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Die Maus - eine wirklich wahre Begebenheit
Die Maus,welche ich zwecks ethisch korrekter Umsiedlung zu fangen beschloss, lebte seit unbestimmter Zeit im Niemandsland hinter unserer Küche; genau gesagt, wohnte sie irgendwo in dem von Menschen unerforschten Bereich zwischen Wandverkleidung, Heizkörper und rückwärtiger Seite unserer Einbauküche.
An und für sich hätte sie dort auch ein ruhiges, gewöhnliches und vor allem ein unentdecktes Mäuseleben führen können, wären ihr nicht zwei grob fahrlässige Fehler unterlaufen.
Sie hinterließ irgendwann unübersehbare, torpedoförmige Köttel, die es uns ermöglichten, ihre Wege nachzuvollziehen - wobei wir immer wieder feststellen durften, dass das Tier seinen Wirkungskreis nach und nach vergrößerte und offensichtlich auch unser Wohn- und Esszimmer als seinen Lebensraum zu annektieren suchte.
Ihr zweiter Fehler bestand darin, sich alsbald nicht mehr nur auf heimliche Streifzüge durch unsere nunmehr als „Mensch - Maus WG“ zu bezeichnende Wohnung, beschränken zu wollen, sondern es vorzog, uns offen und bestimmt gegenüber zu treten.
Ich vermutete, sie verfolgte die Absicht, uns auf diese Weise zu verdeutlichen, dass wir uns nun innerhalb ihres Hoheitsgebietes befänden und es ausschließlich ihrer Großherzigkeit zuschreiben dürften, die kalten Februartage in ihren warmen Räumlichkeiten verbringen zu können.
Allerdings erwartete sie hierfür regelmäßig einen kleinen Obolus, welchen wir in Form von Brot- und Kuchenkrumen auf dem Küchenboden im Allgemeinen und in unmittelbarer Nähe des Mülleimers im Speziellen, an sie zu entrichten hatten.
Die Maus musste natürlich davon ausgehen, dass der Deal genau so von uns anerkannt und daher mit einer gewissen Portion Unterwürfigkeit präzise ausgeführt wurde.
Die Wahrheit konnte das kleine Mäusehirn natürlich mitnichten nachvollziehen:
Die regelmäßige Nahrungsversorgung der Maus war lediglich unserem uns eigenen Misserfolg des Versuches, einen penibel sauberen Haushalt zu führen, geschuldet.
Ich persönlich hätte kein Problem damit gehabt, die rückwärtige Seite meiner Küche mit einem, sich zu benehmen wissenden Kleinstnager zu teilen. Meine sonst äußerst tolerante und vorurteilsfreie Lebensgefährtin allerdings, zog es vor, ohne Maus zu leben. Das machte insofern Sinn, als dass sie bei jedwedem Sichtkontakt mit dieser Säugetiergattung, innerhalb von Nanosekunden auf den nächstbesten Stuhl hüpfte.
Also wollte ich ihrer Bitte nach Entfernung des pelzigen Untermieters nachkommen.
Es war klar, dass das Tier lebend gefangen und ebenso lebendig im Stadtpark wieder ausgesetzt werden sollte.
Ich kaufte ein einfaches, günstiges Lebendfallenmodell und bestückte es mit allerlei Leckereien wie Nüsse, Schmalz, Nougatcreme und Brotstückchen.
Ich lernte vier Dinge:
1. Die genannten Leckereien sind in der Tat hervorragend dazu geeignet, eine Hausmaus
anzulocken
2. Unser ungewolltes Haustier war wesentlich geschickter als zuvor angenommen
3. Die günstige Falle war überhaupt nicht dazu geeignet, unsere Hausmaus festzusetzen und ich
bezweifelte ernsthaft, dass ihr eine generelle Mäusefangeignung inne wohnte
4. Es macht nicht immer Sinn, sparsam zu sein
Eineinhalb Wochen nach meinen ersten Fangversuchen bestückte ich ein Fallenmodell der Sonderklasse:
Verzinktes Stahlblechgehäuse und Mechanik, Sichtfenster, zwei Eingänge- kein Ausgang und größer als so mancher Vogelkäfig, in dem der ach so süße Wellensittich seinem traurigen Dasein fristen muss.
Die Maus war schnell gefangen. Doch ist es mir nicht möglich gewesen, es über mein großes tierfreundliches Herz zu bringen, das arme, verängstigte Geschöpf bei Minusgraden in einer ihm unbekannten, gefährlichen Umgebung in die vermeintliche Freiheit zu entlassen.
Es boten sich mir folglich nur zwei Wege diese Grausamkeit zu umgehen.
Nachdem meine Lebensgefährtin mir die Quasischeidung angedroht hatte, als ich ihr von Möglichkeit eins - das bedauernswerte Tier bis zum Sommer weiter hinter unserer Küche wohnen zu lassen - erzählte, blieb mir nur noch die zweite.
Ich wollte der Maus den Start in ihr neues, kaltes, gefährliches Leben im Park so angenehm und einfach wie möglich gestalten.
Aus einer Pappschachtel, altem Schaumstoff und einer in Streifen geschnittenen Baumwollschürze entstand sehr schnell ein neues Mäusezuhause, welches eine Dämmung aufwies, von der wir in unserer 15°C kühlen Wohnung nur zu träumen wagten (Das Problem mit unserer Heizung bedürfe allerdings einer separaten schriftlichen Zuwendung).
Noch einiges vom geliebten Frühstücksmüsli hinein und der Maus wäre locker für die kommenden drei Monate ein gemütliches, autarkes Leben in diesem exzellenten „Starter Kit für die Freiheit“ möglich.
Was uns beiden (der Maus und mir) nun lediglich noch bevorstand, war die Umsiedlung von Lebendfalle in Starter Kit.
Alles was meiner Ansicht nach vorbereitet werden konnte, war vorbereitet.
Ich hatte den Eingang zu ihrem angestammten Lebensraum hinter der Küche sorgfältig versperrt, die Pappschachtel weit genug geöffnet und die Tür zum Wohnzimmer geschlossen.
Es lief reibungslos. Das Tier setzte ich, es am Schwanz festhaltend, in die Box, füllte diese locker mit der Baumwollisolierung und wollte den Deckel schließen.
An diesem Punkt begann die Unternehmung aus dem Ruder zu laufen.
Das Haustier entschloss, sich kurzerhand meiner Kontrolle zu entziehen und sich stattdessen mit einem beherzten Sprung in letzter Sekunde aus der Schachtel zu katapultieren, um jetzt auf eigene Faust die Arbeitsflächen der Küche zu erkunden, nicht ohne gleichzeitig Gewähr zu leisten, dass meine erneuten Einfangversuche erfolgreich missglückten.
Kurzzeitig wähnte ich mich noch einmal als Sieger, als sie im Spülbecken festzusitzen schien.
Dies jedoch, ist offenbar nur Teil ihrer perfiden Taktik gewesen.
Ich mache es kurz.
Wieder hatte ich nur zwei Möglichkeiten:
Sagte ich meiner Liebsten, es wäre mir gelungen, das Tier aus der Wohnung zu entfernen und teilte ihr bei dem nächsten unvermeidlichen Hüpfer auf den Stuhl unseres Esstisches mit, dass es sich bei der auf dem Teppich sitzenden Maus wohl um einen Nachfahren unserer ehemaligen Mitbewohnerin handeln müsse,
oder
erkannte ich das Quasischeidungsgesuch meiner Freundin an und lebte fortan mit Maus aber ohne Frau?
So oder so muss ich mich nun damit abfinden, kläglich an einer Maus gescheitert zu sein.
Vorerst!