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Die Meißnern

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05.01.2015
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Die Meißnern

Seit fünfzehn Jahren lebe ich in dieser Mietwohnung, die sich in einer – wie haben die damals so schön gesagt? - modernisierten Wohnanlage befindet. Anfangs noch mit Frau, ist aber nicht so gut gelaufen, und seit zehn Jahren allein. Kann‘s ihr nicht mal verübeln, ganz ehrlich. Nachdem sie gemerkt hat, dass das mit mir nichts mehr wird, hat sie sich dem nächstbesten Macker an den Hals geschmissen und war auf und davon. Wer will schon sein Leben lang in so einem Stall wohnen?
Immerhin hat uns der Vermieter im letzten Jahr Plastikglaswände spendiert, die den Lärm mindern, wenn wir uns auf dem Balkon aufhalten. Sieht zwar aus, als würden wir in einem Vogelbad sitzen, wenn wir uns draußen befinden, aber hey, es war kostenlos und es bringt was. Ist ja auch schön. Nach außen hin macht die „modernisierte Wohnanlage“ einen ganz guten Eindruck, da achtet der Vermieter natürlich drauf, aber in den Wohnungen und im Treppenhaus sieht es aus, als hätte die Bombe eingeschlagen. Kaputte Möbel stapeln sich in den einzelnen Etagen, beispielsweise. In letzter Zeit häuft es sich auch, dass sich die Notdurft von Leuten, die es nicht mehr bis in ihre Wohnung geschafft oder es nicht mal versucht haben, im Treppenhaus ansammelt. Stinkt natürlich und alle sind sich darüber einig, dass Blumen schöner wären, aber was will man machen? Ich knödel nicht ins Haus ab und habe ein reines Gewissen.
Der Hausmeister mault die ganze Zeit rum, was das doch für Schweine wären, die so was fertig bringen. Ist vermutlich dasselbe Pack, das sich die halbe Nacht lang anschreit. Erst quakt so eine hysterische Alte, dann brüllt ihr Typ, „was er denn noch tun soll“, daraufhin wacht das Kind auf, es fängt an zu flennen und im Anschluss blöken sich die beiden Gorillas noch lauter an, wer denn nun die Schuld daran trägt, dass das Balg wach geworden ist. Glücklicherweise bin ich mein Leben lang von Kindern verschont geblieben und nun so alt, dass mich das Thema nicht mehr interessieren muss. Wenn alles gut läuft, habe ich noch 20 Jahre in meinem kleinen Loch und dann können die mich mit der Spachtel von der Couch kratzen, wenn sie mich sechs Monate nach meinem Tod finden - oder ich komme einfach durch die Decke und überrasche die Leute, die im Erdgeschoss leben. Wüsste jetzt nicht, was mir mehr Spaß bereiten würde.

*​

Dem Vermieter scheint inzwischen aufgefallen zu sein, dass irgendwas nicht stimmt. In den letzten Wochen hat sich nämlich einiges verändert: Das wilde Affenpärchen von oben ist bedeutend ruhiger geworden und die leere Wohnung gegenüber ist neuerdings bewohnt – ist schon komisch, wo die doch in den letzten fünf Jahren immer leer gestanden hat. Ich habe durch meinen Türspion beobachtet, dass eine alte Frau eingezogen ist. Klar, ist ganz günstig für die, immerhin leben wir ihm zweiten Stock und Treppensteigen ist nicht mehr ganz ihr Fall, aber trotzdem ist das seltsam. Jungs oben ruhig, Oma unten da.
Als ich meinen Kontrollgang durch das Haus gemacht habe – gelegentlich helfe ich dem Hausmeister, indem ich ihm sage, wer wo hingeschissen oder wer was im Treppenhaus entsorgt hat – ist mir aufgefallen, dass aus ihrer Wohnung ein beständiges Piepen dringt, das nach meiner Waschmaschine klingt. Das hat mich stutzig gemacht. Der Vermieter lässt sich öfters blicken, oben Ruhe, Oma unten … ich bin mir noch nicht ganz sicher wie, aber ich vermute, dass es da einen Zusammenhang gibt.

*​

Diesen Freitagabend sitzen meine Jungs und ich in meiner Wohnung und diskutieren bei Bier und Salzstangen über Gott und die Welt. Heiner hat wieder Probleme mit dem Amt, weil er seine Termine nicht wahrnimmt, der Trottel. Jammert mir die Ohren voll, dass sie ihm die Kohle streichen; dabei müsste er nur mal seinen faulen Arsch in den Bus schieben und hinfahren. Ist fest davon überzeugt, dass er das nicht mehr schafft – die Hüfte - und dass ihm die Schnalle aus der Vermittlung in eine Maßnahme stecken möchte. Ausreden! Auch nicht besser läuft es bei Sepp, dem die Wildschweine ständig die Krokusse fortfressen. Er ist ein ganz feiner Herr, der Sepp, der hat nämlich sein Haus gebaut, weißer Zaun, Hund, zwei Kinder, und ist nahe am Ruhestand. Blöd nur, dass sein Garten direkt am Wald liegt und sich dauernd Viehzeug bei ihm herumtreibt. Ebenfalls schwer dran ist Torsten, Topmanager bei irgendeiner Bankfiliale. Er bringt eimerweise Kohle heim und jammert darüber, dass er zu wenig Zeit für seine Frau hat, der Lappen. Soll doch froh sein, dass er das Gelaber nicht den ganzen Tag ertragen muss – und überhaupt, was sitzt er hier bei mir rum und beschwert sich drüber, dass er keine Zeit hat, anstatt die Zeit, die er hier verplempert, mit seiner Frau zu verbringen?
Endlich bin ich dran. Ich trage meinen Jungs die neusten Erkenntnisse in der Vermieterangelegenheit vor. Hat sich herausgestellt, dass die Affen von oben „verzogen“ sind – eine Woche, nachdem Frau Meißner – so heißt die Schachtel von gegenüber – eingezogen ist. Gebracht hat es nicht viel. Die Bude wird immer noch vollgeschissen und als Abstellplatz für ausrangierte Möbel benutzt. Noch mysteriöser ist jedoch, dass jetzt auch das Paar aus dem dritten Stock umziehen möchte. Muss. Da stecke ich noch nicht wirklich drin, aber ich habe gesehen, dass sie sich mit Frau Meißner unterhalten haben, als ich neulich aus dem Baumarkt zurückgekommen bin. Hab Tapete gekauft, möchte neu vorrichten.
Torsten und Sepp rühren ihre Getränke nicht an, was mich nicht verwundert. Torsten ist mit dem Auto da und Sepp wohl zu sehr unterm Pantoffel, um sich mal ein Bier zu gönnen. Auch Heiner trinkt nichts. Er meint, ihm wäre nicht danach. Nun gut, dann kümmere ich mich drum, während ich tapeziere. Kann momentan eh nicht schlafen, also mache ich die Küche heute Nacht fertig.

