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Die Mannequin
Rick ging den Gehweg entlang und rauchte eine Selbstgedrehte. Der Nebel hing tief zwischen den Hochhäusern in den Straßen. Obdachlose lehnten an den grauen Betonwänden und dämmerten mit Dreiliterflaschen billigen Rotwein vor sich hin. Rick lebte seit sechsunddreißig Jahren in dieser Stadt. Die Armut war bereits lange vor ihm hier. Wie der Gestank der Müllmyriaden und der Rattenexkremente. Die Leuchtbuchstaben über den Tavernen flackerten oder waren erloschen. Eine junge Frau rannte schreiend über die Straße und sprenkelte den Asphalt mit Blut aus ihren offenen Pulsadern. Rick schenkte ihr einen flüchtigen Blick, zog an seiner Zigarette und ging weiter. Ein paar Straßen heulte eine Sirene. Die Stadt fühlte sich für Rick wie eine Hölle an. Die Menschen lebten im Wahnsinn und bezahlten mit der Unterstützung vom Staat. Die einzigen Jobs, die man bekommen konnte, waren noch schlimmer als die Armut selbst. Die Menschen kontrollierten Produktionsanlagen, lenkten einen Bus, fickten Freier oder bedienten Halbtote mit Hochprozentigen. Rick war Dichter – aber sein Geld bekam er vom Staat. Die Bibliotheken schlossen vor über zehn Jahren die Türen. Aber sich vor seine Schreibmaschine zu setzen und Gedichte zu tippen, rettete Rick vor dem umgreifenden Wahnsinn, der die meisten am Bein packte und in die Tiefe zog.
Rick erreichte die Bar kurz vor Mitternacht. Eine heruntergekommene Kaschemme, die vor vielen Jahrzehnten auf dem Strom der Zeit ankerte. Die Wände waren holzvertäfelt, Jazz kratzte von Platten und die Luft roch nach altem Bier und Urin. In kleinen Gruppen saßen die Gäste an den Tischen und am Tresen. Manche unterhielten sich leise. Die meisten aber saßen einfach herum und kippten den Fusel. In manchen Gesichtern erkannte Rick nichts mehr, aber bei wenigen der Gäste erkannte er noch die Verzweiflung. Allerdings wusste er, dass die Verzweiflung schnell dem Nichts weicht, wenn man sich nicht irgendwie erhält.Er setzte sich an den Tresen und bestellte eine Flasche Bier beim Bartender. Die leeren Augen des Mannes ekelten Rick an und er nahm sich vor, nicht mehr hinzusehen. Rick bekam das Bier und er trank die halbe Flasche in einem Zug. Rick schaute sich um, angetrieben von der steten Hoffnung, eine positive Veränderung zu entdecken. Aber die Menschen betäubten sich bloß. Das Lachen war vor langer Zeit in die Kanalisation gespült worden. Aber er war zu masochistisch, um auf die Bars zu verzichten. Er musste die Verzweiflung, die Leere und den inneren Tod atmen, um selbst nicht zu ertrinken.
Eine Stunde später stieg er auf Whisky Sour um. Als er an seinem Glas nippte, stieg ihm ein Geruch in die Nase, welcher ihn an gelbe Blumenfelder und Insektenschwärme erinnern ließ. Rick schaute zur Tür. Er glaubte, dass der Wahnsinn ihn erwischte. Er musste verrückt geworden sein. Eine Frau betrat die Bar. Sie wirkte wie eine Mannequin. Die schwarzen Locken. Der dunkelrote Lippenstift. Die halb geschlossenen Augen. Das enge schwarze Oberteil. Die schwarze Lederhose. Stiefel mit Schnallen. Diese Frau strahlte Gefahr und Leben aus. Mehr als alle Frauen, die Rick über den Weg gelaufen waren.
Sie muss eine Edelprostituierte sein, dachte Rick.
Die Frau setzte sich an den Bartresen. Sie ließ nur einen Hocker zwischen sich und Rick frei und bestellte einen Gin Tonic. Der halbtote Bartender mixte den Drink und stellte ihn auf den Tresen. Sie nahm einen Schluck und stellte das Glas ab, drehte sich eine zierliche Zigarette und zündete diese an. Die Frau nahm einen tiefen Zug und exhalierte, während sie ihr Gesicht Rick zuwandte. Ihre Blicke trafen sich. Rick starrte sie an und ihm wurde warm in der Magengegend. Die Frau lächelte, nahm ihr Glas und rutschte auf den Hocker neben Rick.
»Wie geht‘s?«, fragte sie. Ihre leicht verrauchte Stimme ließ die Luft vibrieren. Rick nahm einen Schluck von seinem Whisky Sour.
