Die Materieformer von Soulamat!
Die Materieformer von
Soulamat!
Nacheinander kletterten sie aus dem Schiff. Vorsichtig setzten sie ihre Füße auf den fremden Boden und schauten sich um.
Als erster der Haspiri Nephets-Gnikwah.
Nachdenklich warf er einen Blick zurück, und strich über seinen schmalen Spitzbart. Aus seinem rotbraunen Zopf hatte sich eine lange Strähne gelöst, und wurde vom Wind des fremden Planeten nach hinten geweht.
Scharf fixierte er seine zwei Gefährten, die nacheinander aus dem kleinen Forschungsraumer kletterten.
Nein – sie schienen den Flug durch die seltsame Geleehülle, die nur von außen sichtbar den Planeten wie zähflüssiges Wasser einhüllte, gut überstanden zu haben. Keine Anzeichen von Panik oder Wahnsinn stand mehr in ihren Zügen. Dieser Planet war von je her ein Tabuplanet gewesen, und sie hätten ihn gar nicht angesteuert, wenn sie nicht vor dem schwarzen Kriegsschiff der Sonnenpriester hätten fliehen müssen.
Es war kurz vor Sonnenuntergang. Die gelbe Sonne tauchte Felsen, Grasland und Wälder in ein spätes Dämmerlicht. Es war ein ruhiges – ein erhabenes Bild. Die Luft war noch warm, aber ließ schon die Kühle der Nacht ahnen. Der Temperaturmesser seines Armbandkoms, zeigten Nephets eine Temperatur von ca. 8 Grad über Null an. Die Luft war schwer von Feuchtigkeit gesättigt. Irgendwo, versteckt in den Wäldern, hörte er fremdartiges Knurren, Grunzen, zirpen und Brummen! Hoch oben in der Luft zwitscherte und krächzte es.
„Seht nur“, rief Nephets, tatsächlich Vögel. Wisst ihr was? Dieser Planet erinnert mich von seiner Natur her an Leukos!“
„Und nicht nur in einer Hinsicht!“, Sulu verzog das Gesicht. „Ich frage mich wo unsere Freunde sitzen, die uns noch vor kurzem so übel mitgespielt haben!“
Eixa, die sich auch wieder erholt hatte, runzelte die Stirn. Es sieht fast so aus, als sei der Planet unbewohnt – zumindest von Lebewesen wie wir!“
Nephets strich über seinen Bart. „Das muss nicht sein. Wir sind vielleicht nur in einer abgelegenen, Gorgos verlassenen Gegend gelandet! Irgendwo könnte es durchaus eine Stadt geben.“
Sulu schüttelte seine beigefellige offene Mähne. „Du vergisst Nephets, das Eixa nichts anmessen konnte, was auf eine höhere technische Zivilisation hindeutet!“
„Das brauchen wir auch nicht bei einem Psi-Schirm. Nephets starrte nach oben in den ungetrübten Sternenhimmel, der sich mit aufkommender Dämmerung entfaltete. Er sah noch nicht einmal mehr Reste dieser gallertartigen Substanz. „Womöglich braucht man gar keine höheren Einzelintelligenzen dazu.“
„Wie meinst du das?“, fragte Sulu.
„Ihr wart damals nicht dabei, als die sterbliche Hülle Sie-Sahs auf Leukos verbrannte, getroffen durch Nocturnos Blitzstrahl.“ Nephets schluckte schwer – andere Bilder stiegen in ihm auf.
„Ich sehe mich noch, als sei es gestern gewesen, die eine Hand auf Ma-Iras Schulter legen, mit der anderen wollte ich Sah-Gahn aus der Gefahrenzone reißen.
Da wurden wir alle drei eingehüllt von Sie-Sahs aufsteigendem Geist. Aus ihren Eindrücken, wussten wir schlagartig Sulu, das Planeten riesige Organismen sind, das sie eine gedankliche Stimme haben – verstehst du?“
Sulu schaute ihn mit offenem Mund an – „du glaubst -?“
„Wenn ich euch mal kurz unterbrechen darf?“ Eixas Stimme klang unsicher. Fragend schauten die beiden Männer sie an.