*​

Mit der Meißnern stimmt was ganz und gar nicht, ist mir heute Nacht aufgefallen, als ich renoviert habe. Bei der ist ein Gepolter in der Bude, da denkst du, die hat die Bambusklopper da und lässt die einen Volkstanz aufführen. Drei Mal habe ich aus der Wohnung geschaut und festgestellt, dass bei zwei von drei Fällen das Hauslicht an war. Wer weiß, was die Alte da drüben treibt? Beim Lauschen an der Tür ist mir wieder das Piepen aufgefallen und offenbar war der Fernseher an, denn ich hab die Stimme des Nachrichtensprechers gehört, aber wer weiß? Die Frau hat einen alten Fernseher, noch mit Antenne - vom Mann geerbt, sagt sie. War schon seltsam, dass sofort Ruhe war, als ich ins Treppenhaus gegangen bin.

*​

Heute hat mich die Meißnern auf die Tapeten angesprochen, die ich gekauft habe. Hat sich erkundigt, was ich damit vor habe. Ja, wonach sieht es denn aus? Einen Eintopf mache ich mir daraus bestimmt nicht! Warum interessiert sie das überhaupt? Gerade ist sie unten im Hof und hängt ihre Wäsche raus, wobei sie mit der Alten aus dem Nachbarhaus plaudert.
Das Paar aus der dritten Etage ist heute Morgen ausgezogen. Die sahen überhaupt nicht glücklich aus, so als ob die gar nicht wollten. Ich kann mir denken, an wem das gelegen hat. Heute Nacht werde ich mich mal mit meinem Radio bei der Meißnern auf die Lauer legen und schauen, ob sich das, was im Radio kommt, mit dem deckt, was sich die Alte reinzieht. Langsam wird es nämlich auffällig, dass hier was nicht stimmt. Ich kann doch nicht der einzige sein, dem das spanisch vorkommt.

*​

Okay, alles klar, ich hab‘s doch gewusst. Im Radio hat eine Frauenstimme über den Tag berichtet und bei ihr in der Wohnung hat ein Kerl gesprochen. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass sich das, was erzählt wurde, nicht Wort für Wort gedeckt hat. Im Grunde waren es dieselben Nachrichten, ja, aber das Wichtige daran sind ja die Sachen, die weggelassen wurden. Ich war nicht schnell genug, um mir alles zu notieren, aber ich habe mir einige Notizen gemacht, die ich entschlüsseln muss.
Mir war von Anfang an klar, dass mit der Meißnern was nicht stimmt, jetzt weiß ich auch, was es ist. Der Vermieter hat eine von der Staatssicherheit eingeschleust und steht über den Fernseher mit ihr in Verbindung. Erbe am Arsch. Kein normaler Mensch schaut über so eine alte Kiste das Unterhaltungsprogramm. Nach der Tapete hat sie bestimmt auch nur gefragt, weil ich auf ihrer Abschussliste stehe. Als ich heute einkaufen gehen wollte, habe ich gesehen, dass sie aus dem Fenster geschaut und die Leute beobachtet hat. Ich bin dann nicht zum Supermarkt gegangen. Der Vermieter hat ihr bestimmt einen Generalschlüssel gegeben. Vor ihr ist niemand sicher. Ich gehe der von jetzt an aus dem Weg, schließlich sind alle, die mit ihr gesprochen haben, „umgezogen“.

*​

Ich habe seit drei Tagen nicht geschlafen, weil bei der Meißnern drüben immer Tamtam ist. Von Morgens bis Abends hämmert die Nägel in die Wand. In der Nacht schiebt sie die Schränke herum. Den Fernseher dreht sie auch auf volle Pulle. Sie terrorisiert mich! Ich weiß nicht wie sie die anderen aus dem Haus bekommen hat, aber bei mir geht sie ziemlich aggressiv vor. Jedes Mal, wenn ich ins Treppenhaus komme, ist Ruhe – das Licht brennt immer unregelmäßiger. Ich gehe auch nicht mehr einkaufen, da ich mir sicher bin, dass die Meißnern in meiner Bude herum springt und alles durchsucht, wenn ich sie verlasse. Den Abtreter musste ich schon raus bringen, denn der hat ein Stück hoch gestanden und ich bin mir sicher, dass die daran herum gemehrt hat. Die Frau, mit der sich die Meißnern immer unterhalten hat, geht jetzt immer woanders lang und kommt nicht mehr an meinem Fenster vorbei. Die sucht sich bestimmt auch schon eine neue Wohnung.

