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Die Masche

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13.01.2012
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Die Masche

Als ich zum Beispiel am Bahnhof vorbeikomme, steht da dieser Typ und ich reiße meinen Arm hoch und mache diesen Metal-Gruß, bei dem man den Daumen, Zeige- und den kleinen Finger abspreizt und brülle ihm ins Gesicht: „Up the Irons!“ Der Kerl glotzt mich nur blöd an und ihm fällt fast die Zigarette aus dem Mund.
Eigentlich höre ich keinen Metal - aber auf der Uni hatte ich diesen Mitbewohner, der ein riesiger Iron Maiden-Fan war und wenn ich in unsere Wohnung kam oder ihn sonst irgendwo traf, rief er meist: „Up the Irons!“ Und dabei hat er dieses Zeichen gemacht.
Warum ich das jetzt diesem Typen zurufe?
Ganz einfach: Der Kerl trägt ein T-Shirt mit dem Schriftzug Iron Maiden, darunter steht: The Number of the Beast. In so blutroter Schrift.
Ich meine, na gut: Das Shirt ist schon alt. Das Schwarz ist nicht mehr richtig schwarz, das Motiv am Verblassen und der Kragen sieht angefressen aus. Ja, vielleicht ist der Typ schon lange kein Maiden-Fan mehr. Oder nie einer gewesen ist. Vielleicht hat er das Hemd nur von seinem Vater geerbt. Oder auf dem Flohmarkt gekauft, weil er die Optik mochte. Oder er kam irgendwann aus dem Fitness-Center nach Hause, hat seine Tasche aufgemacht und darin ein Shirt gefunden, das ihm nicht gehörte und jetzt hat er es gelegentlich an, wenn alles andere in der Wäsche ist. Zugegeben: Das alles sind mögliche Welten.
Aber bitte: Dann soll er das Teil nicht tragen. Oder zumindest damit rechnen, dass ich drauf reagiere. Und mich nicht so dämlich anglotzen.


Ich nehme T-Shirts beim Wort. Das ist so, kurz gesagt, meine Masche.
Da steckt keine Weltanschauung hinter. Das ist keine Kapitalismuskritik oder so, erst recht keine Aktionskunst und ich mache das garantiert nicht, um irgendwie „interessant“ zu erscheinen. Als Person bin ich nicht besonders interessant, da mache ich mir nichts vor.
Das Ganze fing einfach an, an einem erstaunlich schwülen Abend im Frühling. Ich war damals gerade fünfzehn Jahre alt, ich saß in der U-Bahn, wusste nicht recht, ob es die richtige war und war allgemein ziemlich desorientiert, weil ich komplett betrunken war. Der erste Rausch meines Lebens und ich fühlte mich ziemlich überfordert damit.
Ich war auf dem Weg nach Hause von einem Konzert - wobei „Konzert“ vielleicht etwas zu viel gesagt ist. Mein bester Kumpel aus der Schule spielte seit ein paar Monaten in einer Band und an diesem Abend hatten sie ihren ersten Auftritt gehabt. Es war ziemlich furchtbar. Ich stand etwa vierzig Minuten in einer qualmigen, dunklen Halle und direkt neben meinem Kopf stand eine Box, aus der unentwirrbarer Lärm drang. Das Geschrammel und Gegröle machte mich zuerst taub und dann zunehmend depressiv. Ich trank zwei Pappbecher mit Cola und Jägermeister drin und als der Auftritt fast vorbei war, musste ich raus. Plötzlich wollte ich nichts weniger, als mit meinem Kumpel über den Auftritt oder über sonst irgendwas zu reden. Außerdem musste ich kotzen.
Ich spuckte also eine braune Flüssigkeit und den Rest einer Tiefkühlpizza hinter die Halle und stieg in die nächstbeste Bahn.
Als mein Hintern das Sitzpolster berührte und die Bahn losruckte, war meine Stimmung ganz unten angekommen. Warum musste ich die halbe Stadt durchqueren, um mir die Gehörgänge ruinieren zu lassen? Warum hatte ich diesen widerlichen Müll getrunken? Warum verschwendete mein bester Freund so viele Stunden für diese Art von „Musik“, statt mit mir Zeit zu verbringen? Warum saß ich hier in einem nach Pisse stinkenden U-Bahn-Abteil? Warum war ich im Sportunterricht der Schlechteste? Warum musste ich mit Typen rumhängen, mit denen ich nichts gemeinsam hatte? Warum ...
So ging das immer weiter. Die Fragen liefen durch mein Gehirn wie auf irgendeinem beschissenen News-Ticker. Immer die gleichen Fragen und keine einzige Antwort.
Da sah ich den Typen. Er saß mit gegenüber, war vielleicht Mitte zwanzig, hatte einen Kinnbart und einen blonden Pferdeschwanz. Er hatte dieses mintgrüne T-Shirt an und darauf stand in weißer Schrift: California Surf Championship 1988 - Ride the Waves.
Und das - dieser Satz auf diesem T-Shirt von diesem Typen, den ich noch nie gesehen hatte - ergab einfach - unleugbar und ultimativ - überhaupt keinen Sinn.
Ich sagte: „He, du warst bei einer Surfweltmeisterschaft dabei? Ich wollte immer mal surfen. Oder nach Kalifornien. Echt cool!“
Der Typ guckte mich mit großen Augen an, als sei ich vollkommen irre. Ich lächelte. Und plötzlich - zumindest für den Moment - fühlte ich mich ein klein wenig besser.


Ich wusste natürlich, dass der Kerl in der U-Bahn nie bei einer Surfweltmeisterschaft in Kalifornien gewesen ist. Ich bin kein Idiot. Vermutlich gab es 1988 gar keine Surfweltmeisterschaft in Kalifornien und vermutlich hat der Typ gar nicht gewusst, was auf seinem T-Shirt steht. Aber darum geht es ja gerade. Gewissermaßen.
Der Typ hat das Shirt halt in irgendeinem Laden gekauft, für zehn Mark vielleicht. Weil ihm die Farben gefielen oder weil er sie nicht allzu beschissen fand. Bei einem Shirt für zehn Mark müssen einem die Farben nicht unbedingt gefallen.
Was einer auf seinem Shirt zu stehen hat, ist buchstäblich Zufall. Das kann man nicht verstehen. Aber ich versuche es trotzdem. Und darum geht es hier.


Teilweise bin ich recht gut gefahren mit dem Shirt-Ding. Es hat unter anderem dazu geführt, dass ich das erste Mal die Brust einer Frau berührt habe. Da war ich frisch an der Uni.
Es war die Party von irgendeinem Kerl, den ich nicht kannte, ich war nur dort, weil der Maiden-Fan, den ich schon erwähnt habe, mich mitgeschleppt hatte. Damals wohnten wir noch nicht zusammen. Aber ich kannte ihn von so einer lahmen Begrüßungsfeier, mit der die Uni die Erstsemester malträtierte.
Dass ich auf dieser Party war, war also Zufall und was soll ich sagen - die Party war auch ziemlich lahm. Es war auch Zufall, dass ich da mit diesem Mädel zusammen auf der Couch saß und quatschte, denn sie sah deutlich besser aus als die Mädels, die sonst so mit mir quatschen. Eigentlich sah sie aus wie eine dieser Cheerleader-Schlampen aus diesen amerikanischen College-Filmen. Das fand ich zumindest witzig.
Ich sah aber ziemlich schnell, dass das Ganze nirgendwo hinführte. Sie redete ja nur mit mir, weil der allgemeine Lahmheitsgrad der Party meine persönliche Lahmheit vorübergehend überdeckt hatte. Aber jetzt sagte sie schon immer weniger, hörte mir kaum noch zu und sah sich um, ob nicht sonst irgendwer da wäre, an den sie sich ranhängen könnte. Die Sache begann mich mehr und mehr zu deprimieren.
Aber da geschah es: Ohne es wahrscheinlich zu merken, sich immer noch nach besserer Gesellschaft umschauend, öffnete sie langsam den Reißverschluss dieses Sweaters, den sie die ganze Zeit trug.
Was genau auf ihrem T-Shirt stand, weiß ich nicht mehr. Meine Erinnerung an den Abend ist ziemlich verschwommen. Aber ich kann sicher sagen: Es war was Versautes. Nichts Zweideutiges - das hätte mir nicht gereicht - sondern was eindeutig Versautes. Eine Aufforderung.
Das war die Situation: Ich fühlte mich schlecht und die Sache hier war de facto vorbei. Ich hatte nichts zu verlieren. Ich war sehr betrunken. Sie hatte recht schöne Titten. Und jetzt noch das T-Shirt.
Ich griff also zu.
Sie hat mir voll eine verpasst. Natürlich. Allerdings nicht wie im Film, nicht so eine Cheerleader-Schlampen-Ohrfeige mit der flachen Hand. Sondern mit der geschlossene Faust.
Sie hatte Kraft und außerdem einen Ring am Zeigefinger. Es blitzte hell, dann schmerzte es höllisch. Ich muss dazu sagen, dass ich ziemlich wehleidig bin. Jedenfalls hat meine Unterlippe geblutet. So sehr, dass ich das Blut mit meinem Becher auffangen musste, um mich nicht einzusauen.
Deshalb und weil ein paar Leute mich komisch anguckten, machte ich, dass ich da schnellstmöglich wegkam. Trotzdem dachte ich, als ich an die frische Luft kam: Es hat sich gelohnt.