„Schaut euch doch bitte mal diesen Wald an. Siehst du was Sulu?“
Sulu starrte angestrengt auf die schon im Dunkeln liegenden Bäume, die wie eine schwarze schweigende Masse vor ihm lagen. „Ich sehe nichts – sollte ich denn?“
Auch Nephets schaute angestrengt auf den Wald, fokussierte das Bild, aktivierte mit einem zweimaligen Zwinkern, sein Nachtsichtgerät und zoomte es näher heran. „Was siehst du denn Eixa?“
Sie sprang von einem Bein auf das andere. „Vielleicht bin ich noch überreizt, von den Geschehnissen im Schiff, vielleicht bilde ich mir alles nur ein. Aber meint ihr nicht auch – das der Waldrand vor ein paar Minuten noch ca. hundert Meter weiter entfernt war?“ Sulu schaute sie durchdringend an und räusperte sich. Es war jetzt fast ganz dunkel, nur noch vereinzelte schwache Sonnenstrahlen am Horizont tauchten die Landschaft in ein, goldenes Zwielicht. „Bist du dir sicher – Eixa!“
„Nein – verdammt noch mal“, fuhr sie ihn an. „Sonst würde ich euch ja wohl nicht fragen!“
Nephets zoomte inzwischen seine Augen wieder einwärts, und drehte sich zu ihnen um. „Ich bin mir zwar nicht sicher Eixa, aber es könnte sein das du Recht hast. Langsam habe ich den Eindruck, das hier fast alles passieren kann. Wir sollten zurück ins Schiff gehen und uns die Außenaufnahmen ansehen die, die Kameras vor wenigen Stunden gemacht haben. Dann kann ich die Bilder mit meinen Aufnahmen, die ich im Augenhintergrund gespeichert habe vergleichen.“ Er wandte sich noch einmal um und wies mit ausgestreckter Hand auf den Waldrand. „Es wird Nacht – die sollten wir sowieso………..Mitten im Satz brach er ab. „Neph?“, fragte Sulu. Doch Nephets antwortete nicht.
Leise summend fuhren seine Augen wieder nach vorne, dann zuckte er heftig zusammen. „Das – das – kann nicht sein! Das – glaube ich – nicht! D – d – das i – ist nicht wahr!“ Ohne jede Vorwarnung lief er plötzlich los. Sulu und Eixa hatten kaum Zeit um zu reagieren. „Ma-Ira“, hörten sie ihn schreien, Sternenhimmel das ist – Ma-Ira – oh Gorgos!“
Es war jetzt ganz dunkel, nur die Sterne und der Mond dieser Welt spendeten etwas Licht.
In Sekundenschnelle überwand Nephets den schmalen felsigen Untergrund, keuchte mit weiten Sprüngen über das Grasland – er brauchte keine Stablampe. Sein infrarotes Nachtsichtgerät tauchte die Dunkelheit in gespenstisches Rot! Er hatte Mühe seinen zitternden Körper in Gang zu halten, aber er rannte weiter, stolperte, rappelte sich wieder auf. Hitze – durchflutete ihn – als würde ein plötzliches Fieber seinen Körper verzehren. Schließlich war er am Waldrand angekommen, und starrte auf die hoch gewachsene näher kommende Frauengestalt. Ihr langes dunkles Fell wehte wie eine schwarze Fahne im aufkommenden Wind, die bodenlosen Augen sahen bis auf den Grund seiner Seele, die vollen Lippen lächelten ihn an. Lautlos formte er einen Namen – „Ma-Ira!“
Sie stand dort in ihrer vollen Schönheit. Er war nicht mehr fähig weiter zu gehen – bebend – sich nur mühsam aufrecht haltend – sah er ihr entgegen. War das wieder einer dieser Alpträume! Aber er fühlte sich wach – er war wach – wurde er jetzt vollständig verrückt? Aber er sah sie! Sie kam näher! Lächelnd, stumm trat sie an ihn heran. Erst jetzt konnte er sich wieder rühren. „Bist du – bist du das wirklich?“ Sie lächelte nur ihr unnachahmliches, süßes Lächeln und blieb wenige Zentimeter vor ihm stehen. Er hörte sie atmen! Langsam, vorsichtig hob er den Arm -.
„Nephets! Nein tu es nicht! Das kann nicht Ma-Ira………..!“ Zu spät – zu spät. Seine Hände berührten, strichen sanft über ihre Haut, die samtig und weich sein musste.
