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Die Meckertante und die Notfalldrops

Seniors
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17.09.2002
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Die Meckertante und die Notfalldrops

In dem Mietshaus, in das Lara mit ihrer Familie vor ein paar Wochen eingezogen ist, leben viele nette Leute. Auf der gleichen Etage wie Lara wohnt Ben mit seiner Mutter. Ben ist ein Jahr älter als Lara und geht schon in die Schule. Und im Erdgeschoss lebt Caro mit ihren Eltern und ihrer kleinen Babyschwester. Außerdem trifft Lara jeden Tag die Studenten aus der WG ganz oben unter dem Dach. Die Studenten sind total nett und sehr witzig und sie hören oft richtig tolle Musik. Außerdem haben sie einen großen schwarzen Hund, den Lara schon ein paar Mal gestreichelt hat. Es macht Spaß, hier zu wohnen. Alle Mieter sind fröhlich und lustig – bis auf Frau Ellermann.
„Frau Ellermann ist eine richtige Meckertante“, hat Ben Lara gleich am ersten Tag gewarnt. Und irgendwie hat er Recht. Seit Lara hier eingezogen ist, hat die alte Frau sich schon dreimal bei Mama und Papa beschwert, weil Lara angeblich wie ein Elefant die Treppen hinunterrennt.
„Meine Teetassen klirren und scheppern im Schrank, wenn dieses Gör durch das Haus tobt!“, hat Frau Ellermann spitz gesagt und streng über den Goldrand ihrer Brille auf Lara hinabgeschaut.
„Auf den hölzernen Treppen ist es für ein Kind aber auch sehr schwierig, leise zu gehen“, hat Mama gesagt. Und Papa hat freundlich hinzugefügt:
„Sie wissen doch sicher, wie Kinder sind. Die machen halt manchmal ein wenig Krach. Sie waren doch auch einmal jung – vielleicht erinnern Sie sich?“
Mit schmalen Lippen hat Frau Ellermann gesagt:
„Nein, daran erinnere ich mich nicht. Wir haben uns als Kinder anständig benommen. Unsere Eltern haben allerdings auch Wert auf eine ordentliche Erziehung gelegt.“ Sie hat sich auf dem Absatz umgedreht und ist ins Erdgeschoss hinabgestiegen. Dort hat sie bei Caro geläutet und sich beschwert. Caro hat gerade Klavier geübt, wie jeden Nachmittag ...
Lara spielt oft nach dem Kindergarten mit Caro und Ben im Hof. Es ist großartig, dass man draußen spielen kann, ohne eine Straße zu überqueren. Und es ist toll, dass Lara jetzt zwei Freunde hat, die ganz in ihrer Nähe wohnen.
Heute spielen die Drei Verstecken. Die Verstecke im Hof sind einfach prima. Hinter den Mülltonnen und im Gebüsch bei den Garagen kann man sich so gut verkriechen, dass man fast nicht gefunden werden kann. Caro hat Lara allerdings gerade entdeckt. Schade. Aber nun sucht sie Ben und der ist nirgends zu sehen. Lara sitzt auf dem Gartenzaun und kichert vor sich hin. Sie weiß, wo Ben ist. Vorhin hat sie gesehen, wie Ben leise wieder ins Treppenhaus geschlichen ist. Bestimmt ist er in den Keller gelaufen. Hinter der schweren Kellertür – das ist ein prima Versteck. Lara grinst.
Caro wird langsam ungeduldig. Sie reißt die Hoftür zum Treppenhaus auf und ruft:
„Mäuschen, sag mal piep!“
Ben rührt sich nicht.
Caro stampft mit dem Fuß auf und motzt: „Mensch Ben! Das ist zu schwierig. Wo bist du denn? Das macht doch keinen Spaß mehr!“
„Piep!“, tönt es da aus dem Keller.
„Ey!“, ruft Caro. „Ich glaub, der ist wirklich im Keller.“
Wie der Wind rennt sie die Treppe hinunter. Dann hört Lara das Scheppern der Metalltür, die gegen die Kellerwand donnert. Kurz darauf streckt Frau Ellermann ihr verkniffenes Gesicht durch die Hoftür. Auf ihren Wangen sind rote Flecken vor lauter Wut.
„Das ist ja wirklich die Höhe!“, schimpft sie. „Ihr benehmt euch wie eine Horde Affen!“