Ich selbst trage meist einfarbige T-Shirts, ohne was drauf. Oder Hemden.
Nicht, dass ich nichts mitzuteilen hätte; dass ich nichts ausdrücken könnte. Das könnte ich schon. Aber: Es ist halt nichts so Wichtiges. Und die Leute werden schließlich schon genug zugemüllt: mit Plakaten und Slogans und Werbemails und Graffiti und Flyern und Fernseh-Gelaber und ...
Da muss ich nicht auch noch. Da kann ich wenigstens der sein, der die Fresse hält.
Zumindest auf meinem T-Shirt.


„He“, war - soweit ich mich erinnern kann - das erste, was ich zu Anne sagte. Und dann: „Ich würde dich gern ansprechen.“ Keine überwältigende Einleitung für ein Gespräch, aber für meine Verhältnisse ziemlich gut.
Es war nach einiger Zeit wieder mein erster Versuch, Kontakt aufzunehmen. Ich war jetzt fast ein Jahr an der Uni und es hatte sich herausgestellt, dass die meisten Philosophiestudenten ziemlich prätentiöse Idioten sind. Ich war nicht allzu scharf auf ihre Gesellschaft. Na ja, wenn ich ehrlich bin: Seit meiner Aktion auf dieser Party befanden sich meine Aktien auch in einem gewissen Zwischentief. Die meiste Zeit lief ich mit gesenktem Blick von Hörsaal zu Hörsaal und bewunderte die Auslegware. Manchmal begegnete ich zufällig meinem Mitbewohner, der rief dann „Up the Irons!“ und grinste mich an. Das war es aber auch schon.
Kann gut sein, dass ich ein wenig einsam war und sie deshalb ansprach. Sie sah nicht aus, wie die Mädels, auf die ich sonst stehe: Sie war kleiner, hatte weniger große Brüste und war weniger blond - na ja, eigentlich hatte sie schwarzes Haar. Aber irgendwie sah sie nett aus.
Und sie hatte dieses Shirt an. Es war rosa und darauf stand: Sprich mich an, ich bin schüchtern.
Das habe ich dann also gemacht. Ich muss ziemlich bescheuert ausgesehen haben, wie ich da vor ihr stand, denn auf einmal war ich schrecklich nervös. Aber das war gleich wieder vorbei - denn plötzlich lächelte sie. Und da wusste ich - so komisch das jetzt auch klingt - dass das hier eine ernste Sache war. Die erste ernste Sache in meinem Leben.


Das Studium habe ich dann geschmissen. Ich wollte diese prätentiösen Idioten nicht mehr ertragen - der eine war doch tatsächlich in einem T-Shirt mit einem Kant-Bild und dem Spruch Sapere aude! drauf im Seminar erschienen! - und außerdem hatte mich Philosophie ohnehin nie interessiert.
Was mich interessierte war Anne.
Das klingt vielleicht kitschig und irgendwie ist es das ja auch. Bisher war ich eher der Typ, der die Liebe für eine Erfindung der Blumenindustrie hält. Aber Dinge ändern sich. Die Dinge hatten sich geändert.
Ich suchte mir also einen Job. Nichts Tolles. Eigentlich war ich nur ein Kerl, der Zahlen aus einer Spalte in eine andere schrieb und ab und zu eine Taste drückte, die aus den Zahlen eine Grafik erstellte. Aber die Arbeit war leicht und das Geld reichte aus, um für uns beide eine kleine Wohnung und was zu essen und für Anne das Studium zu bezahlen.
Archäologie. Ihr Traum war es, einmal an einer Ausgrabung in Ägypten teilzunehmen. Ich fand das ein bisschen verrückt - aber auf die gute Art verrückt. Ich konnte sie mir gut vorstellen, mit Schlapphut und Peitsche.
Ab und zu guckte sie mich komisch an, wenn wir zum Beispiel aus dem Kino oder aus dem Theater kamen und ich in der U-Bahn einen Typen anquatschte, der ein bedrucktes T-Shirt trug. Aber bei dem Blick blieb es dann auch. Und tatsächlich kam so etwas immer seltener vor: Irgendwann war es so weit, dass uns einer gegenüber sitzen konnte, ein Clown-School-Graduate-1972-T-Shirt über den adipösen Leib gespannt - und ich sagte kein einziges Wort.


„Willst du mich heiraten?“ Es ist wohl ganz logisch, dass ich diese Frage irgendwann stellte. Aber so einfach sind diese Dinge bei mir nicht.
Ich kaufte also einen Ring. Der Stein war nicht allzu groß. Eigentlich mehr ein Splitter. Aber daran lag es nicht, dass ich zögerte. Diese Dinge interessierten Anne nicht besonders.
Ich wurde unsicher; fühlte mich wie jemand, der auf der Schwelle zu einem dunklen Raum steht und nicht weiß, ob der Raum einen Boden hat. Es hauchte mich eiskalt an.
Für vier Wochen war ich wie gelähmt. Den Ring hatte ich ganz hinten in einer mit Papieren vollgestopften Schublade meines Schreibtischs versteckt. Nachts, wenn ich nicht schlafen konnte, stand ich gelegentlich auf, nahm den Ring heraus und starrte in den Stein, diesen winzigen Splitter von irgendwas. Als sei es irgendein Rätsel.
Anne merkte, dass irgendwas nicht in Ordnung war. „Ist irgendwas nicht in Ordnung?“, fragte sie.
Und ich sagte: „Alles in Ordnung.“ Wie man das halt so sagt.
Sie konnte öfter fragen. Sie konnte sagen: „Ich glaube dir nicht.“
Ich antwortete: „Alles in Ordnung.“
Eines Nachts ging das Licht an. Ich saß mal wieder, schlaflos, mürbe, im Arbeitszimmer über den Ring gebeugt, wie dieser degenerierte Zwerg aus Der Herr der Ringe. Das Licht ging an. Ich drehe mich um und sehe Anne im Türrahmen stehen.
Sie trägt ein viel zu großes T-Shirt, ein riesiges, zeltartiges Ding, das ihr bis zu den Waden geht. Darauf steht in großen Buchstaben: „Willst du mich heiraten?“
Ich stehe auf. Gehe zu Anne und stecke ihr an den Ring an den Finger und küsse sie. Wir schließen uns in die Arme. Bin ich jetzt glücklich?
Mein Fuß geht über die Schwelle, jemand hat mich sanft von hinten gestoßen. Ein Gefühl wie Schwerelosigkeit. Finde ich halt? Falle ich? Aufwärts, abwärts?
Ich weiß es nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Ich halte Annes warmen Körper und trotzdem sind meine Hände, irgendwie, ein Stück weit, leer.