*​

Freitag, Krisensitzung mit den Jungs. Meine Männerschaft kann kaum glauben, was ich ihnen zu berichten habe, aber ich lege ihnen erdrückendes Beweismaterial vor. Fotos, Aufnahmen von Gesprächen, Kontoauszüge unter falschem Namen, die ich aus der Tonne geholt habe. Frau Meißner ist sehr wohlhabend, stellen wir fest. Warum lebt sie dann in so einer kleinen Wohnung? Na klar, das ist nichts anderes als ein Job für sie. Wenn wir hier alle raus sind, zieht sie weiter.
Wir sind uns schnell einig, dass gehandelt werden muss. Wir wissen nur nicht genau, was wir unternehmen sollen. Das Vorrichten der Wohnung muss warten und richtig geschlafen habe ich seit einer ganzen Weile nicht. Heiner wirft ein, dass die Meißnern so gut informiert ist, weil sie im Flur Kameras hat. Vermutlich ist das Piepen in ihrer Wohnung ein Alarm, der sie darüber in Kenntnis setzt, wenn jemand das Treppenhaus betritt. Torsten denkt, dass der Nachrichtensprecher der Vermieter ist, der ihr in geheimen Botschaften übermittelt, wer hier bleiben darf und wer weg muss – und so viel wie der brabbelt, ist die Bude bald leer. Sepp sagt, dass Heiner, ich und Torsten übertreiben. Wir sollen uns unauffällig verhalten, höflich „Guten Tag“ sagen und das Beste hoffen. Der muss sich ja auch keine Sorgen machen, der Sack. Immerhin hat er ein Haus, in das er zurück kann. Wenn ich hier raus fliege, bleibt mir nichts mehr!
Wir diskutieren die ganze Nacht. Da bleibt keine Zeit zum Biertrinken oder Salzstangenessen. Na ja, das verkommt ja nicht so schnell. Ich kümmere mich später darum.

*​

Ich habe die Meißnern heute zur Rede gestellt. Während sie ihre Wäsche aufgehangen hat, habe ich ihr laut und deutlich gesagt, dass sie entlarvt wurde und dass ich es nicht zulassen werde, dass sie ehrlichen Leuten ihr Zuhause nimmt. Die meisten Menschen haben geschockt und verständnislos reagiert, was ja auch nachvollziehbar ist. Es kommt nicht jeden Tag vor, dass einer aus ihrer Mitte als Spion entlarvt wird. Es stieß auf allgemeines Unverständnis, dass ich ihre Wäsche entsorgen musste – ist ebenfalls nicht überraschend, denn die anderen wussten ja nicht, dass die Meißnern überall am Körper Mikrofone trägt.
Mir geht es gut. Ich habe die Meißnern zurechtgewiesen und kann mich jetzt endlich meiner Wohnung widmen, die ich wirklich stark vernachlässigt habe. Das Wohnzimmer muss noch fertig renoviert werden und ich bin ganz froh, dass ich das jetzt erst machen kann. Möglicherweise gehe ich heute auch mal wieder einkaufen, denn dazu bin ich auch schon eine Weile nicht gekommen. Hat sich halt keine Möglichkeit zu ergeben. Du konntest ja die Wohnung nicht aus den Augen lassen, ohne dass die Irre sich hier drinnen herumgetrieben hat.
Aber jetzt, ja, jetzt … nein, fürs Erste lege ich mich etwas hin. Fühle mich schon ganz schläfrig. War ich auch schon lange nicht mehr.

*​

Hab den ganzen Tag verschlafen. Es ist bereits dunkel, als ich von einem lauten Klopfen geweckt werde.
»Herr Habbert?«, ruft jemand von draußen. Er klingt bestimmt, macht sich aber immerhin die Mühe, seine Ansage als Frage zu formulieren. »Machen Sie die Tür auf, Herr Habbert. Hier ist die Polizei!«
Ich lache.
War ja klar.
Meißner, du Drecksau.

 
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Alle zehntausend Jahre traue ich mich mal aus meiner Komfortzone heraus und versuche etwas anderes als Humorgeschichten. Das ist so ein Fall geworden. Will darüber natürlich wieder erstmal nicht zu viel sagen und schaue, ob das Ding so rüberkommt, wie ich es mir vorgestellt habe.

 
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Hej NWZed,

nicht humorvoll ist dir nicht gelungen und ich bin sehr froh darüber. Doch dieses Mal erscheint er mir nahezu melancholisch. Liegt sicher am Zustand des Mannes und seiner Selbstaufgabe. Ich will ihn von Beginn an in meine Arme schließen und mit ihm das Haus verlassen.
Und gerade wollt ich sagen: Heidegott, die sterben auch nie aus, die Hausspione, das lese ich Staatssicherheit. Gut gemacht, lieber NWZed.

Vorrichten ist ein Wort, das ich bloß als Nomen kenne Vorrichtung, was ja gar nichts heißt; ich wollt es dich bloß wissen lassen.
15 kannst du meinetwegen auch ausschreiben. Zahlen im Text sind immer irgendwie ... anstößig.

Es gelingt dir gut, schnell und doch dezent einen psychopathischen, einsamen Alkoholiker zu entwickeln. Wie gut, dass die Meißner so eine aufmerksame Frau ist und sich um die Menschen kümmert. Oder doch nicht? Selten gefällt es mir gut, wenn ich am Ende nicht viel schlauer bin als wie zuvor. So sinniere ich noch eine gute Weile, welchen Zusammenhang es gibt zwischen dem Auszug der glücklosen Leute und Frau Meißner. Vermutlich sahen die gar nicht unglücklich aus, bewegen sich eben bloß vom Fleck und verändern sich. Anders als der arme Tropf.
Ist es Absicht, dass ich ihm nicht mal die Treffen mit seinen Freunden abnehmen?
Also, ich möchte damit sagen, ich schätze die subtile, alles bedeutende Auslegungsmöglichkeit deines Protagonisten und Textes. Ach was, ich bewundere es. :shy:

Wie immer war sie kurzweilig zu lesen, klar und schnörkellos, in großen Wellen und ich trieb gut darin. Und wieder mal: Humor schadet niemals. Ich zeig dir kurz noch mal meinen Lieblingsstelle. Vielleicht freust du dich.