Vor Schreck will Lara schnell vom Zaun springen, aber leider bleibt sie mit ihrem Sweatshirt hängen. Sie verliert das Gleichgewicht und fällt auf den Asphalt. Dabei schürft sie sich das rechte Knie auf. Das brennt ziemlich doll. Lara treten die Tränen in die Augen. Sie will nur noch ganz schnell nach oben. Im Küchenschrank steht die bunte Dose mit Mamas Notfalldrops. Lara braucht jetzt dringend einen Notfalldrops. Mamas Wundermittel hilft nämlich gegen alles. Gegen Heimweh und Gespensterangst, gegen Abschiedsschmerz und wunde Knie, gegen die große Wut und den kleinen Kummer.
Lara läuft zur Hoftür, aber da steht die wütende Frau Ellermann mitten in der Türöffnung und schimpft und schimpft. „Mittagsruhe!“, hört Lara und: „rücksichtslose Jugend!“
Lara verbeißt sich die Tränen.
„Bitte!“, sagt sie leise. „Darf ich mal durch?“
Frau Ellermann holt tief Luft, um immer weiter zu schimpfen und zu meckern, doch da hat Lara plötzlich eine Idee. Frau Ellermann sieht so traurig aus, auch wenn sie wütend ist. Und Lara kann sich schon denken, wieso die alte Frau traurig ist: Sie ist ganz allein. Sie hat überhaupt keine Freunde, weil sie immer nur nörgelt und meckert und schimpft. Ganz plötzlich vergisst Lara ihr kaputtes Knie.
„Du“, sagt sie und schaut Frau Ellermann mit großen Augen an. „Wartest du mal kurz hier auf mich? Ich bin gleich wieder da.“ Frau Ellermann klappt ihren Mund verdutzt zu. Warten? Was soll das denn heißen? So etwas hat noch niemand zu ihr gesagt. Vor lauter Verblüffung vergisst sie, zu meckern.
Lara rennt wie der Wind die Treppe hinauf und klingelt Sturm. Als Mama die Tür öffnet, stürzt Lara an ihr vorbei in die Küche und reißt die Schranktür auf. Da steht sie, die Dose mit den Notfalldrops.
„Was ist denn passiert, mein Schatz?“, fragt Mama aus dem Flur.
„Ein Notfall! Ich brauche dringend ein paar Notfalldrops“, ruft Lara und greift mit der Hand in die Dose. Ohne die Schranktür zu schließen, düst sie wieder davon. Raus aus der Küche, zack durch den Flur und wie ein Blitz die Treppe hinunter auf den Hof.
Frau Ellermann hat gerade Caro und Ben hinter der Kellertür entdeckt und nun wird sie noch viel wütender. Es ist nämlich strengstens verboten im Treppenhaus und im Keller zu spielen.
Frau Ellermann macht den Mund auf, doch bevor sie richtig losschimpfen kann, steht Lara vor ihr und hält ihr die Notfalldrops vor die Nase.
„Willst du einen?“, fragt sie außer Atem.
Frau Ellermann starrt auf die klebrigen Zitronenbonbons in Laras Hand.
„Was soll das denn jetzt?“, fragt sie unwirsch.
„Notfalldrops!“, erklärt Lara. „Die helfen immer. Probier’ mal.“
„Wieso helfen?“, wundert sich Frau Ellermann. „Ich brauche keine Hilfe.“
„Du bist aber doch immer so traurig und so wütend!“, sagt Lara und schiebt sich einen Notfalldrops in ihren Mund. „Versuch doch mal einen.“
Frau Ellermann weiß auf einmal nicht mehr, was sie sagen soll. Verlegen nimmt sie eines von Laras Zitronenbonbons und steckt es in den Mund.
„Schön sauer, nicht wahr?“, lacht Lara.
Frau Ellermann nickt und lutscht an ihrem Notfalldrops.
„Ehrlich, mir helfen die immer – wenn ich traurig bin und wenn ich wütend bin oder wenn mir was wehtut. Mamas Notfalldrops sind die beste Medizin“, sagt Lara und winkt Ben und Caro zu, die sich langsam aus dem Keller herauf trauen.
„Eigentlich ist das Spielen hier im Haus ja nicht erlaubt“, murmelt Frau Ellermann verlegen. „Aber vielleicht – wenn ihr nicht ganz so viel Lärm macht ...“ Sie will zurück in ihre Wohnung gehen.
„Tschüß!“, ruft Lara. „Und wenn du wieder einmal einen Notfalldrops brauchst – wir haben immer genug davon zu Hause!“
„Äh – ja - danke“, sagt Frau Ellermann und es sieht beinahe so aus, als ob sie lächelt. Ein kleines bisschen jedenfalls.
Lara hält Ben und Caro die letzten Notfalldrops hin und grinst: „Sauer macht lustig!“