Das war der Anfang vom Ende. In den Wochen darauf wurde Anne immer stiller. Sie blieb lange Nachmittage lang in der Bibliothek der Uni, obwohl der herrlichste Sommer war, las Bücher über Pharaonen mit unaussprechlichen Namen, bis man sie rauswarf. Wir stritten uns nicht. Das wäre mir lieber gewesen. Sie sah mich nur ständig mit diesem traurigen Blick an, diesem Blick, der eigentlich reserviert ist für Schwarzweißfotographien von irgendeinem Typen, der schon dreißig Jahre unter der Erde liegt.
Oder in einer Pyramide, dachte ich, ohne Zusammenhang. Das Rätsel der Sphinx. Aber das war in Griechenland, oder? Das Rätsel des Splitters - wovon sie den wohl abgeschlagen haben? Meine Gedanken wurden fiebrig. Es war entsetzlich heiß in diesem Sommer. Nachts lagen wir im Bett weit voneinander entfernt deshalb. Stachelschwein-Dilemma, dachte ich. Schopenhauer, dieser Jammerlappen. Ich träumte von einer gewaltigen T-Shirt-Fabrik, auf dem schneebedeckten Gipfel eines unendlichen Berges mitten in China. Abermillionen von T-Shirts, die auf Förderbändern nach einem unentwirrbaren System kreuz und quer durcheinanderlaufen. Pressen fahren zischend herab und brennen Zahlenkolonnen in den Stoff. Arbeiter krabbeln wie Ameisen über einen Diamanten, der so riesig ist, dass sie sich nur wie Bergsteiger gesichert an seinen Flanken entlang bewegen können. Gelegentlich stürzt einer ab und verschwindet stumm in der Tiefe. Mit Meißeln aus Jade schlagen sie Stücke heraus. Sie mahlen sie in Saphir-Mörsern mit Stößeln aus Rubinen zu Kohlenstoff und streuen den Staub über die Shirts. Auf einer Galerie sitzt der Dalai Lama in einem Smoking, er raucht eine Zigarre und lacht mit Haifischzähnen.


„Lass mich allein.“
Ich habe mir also ein Herz gefasst. Das habe ich - ich gebe es zu - in meinem Leben nicht oft getan. Weil ich eigentlich ein ziemlicher Angsthase bin. Als ich mit zwölf im Fernsehen Der Exorzist gesehen hatte, konnte ich fast eine Woche nicht schlafen. Aber bei dieser Sache habe ich mich zusammengerissen.
Ich bin die zwanzig Minuten mit der U-Bahn gefahren, obwohl ich bei jeder Station rausspringen und nach Hause fahren wollte. Ich habe Blumen gekauft, Rosen, rote, zwanzig Stück, für je zwei Euro fünfzig. Ich habe die Adresse von Annes Freundin, die mich nie leiden konnte, zu der sie gezogen ist, ohne Warnung aber nicht unerwartet, gesucht. Ich bin an dem Haus vorbeigelaufen, weil mich die nackte Panik überkam. Aber ich bin zurückgekommen.
Das Treppenhaus hat scharf nach Reinigungsmitteln gerochen, das Brennen habe ich immer noch in der Nase, als hätte es mir nachhaltig die Schleimhäute verätzt. Die zwei Treppen, beide zu neun Stufen, kamen mir endlos vor. Gipfelbesteigung - die Luft wird dünn.
Das Surren der Klingel geht durch und durch. Ich warte - und Anne öffnet die Tür.
Ich stehe also da mit meinen zwanzig roten Rosen für zwei fünfzig das Stück, viel zu teuer eigentlich, denke ich irgendwo. Auf meinem T-Shirt steht: Komm zu mir zurück.
Anne sieht mich nur an, mit dieser Schwarzweiß-, dieser Pharaonentraurigkeit. Alles ist plötzlich dreitausend Jahre her und viel Wasser ist den Nil runter geflossen. Die Stelle an ihrem Ringfinger ist frei und auf ihrem T-Shirt steht: Lass mich allein.
Aber in ihrem Blick ist noch etwas - etwas das sagt: Es ist noch nicht alles gesagt. Und ich will etwas sagen, irgendwas, mache den Mund auf und - sehe wieder auf ihr Shirt. Nein. Da kann ich nichts machen. Niemand könnte da etwas tun. Es ist schon zu spät und wird nur immer später.
Ich sehe mir selbst dabei zu, wie ich mich umdrehe und gehe.


Und während ich die überteuerten Rosen - schön sind die wirklich nicht, die Blüten zu klein eigentlich und manche schon trocken - am Bahnhof in einen Mülleimer feuere, kann ich nicht anders, als lächeln. Was für eine kitschige Geste. Ich denke aber auch: was für ein Wurm ich doch bin. Wie armselig diese ganze Masche ist und überhaupt immer war.
Immerhin das habe ich gelernt.
Aber als ich diesem Typen ins Gesicht brülle: „Up the Irons!“, da glotzt er mich nur für einen Moment dämlich an. Dann brüllt er zurück: „Up the Irons!“ Und ich erkenne meinen alten Mitbewohner, er fragt mich - und ich weiß wirklich nicht warum oder wie er darauf kommt: „Brauchst du zufällig ein Zimmer? Mein Mitbewohner zieht aus und ...“
Und jetzt verstehe ich gar nichts mehr.

 
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Hallo Meridian,

in dieser Geschichte machst du, wie ich finde, eine Menge richtig. Das klassische kg.de-Phänomen: Es ist fast Mitternacht, ich will ins Bett, stoße auf deine Geschichte - und lese sie zu Ende, fühle mich gut unterhalten.

Sprachlich sind mir drei, vier Worte aufgefallen, die ich streichen würde. Moment:

Als ich zum Beispiel am Bahnhof vorbeikomme
Gleich im ersten Satz finde ich das zum Beispiel unnötig.

Ansonsten gibt es Lob von mir:
Ein schräger Erzähler mit gewissen Defiziten in den Sozialkompetenzen, dessen Scheitern in der Liebe ihn nicht zum Gewinner, aber zum sympathischen Freak macht (Spießer können auch als Figur funktionieren, trotzdem: Up the Freaks! :D), das Motiv mit den T-Shirts als Leitfaden und Aufhänger der Handlung, vielleicht die Prämisse: das Deuten von T-Shirt-Motiven und der Versuch, Menschen über diese Motive zu verstehen, wird sich bitter an dir rächen, weil es als Lebensphilosophie, als Charakterzug, als humorvoll gemeinte Spinnerei nicht taugt. Soweit ein halbherziger Deutungsversuch. :)

Deine Sprache ist klar, und man merkt, dass du mit eigener Stimme schreibst, keinen Stil zu imitieren versuchst.

Das Ende lässt Platz für Interpretationen, die naheliegenste (oder doch die einzige?) dürfte sein, deinen Erzähler im Kreislauf seiner kontra-spießigen Existenz gefangen zu sehen. :)

Vielleicht könntest du dir (sprich: deinen Figuren) etwas mehr Tiefe erlauben, könnte ich mäkeln, aber das leicht Seichte in dieser Geschichte funktioniert auch. Dein Erzähler kratzt vieles an, geht den Dingen nicht auf den Grund, aber okay, muss ja nicht sein.

Ich freue mich auf mehr.

Tschüss. :)
Sam

Finde ich halt?
Halt groß.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Meridian,
früh am Morgen, nur mal reingucken in den Rechner, neugierig sein, was hat der Meridian denn geschrieben. Und ich bleib hängen, und zwar so, dass ich dir eine wenigstens kurze Antwort geben möchte.
Geniale Idee, ich hab total lachen müssen, aber melancholisch wurde ich auch.
Ein sympathischer, unbeholfener Kerl, den man einfach gernhaben muss und mit neuen T-Shirt-Aufdrucken verwirren will. Die Geschichte gefällt mir rundum gut. Mich hat besonders der Anfang begeistert, da konnt ich echt nicht mehr aufhören zu lesen. Die Geschichte wandelt sich dann, wird zur Geschichte eienr Liebe. Zeigt einen Ausschnitt aus dem Leben eines Menschen, der ziemlich schüchtern ist, bei vielem mitmacht, was er eigentlich gar nicht mag, der aber auch ganz schön viel Mumm hat zu ungewöhnlichen Dingen, weil er die Welt eben aus einem ungwöhnlichen Blickwinkel sieht. Jedenfalls hat er den Mumm, wenn es darauf ankommt. Das Ende interpretiere ich anders als Sam, nicht als Fortsetzung der Spießerexistenz, sondern als Fortsetzung des Lebens.