Kaputte Möbel stapeln sich in den einzelnen Etagen, beispielsweise. In letzter Zeit häuft es sich auch, dass sich die Notdurft von Leuten, die es nicht mehr bis in ihre Wohnung geschafft oder es nicht mal versucht haben, im Treppenhaus ansammelt. Stinkt natürlich und alle sind sich darüber einig, dass Blumen schöner wären, aber was will man machen? Ich knödel nicht ins Haus ab und habe ein reines Gewissen.

Er ist eigentlich ein lieber Kerl und ich bin voll des Mitgefühls.

Und am Ende bin ich überrascht, wie kurz die Geschichte eigentlich ist und wie konsequent und voll. Ach, du hast es eben drauf und ginge es nach mir, würdest du nicht wieder zehntausend Jahre brauchen, bis ich das nächste “Ding" von dir zu lesen bekomme, das nichts mit Zwergen zu tun hat, sondern mit Leuten wie du und ich .

Vielen Dank für die Geschichte zum Tagesbeginn und ein freundlicher Gruß, Kanji

 

Hi NWZed,

Ich schreib mal gleich mit...

Erst quakt so eine hysterische Alte, dann brüllt ihr Typ, „was er denn noch tun soll“, daraufhin wacht das Kind auf,

Wenn du's als direkte Rede schreibst, müsste es ja eigentlich "was ich denn noch tun soll" heißen. Das passt dann natürlich nicht mehr zusammen. Daher würde ich die indirekte Rede vorschlagen: Dann brüllt er Typ, was er denn noch tun solle, ...

immerhin leben wir ihm zweiten Stock und Treppen steigen ist nicht mehr ganz ihr Fall,

Das Treppensteigen, zusammen

Diesen Freitagabend sitzen meine Jungs und ich in meiner Wohnung und diskutieren bei Bier und Salzstangen über Gott und die Welt.

Hm, bin irgendwie irritiert, dass er Freunde hat. Zumal es ja oben noch heißt, dass es sechs Monate dauern würde, bis sie seine Leiche finden. Das passt für mich nicht zusammen.

weil er seine Termine nicht wahr nimmt, der Trottel.

wahrnimmt (etwas wahrnehmen) zusammen

dass die daran herum gemehrt hat.

Herum mehren, hm, kenn ich nicht. Was bedeutet das?

»Her Habbert?«

Herr

So NWZed, danke für die Geschichte, hat mich gut unterhalten. Du bekommst es sehr gut hin, dass man am Anfang noch ein recht normales Bild von deinem Protagonisten hat, und man dann stufenweise merkt, wie abgedreht der eigentlich ist. Hab's gern gelesen.

Viele Grüße, Salomon

 

Hallihallo, NWZed (nochmal auf diesem Wege)

Jetzt bin ich natürlich wahnsinnig neugierig auf Deine Geschichte und habe mich direkt reingestürzt. Erstmal drei Kleinigkeiten, das einzige, was mir aufgefallen ist:

Seit 15 Jahren lebe ich in dieser Mietwohnung, die sich in einer – wie haben die damals so schön gesagt? - modernisierten Wohnanlage befindet.

Die Zahl würde ich ausschreiben. Sieht schöner aus und tut gar nicht weh.

Heiner hat wieder Probleme mit dem Amt, weil er seine Termine nicht wahr nimmt, der Trottel.

„wahrnimmt“, würde ich sagen. Die Regel dazu lautet, dass, wenn sich durch das Zusammenschreiben die Bedeutung der einzelnen Wörter ändert, sollte man sie zusammenschreiben. Und etwas Wahres nehmen bedeutet etwas völlig anderes als etwas wahrzunehmen. Deshalb zusammen.

Auch nicht besser läuft es bei Sepp, dem die Wildschweine ständig die Krokusse fort fressen.

Das gleiche gilt für „fortfressen“. Mein Rechtschreibprogramm akzeptiert beide Varianten (anders als bei "wahrnehmen"), also ist das womöglich auch Geschmackssache.

Mich hast Du mit dem Anfang direkt reingezogen, weil ich es total mag, wenn Leute schräge Geschichten aus ihrer Wohngegend erzählen. Ich wohne ja selbst in einem Viertel, von dem ich gerne sage, dass da nur Studierende und Asis wohnen (dadurch, dass die Mieten so stark in die Höhe geschnellt sind, hat sich das Viertelbild etwas verändert in den vier Jahren, die ich dort jetzt lebe, aber generell gilt das). Mein Schlafzimmerfenster geht auf einen Innenhof rauf, und eine Zeitlang konnte ich auf den Balkon der Leute schräg unter mir schauen, die diesen Balkon als zusätzliche Abstellkammer benutzt haben (irgendwann inklusive vollständigem Sichtschutz, wie eine Wand – das war aber sicher mit keinem Brandschutzkonzept vereinbar und kam dann weg). Das ist zwar v.a. meine persönliche Vorliebe, weil ich direkt schreien wollte: „Ja, ich habe dazu auch ganz viele Anekdoten zu erzählen!“, aber sicher haben andere Leute das auch.

Ich habe ja selbst mal versucht, was über Paranoia zu schreiben. Aber so wie Du habe ich das nicht hinbekommen (es ist mir tatsächlich nicht so gelungen). Ich finde es ziemlich cool, wie Du zu Anfang schon verräterische Details einbaust (der Prot erledigt Kontrollgänge für den Hausmeister) und das dann langsam steigerst, bis klar wird, dass hier etwas nicht richtig ist.