 

Hallo al-dente,

hat mir wieder gut gefallen die Geschichte. Sie würde sogar auch in die Rubrik "Alltag" passen, denn es gibt in Mehrfamilienhäusern, in denen Kinder wohnen, oft so eine miesepetrige Frau, die auf Ruhe und Ordnung pocht.
Aber Lara hat sie ja profimäßig um den Finger gewickelt. Wäre nur gespannt, ob die gute Laune von Frau Ellermann anhält, oder ob sie noch öfters Notfalldrops braucht.

Zusammenfassend eine nette Geschichte, die auch ohne viel Action auskommt.

Viele Grüße
bambu

 

Cool. Bei Uns heißt Frau Ellermann Max und ist männlich. Aber ich werde meinen Töchtern jetzt auch mal Notfalldrops hinstellen. Gucken ob's hilft.
Schöne Geschichte. Ich fand's prima.

Liebe Grüße

Lücki

 

Hallo al-dente!

Gefällt mir gut! Der Anfag geht ein bisserl schnell - alle vorstellen, marschmarsch! Danach lebendig und wunderbar erzählt :) Mich würde auch interessieren, ob die Notfalldrops längerfirstig helfen - aber für die Geschichte an sich ist das nicht wichtig, denn die Situation alleine reicht aus, hat zumidnest mal eine Grundlage geschaffen. :)

ohne eine Strasse
ß
Lara braucht jetzt dringend einen Notfalldrops.
das hast du später nochmal, einen Drops - ich nehme deswegen an, es ist Absicht. Aber richtig is das nicht mE. ;)

liebe Grüße
Anne

 

Hallo al-dente,

man kann nicht früh genug lernen, Dinge in Liebe aufzulösen. In deiner Geschichte sind das die Notfalldrops, die das vermögen. Fast schade, denn so sieht Lara ihre eigene Leistung darin nicht. Aber die Leser können sie ja sehen.

„Mittagsruhe!“, hört Lara und: „Rücksichtslose Jugend!“
Laut meinem Duden wird in diesem Fall klein weitergeschrieben, wenn kein vollständiger Satz nach dem Doppelpunkt folgt: "rücksichtslose Jugend."

Lieben Gruß, sim

 

Hallo bambu, hallo Lücki100

danke fürs Lesen und die netten Worte. Ich freue mich, dass Euch meine kleine Geschichte gefiel. :)

Hallo maus,

auch über Dein Lob habe ich mich gefreut. Die "Straße" werde ich gleich korrigieren.

Zu den "Drops": Im Mackensen steht, dass es zwar Mehrzahl ist, aber der Gebrauch in der Einzahl durchaus üblich und erlaubt ist ... :D.

Auch Dir, sim, danke ich fürs Lesen und Deinen Kommentar. Den Schreibfehler korrigiere ich sofort.

Euch allen Vieren einen lieben Gruß
al-dente

 

Hallo al-dente!

Der Anfang ist ein wenig vollgepackt und damit nicht leicht zu lesen. Im letzten Satz dieses Absatzes

weil Lara angeblich wie ein Elefant die Treppen hnunterrennt.
würde ich das angeblich weglassen. Für Frau Ellermann ist es ja nicht angeblich und die Übertreibung ist auch so deutlich.

Sauer macht lustig - angesichts des Alters von Lara frage ich mich, ob sie diesen Schnack nicht einfach erzählt, ohne den tieferen Sinn zu begreifen. Irgendwie passt dieser Satz nicht so recht zu der Handlung: was mir hilft, hilft bestimmt auch anderen - diese ernsthafte Überlegung wird durch den Satz mE abgewertet.

Ansonsten eine nette kleine Alltagsgeschichte, bei der ich mich auch frage, ob sie in der Rubrik Kinder richtig ist.

Liebe Grüsse

Jo

 

Hallo al-dente!

