weise, wie der Prot die Situation im Lokal durchlebt, bin ich absichtlich etwas vage geblieben. Die Idee war, dass der Prot etwas Probleme mit dem Selbstbewusstsein hat, ohne dies so recht an einem konkreten "Mangel" o.ä. festmachen zu können. Nach seinem Selbstverständnis geht im eine gewisse "Coolness" ab, die er bei seinen Konkurrenten sieht.

Nochmals danke und viele Grüße, Peter

 

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