Es gibt zwei Sachen, an denen ich feilen würde:

Ich wusste natürlich, dass der Kerl in der U-Bahn nie bei einer Surfweltmeisterschaft in Kalifornien gewesen ist. Ich bin kein Idiot. Vermutlich gab es 1988 gar keine Surfweltmeisterschaft in Kalifornien und vermutlich hat der Typ gar nicht gewusst, was auf seinem T-Shirt steht. Aber darum geht es ja gerade. Gewissermaßen.
Der Typ hat das Shirt halt in irgendeinem Laden gekauft, für zehn Mark vielleicht. Weil ihm die Farben gefielen oder weil er sie nicht allzu beschissen fand. Bei einem Shirt für zehn Mark müssen einem die Farben nicht unbedingt gefallen.
Was einer auf seinem Shirt zu stehen hat, ist buchstäblich Zufall. Das kann man nicht verstehen. Aber ich versuche es trotzdem. Und darum geht es hier.
Also bitte! Ich bin ja nicht doof! Ich versteh es auch ohne die Erklärung, denn du hast es vorher schon an dem T-Shirt-Aufdruck prächtig klar gemacht, also lass den Abschnitt einfach weg oder kürze ihn zumindest.

Und das zweite ist die Stelle, als das Mädchen aufhört, ihn zu lieben, da guckt sie ihn immer an, als sei er ein versteinerter Skarabäus oder so.

Sie sah mich nur ständig mit diesem traurigen Blick an, diesem Blick, der eigentlich reserviert ist für Schwarzweißfotographien von irgendeinem Typen, der schon dreißig Jahre unter der Erde liegt.

Wahrscheinlich willst du was anderes mit dem Bild sagen, aber ich musste als erstes daran denken, dass sie ihn anguckt wie einen berühmten alten Archäologen. Hat für mich also esrt mal eine andere Assoziation geweckt und nicht zu ihrer Entliebung gepasst. Den hatte ich nicht so schnell erwartet und daher dieses Bild fehlinterpretiert.
Die Stelle danach klingt, als sei hätte er als lauter Traurigkeit viel zu viel geraucht. Schöne Ideen drin.

Interessant fand ich, wie du die Handlung vorantreibst, du setzt eigentlichnur einen neune Abschnitt. Dazwischen sind drei Monate vergangen oder so, es gibt keine Rückblende, keine erklärende Zusammenfassung, die in ein schönes Bild gebunden wäre oder so, sondern du springst sofort in den nächsten Handlungsabschnitt. Und es geht.
Wie gesagt, bis auf die eine Stelle, die oben genannte, als die Liebe bei ihr verschwindet, da habe ich es zunächst nicht verstanden.

Als ich zum Beispiel am Bahnhof vorbeikomme, steht da dieser Typ und ich reiße meinen Arm hoch und mache diesen Metal-Gruß, bei dem man den Daumen, Zeige- und den kleinen Finger abspreizt und brülle ihm ins Gesicht: „Up the Irons!“ Der Kerl glotzt mich nur blöd an und ihm fällt fast die Zigarette aus dem Mund.
Eigentlich höre ich keinen Metal - aber auf der Uni hatte ich diesen Mitbewohner, der ein riesiger Iron Maiden-Fan war und wenn ich in unsere Wohnung kam oder ihn sonst irgendwo traf, rief er meist: „Up the Irons!“ Und dabei hat er dieses Zeichen gemacht.

Das "zum Beispiel" ist mir zwar auch aufgefallen, aber ich fand das einen witzigen Einfall. Haut raus, aber gleichzeitig auch wieder rein.
Aber überprüf noch mal diese vielen dieser, diesen, dieses Ab und an find ichs hier gut, aber wirklich gleich dreimal? Naja vielleicht versaut das Kommentieren einen ja auch und man sieht Redundanzen wuchern wie andere Leute Löwenzahn.

Lieblingsstellen:

Ich nehme T-Shirts beim Wort. Das ist so, kurz gesagt, meine Masche.
Da steckt keine Weltanschauung hinter. Das ist keine Kapitalismuskritik oder so, erst recht keine Aktionskunst und ich mache das garantiert nicht, um irgendwie „interessant“ zu erscheinen. Als Person bin ich nicht besonders interessant, da mache ich mir nichts vor.

Und das - dieser Satz auf diesem T-Shirt von diesem Typen, den ich noch nie gesehen hatte - ergab einfach - unleugbar und ultimativ - überhaupt keinen Sinn.

Ja, das hat Spaß gemacht. Coole witzige und gleichzeitig anrührende story. Danke für das Lachen am Morgen.


Und jetzt muss ich weg wie nix
Ciao Novak

 

Hallo Meridian

Unglaublich diese Idee zu T-Shirts eine Geschichte zu verfassen, die nicht nur ulkig wirkt, sondern sogar spannend zu lesen ist und mir eine sich so noch nie offenbarte Kommunikationsform weist.

Als ich zum Beispiel am Bahnhof vorbeikomme, steht da dieser Typ

Mit diesem „zum Beispiel“ brachtest du mich aus dem Lesefluss, da es erst im weiteren Zusammenhang verständlich wird. Doch solche Widerhaken hast du noch weitere eingestreut, um die Aufmerksamkeit der Leser, denke ich mir mal, herauszufordern.

Da muss ich nicht auch noch. Da kann ich wenigstens der sein, der die Fresse hält.
Zumindest auf meinem T-Shirt.

Köstlich diese Charakterisierung des Ich-Erzählers, dessen Wesensart sich einem psychologisch feinfühlig erschliesst.

Und dann: „Ich würde dich gern ansprechen.“ Keine überwältigende Einleitung für ein Gespräch, aber für meine Verhältnisse ziemlich gut.

:lol:

Es war mir ein besonderes Lesevergnügen. Bei manchen Sätzen staunte ich, doch sie passten wie die richtigen Steine in einem Mosaik, das Bild abrundend.

Ah, etwas zu mäkeln habe ich doch noch, der Titel. Er klingt so genügsam, dass ich beinah darüber hinweg gelesen hätte, wäre da nicht dein Nick darunter gewesen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallöchen,

:lol: ich bin du, bzw dein Prot. Ganz eindeutig. Ich achte IMMER auf Tshirt-Aufschriften der Anderen. Und natürlich ganz besonders auf meine. Niemals habe ich ein Tshirt an, von dem ich nicht weiß, was die Aufschrift sagen soll. In der Regel sind sie uni (naja, schwarz ^^)

Schöne Geschichte, hab mich gut amüsiert und war auch ein bischen traurig, als Anne ging. Warum ist sie eigentlich gegangen? Ist vll nicht wichtig für die Geschichte, aber für meinen Seelenfrieden.

Lieblingsstellen:

Sie hat mir voll eine verpasst. Natürlich.
:lol:
und bewunderte die Auslegware
ach, sehr gut :)

Grüße
Nina

 

Es blitzte hell, dann schmerzte es höllisch.

Ja, lieber Meridian,

da erzählstu uns eine Geschichte, bei der ich mich frage, ob Marshall McLuhan immer noch behaupten würde, das Medium wäre die Botschaft, käme man dann doch bei einem verschwitzten T-Shirt selbst ins Schwitzen, obwohl man ja einmal am Tag nach der gesundheitlichen Faustregel schwitzen sollte, wenn auch im Getriebe der Gesundheits- und Welnessindustrie. Als alter Hund stink ich auch mal im eigenen ...

Der Kerl trägt ein T-Shirt mit dem Schriftzug Iron Maiden, darunter steht: The Number of the Beast. In so blutroter Schrift.
Warum ein Partikel wie „so“?
„So“ wurde ursprünglich „so“gar als Adverb verwendet und bedeutet „in dieser Weise“ und wurde zur Konjunktion, die einem „dann / deshalb“ entsprach. Nach dem Herkunftswörterbuch der Dudenredaktion entwickelte sich das Adverb weiter zu „derartig, folgendermaßen, in diesem Grade; etwa“. Eine ganz verzwickte Zusammensetzung wäre dann noch das „solch“ – und genau das scheinstu mit dem eher umgangssprachlichen und zugleich entbehrlichen „so“ zu meinen.
Ich kann Dir das an einem Aufreger der 1990-er Jahre aufzeigen, als etwa Sportskanonen in „politischer“ Verantwortung den Slogan vertraten, „Keine Macht den Drogen“ und zu dem Häuflein der Aufrechten zählte Loddar Matthäus, was dann als Reaktion auf weißem Grund die Botschaft erzeugte „Keine Macht den Doofen“ in solch roter Schrift, wie Du sie beschreibst. Da würde ich nie ein „so“ vor setzen. Das Shirt schlummert seit Ewigkeiten (exakt 20 Jahren) in einer Umzugskiste und würde sicherlich heute ein Vielfaches von dem einbringen, als ich damals auf einer Demonstration gegen Nazis in Solingen dafür ausgegeben habe. In meinem Alter bedarf es eigentlich keiner Botschaft mehr - außer der der Börse, ha!
Ähnlich ergeht’s weiter unten mit einem „ziemlich“, das auch ziemlich entbehrlich ist.