Ich muss aber sagen, den riesigen Absatz, in dem Dein Prot sich das erste Mal mit seinen Kumpels unterhalten hat, den habe ich irgendwie nur überflogen, musste mich dann sehr konzentrieren, um ihn nochmal zu lesen.

Wie ich beim konzentrierten Nochmallesen merke, ist das wirklich schade, denn Du erzählst hier wieder so viele hübsche Anekdoten und so viel über Deinen Prot. Wie wäre es also mit Absätzen, sodass mein Auge nicht ständig nach unten rutscht?

Ich merke auch gerade, dass die Geschichte wirklich humoristisch ist. Das schwingt so zwischen den Zeilen, ein Augenzwinkern, wie Du auf alle Figuren schaust. Das macht alle Figuren, v.a. den Prot, auch irgendwie unsympathisch, zu einer Karikatur eben, aber dieses Karikierende trägt den Text auch ganz wunderbar.

Mit der Meißnern stimmt was ganz und gar nicht, ist mir heute Nacht aufgefallen, als ich renoviert habe.

Ich merke jetzt erst die Details, dass der Typ nachts renoviert.

Drei Mal habe ich aus der Wohnung geschaut und festgestellt, dass bei zwei von drei Fällen das Hauslicht an war.

Das mit dem Hauslicht wiederum checke ich nicht. Erstmal ist dieser Satz super komplex und wirft echt Fragen auf. Z.B. Wo denn aus der Wohnung geschaut? Aus dem Fenster schauen ist ja relativ normal, das mache ich auch häufiger. Da mein Schlafzimmerfenster, wie gesagt, zum Innenhof geht, sehe ich auch, dass viele andere Leute das häufig machen. Eine Kommilitonin, die direkt gegenüber wohnt, hat mir letztens erzählt, dass sie einmal einen alten Mann nachts nackt am Fenster hat stehen und rausstarren sehen. Aber aus der Wohnungstür zu schauen wiederum, das mache ich nur, wenn die Nachbarskinder wieder das Treppenhaus einreißen (um zu prüfen, ob das Haus noch steht nach all dem Lärm). Das sind zwei völlig unterschiedliche Paar Schuhe, bleibt in diesem Satz aber völlig unklar.

Und das Hauslicht erwähnst Du ja mehrmals. Ich habe aber keine Ahnung, was das ist. Das Licht im Treppenhaus? Das Bewegungsmelderlicht draußen vor der Haustür? Keine Ahnung. Und wie oft ist es denn erwartbar, dass das Licht an ist? Also, an diesem Satz ist irgendwie alles unkonkret, und trotzdem ist der ja wichtig.

Ich muss auch mal loswerden, dass ich ein ganz persönliches Problem mit „Meißnern“ habe. Ich denke bei jedem Lesen, das ist ein Plural, und muss mir dann ganz bewusst sagen: „Nein, Mariechen, die heißt so, das n am Ende gehört zu ihrem Nachnamen.“ Weiß nicht, ob das nur daran liegt, dass ich nur den Nachnamen „Meißner“ kenne – wahrscheinlich was Regionales. Vielleicht sagt ja noch einer was dazu (Nachtrag: Habe den Kommentar gestern schon geschrieben, aber noch nicht hochgeladen, weil ich ihn nochmal in Ruhe lesen wollte. Inzwischen hat Kanji kommentiert, und sie nennt die Meißnern die ganze Zeit Meißner. Ich interpretiere mal ganz frech, dass ich nicht die Einzige mit diesem Problem bin (Sorry, Kanji, wenn ich mich damit zu weit aus dem Fenster lehne, gerne einen Klaps auf die Nase geben)).

Ich fand es ein bisschen seltsam, dass nur Sepp (:herz:) Deinem Prot widersprochen hat. Da habe ich mich gefragt, ob die Typen alle wirklich so doof sind, wie Dein Prot sie zu Anfang wahrnimmt, oder ob er gar nicht so durchgeknallt wirkt, wie er auf mich wirkt. Diese Szene hätte in meinen Augen ein richtiger Knüller sein können. Bäm, die Typen realisieren, dass ihr Kumpel komplett abgedreht ist. Sie versuchen, ihn zu konfrontieren, aber das klappt gar nicht. Riesenstreit. So irritiert mich das einfach. Und ich finde, da wäre noch Potenzial.

Aber insgesamt fand ich das super. Wie gesagt, das stufenweise Ausarbeiten des Wahnsinns, die total abgedrehten Details, die mir erst beim zweiten Lesen aufgefallen sind, der augenzwinkernde und irgendwie grausame Blick, den Du auf die Figuren wirfst. Gerne gelesen.

Jetzt kannst Du vielleicht an die beiden Freunde-Szenen nochmal ran. Da sehe ich wirklich noch Potenzial, wirklich Zündstoff eben. Make it work!

Freundschaftliche Grüße,
Maria

 
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Hey NWZed

Ja, das ist solide geschrieben, das liest man ohne Stolpern durch. Mir ist es zu solide, es fehlt für mein Empfinden an Frische, und zwar auf mehreren Ebenen.

Zunächst zur Sprache. Klar, dein Prot ist kein Intellektueller, der spricht halt so, wie er spricht. Dennoch greift er mir viel zu oft auf die naheliegende Formulierung zurück, da hat es zu viele stehende Wendungen drin, die je für sich betrachtet ja nicht falsch und unpassend sind, aber in der Menge …

dem nächstbesten Macker an den Hals geschmissen
einen ganz guten Eindruck
als hätte die Bombe eingeschlagen
aber was will man machen?
so eine hysterische Alte, dann brüllt ihr Typ

Das ist mir oftmals zu abgedroschen, zu alltagssprachlich, zuweilen hatte ich den Eindruck, dieser Text könnte auch unter einer Geschichte stehen, als OT-Kommentar, wenn einer was über seine Wohnsituation erzählen will, mir ist das sprachlich einfach zu wenig gestaltet.

