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Die Meerprinzessin

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25.02.2002
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Die Meerprinzessin

Die Meerprinzessin Loricrella war eine durchaus verwöhnte Person. Das ist natürlich fast zu erwarten, denn als Prinzessin ob im Meer oder auf der Erde bekommt man manchmal mehr als einem gut tut, so dass es gar nicht verwunderlich ist, wenn man schnöselig und eingebildet wird.
Der Meerkönig hatte viel Streit mit Loricrella, und manchmal fragte er sich, ob es wirklich immer gut gewesen war, Loricrella all die Spielzeuge und Süßigkeiten zu erlauben, die sie so verwöhnt hatten. Aber nachträglich ist man eben immer schlauer, und nun hoffte der Meerkönig, dass Loricella wenigstens schnell heiraten und ausziehen würde.
Damals heirateten die Meermädchen so früh es ging, denn man durfte erst einen Beruf lernen, wenn man seine Kinder bekommen hatte und sie alt genug waren, dass sie von ihren Großeltern Geschichten vorgelesen bekommen konnten. Der Meerkönig wollte sehr gerne irgend jemandem richtige Geschichten vorlesen, nicht diese albernen Märchen, die Loricrella hören wollte. Loricrellas Lieblingsgeschichte hieß: "Wolfgang der kleine Menschenprinz". In dieser Geschichte verliebt sich eine Meerfrau in einen wunderschönen Menschenprinzen und heiratet ihn.
Je öfter Loricrella diese Geschichte las, desto mehr gefiel sie ihr, und sie träumte so sehr davon, auch einen Menschenprinzen zu finden.
Das war natürlich eine ganz verrückte Idee, denn es war ja nur ein Märchen, bzw. ein Meerchen, wie man im Meerland sagte. Ein paar Leute meinten zwar, es gäbe wirklich Menschen, aber das konnte man nicht ernst nehmen. Zumal sich solche Sagen um die Menschen rankten, wie dass sie Kartoffeln essen oder sogar etwas ganz Ekliges: Nudeln mit Tomatensosse. Eine besonders widerliche Sage war, dass sich die Menschen nach dem Essen die Zähne putzen würden.
Loricrella glaubte den Teil der Meerchen und Geschichten nicht, denn wenn man richtig verwöhnt ist, kann man den schlechten Teil einer Geschichte einfach nicht wahrnehmen. Das ist, als würde man ein Auge zumachen, ohne es zu bemerken, und Loricrella war darin sehr begabt. Tatsächlich gab es in den letzten 397 Jahren niemanden, der einen Menschen gesehen hatte, so dass sich zu dem Thema jeder selbst seinen Teil denken konnte.
Loricrella war, wie es sich für eine Meerprinzessin gehörte, eine Schönheit. Warum Prinzessinnen immer so wunderschön sind, weiss ich auch nicht, vielleicht liegt es daran, dass sie so viel Zeit damit verbringen, wunderschön zu sein. Loricrella hatte die längsten und schleimigsten grünen Haare im ganzen Meerland. Wenn sie schwamm, bildeten die Haare eine meterlange Wolke hinter ihr, die jedem Meermädchen vor Neid den Atem raubte. Und Loricrella war kugelig und mollig, genauso, wie man es in den Meermädchenheften auf jeder Seite sah. Das war alles kein Zufall, Loricrella hatte einen eigenen Frisör, der ihr jeden Tag die Haare mit einer ganz speziellen Seeigeleiterpaste einrieb, bis sie so wunderschön schleimig und wolkig waren. Und natürlich aß Loricrella jeden Tag Waltransuppe und aufgeschlagenes Seegurkenpüree, so dass sie ihr Gewicht halten konnte. Unter Wasser ist es nämlich wirklich nicht einfach, sich fettreich zu ernähren. In den letzen Monaten war es besonders modern geworden, grosse Furunkeln zu haben, und ich muss es Euch kaum sagen, Loricrella hatte die größten und farbigsten Furunkeln im ganzen Meerland. Sie war deshalb schon auf dem Titelbild der "Krebs", der berühmten Meerwelt-Modezeitschrift, und man sprach darüber überall. Loricrella hatte viele Verehrer und hätte ganz schnell heiraten können, aber sie hatte sich nun mal in den Kopf gesetzt, einen Menschen zu finden.
Sie schickte Forscher und Abenteuer in die Welt, nach einem Menschen zu suchen, und es war ein außerordentlicher Zufall, dass sie wirklich einen fand. Einige Jahre zuvor war nämlich ein Schiffbrüchiger auf einer Insel gelandet, die nicht all zu weit vom Meerland entfernt lag.
Loricrella rieb sich ihre Furunkeln ein, bis sie glänzten, ließ sich frisieren und aß drei Tage nur Fettaugen, denn töricht, wie sie war, glaubte sie, das wichtigste in einer wichtigen Situation wäre, wie man aussah. Sie dachte auch, dass nur die schönsten Meermenschen die besten Freundschaften hätten, vielleicht war das ein Grund, dass sie nicht einen wirklichen Freund hatte.
Sie reiste mit ihrem Hofsaat, ihrem Frisör, ihren Koch, ihren Dienstmädchen drei Tage zu der Insel. Huh, war sie aufgeregt. Als sie kurz vor Sonnenuntergang des dritten Tages an der Insel ankam, konnte sie nicht mehr die Nacht abwarten und tauchte alleine aus dem Wasser auf, um ihren Menschenprinzen zu suchen.
Der Mensch hieß Klaus und war nicht sehr glücklich mit seiner Situation. Durch einen dummen Zufall war er auf die einsame Insel gekommen, und irgendwie schaffte er es, anders als die Helden in den Büchern, nicht mehr, von der Insel wegzukommen. Er war ziemlich alleine und auch schon ein bisschen durchgeknallt, wie man eben so wird, wenn man ein paar Jahre alleine auf einer einsamen Insel lebt. An diesem Abend saß er am Strand und fragte sich, ob er vielleicht einen Kalender hätte basteln sollen, wie es die Schiffbrüchigen in den Büchern immer getan hatten. Oder ob es Sinn machte, vielleicht noch jetzt damit anzufangen, und dann dachte er nur noch "babobi", er war eben wirklich schon ein bisschen merkwürdig. In dem Moment tauchte vor ihm die Meerprinzessin auf, und vielleicht könnt Ihr Euch vorstellen, dass er einen ziemlichen Schreck bekam. Er sprang auf, dass sein zotteliger Bart wackelte und brüllte einen lauten Schrei.
Loricrella war bezirzt. Wolfgang, der kleine Meerprinz in ihrem Buch, hatte nämlich eine so schöne Stimme und sang immer. Es war offensichtlich, dass dieser Menschensohn auch singen konnte, und von dem Klang seiner Stimme war Loricrella auf der Stelle verliebt. Bevor sie wie betäubt wieder unter Wasser tauchte, entdeckte sie noch zwei, drei kleine Furunkeln auf dem Gesicht des Menschen, so dass sie von seiner Schönheit völlig eingenommen war. Ein bisschen dünn war er natürlich, aber das könnte man ja ändern.
Zwei Tage überlegte Loricrella unter Wasser, wie sie den Menschensohn bekommen konnte, und der einfachste Weg erschien ihr die Zauberei zu sein. So schwamm sie zurück zu ihrem Vater, denn er war ein mächtiger und guter Zauberer, wie sich das für einen Meerkönig gehört.
Klaus dagegen war ziemlich durcheinander. Und am selben Abend begann er einen Kalender zu basteln, denn er dachte, dass er sonst ganz verrückt werden würde.