Das Schwarz ist nicht mehr richtig schwarz, das Motiv am Verblassen und der Kragen sieht angefressen aus.
Wird wohl - wo der Konjunktiv fehlt - zu meinem Lieblingsthema einstweilen: warum werden rechts und links Verben gebraucht und in der Mitte das German Gerund verwendet, wie man es wesentlich gekonnter als hierorts in der Sprache zwischen den rheinischen Kamp-Lintfort, Moers, Rheinhausen (wo der Rheinländer aufwändig quasselt) und den westfälischen Hamm und Unna (schöne, kurz angebundene, manchmal gebellte altsächsische Namen), Ruhr und Lippe etwa im „am Tun / Machen / Laufen usw. sein“ bis hin zum Nickerchen: „Bisse am Pennen?“ Was ginge bei einem
…, das Motiv verblasst und …
an Sinn verloren?

… in einer qualmigen, dunklen Halle …
Was ist „qualmig“?
Das Affix –ig drückt an sich Aktivität aus – wie in „rührig / wendig / zappelig / zittrig“, aber auch – denn nichts tun kann auch ganz schön aktiv sein, weil gewollt „säumig“. Aber Qualm und qualmig? Ist die Halle nicht einfach verqualmt, sprich: voller Rauch, verraucht?

… und die Bahn losruckte, …
Gibt’s das „losrucken“? Nun gut, losgehen, losfahren usw. gibt’s. Heißt es bei denen aber, dass nun die Fahrt beginne, so würde ein „losrucken“ die Bahn – wie gut oder schlecht sie auch sei – zum hüpfenden, pardon, ruckenden Kaninchen degradieren. Sie ruckt ein bisschen, wenn sie „losfährt“, aber danach fährt sie halt. Lass das „los“ besser weg, rucken genügt hier für den Start - und wär's an jedem Bahnhof einmal.

Hier gibt’s auf jeden Fall ein entbehrliches „zu“:

Was einer auf seinem Shirt zu stehen hat,

… die Mädels …
Mädeln geht’s wie Möbeln (und noch so’n paar Substantiven), Plural und Singular sind eins: Das Möbel / Mädel // die Möbel / Mädel.
Durch ein Genitiv-s wird niemand emanzipiert und der Genitiv nicht von der Lister der bedrohten Arten heruntergeholt oder auch nur näherungsweise vorm bösen, bösen Dativ geschützt. Drei Fälle wären halt einfacher zu merken als vier.

Dennoch: hat mir gefallen, vergnügt gelesen vom

Friedel,

der auch noch'n schönes Wochenende wünscht

 

Hallo Sam,

Ein schräger Erzähler mit gewissen Defiziten in den Sozialkompetenzen, dessen Scheitern in der Liebe ihn nicht zum Gewinner, aber zum sympathischen Freak macht (Spießer können auch als Figur funktionieren, trotzdem: Up the Freaks! ), das Motiv mit den T-Shirts als Leitfaden und Aufhänger der Handlung, vielleicht die Prämisse: das Deuten von T-Shirt-Motiven und der Versuch, Menschen über diese Motive zu verstehen, wird sich bitter an dir rächen, weil es als Lebensphilosophie, als Charakterzug, als humorvoll gemeinte Spinnerei nicht taugt. Soweit ein halbherziger Deutungsversuch.
Ein Deutungsversuch, der mir viel Freud macht - weil er so nah ist an dem, was ich wollte. Meine Idee war, dass er am Ende nicht nur scheitert, weil er da einem absurden Schema folgt, sondern weil er überhaupt versucht, sich über so eine Masche durchzumogeln. Um es mal so kurz wie wirr zu formulieren.

Das Ende lässt Platz für Interpretationen, die naheliegenste (oder doch die einzige?) dürfte sein, deinen Erzähler im Kreislauf seiner kontra-spießigen Existenz gefangen zu sehen.
Ja, am Ende wollte ich eine gewisse Zwiespältigkeit haben: Einerseits hat ihn sein Ding wieder an den Anfang zurückgeworfen - andrerseits wenigstens das. Da wird ihm schon noch mal eine Hand entgegen gestreckt, was ihn einigermaßen ratlos macht.

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren!


Liebe Novak,

Geniale Idee, ich hab total lachen müssen, aber melancholisch wurde ich auch.
Tut gut, das zu lesen. Es gibt ja immer so Geschichten, bei denen man halbwegs sicher ist, dass sie ungefähr so wirken, wie gedacht - und andere, wie diese hier, bei denen man am Ende gar nicht mehr weiß, was die Leser dazu sagen werden. Deshalb bin ich froh, dass die Geschichte auf dich so gewirkt hat, wie ich mir das wünschte. Denn trotz des etwas "rotzigen" Stils hab ich mich lange damit rumgeschlagen. Ist auf jeden Fall eine Geschichte, in die der ein oder andre Liter Herzblut eingeflossen ist. (Übertreibung intended.)

Die Stelle danach klingt, als sei hätte er als lauter Traurigkeit viel zu viel geraucht. Schöne Ideen drin.
Ja, da spitzt sich das Ganze sprachlich schon zu. Ich bin da mit einigem auch noch nicht ganz im Reinen. Also runterfahren würde ich das von der Intensität nur ungern - aber ich muss da auf jeden fall noch mal drübergehen.

Deine sonstigen Hinweise werden jedenfalls in die Überarbeitung eingehen. Aber: Das "zum Beispiel" im ersten Satz behalte ich. Obwohl du da sicher mehr Leser auf deiner Seite hast als ich. Es ist nur ... ach, das ist so falsch, dieses "zum Beispiel", das muss einfach bleiben. :D

Aber überprüf noch mal diese vielen dieser, diesen, dieses Ab und an find ichs hier gut, aber wirklich gleich dreimal? Naja vielleicht versaut das Kommentieren einen ja auch und man sieht Redundanzen wuchern wie andere Leute Löwenzahn.
Führt etwas von der Geschichte weg, aber: Das ist so eine Frage, die ich mir auch regelmäßig stelle: inwiefern das "kritische" Lesen das Erlebnis verändert. Ob man sich da nicht manchmal aus rein formalen Gründen an Dingen aufhängt, die gar nicht stören würden, wenn man nicht so drauf programmiert wäre (manche Wortwiederholung) und andererseits die "natürliche Wirkung" einer Geschichte verpasst, weil man zu kleinteilig-analytisch liest ... Ich schweife ab.

Schön dass es dir Spaß gemacht hat. Danke für deinen Kommentar!


Hallo Anakreon,

Ah, etwas zu mäkeln habe ich doch noch, der Titel.
Ja, tausendmal ja! Ich habe so lange nach einem vernünftigen Titel gesucht, aber es kam nur Quark dabei raus. Sodass ich mich am Ende für eine langweilige aber harmlose Lösung entschieden habe. Für Vorschläge wäre ich dankbar, denn der aktuelle Titel ist auch kein Zustand!

Dass das "zum Beispiel" bleiben muss - schrieb ich ja schon ... Wir haben halt alle unsere Macken. ;)

Hat mich gefreut!


Hallo Nina,

Freut mich, dass die Geschichte dich unterhalten konnte. In der Beachtung
von sinnfreien Shirts

ich bin du, bzw dein Prot. Ganz eindeutig. Ich achte IMMER auf Tshirt-Aufschriften der Anderen.
bist du übrigens nicht nur meinem Protagonisten sondern auch mir verwandt. Weshalb das hier auch mal raus musste. Immer wenn ich diese Gaga-Aufdrucke lese, versuche ich zwanghaft mir vorzustellen, wer das, aus welchem inneren Antrieb, erschaffen hat ... Oder ob es da inzwischen Computerprogramme gibt, die diese Sachen aus Zufallsziffernfolgen und vordefinierten Schlagworten zusammensetzen.