Das betrifft auch die vielen bremsenden und umständlichen Präzisierungen, die typisch sind für Alltagssprache. Wiederum ist da nichts Falsches drin, keines der folgenden, fett markierten Wörter lässt sich ohne Verlust streichen. Aber insgesamt ergibt das einen Stil, na ja, den ich nicht wirklich als Stil empfinde.

Das wilde Affenpärchen von oben ist bedeutend ruhiger geworden und die leere Wohnung gegenüber ist neuerdings bewohnt – ist schon komisch, wo die doch in den letzten fünf Jahren immer leer gestanden hat. Ich habe durch meinen Türspion beobachtet, dass eine alte Frau eingezogen ist. Klar, ist ganz günstig für die, immerhin leben wir ihm zweiten Stock und Treppen steigen ist nicht mehr ganz ihr Fall, aber trotzdem ist das seltsam.

Die zweite Ebene ist die Ebene des Plots, des Themas. Niemand von uns erfindet das Rad neu. Aber «Mann sitzt in Wohnung und schnappt langsam über» ist ein bekanntes Thema, da liest man immer mal wieder davon. Kann man weiterhin machen, aber es steigen dann halt auch die Ansprüche. Diese einzulösen würde bedeuten, dass sich in dieser Entwicklung was Originelles finden lässt, was Überraschendes, so dass die Geschichte nicht einfach linear verläuft, so direkt und klar auf den Endpunkt zu. Du hast die Steigerung super hingekriegt, das haben auch die anderen Kommentatoren festgehalten, aber auch auf dieser Ebene habe ich das Frische, Besondere vermisst.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo NWZed,

Hallo und unbekannte Grüße, vorab eine OT-Frage: hab heute meinen Kommentar zu Felimeinname gesucht und nicht mehr gefunden. Du hattest auch kommentiert, deshalb die Frage: Hat die Gute sich beleidigt ins literarische Nirwana verabschiedet?

Meißner, du Drecksau.
Damit hast du mich als Kölner direkt gekauft … :thumbsup: Scherz beiseite, zum Text:

Wer würde schon sein Leben lang in so einem Stall wohnen wollen?
warum nicht einfacher?: Wer will schon sein Leben lang in so einem Stall wohnen?

weil er seine Termine nicht wahr nimmt
wahrnimmt?

ständig die Krokusse fort fressen
wegfressen?

Hab Tapete gekauft, möchte neu vorrichten.
Was heißt vorrichten? Tapezieren oder renovieren?

dass die daran herum gemehrt hat.
meinst du herumgemeckert?

»Her Habbert?«,
Herr

dass die Affen von oben „verzogen“ sind – eine Woche, nachdem Frau Meißner – so heißt die Schachtel von gegenüber – eingezogen ist. Gebracht hat es nicht viel. Die Bude wird immer noch vollgeschissen und als Abstellplatz für ausrangierte Möbel benutzt. Noch mysteriöser ist jedoch, dass jetzt auch das Paar aus dem dritten Stock umziehen möchte. Muss. Da stecke ich noch nicht wirklich drin, aber ich habe gesehen, dass sie sich mit Frau Meißner unterhalten haben
Aha, da kündigt sich das Unheil an …

War schon seltsam, dass sofort Ruhe war, als ich ins Treppenhaus gegangen bin.
schön Sukzessive wächst das zarte Pflänzchen namens Paranoia.

Langsam wird es nämlich auffällig, dass hier was nicht stimmt. Ich kann doch nicht der einzige sein, dem das spanisch vorkommt.
Und der Herr passt seine Beobachtungen seiner These an.

Warum lebt sie dann in so einer kleinen Wohnung? Na klar, das ist nichts anderes als ein Job für sie. Wenn wir hier alle raus sind, zieht sie weiter.
Grrr, ich möchte ihm seine Filter-Brille von den Augen reißen.

Das Thema deines Textes ist mMn -vor allem anderen- Verblendung. Gleichermaßen brandaktuell wie brisant in Zeiten von Fake-News und Wutbürgern. Für mich ist an erster Stelle der Ursprung interessant. Wie entsteht sowas und wie kann ein krankes Pflänzchen ohne Regulativ so groß gedeihen?
Du benennst als Ursachen: Vereinsamung, soziale Benachteiligung, fehlenden Widerspruch, aber auch Misstrauen und die Bereitschaft, andere Menschen nur aufgrund einer simplen Annahme zu verurteilen. Auch wenn dein Text nicht groß über sich hinaussrahlt, wirkt er genau an dieser Stelle sehr entlarvend.

Gerne gelesen,

Peace, linktofink

 

Ich habe die letzten Tage mal den Ball flach gehalten und abgewartet, was zu Herr Habberts kleinem Abenteuer so zusammengetragen wird und ich bin überrascht, dass so viele verschiedene Auslegungen zusammengekommen sind. Eigentlich wollte ich den Text eher posten, aber dann kam mir Salomon mit seiner Truman Show zuvor, die ein ähnliches Thema behandelt hat. Das hier soll nichts anderes zeigen, als den Verlauf einer Erstmanifestation einer Psychose des schizophrenen Formenkreises. Ich habe mein Hauptaugenmerk auf den Aufbau des Wahnsystems gelegt, um für Nichtbetroffene darzustellen, wie so eine Psychose überhaupt verläuft - und wie man sehen kann, ist das nicht immer so offensichtlich, was da genau im Argen liegt, was real ist und was nicht. Darum gibts in der Geschichte auch so gut wie keine Dialoge, denn die hätten zu viel verraten. Ist eigentlich überhaupt nicht mein Stil und ich setze ungerne auf zu viel tell, aber bei dem Thema empfand ich es als passend.

