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Die Mission
Die Geschichte entstand auf der Basis der Wörterbörse mit den Begriffen Spiegel, Höhenangst, riskieren, flüchtig, Element.
„Was für ein Ausblick!“, sagte er die Stille unterbrechend.
„Ja, einfach faszinierend.“ antwortete ich, ohne mein Gesicht in seine Richtung zu wenden. „Ich könnte hier ewig sitzen bleiben. Schade, dass das ein einmaliges Erlebnis bleiben wird, nicht wahr?“
„Du sagst es. Solange träumte ich, dass ich einer der wenigen sein kann, der dieses Schauspiel der Natur beobachten darf und nun ist mein Traum in Erfüllung gegangen. Einfach unfassbar. Ich wünschte mir, dass die Zeit nun still stände, nur um dieses Bild solange wie nur möglich mit meinen Augen einzufangen.“
Er sprach aus meiner Seele. Diese unendlichen Weiten. Worte vermögen dies nicht zu beschreiben. So etwas muss man selbst einmal gesehen haben. Ich wusste, dass das ein Anblick sein würde, den ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen sollte. Tausende von Kilometern, sie sah so klein aus, als wäre sie nur ein winziges Sandkorn an einem Strand, ein Tropfen in einem Meer. Und was sich alles auf ihr abspielt! Milliarden verbringen ihr täglich Leben auf ihr und sind sich nicht des geringsten bewusst, wie unbedeutend sie in Wirklichkeit sind. Aus einer anderen Perspektive betrachtend schert sich kein einziger um sie. Und trotzdem existieren sie. Sekündlich entsteht neues Leben, sekündlich vergeht altes Leben. Und kaum jemand schätzt wirklich den Wert ihres Vorrechts auf ihr leben zu dürfen. Im Gegenteil! Mit ihrem Lebensstil zerstören sie die ganze Umwelt, nur weil sie ihre eigenen egoistischen Ziele verwirklichen wollen. Nicht nur, dass diese subversiven Elemente andere Personen nicht achten, nicht respektieren und sogar töten, sie vernichten sogar ihre Lebensgrundlage ohne die kein Leben mehr möglich wäre. Sie achten nur auf die vergängliche Schönheit. Die Schönheit ihres Geldes, mit dem sie sich schöne Sachen kaufen können. Ihre eigene Schönheit, die sie jeden Tag mehrere Male im Spiegel bewundern. Die wirkliche beständige Schönheit der Natur missachten sie, was zur Folge hat, dass auch sie vergeht, weil sie nicht betrachtet wird. Wie traurig! Da tröstet wenigstens, dass man selbst das Leben und seine Lebensgefährten schätzt. Und natürlich, dass man hier diese spektakuläre Aussicht genießen darf. Außerdem noch, dass ich mich meiner guten Gesundheit erfreuen kann, denn mit Sehschwächen, Höhenangst oder einer chronischen Krankheit wäre ich niemals durch das Auswahlverfahren gekommen und wäre somit nicht hier, wo ich nun bin. Ich kann mich noch genau erinnern, wie sich meine Familie gefreut hat, als ich ihnen erzählte, dass ich mit dürfe. Sie sitzen jetzt bestimmt auch zuhause und hoffen für mich das Beste. Wie glücklich kann ich mich doch schätzen! Zu alldem habe ich noch eine Familie, die mich über alles auf der Welt liebt. Würde ich das nicht schätzen, wäre ich ein Egoist, doch ich schätze es. Ich mache mir das jedes Mal auf das Neue bewusst, was für ein Glück ich bisher in meinem Leben hatte. Und diese Freude behalte ich nicht nur für mich, nein, ich gebe sie an meine Familie weiter.
„10!“, schallte es aus dem Lautsprecher.
„Jetzt geht es los!“, sagte ich meinem Freund neben mir, während ich ihm einen flüchtigen Blick zuwand, bemerkte aber, dass er sich schon längst einen anderen Platz gesucht hatte, während ich vertieft reflektierte.
„9!“
Der Countdown läuft. In zehn Sekunden ist es vollbracht.
„8!“
Das wird in die Geschichtsbücher eingehen. Und ich war dabei.
„7!“
„Fast hätte ich es verpasst!“, sagte mein Freund von weitem und kam auf mich zugerannt.
„6!“
Er setzte sich neben mich. „Gerade noch.“, ließ er verlauten.
„5!“
„Wo warst du?“, fragte ich ihn ziemlich verwundert.
„4!“
„Egal, pass lieber auf, gleich ist es soweit.“
„3!“
Er hatte Recht. Ich richtete meinen Blick wieder nach draußen und wartete gespannt.
„2!“
Wir mussten es einfach riskieren. Es blieb uns keine andere Wahl.
„1!“
Sie haben es nicht anders verdient. Es ist nur gerecht.
„Los!“
Ein lauter Knall erschütterte unser Raumschiff und die Raketen machten sich blitzschnell auf den Weg zu ihrem Bestimmungsort. Gebannt schauten alle Insassen ihnen nach in der Hoffnung, dass es auch gut gehen möge. Immer kleiner wurden die Raketen, bis man sie kaum noch erkennen konnte. Dann war es soweit. Das worauf ich und alle anderen mit mir so lange gewartet haben.
„Und dann?“ fragte meine Familie.
„Dann explodierte die Erde und wir Inaret fielen in einen Freudentaumel ohnesgleichen. Es war unbeschreiblich. Es fiel uns eine gewaltige Last von unseren Herzen.“