Der Meerkönig war nicht sicher, ob Loricrella mit einem fremden Menschensohn wirklich verheiratet werden sollte. Aber einerseits hatte der Meerkönig nie gelernt, Loricrella einen Wunsch abzuschlagen, und andrerseits war er es leid, mit Loricrella diese kitschigen Geschichten zu lesen und ihre langweiligen Schwärmereien anzuhören. Deswegen verzauberte er Klaus in einen Meermenschen.
Es gab einen großen Sturm und einen Blitz und eh Klaus wusste, was passierte, hatte er einen Fischschwanz und wurde von einer Eskorte Meerdiener zum Meerland gebracht. Jeder andere Mensch wäre vielleicht verzweifelt gewesen, aber Klaus hatte gelernt, sein Schicksal anzunehmen und war vor allem überrascht.
So stand er bald Loricrella gegenüber, und das Protokoll sah nun vor, dass sie sich küssten. Aber so recht mochten sie nicht, da so ohne Abstand Loricrella Klaus doch viel zu dünn fand, wenn auch die Haare lang und fettig und der Bart ungekämmt und zottelig war. Und Klaus, na, Klaus fand Loricrella einfach nur unglaublich schrecklich ekelhaft, was wir ihm kaum verdenken können. So versuchten alle Klaus in den nächsten Tagen aufzupäppeln, was aber nicht wirklich erfolgreich war. Er aß viel, aber nicht immer das richtige, so dass er dünn blieb, und zu allem Überfluß auch noch seine Furunkeln abheilten.
Loricrella verlor ein bisschen das Interesse, und da es plötzlich modern wurde, erst den Beruf zu lernen und dann zu heiraten, war die ganze Frage nicht mehr so wichtig. Stattdessen musste sich Loricrella überlegen, welcher Beruf nun der richtige war, und das ganze Meerland wartete auf ihre Entscheidung, damit alle anderen Meermädchen wußten, was gerade modern war.
Klaus bezog eine Unterwasserhöhle, in der er sich ganz wohl fühlte. Und nach einiger Zeit lernte er ein Meermädchen kennen, das sehr gebildet und lustig war. Sie hatte eine furunkellose Haut, weswegen sie in der Schule immer gehänselt wurde, und ihr Haar trug sie ganz praktisch in einer 1m Länge. Da sie keine Zeit für lange Haarkuren hatte, war ihr Haar etwas fettig, wie es unter Wasser sein muss, damit das Haar nicht kaputt geht, aber gar nicht schleimig.
Klaus war ein ganz guter Geschichtenerzähler, und damit gewann er ihr Herz. Sie heirateten in aller Stille und bekamen 7 Meerkinder, denen Klaus Geschichten erzählte, während seine Frau sinnvolle Zahlenkolonnen bildete und damit viel Geld verdiente.
Der Meerkönig begann Krabben Geschichten vorzulesen. Und bald gründete er eine Schule für Krabbenkinder, die gegen den Strom schwammen, denn er bemerkte, dass die ihm am meisten Spass machten.
Und so lebten sie alle glücklich immer weiter, und wir sind froh, dass die Geschichte trotz aller Verrücktheiten und Hindernisse gut ausging.

 

Hi!

Finde die Geschichte total gut geschrieben.Hat mir sehr gefallen.

Bis bald

Aitzo^-^

 

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