Wie die gute Frau Meißner drauf ist - und Meißnern schreibe ich, weil es abwertender klingt - wissen wir nicht. Vielleicht ist die Frau ja herzensgut? Spielt für Habbert keine Rolle. Sie ist das Zentrum seines Wahns und alles andere baut sich drumherum auf. Er validiert seine "Feststellung" an Kleinigkeiten, beizeiten sogar an absolutem Blödsinn, aber für ihn ergibt das Sinn - für ihn sind diese Dinge real. Die Meißnern ist der Feind, weil Grund.

Ganz dicht dran ist Kanji , bei der ich mich zuerst fürs Lesen bedanke - da hat mich eine Feststellung besonders beeindruckt:

Ist es Absicht, dass ich ihm nicht mal die Treffen mit seinen Freunden abnehmen?

Absolut. Eins der bekannteste Positivsymptome der Schizophrenie sind Sinnestäuschungen, die von Halluzinationen bis hin zum Hören von Stimmen reichen. Da Herr Habbert ein Vorzeigekranker ist, erlebt er all diese Symptome auf einmal. Herr Habbert hört Stimmen - und da unser Gehirn versucht, eine Erklärung dafür zu finden, hat er sich einfach Freunde erschaffen, denen er die Worte, die er hört, in den Mund legen kann.

Was das Wort "Vorrichten" angeht: Ich denke, das ist Mundart. Bedeutet nichts anderes als renovieren, aber ich habs Im Sprachgebrauch und nutze es, ohne darüber nachzudenken, ob andere Leute das Wort kennen.

Kommen wir zu Salomon , dem ich auch fürs Reinschauen danke.

Wenn du's als direkte Rede schreibst, müsste es ja eigentlich "was ich denn noch tun soll" heißen.

Ich stelle mir bei dieser Stelle einfach vor, dass Herr Habbert sie ein wenig ins Lächerliche zieht, seine Stimme verstellt und die Eselsfüßchen mit den Fingern darstellt. Da der Text so dialogarm ist, muss ich die Farbe anderswo herholen, also schmücke ich den Text mit kleinen Details, damit er nicht zu trocken rüberkommt. Das ist so ein Beispiel - wenn das wirklich störend ist, lasse ich mit mir reden, aber ansonsten nutze ich mein Autorenveto, um es zu lassen wie es ist. *g*

Weiter zu TeddyMaria - huffeliger hug!

„Ja, ich habe dazu auch ganz viele Anekdoten zu erzählen!“, aber sicher haben andere Leute das auch.

Erzähl doch trotzdem mal eine. Warum denn nicht? Es kommt auf die Art an wie man so etwas erzählt - da kann auch der ödeste Mist interessant werden. Außerdem sind solche Alltagssituationen schöne Fingerübungen.

Ich habe ja selbst mal versucht, was über Paranoia zu schreiben. Aber so wie Du habe ich das nicht hinbekommen (es ist mir tatsächlich nicht so gelungen).

Das freut mich wirklich - es ist ein schwieriges Thema, weil es a.) entweder faktisch richtig, dafür langweilig zu lesen ist oder b.) unterhaltsam zu lesen, aber faktisch falsch ist. Es ist auch überhaupt nicht schwierig, einen Betroffenen als albern darzustellen, weil viel von dem, was die so machen, für einen Nichtbetroffenen überhaupt nicht nachvollziehbar ist und da gehört eine ganz schmale Gratwanderung dazu, um die Thematik nicht ins Lächerliche zu ziehen. Deswegen gibts auch keine Dialoge, da diese an vielen Stellen kaum nachvollziehbar wären und ich das Thema mit dem gebührenden Respekt behandeln möchte.

Es ist mir schwer gefallen, daraus eine Kurzgeschichte zu machen, die den Rahmen nicht sprengt, schließlich gehören zu einer solchen Störung noch wesentlich mehr Faktoren, aber ich finde, dass der Moment der Erstmanifestation ziemlich spannend zu beobachten ist und man eine ganze Menge daraus lernen kann, wenn man sich darauf einlässt, mal in den Kopf eines Betroffenen zu schauen. Daher freut es mich ungemein, dass die Darstellung rüberzukommen scheint.

Wo denn aus der Wohnung geschaut?

Guter Einwurf. Hier sollte ich vllt. klarstellen, dass er zur Tür rausschaut. Was das Hauslicht an sich angeht: Siehst du, was du dir für einen Kopf darum machst? Was hat es für einen Sinn, dass dieses Licht an oder aus ist? Was will er mir damit sagen? Bedeutet das überhaupt was? Herzlich Willkommen im Kopf eines Schizophrenen. »Das Licht ist an. Das muss doch etwas bedeuten. Warum ist es an? Ist da gerade jemand gekommen? Gegangen? Hat mich jemand beobachtet? Na klar, das war heute schon einmal an, die sind mir auf den Versen!« Für uns ist das einfach das Hauslicht, das entweder an oder aus ist. Einen Erkrankten kann das die ganze Nacht beschäftigen.