Samtig und – winzige Körner zerrieben unter seinen Händen, fielen zu Boden! Körner? Ihre Haut – bröckelte – ihre Schulter zerfiel, zerrann wie Sandkörner unter seinen Fingern! Der ganze Körper zerkrümelte – blätterte ab – wie ein rutschender Berg aus Sandstein – das Gesicht – das schöne Gesicht zerrissen, nur noch halb vorhanden. Als hätte er sich verbrannt zuckte Nephets zurück. Die spitzen Ohren fuhren hin und her, seine Augen zoomten außer Kontrolle vor und zurück. Er schrie in hellen Tönen, und sprang zurück, prallte gegen Sulu und Eixa, die ihn, bewaffnet mit ihren Stablampen und gezogenen Strahlern, endlich erreichten. Stoßweise atmend, zuckend sank er in ihre Arme. „Helft mir! Oh Gorgos helft mir doch! Ich – i – ich v – verliere den Verstand! Bitte Sulu, Eixa – bitte! Ich-!“ Fast beruhigend spürte er ihre schmerzhaft festen Griffe, fühlte wie sie ihn sanft auf den grasigen Boden absetzten. Sulu’s ruhige Stimme. „Neph – du – wirst – nicht verrückt! Wenn – dann sind wir alle wahnsinnig geworden. Wir sehen sie auch! Hörst du? Du kannst dich beruhigen – wir sehen sie auch!“
Nephets Augenzoom beruhigte sich endlich, sofort kniff er die Augenlider zusammen. „Ihr seht sie auch? Was tut sie?“
„Was auch immer das zu bedeuten hat“, antwortete Eixa. „Sie zerrinnt, wie Sand! Es ist nur eine Erscheinung Neph!“
Endlich wagte er es die Augen wieder zu öffnen, und nach vorne zu schauen. Tatsächlich – dort lag im hohen Gras ein kleiner Hügel fein aufgeschichteter Sand, fast schon wieder verweht vom leichten Nachtwind. Langsam beruhigte Nephets sich wieder. Er bekam seine Nerven, seine Atmung wieder unter Kontrolle. Tief die klare Nachtluft einsaugend streckte er sich, wand sich aus den Armen seiner Freunde und richtete sich auf. „Danke“, krächzte er, „danke!“
„Keine Ursache!“, sagte Sulu leise. „Die Frage ist nur – was war das?“
„Vielleicht – habe ich im Hintergrund zu intensiv an sie gedacht!“, sagte Nephets mit mühsam beherrschter Stimme. „Vielleicht begünstigt dieser Planet psychische Manifestationen!“
„Ich war es – ich habe deinen Gedanken Ausdruck gegeben! Es tut mir Leid Fremder – es tut mir leid! Ich wollte dir eigentlich nur helfen!“ Diese Stimme – diese weibliche, melodische Stimme! „Hört ihr das auch?“ Er wandte sich Eixa und Sulu zu, die sich wie zwei Schildwachen, links und rechts neben ihn postiert hatten. „Ja“, nickten sie, „ja – diese Stimme ist auch in unserem Kopf!
„Wer bist du?“, dachte Nephets intensiv, wer bist du?
„Entschuldige meine Unhöflichkeit Fremder! Ich entstamme dem Volk der Soulis und mein Name ist Soulana, ihr befindet euch auf dem Planeten Soulamat im Soulasystem!“
„Mein Name ist Nephets“, antwortete er laut. Die zwei andern sind Sulu-Ap, und Eixa-Lag! Wir sind Haspiri! Wie immer – du „das“ eben gemacht hast – bitte – mach das nicht noch mal! Ich – ich dachte ich werde verrückt! Vielleicht weißt du das sowieso schon, wenn du in meinen Gedanken wühlst! Aber dieses – Wesen – war meine Gefährtin! Und – und Ma-Ira ist tot!“
Entschuldige Nephets, vom Volk der Haspiri! Ich wollte weder in deinen Gedanken wühlen, noch wollte ich dich erschrecken. Ich habe schon seit eurer Ankunft gespürt, dass du traurig bist und oft an dieses Wesen gedacht hast. Du trägst deine Traurigkeit, wie eine graue Wolke mit dir herum, sie hüllt dich ein! Ich brauchte gar nicht in dein Gehirn zu schlüpfen, um deine Gedanken zu erkennen – du trägst ihr schwarz umflortes Bild ständig mit dir herum. Ich dachte – ich könnte dir mit ihrer Erscheinung helfen, deine Trauer etwas zu besiegen. Aber die Stabilität meiner Materiemanifestationen lassen noch zu wünschen übrig!