Lieber Friedel,

Dennoch: hat mir gefallen, vergnügt gelesen
Das ist ja zunächst mal das Wichtigste. Ich jedenfalls habe deine Korrekturliste mit Vergnügen gelesen, weil du überwiegend gerade die Stellen aufgegriffen hast, bei denen ich mich fragte: Wirklich so? Oder nicht doch anders? Darf das so bleiben?

Womit wir beim ersten Punkt wären: dem "so". Kurz: Ich kann es eigentlich nicht rechtfertigen. Das ist schlechter Stil an der Stelle - was andrerseits doch die Rechtfertigung ist. Es ist der Sprache meines Erzählers geschuldet. Es zeigt an, dass er sich seiner sprachlichen Mittel nicht ganz sicher ist - er steht ja auch noch am Anfang seiner Erzählung - und nicht weiß, ob der Zuhörer/Leser ihn recht versteht. Das "so" bringt Unschärfe, weicht den Satz auf. "In blutroter Schrift." Das für sich klingt sehr bestimmt, der Satz hat was Gewichtiges. Das "so" ist die nötige Dosis Geschwätzigkeit.

Ähnlich ist der Fall gelagert:

Das Schwarz ist nicht mehr richtig schwarz, das Motiv am Verblassen und der Kragen sieht angefressen aus.
Das geht nur, wenn man es als üble Umgangssprachlichkeit auffasst. Aber dann hat es was, in meinen Augen: Dadurch dass sich die ersten beiden Aussagen auf das "ist" stützen, gewinnt der Satz nahc hinten für mich eine andere Dynamik, als wenn da eine ganz gleichberechtigte, dreiteilige Aufzählung stünde. Andererseits, je länger ich hinsehe ... Ich muss da noch mal drüber schlafen.

Beim "qualmig" hast du aber unbestritten recht, das Wörtchen ist soeben verraucht.

"losrucken", ja. Als ich das tippte, hatte ich ein Aha-Erlebnis (der nicht-norwegischen Art): Ich verwende das öfter in Geschichten um das Anfahren von U-Bahnen oder ähnlichem zu beschreiben. Und ich muss sagen: Ich finde das gut. Und wenn es das nicht gibt, muss man es erfinden!

Und auch auf die Gefahr hin, stur zu wirken: Auch den "Mädels" muss ich treu bleiben. Die Mädel als Plural ist zwar richtig - aber es klingt für mich so falsch. Ich werde da weiter auf einen Sprachwandel hinarbeiten.

Nimm's mir nicht übel, dass ich mich hier bei den meisten Punkten so verbohrt zeige - aber wie gesagt: Es sind genau die Stellen, über die ich mir schon den Kopf zerbrochen habe. Was zeigt, dass wir da nicht weit auseinander liegen ...

Vielen Dank fürs Kommentieren!

Grüße,
Meridian

 

Hallo, lieber Meridian,

Aber: Das "zum Beispiel" im ersten Satz behalte ich. Obwohl du da sicher mehr Leser auf deiner Seite hast als ich. Es ist nur ... ach, das ist so falsch, dieses "zum Beispiel", das muss einfach bleiben.

Oh weh, da habe ich mich wohl sehr missverständlich ausgedrückt. Ich bin schwer für das "zum Beispiel". Ich will doch auch, dass es drin bleibt. Das hier hatte ich geschrieben:
Das "zum Beispiel" ist mir zwar auch aufgefallen, aber ich fand das einen witzigen Einfall. Haut raus, aber gleichzeitig auch wieder rein.

Und genau so, dass es wie ein schreiberischer fauxpas wirkt, ein witziges Stilmittel ist, meine ich es auch. Es fällt auf, und du erreichst damit gleichzeitig eine starke Unmittelbarkeit. Man ist sofort bei deinem Protagonisten und seinem Tag, es bereitet auf seine T-Shirt-Marotte vor.
Einen schönen Sonntag trotz des Regens wünsh ich dir.
Bis denne
Novak

 

Liebe Novak,

Da hattest du dich nicht missverständlich ausgedrückt, das Missverständnis war ganz auf meiner Seite. Ich wundere mich wirklich darüber, wie ich es geschafft habe, deinen Satz im Geiste inhaltlich um 180 Grad zu wenden ... Muss die Uhrzeit gewesen sein.

Grüße,
Meridian

 

Nix zu danken,

lieber Meridian,

denn Du bestätigst mir die Theorie, dass der Regelbruch erst dann schön ist, wenn man um ihn weiß. Darum sind Sätze wie

Und wenn es das nicht gibt, muss man es erfinden!,
oder auch
Ich werde da weiter auf einen Sprachwandel hinarbeiten
angemessen. Sollte ich mir selbst etwas übel nehmen? Wie sagt schon Altmeister Bakunin: "Die Kraft der Zerstörung ist eine schöpferische Kraft", womit er geradezu das Geschehen in der Natur auf den Punkt für die Zivilisation bringt.

Gruß & schönen Sonntagabend (hier wird's schon wieder duster) wünscht der

Friedel

 

Hallo Meridian

Für Vorschläge wäre ich dankbar, denn der aktuelle Titel ist auch kein Zustand!

Da hab ich mich ja mit meiner Bemerkung selbst in die Nesseln gesetzt. Ich greife ungern zu tief in andere Werke ein, und einem Titel kommt markierende Bedeutung bei, mit der der Autor sein Stück auszeichnet. Auf Spurensuche habe ich die Geschichte nochmals gelesen, hervorgehoben hat sich mir dieser Satz, welcher doch etwas Markantes hat.

„Ich würde dich gern ansprechen.“

Aber es ist meine subjektive Sicht. Doch was dies unterstützt, ist der suggestive Wortlaut, der mich als Leser neugierig macht, ja mich gar direkt anspricht. Wieso weiss der Autor, dass ich seine Geschichte betrachte? Es ist Verblüffung, die sich mir einstellt.

Das Geschehen insgesamt auf einen Titel herab zu brechen, gelang mir auch nicht, ich kam auch nicht über die Masche hinaus. Wobei mein erster Gedanke hier Strickzeug ist und erst an zweiter Stelle ein Kunstgriff oder Trick.

Ich weiss nicht, ob dies dir nun weiterhilft, es soll ja keine weitere Notlösung sein, aber mir würde dein obenstehender Satz gefallen. Falls mir noch etwas einfallen sollte, melde ich mich nochmal, ansonsten schweige ich tunlichst.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Jo,

mir hats gefallen. Ist ne witzige Idee, sicher kein ganz bewegendes Thema, aber einen interessanten Gedanken erfolgreich in eine unterhaltsame Geschichte umgewandelt. Da ist viel Humor drin, ein bisschen Tragik auch, ich mag das sehr gern, diese Mischung, wenn nicht alles so ganz ernst ist, aber trotzdem spürt man so was leicht Trauriges an manchen Stellen. Das fühlt sich echt an, wenn man es liest. Ist gut geschrieben, hat Spaß gemacht, auch wenn es kein großes Thema ist, dass mich aufwühlt oder zum Nachdenken bringt oder so. Ich muss aber auch nicht immer Futter zum Nachdenken bekommen, denke eh schon genug nach, denke ich. Es war für mich jetzt einfach mal gute Unterhaltung.

Lollek

 

Hallo Lollek,

Ich muss aber auch nicht immer Futter zum Nachdenken bekommen, denke eh schon genug nach, denke ich.
Ja, das ist das große Problem von so geistvollen Typen wie wir es sind. :lol:

Es freut mich, dass dich das Stück unterhalten konnte!

Grüße,
Meridian

 

Hallo Meridian,

Ja, mir hat es auch gefallen. Man kommt gut rein in den Text, das hab ich auch so empfunden. Das ist sprachlich gut gemacht, hier ein Schlenker, dort mal abgeschweift, Umgangssprache und so weiter, bisschen verpeilt ... aber trotzdem alles sehr knapp und präzise und leserfreundlich formuliert.