Was die Freunde angeht: Herr Habbert hat das Glück, dass seine Stimmen validierend sind. Das heißt, dass sie sein Weltbild unterstützen - na gut, bis auf Sepp - aber der macht ja auch Vorschläge, wie er sich vor Frau Meißner schützen kann. Wären die Stimmen bösartig, hätte es sich wirklich gelohnt, Dialoge zu schreiben. Ist nämlich auch eine ganz interessante Angelegenheit, aber der Post schweift schon genug aus - da muss ich jetzt mal ein wenig den Rotstift ansetzen. *g*

Als nächstes steht Peeperkorn an - und wieder sage ich nichts über die Korrekturen, ich Schuft, denn die habe ich schon alle umgesetzt. Danke dafür!

da hat es zu viele stehende Wendungen drin, die je für sich betrachtet ja nicht falsch und unpassend sind, aber in der Menge …

Ja. Das war beim Schreiben auch ein Gedankenansatz von mir - wie schmücke ich den Text, der ja wirklich nur aus Tell besteht? Ich habe mich dann dazu entschlossen, ihn in Umgangssprache zu verfassen und mit Füllwörtern vollzustopfen, damit er lebendiger wird. Ich habe oben schon erwähnt, dass er mir sonst zu grau und uninteressant geworden wäre.

mir ist das sprachlich einfach zu wenig gestaltet.

Wie du bereits erwähnt hast, ist Herr Habbert kein intelligenter Mensch. Er erzählt die Erlebnisse in seinen Worten, ich hab mir vorgestellt, wie er mit einem Diktiergerät da sitzt, und da wollte ich nicht auf Autorenebene dazwischengrätschen. Natürlich, ich hätte jetzt Metaphern reinbasteln und intensive Textarbeit leisten können, aber da wäre mir das Rohe durch die Lappen gegangen. Im ersten Absatz merkt man vielleicht, dass ich mehrfach drüber gegangen bin, denn da scheint mir mein Stil schon wieder zu sehr durch. Ich wollte einfach mal vermeiden, dass der Text klingt wie meine anderen Geschichten. Scheinbar brauche ich darin noch Übung, aber hey, genau deswegen bin ich ja hier. Dein Post hat mir Anhaltspunkte fürs nächste Mal gegeben, damit ich weiß, worauf ich achten muss.

Diese einzulösen würde bedeuten, dass sich in dieser Entwicklung was Originelles finden lässt, was Überraschendes, so dass die Geschichte nicht einfach linear verläuft, so direkt und klar auf den Endpunkt zu.

Wollte ich gar nicht. Ich wollte so nah an die Realität ran wie es mir eben möglich ist. Es fängt mit dem Ausbruch an und endet mit der Klinikeinweisung durch die Polizei, so wie es täglich tausendfach in Deutschland passiert - da kann und möchte ich nichts dazuerfinden.

Zu guter letzt noch linktofink :

Auch dir danke ich fürs Lesen. Zuerst einmal den Papierkram:

hab heute meinen Kommentar zu Felimeinname gesucht und nicht mehr gefunden. Du hattest auch kommentiert, deshalb die Frage: Hat die Gute sich beleidigt ins literarische Nirwana verabschiedet?

Das Thema wurde auf Wunsch des Autoren gelöscht.

warum nicht einfacher?: Wer will schon sein Leben lang in so einem Stall wohnen?

Das ist einfacher. Gekauft!

meinst du herumgemeckert?

Nein. "Herum mehren" bedeutet so viel wie "Die kann die Finger nicht von meinen Sachen lassen". Sie mehrt also mit seinen Sachen herum!

Wie entsteht sowas und wie kann ein krankes Pflänzchen ohne Regulativ so groß gedeihen?

Also, die Beobachtung mit der Verblendung finde ich wirklich interessant. Die war nie meine Intention, aber jetzt, wo ich den Text nochmal gelesen habe, fällt mir da auch ein bisschen was ins Auge. Die Frage, warum ein solches Pflänzchen so groß gedeihen kann, kann ich dir sogar beantworten: Es verhält sich still und macht sich erst bemerkbar, wenn es groß genug geworden ist, um Schaden anzurichten. Das ist mit Krankheiten so, das ist mit Terrorzellen so, das ist beim Wetter so. Menschen sehen keine Gefahr, solange sie nicht dringlich ist - und so wuchern Tumore.

Ich denke, der Beitrag ist jetzt lang genug geworden. Reicht ja auch mal wieder. *g*

 

Hallo NWZed,

während ich die Kommentare unter meinem Text sacken lasse, dachte ich, ich schau mal kurz bei dir rein …
Das ist schon herrlich absurd und da lässt sich dann in dem wirren Gelaber eigentlich nichts sachlich Falsches finden, weil der Prota ja ohnehin den Bezug zur Realität verloren hat. In einem anderen Text, so mit Normalos, hätte ich beispielsweise angemerkt, dass in irgendeiner Bankfiliale keine Topmanager rumspringen, weil die halt in der Zentrale arbeiten. Ich könnte jetzt auch sagen, dass ich finde, dass dir das Sujet total liegt* aber vielleicht würdest du das dann falsch verstehen und dann verseuchst du mich womöglich mit radioaktiver Strahlung. Das machen beleidigte Autoren manchmal und die ist total gefährlich, weil die unsichtbar ist und davon kriegt man Kopfweh und mir ist jetzt auch gerade ein bisschen komisch, ich mach mal das Fenster auf und wenn man - so wie ich - fliegen kann, daaaann …

Beste Grüße!
Anne

* Bitte schreib gerne mehr davon, lass den Prota zum Mörder werden, das wäre mein Tipp

 

Eigentlich wollte ich ja sehen, was aus dir und deinem Buch so geworden ist (als Terry Pratchett Fan hab ich ja schwer auf dich gehofft) und dann das hier? Keine Drachen. Aber weißt du was, schon nach dem ersten Absatz hattest du mich an der Angel. So flüssig zu lesen wie Butter auf warmen Toast :-)

Der Herr Nachbar der (armen?) Frau Meißner hat mich total gepackt. Bis ... ja, bis zum für mich zu schnellen Ende. Da war ich dann ein bisschen verwirrt (ok, er auch. trotzdem) Hat er sie getötet? Vor allen Leuten? Und konnte so dann ihre Kleider entsorgen?

Liebe Grüße aus Wien,
Velvet

 

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