Nephets hatte das Zittern seiner Glieder jetzt wieder vollständig unter Kontrolle. Müde winkte er ab. Diese Stimme schien friedlich und hilfsbereit zu sein. Diese Stimme wirkte auf ihn wie ein schuldbewusstes Schulmädchen, das seine Lektionen nicht richtig gelernt hatte.
„Schon gut Soulana. Wir haben nicht das Recht dir Vorwürfe zu machen. Eigentlich müssen wir uns entschuldigen. Wir sind einfach so auf euren Planeten eingedrungen, ohne um Einlass zu bitten, und euch zu sagen was wir hier wollen. Wir sind Wissenschaftler, und dieses Schiff, das du hinter uns in der Ferne siehst, ist Teil einer Expedition! Wir wollten auch eigentlich nach Hasperod. Denn wir sind lange nicht mehr dort gewesen! Wir haben - Dinge gesehen, die uns schockiert haben! Außerdem“ – Nephets schwieg einen Augenblick, sollte er der Stimme Soulana vertrauen? Diese mentale Stimme – wirkte so friedlich - !“ Aber wenn sie und ihr Volk mit dieser Gallerthülle zu tun haben, dann steckt auch eine gehörige Portion Aggression in ihnen! Wo stehen sie? Nephets schaute hoch, als ob Soulana dort vor ihm stehen würde, er sah auf den schwarzen, in der Dunkelheit kompakt wirkenden Wald. Und plötzlich ergriff ihn das merkwürdige Gefühl, als ob diese dunkle Masse von Bäumen miteinander verschmelzen – als ob sie ihm abwartend entgegenstarren würden. „Soulana?“
Die Stimme Soulana schwieg, doch übergangslos schlug eine Woge flüsternder, wispernder Stimmen, weiblich, männlich, kindlich, dunkel und hell, über ihm zusammen! Lautlose – nur in seinem Kopf existente Stimmen. Er schaute sich nach seinen Gefährten um, Sulu und Eixa starrten in die selbe Richtung wie er, lauschend hatten auch sie ihren Kopf erhoben, die Ohren hoch aufgerichtet, zitternd vor Spannung und Konzentration. Er forschte in ihren Gesichtern – was fühlten sie? Baute sich wieder diese Angst – diese Panik in ihnen auf? Wispernde Stimmen in der Dunkelheit des fremden Planeten, nicht unfreundlich – verständlich nur einzelne Wörter! Frieden – Planet – Materieformer – Schutz – Gallerthülle – Materiewandler – Wesen – Geist – nicht böse? Willkommen – Planet – wir sind!
Und während er noch lauschend vor sich hinstarrte, bildete sich auf seiner künstlichen Netzhaut, ein bewegtes Bild! In einer fließenden für ihn nicht nachvollziehbaren Bewegung, rückte der Wald immer näher heran, die flüsternden Stimmen in seinem Kopf wurden lauter! Er spürte wie sich Hände um seine linke und rechte Schulter krampften. Sulu-Ap und Eixa-Lag, zitterten vor Anspannung! Jäh konnte er einzelne Bäume unterscheiden, wurde das Grasland überwuchert von mächtigen Wurzeln, verdunkelt von massigem Astwerk, wuchs dieser seltsame Wald von mehreren hundert Meter hohen Bäumen in wenigen Schritten Abstand vor ihnen auf. Fast hatte er Angst erschlagen zu werden. Doch der Wald blieb stehen – die riesigen Kronen rauschten in einem plötzlich aufkommenden leichten Wind! „Willkommen Haspiri auf unserem Planeten! Wir sind die Soulis – das Volk – von Soulamat! Ihr habt den Mut gehabt unseren Schutzschirm zu durchdringen – ihr seid nicht vom Wahnsinn befallen worden! Ihr habt euch von eurer Angst und Panik nicht dazu verleiten lassen, euch gegenseitig auszulöschen! Ihr seid in der Lage mentale Blöcke zu setzen, euren Geist bis zum gewissen Grad vor fremden Zugriff zu schützen. Doch wir spüren eure positive Ausstrahlung, eure leidvollen Erfahrungen! Ihr müsst friedliche Wesen sein. Es war ein Chor von unterschiedlichen Stimmen – wie ein Gesang – eine Melodie – unendlich fremd – unendlich vertraut – sanfte Autorität ausstrahlend! Mehrere Wesen – ein Wesen – die wussten – das wusste was es darstellte? Habt keine Angst! Ihr könnt mir – uns vertrauen! Wir sind die Soulis – wir sind Soulamat – wir sind Natur – wir sind Planet! WILLKOMMEN!