Eine sehr schöne, lebendige Geschichte, die sich flüssig und angenehm liest.
(Meiner Ansicht nach ist sie - schon allein wegen der kindgerechten Sprache - in dieser Rubrik sehr gut aufgehoben.)

Dass am Anfang recht viele Personen/Begebenheiten einführt werden, finde ich nicht weiter schlimm, da man sich sofort ein umfangreiches Bild von der Situation machen kann. Und dann geht es ja schon mit der eigentlichen Handlung los.

Babyschwester
Wahrscheinlich nur Geschmacksache, aber das klingt wie z.B. babygirl aus dem Englischen, was für mich so zusammengeschustert aussieht. Oder ich kenn das Wort einfach nur nicht. ;)

Caro hat gerade Klavier geübt, wie jeden Nachmittag ...
Die Pünktchen würde ich weglassen.

dass man fast nicht gefunden wird
Hier würde ich eher dass man fast nicht gefunden werden kann schreiben.

metallenen Kellertür
Fällt mE sprachlich ein wenig aus dem "Kinder-Stil" raus.

Das brennt eklig.
Bin mir nicht sicher, ob ich hier "eklig" so passend finde.

So etwas hat noch niemand zu ihr gesagt.
Hier fände ich besser, wenn Frau Ellermann über Laras Benehmen staunen würde. Das "noch niemand" passt nicht ganz, da es ja eigentlich darum geht, dass ein Kind sie so "dreist" herumkommandiert und sie dabei auch noch dutzt. ;)

Zitat von jobär
Sauer macht lustig - angesichts des Alters von Lara frage ich mich, ob sie diesen Schnack nicht einfach erzählt, ohne den tieferen Sinn zu begreifen.
Ich finde schon, dass der Spruch passt. Auch wenn Frau Ellermann das Gesicht bloß wegen des Drops verzieht, hat Lara ihr Ziel für den Moment erreicht. Ob sich die Laune der Frau in Zukunft bessert, ist zwar fraglich, aber ich finde einfach schön, wie das Mädchen die alte Dame so herrlich überrumpelt.

Insgesamt eine sehr schöne Idee wunderbar umgesetzt. Den Titel finde ich übrigens auch sehr schön gewählt.

Lieben Gruß,
Nina

 

Hallo jobär, hallo sternenstauner

Vielen Dank für Eure Kommentare. Das war ein richtig schönes Weihnachtsgeschenk für mich.

Lieber jobär, den Anfang habe ich absichtlich ein wenig voll und enggepackt geschrieben, um den Kindern zu zeigen, was alles auf Lara in der neuen Umgebung einstürzt. Trotzdem dachte ich über Deinen und maus's Kommentar nach - sternenstauners Worte haben mich dann bewogen, noch nichts zu ändern. :D

Auch an dem Wort "angeblich" in dem von Dir zitierten Satz, werde ich festhalten. Dadurch wird nämlich klar, dass andere, z.B. Lara und ihre Eltern, nicht finden, dass das Mädchen wie ein Elefant die Treppen hinunterrennt.

Liebe sternenstauner(in) :D

schade, dass Dir das Wort Babyschwester nicht gefällt. Ich war irgendwie stolz darauf, war es mir doch gelungen, etwas in der Art von "kleine Schwester, die noch ein Baby ist" kurz und prägnant auszudrücken - dachte ich zumindest ...

Die drei Punkte nach "wie jeden Nachmittag" sollen all die Gedanken und Überlegungen von Frau Ellermann symbolisieren, die bei Caros Klavierspiel in der alten Frau hochkommen. Ich warte noch ein wenig, ob auch andere sich an ihnen stören. Gegebenenfalls werde ich die Stelle ändern.

Deine nächsten drei Punkte überzeugen mich. Die Änderungen werde ich gleich noch einfügen.

"So etwas hat noch niemand zu ihr gesagt." Dieser Satz bleibt stehen. Lara ist nämlich nicht dreist und frech, sondern sie redet mit Frau Ellermann wie mit einem Menschen, der ihr wichtig (sie soll warten) und vertraut (duzen) ist. Und genau so etwas hat die Meckertante noch nie erlebt.

Besonders gefreut habe ich mich, dass Dir der Titel gefiel - an dem habe ich nämlich lange herumgewerkelt :D.

Euch beiden noch schöne Feiertage!

Liebe Grüße
al-dente

 

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