Vermutlich gab es 1988 gar keine Surfweltmeisterschaft in Kalifornien und vermutlich hat der Typ gar nicht gewusst, was auf seinem T-Shirt steht. Aber darum geht es ja gerade. Gewissermaßen.
Der Typ hat das Shirt halt in irgendeinem Laden gekauft, für zehn Mark vielleicht. Weil ihm die Farben gefielen oder weil er sie nicht allzu beschissen fand. Bei einem Shirt für zehn Mark müssen einem die Farben nicht unbedingt gefallen.

Ja, das ist so verpeilt irgendwie alles, du fängst das gut ein, find ich witzig.


Ihr Traum war es, einmal an einer Ausgrabung in Ägypten teilzunehmen. Ich fand das ein bisschen verrückt - aber auf die gute Art verrückt. Ich konnte sie mir gut vorstellen, mit Schlapphut und Peitsche.

Ja, das find ich gut, wenn man sich Gedanken macht und Schlapphut und Peitsche schreibt anstatt einfach Indiana Jones


Das mit dem Heiratsantrag kam mir zu plötzlich irgendwie – also überhaupt: Heiraten? Eben noch war er frisch auf der Uni und Titten grapschen und jetzt kauft er sich einen Ring? Wie viel Zeit ist da vergangen? Ist dann klar, dass er sich unsicher ist. Das ist das Einzige, was mit hier nicht so einleuchten will. Und dann zerrt diese Unsicherheit an der Beziehung und deshalb geht sie in die Brüche?
Warum ist er so ungechillt? Wie alt sind sie dann? Warum will so ein verpeilter Typ heiraten? Oder sie ihn? Ich würd den nicht heiraten als Frau. So einen beobachtet man zuerst eine Weile, glaub ich, mal gucken wie der sich entwickelt und so, auf was für komische Gedanken der nicht alles noch kommen wird …

Der Traum kam bei mir nicht an. Das ist total abstark plötzlich dann, weiß nicht. Das wollte ich mehr über die Bezihung wissen, und das ist es nur abstrakt.


Also das Ende knallt für mich jetzt nicht total, weil die Beziehung in den zwei Absätzen, wo er sie hat, ein bisschen zu kurz kommt. Und halt das schnelle Heiraten … weiß nicht. Für mich hätte die Frage: Ernste Beziehung oder gar keine Beziehung? Vielleicht da die Nuancen und so … also das hätte ich glaub besser gefunden als gleich heiraten. So ein Typ, der bisschen Angst hat, total untentschlossen, unsicher, verpeilt, T-shirt Maschen, alles humorig lösen … der gerät doch schnell in irgendeinen Konflikt mit der (ersten) Freundin, bei dem es darum geht: Ernst, ja oder nein? Und nicht erst wenns Heiraten ansteht. Glaube ich jedenfalls.

Aber egal, die Geschichte hat trotzdem Spaß gemacht. Gern gelesen. Die Stimme kannst du ruhig wieder auspacken.

MfG,

JuJu

 

Hallo,

Ich war damals gerade fünfzehn Jahre alt, ich saß in der U-Bahn, wusste nicht recht, ob es die richtige war und war allgemein ziemlich desorientiert, weil ich komplett betrunken war.
Das ist ja ein bestimmter Stil, ein popliterarischer-Stil, in dem du schreibst. Mit Demonstrativpronomen, vielen Relativierungen und einem bestimmten Ton. Eins möchte ich noch empfehlen bei diesem Ton: Das Weglassen von Personalpronomen so oft es geht.
Hier ist es bei „Wusste nicht recht“ schon gemacht; ich denke es geht auch bei „ich saß in der U-Bahn“.
Dieser Stil erzählt ständig von sich selbst, da ist es eine der größten Gefahr, dass das „Ich“ anfängt zu nerven. Nur so als Idee.

Außerdem musste ich kotzen.
Ich spuckte also eine braune Flüssigkeit und den Rest einer Tiefkühlpizza hinter die Halle und stieg in die nächstbeste Bahn.
Ich finde das schwierig aus 3 Gründen. 1. Kotzen ist eklig, ich bin kein Fan von, das zu lesen, es ist sehr privat, man liest selten, wie einer auf dem Klo sitzt. 2. Es ist oft viel Attitüde und Show dabei. 3. (Und das ist das handwerklich objektive) Wenn ein Ich-Erzähler so betrunken ist oder es ihm so schlecht geht, dass er sich übergeben muss, dann müsste man das eigentlich auch im Text merken. So wirkt es immer wie: Ich bin so cool, dass ich nicht mal den Tonfall änder, obwohl es mir dreckig geht.
Also ich bin kein Freund von „unverdientem“ Kotzen in Geschichten, wenn muss das der Text hergeben, nur als Farbtupfer mag ich das nicht. Genau so wenig wie – das ist auch so – dass ultraharte Drogen genommen werden (Ja, wir waren auf H, aber war nicht so schlimm!) oder extreme sexuelle Praktiken.
Das klingt bisschen überkritisch, klar, aber das ist natürlich auch ein Stil, mit dem ich selbst was gemacht habe, in dem ich was gelesen habe, und der mir gleichzeitig sehr gut gefällt, aber bei dem ich auch kritisch bin (Der Anfang war hervorragend mit dem T-Shirt).

tzt sagte sie schon immer weniger, hörte mir kaum noch zu und sah sich um, ob nicht sonst irgendwerda wäre, an den sie sich ranhängen könnte.
Das ist glaube ich eine der deprimierendsten Erfahrungen, die man überhaupt machen kann. So zwischen „Mein erstes Haustier geht ein“ und „Keiner mag meine Lieblingsserie und sie wird abgesetzt.“ Furchtbar. Da entwickelt man einen Menschenhass!

dachte ich, als ich an die frische Luft kam: Es hat sich gelohnt.
Ja, ich hab das auch mal wo gesehen und wo gelesen, wenn man gar keine Chance hat, das noch irgendwas geht, einfach mal an die Brüste grapschen! Das war in einer Malcolm-Folge, glaube ich. Ich schäm mich ein bisschen aber: Der Gedankengang ist mir vertraut.
Ich fürchte aber, Frauen können das nicht so nachvollziehen!

Kann gut sein, dass ich ein wenig einsam war und sie deshalb ansprach. Sie sah nicht aus, wie die Mädels, auf die ich sonst stehe: Sie war kleiner, hatte weniger große Brüste und war weniger blond - na ja, eigentlich hatte sie schwarzes Haar. Aber irgendwie sah sie nett aus.
Da müsste noch ein Satz rein, das „auf sie stehen“ sich darauf bezieht, dass er sie aus der Ferne anstarrt. Wobei ich das schon schwierig finde, also, wie es geschildert wird, ist der Protagonist 21 und hat noch keinerlei Kontakt zu irgendeiner Art von Frau gehabt. Wie wählerisch kann er da sein?

Das klingt vielleicht kitschig und irgendwie ist es das ja auch. Bisher war ich eher der Typ, der die Liebe für eine Erfindung der Blumenindustrie hält. Aber Dinge ändern sich. Die Dinge hatten sich geändert.
Man kann sehen, wofür sich der Stil eignet und wofür nicht. Für prägnante, aufgeladene Ideen ist es immer schwierig. Da muss sich immer abgesichert werden. „Es klingt vielleicht kitschig, aber“ – „Ich weiß, es ist sonst nicht so meine Art, jedoch“ – „Bisher hab ich ja gedacht-“ usw.