Und schlagartig – war alles wieder still! Keine wispernden, raunenden Stimmen – nur der leise säuselnde Wind, der die Blätter der Baumkronen bewegte – und eben der Wald - der immer noch dicht vor ihnen aufragte – und bewies, das sie nicht träumten.
Trotzdem kniff sich Nephets probehalber noch einmal in den Arm, der Schmerz bewies ihm endgültig, dass er wach war. Er warf einen Blick links neben sich, Sulu zwinkerte mit den Augen, und atmete tief ein und aus. Eixa auf seiner rechten Seite, massierte ihre Augenbrauen und schüttelte ihre Mähne, dann zeigte sie auf den Wald – „glaubt ihr noch immer dass ich spinne?“
„Das habe ich nie behauptet“, antwortete Sulu, kam zu ihr hinüber und hockte sich wieder neben sie. Man darf solche Wahrnehmungen ja wohl mal anzweifeln oder? Nicht – das ich das jetzt noch tue, aber laufende und wispernde Wälder sind ja nicht unbedingt was Alltägliches! Geht es dir gut Neph?“ Eine Weile sah Nephets Sulu und Eixa schweigend an, dann nickte er – „Ja, mir geht es gut – danke.
Ihr habt also diese Stimmen auch gehört. Ihr habt auch gesehen – das dieser Wald – zu uns – hinüber geflossen ist!“
„Ja“, bestätigte Sulu – „er hat mit uns geredet. Er hat speziell uns gemeint. Und – so unglaublich es klingt – ich glaube – er hat den Schutzschirm errichtet!“
Nephets war aus seiner hockenden Stellung wieder nach oben gekommen, und blickte nun hoch aufgerichtet, die mächtigen Baumstämme entlang, bis nach oben in die weit entfernten Baumkronen. Mittlerweile erhellte das Licht eines kleinen Mondtrabanten die Szenerie.
„Dann sind wir uns einig“, sagte Nephets rau, das dieser Wald – nicht einfach nur ein Wald ist, riesige Einzelpflanzen! Ich weiß nicht genau woraus dieser Schutzschirm bestand oder noch besteht. Aber ich vermute Haspiri, er besteht aus psionischer, kristallisierter Materie.“
„Es sieht so aus“, warf Eixa ein, als wenn wir hier einem Lebewesen gegenüberstehen!“
„Nein!“, Nephets drehte sich um, und sah sie eindringlich an. „Nicht nur einfach einem Lebewesen, das sind Pflanzen sowieso, sondern einer höheren Intelligenz – einem Wesen mit Bewusstsein Eixa!“ Er wandte sich wieder dem Wald zu, „wo bist du Soulana? In welchem Baum hat sich deine Mentalenergie manifestiert? Bist du die Stimme des Waldes? Oder gibt es da noch andere? Wir hörten es raunen und wispern!“ Es blieb still, und Nephets begann schon zu glauben dass er keine Antwort mehr bekommen würde, doch dann – ertönte plötzlich wieder, diese melodische sanfte Frauenstimme, sie schien von überall herzukommen. „Ihr habt noch immer nicht verstanden Nephets-Gnikwah! Wir sind viele, wir sind unterschiedlich, wir sind ein Wesen – und wir sind nicht nur Wald. Wir haben diesen Schutzschirm errichtet. Er ist ein Teil von uns. Du hast Recht – kristallisierte Psi-Energien! Und ich-wir merken, das er der Grund ist, warum ihr uns nicht vertraut!“
„Wundert dich das?“, fragte Nephets blechern, knarzig. „Meine Gefährten wären fast getötet worden. Ich selber war nur nicht betroffen, weil stählerne Technik in meinem biologischen Gehirn verarbeitet ist! Nur deswegen war ich noch handlungsfähig!“
Soulanas sanfte Stimme klang hart, als sie antwortete, und fast erwartete Nephets einen der Bäume gleichmütig mit den ausladenden Ästen zucken zu sehen.
„Wir haben diesen Schirm um den Planeten zu unserem Schutz errichtet. Nicht nur ihr habt leidvolle Erfahrungen gemacht. Wirklich vernunftbegabte Wesen, die zumindest bereit sind zu verstehen – überleben diesen Schirm – die anderen – versinken in ihrem eigenen Chaos! Ihr habt überlebt!“
Ich werde euch zeigen was ich meine!“ Plötzlich fingen die Bäume des Waldes wieder an zurück zu gleiten. Es war eine mächtige Demonstration von fließenden, schwebendem Wurzelgeflecht, und einer endlos laufenden Welle von grünen Blätterkronen. Doch einige Bäume blieben stehen. Nephets riss seine müden, geröteten Augen auf, und ließ seinen Zoom hin und her fahren. Übergangslos fingen die Bäume an ihr mächtiges Wurzelwerk in eine Art Füße umzuwandeln, bildeten sie haspirische Gesichter, auf ihren Stämmen aus, wie ein lebendes Relief. Gras wuchs plötzlich wieder dort, wo der Wald gestanden hatte und wanderte hinunter bis zu dem gebirgigen Streifen, auf dem ihr Schiff stand. Das Gras wogte und wisperte, einzelne Halme wuchsen plötzlich weit in die Höhe, wurden bräunlich, verhärteten sich zu Stämmen mit robuster Rinde bildeten Blätter und Äste aus, andere welkten dahin, flossen ineinander, verhärteten zu Steinen, die wieder zu Staub und Sand zerfielen.
Das ging so schnell das Nephets künstliche Augen dem Geschehen kaum folgen, geschweige denn speichern konnten. Einen Augenblick lang schien das Spiel innezuhalten. Er atmete durch, versuchte einen Gedanken zu fassen, etwas zu sagen, um seiner Verwirrung Luft zu machen, da schoss der Sand blitzartig in mehreren kleinen Fontänen nach oben, verdichtete sich in wirbelnden, senkrechten Spiralen – und aus den Spiralen formte sich jeweils eine humanoide, Haspiri ähnliche Figur! Männer, Frauen, Kinder umringten Nephets und seine Freunde plötzlich, in einem Vegetationsdurcheinander von Sträuchern, Gräsern, Riesenbäumen und Steinen. Figuren aus hart gebackenem Sand, denen aus manchen Gliedern und Extremitäten, wie in einem skurrilen Traum, noch Äste und Blätter herausragten.
Nephets und Sulu waren aufgesprungen, auch Eixa war mittlerweile wieder hellwach.
Hand in Hand, wie um sich gegenseitig zu wappnen, starrten die Drei auf die blitzschnell aufeinander folgende Metamorphose der Natur, die jetzt endgültig zum Stillstand kam. Aus der Mitte der humanoiden Wesen löste sich die Gestalt einer jungen, dunkelbeigefelligen Frau, mit wallendem, glattem Kopffell. Nephets schätzte sie vom Ansehen her auf ca. sechzehn Jahre. Sie hatte ein schmales Gesicht mit hohen Wangenknochen, vollen roten Lippen und blauen Augen. Zielgerichtet trat sie auf Nephets zu und sagte, „guten Morgen Nephets-Gnikwah. Ich hoffe die Manifestation meiner Mentalenergie in Materie ist mir jetzt etwas besser gelungen. Ich habe die Gestalt deiner Gefährtin mit Absicht vermieden, damit ich dir keinen Schmerz bereite, denn dazu sind wir nicht geboren. Ich bin Soulana!“ Sie wies mit einer Hand auf die Bäume, auf die anderen humanoiden Wesen, auf die Gräser, auf die Steine. „Ich bin all das! Und sie sind auch immer ich. Ich vergehe und werde immer neu geboren! Kannst du nun erkennen, Nephets-Gnikwah, was ich-wir dir sagen wollen?“
Nephets spürte den Druck von Eixas und Sulus Händen, er befeuchtete seine trockenen Lippen und sagte, „ja ich glaube jetzt verstehe ich. Soulana legte ihm eine schlanke Hand auf die Schulter, schaute ihm in die starren Augen. „Ja du und deine Freunde ihr versteht endlich! Und deswegen heiße ich euch noch einmal willkommen. Endlich begegnen wir Wesen die begreifen, Wesen mit hoher emotionaler Intelligenz. Ich-Wir Nephets-Gnikwah sind die Materiewandler von Soulamat – wir sind Soulamat – Ich-Wir sind der Planet!“