Hm, ich fand den Text nicht so toll, ich fand ihn gut geschrieben, aber der Stil bleibt relativ gleich, er zieht nicht noch mal an, es ist eher das Gefühl, im Laufe des Textes, dass der Erzähler schüchterner wird, sich vorm Leser mehr und mehr verbirgt. Er schließt sich eher, normal öffnet sich ein Erzähler dem Leser im Laufe des Textes und hier geht es immer mehr zurück, finde ich, bis er dann nur noch einen Job hat, und hat sich selbst ganz zurückgefahren für diese Frau. Und die Frage ist: Warum verlässt ihn die Frau auf einmal? Warum erst diese große romantische Geste und im selben Moment ist es schon leer? Was ist da passiert?
Ich weiß es nicht, weil ich nicht sehe, was sie an diesem Mann gut findet, und ich sehe auch nicht, was er an ihr gut findet, außer „Sie ist nett.“
Also was stört sie? Dass er nur für sie existiert? Warum will sie ihn dann heiraten? Warum überhaupt „Heirat“? Warum ist diese Idee da? Was sind da für entscheidende Erlebnisse? Wo sind die „Meilensteine“ dieser Beziehung? Wie geht das mit den T-Shirts jetzt genau auf, wo ist das mehr als ein Gimmick?
Sagen wir mal: Die Figur wird erklärt, wenn er da die Ohrfeige bekommt, weil er dem Mädchen an die Brüste fasst. Da hat man eine Figur. Und dann ändert sich die Figur ja nicht, sondern hat nur Glück. Er ist ja offenbar sozial total unfähig und findet dann genau dieses eine Mädchen mit dem T-Shirt, das damit klar kommt. Aber so richtig erfahren wir nichts über das Mädchen, das scheint so grau zu sein, so nett, so kantenlos, dass es jeden nehmen würde, der da kommt.
Also mir fehlt das Knistern in dem Text, die tiefere Ebene, die Ideen noch dazu, unter der Oberfläche etwas.
Es ist eine starke Szene dort mit dem „Fass mir an die Brüste“-T-Shirt, oder was sie da anhat. „Willst du mal fühlen, ob sie echt sind?“ An dem Punkt war das so eine Logik. Es war: Ich hab nichts besonderes, außer diese Masche mit dem T-Shirt. Das sagt er einem. Und dann hat man diese Situation und das, was er einem sagt, passiert dann dort. Er fasst ihr an die Brüste, er kriegt dafür aufs Maul, die Saat ist aufgegangen, das Gimmick hat sich gelohnt, da ist die „Geschichte“ schon zu Ende. Danach fängt eine neue an, mit den Mitteln der Alten, und das klappt nicht so recht, finde ich.

Also: Ja, die Geschichte hat einen Ton, sie hat einige gute Ideen, sie bräuchte noch mehr Ideen und stärkere Figuren.
Man muss sagen, dass dieser Stil auch enge Grenzen setzt, wie sich Figuren in ihm mitteilen können, über welche emotionale Reichweite sie verfügen. In dem Stil große Gefühle zu beschreiben, ist schwierig. Am besten eignet sich der Stil für abgeklärte Protagonisten, die dann allerdings in ihren Beobachtungen anderer glänzen, nicht in der Analyse der eigenen Gefühle.
Bis zur Stelle mit der Ohrfeige fand ich die Geschichte gelungen und hätte mir da einen anderen Dreh noch drin gewünscht. Ab dem Moment, wenn er mit dem Mädchen zusammenkommt, finde ich sie problematisch.

Gruß
Quinn

 

Hi Quinn,

Danke dir für deine Kritik, zumal sie dafür gesorgt hat, dass mir auch JuJus Kommentar nicht entgeht. Ich war jetzt eine Weile nur sporadisch hier und so wäre mir das fast entgangen ... Deshalb erst einmal:


Hallo JuJu,

Entschuldige die lange Zeit ohne Rückmeldung. Hier hat sich jedenfalls gezeigt, dass die Leser - und du machst das noch mal besonders deutlich - genau an den Stellen den Finger in die Wunde legen, die mir auch kritisch erschienen. Das sind diese beiden "Schübe" in der Beziehung: Die Heirat und dann die Trennung.

Habe ich da versucht, den Figuren einen Plot aufzuzwingen? Vermutlich ein Stück weit. Ich habe die Geschichte da auch nicht richtig zu fassen bekommen, es wurde mir alles etwas nebulös - und so liest es sich dann ja scheinbar auch.

Was aber nicht heißen soll, dass ich mir über die Motivation meines Erzählers da keine Gedanken gemacht hätte. Im Fall der Heirat stellte sich das für mich etwa so dar: Das Bezeichnende am Erzähler ist, denke ich, diese Unruhe, Unsicherheit, er ist so ein "unbeheimateter" Typ - und diese Masche die er da hat, das ist ein Trick um Sicherheit zu gewinnen. Ein Versuch Kontakt aufzunehmen, aber auch gesagt zu bekommen, was er tun soll. Also gleichzeitig ist es auch reichlich verantwortungslos. Siehe die Busengrapsch-Szene. Und da gehört auch diese schneller Heirat hin: Der Kerl will halt endlich irgendwo ankommen, irgendwo zu Hause sein. So sehe ich das.

Der Grund für die Trennung sollte dann wiederum diese Bedürftigkeit und Unselbstständigkeit von seiner Seite sein. Tatsächlich bringt er es ja auch da nicht fertig, souverän zu handeln und diesen Heiratsantrag (komisches Wort, eigentlich) so zu stellen, wie er sich das vorstellt. Auch da muss er gesagt bekommen, was zu tun ist. Und das ist letztlich keine stabile Basis. Er ist eben bis zum Schluss extrem kindisch mit dieser Strategie der Unselbstständigkeit.

Und damit, ja, du hast es gesagt: eigentlich kein "Heiratsmaterial": Warum lässt sie sich darauf ein? Weil Liebe blind macht? Dämliche Antwort. Das ist so eine große Schwäche der Geschichte: Das Mädel ist arg unterbestimmt.

Dass dir die Geschichte trotz aller Mängel Freude machen konnte, ist füpr mich umso schöner.


Nun aber, Quinn,

Zu deiner Kritik. Interessant fand ich deinen Punkt:

Kotzen ist eklig
Das hat mich etwas überrascht. Also: Es hat mich nicht überrascht, das Kotzen eklig ist. Aber dass du es so eklig bzw. intim findest, dass es irgendwie die Balance der Geschichte stört an der Stelle. Ich kenne deinen Grundimpuls schon - aber den habe ich eher bei anderen Sachen, die so in Geschichten auftauchen, wo ich mich dann frage: Braucht's das jetzt, bringt das was? Das Sich-Übergeben scheint mir recht harmlos, zumal es ja nicht übermäßig zelebriert wird.
Was ich aber total nachvollziehen kann:
Es ist oft viel Attitüde und Show dabei.
Das scheint mir irgendwie so eine Gefahr dieses- wie du schreibst - popliterarischen Stils zu sein. Ich habe mir, weil der Typ so gefeiert wird, jetzt mal ein Buch von Hornby ("A Long Way Down") besorgt und da fand ich's besonders übel. Ich war nach zwölf Seiten nur nach am Augenverdrehen, weil mir das, diese gewollt-schwatzhafte, casual-coole Attitüde so dermaßen unecht und aufgesetzt vorkam. Und dann reden da auch noch alle Erzähler gleich!
Hervorragend fand ich's in Krachts "Faserland", ist im Deutschsprachigen ja auch das Stück Popliteratur (wenn's den so was gibt) überhaupt. Da gelingen auch die Schattierungen nach verschiedenen Stimmungen.

wenn man gar keine Chance hat, das noch irgendwas geht, einfach mal an die Brüste grapschen! Das war in einer Malcolm-Folge, glaube ich. Ich schäm mich ein bisschen aber: Der Gedankengang ist mir vertraut.
Ich fürchte aber, Frauen können das nicht so nachvollziehen!
Versteh einer die Frauen! ;) Das mit der Malcolm-Folge ist aber interessant, wahrscheinlich lungerte das irgendwo in meinem Unterbewusstsein herum.

Hm, ich fand den Text nicht so toll, ich fand ihn gut geschrieben, aber der Stil bleibt relativ gleich, er zieht nicht noch mal an, es ist eher das Gefühl, im Laufe des Textes, dass der Erzähler schüchterner wird, sich vorm Leser mehr und mehr verbirgt.
Ja, da schließt sich für mich der kreis zu dem, was ich JuJu geantwortet habe. Ich bin da unsicher geworden und das spürt man im Text. Deshalb will ich die Geschichte da gar nicht "verteidigen", sondern übernehme mal dein Fazit:
Also: Ja, die Geschichte hat einen Ton, sie hat einige gute Ideen, sie bräuchte noch mehr Ideen und stärkere Figuren.
So ist's wohl.

Danke für die ausführliche Kritik!

Grüße,
Meridian

 

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