»Ich versuche mich nicht unterkriegen zu lassen. Und dir?«
»Wie geht es schon einer Wölfin in der Eiswüste?«
Sie zwinkerte Rick zu und nahm einen Schluck. Die Eiswürfel klirrten.
»Ich bin Rick.«
Er streckte ihr seine Hand hin.
»Ich heiße Mary.«
Sie nahm seine Hand und streichelte über seinen Handrücken.
»Du scheinst kein Arbeiter zu sein.«
»Nicht direkt mit den Händen.«
»Und was machst du?«
»Ich versuche jeden Tag das Gedicht zu schreiben, welches etwas verändert.«
Mary grinste.
»Bis jetzt hat’s wohl noch nicht geklappt. Cheers.«, sagte Rick.
Sie ließ Ricks Hand los, nahm ihr Glas und sie stießen an.
Einige Minuten saßen sie schweigend nebeneinander. Mary drückte ihr Bein leicht an das von Rick.
»Zeigst du mir ein paar deiner Gedichte?«
Rick betrachtete ihr sanftes Gesicht. Vielleicht interessierte Mary sich tatsächlich für seine Gedichte und nicht für die Scheine, die sie möglicherweise in seinen Taschen vermutete.
»Gern. Ich habe allerdings keins dabei.«
Mary nahm einen Zug von ihrer Zigarette und drückte den Rest in den Aschenbecher. Sie stand auf und beglich ihre Rechnung. Und Ricks.
»Dann komm ich mit zu dir.«
»Warte. Ich glaube, das kann ich mir nicht leisten.«
Sie lachte.
»Ich bin nicht auf Geld aus.«
»Ich könnte dich nicht bezahlen.«
Sie schlenderte zum Ausgang. Kurz vor der Tür drehte sie sich um und bedeutete Rick mit einer Kopfbewegung, mitzukommen. Rick hielt sich noch immer für durchgedreht, aber das spiele für ihn keine Rolle mehr.
Zwanzig Minuten später erreichten sie das Hochhaus, in dem Rick lebte. Im Fahrstuhl schwiegen sie. Rick inhalierte ihren Geruch und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. Er hatte sich Wahnsinn anders vorgestellt. Unangenehmer. Schmerzhaft.
In seiner Wohnung entkorkte Rick eine Flasche Rotwein, schenkte zwei Gläser voll und ging ins Wohnzimmer. Mary stand an einem der bodentiefen Fenster und sah auf die Lichter der Stadt. Rick stellte sich neben sie und reichte ihr ein Glas.
»Auf dem Couchtisch liegen einige Gedichte.«
Sie nahm einen Schluck Wein und setzte sich auf die abgesessene Ledercouch. Mary las still die Gedichte. Als sie endete, schaute sie Rick an.
»Hast du noch mehr davon?«
Ihre Stimme zitterte.
Rick kramte einige Gedichte aus einer Schublade. Mary las und nippte an ihrem Wein. Rick setzte sich ebenfalls auf die Couch und zündete zwei Zigaretten an. Eine reichte er ihr. Mary nahm die Zigarette, ohne von dem Gedicht aufzusehen, und steckte sie zwischen ihre Lippen.
Sie legte das letzte Gedicht auf den Couchtisch, trank ihr Weinglas leer und starrte auf den Papierstapel. Nach einigen Minuten hielt Rick die Stille nicht mehr aus.
»Wie findest du sie?«
Sie starrte ihn an, rückte zu ihm und nahm seinen Kopf in ihre Hände. Ihre Augen funkelten. Mary bewegte ihr Gesicht auf seines zu und sie küssten sich. Mit geschlossenen Augen zog sie ihren Kopf einige Zentimeter zurück.
»Du hast mit deinen Gedichten bereits etwas verändert.«
Sie küssten sich wieder. Rick zog ihr das Oberteil aus, nahm ihren Kopf in die eine und ihre Hüfte in die andere Hand und zog Mary an sich heran. Er biss ihr beim Küssen leicht auf die Unterlippe und sie zitterte. Sie zog ihre Stiefel und Hose aus. Rick streifte seine Hose ab. Mary setzte sich auf ihn. Rick spürte durch ihre und seine Unterwäsche die feuchte Wärme ihrer Vagina. Sie zog sein Shirt aus und schmiss es weg. Rick und Mary küssten sich immer intensiver und sein Penis wurde hart. Sie stöhnte leise auf, was Rick ebenfalls aufstöhnen ließ. Er öffnete ihren BH, warf ihn beiseite und nahm einen ihrer Nippel in den Mund, leckte daran und biss sanft zu. Mary ließ ihren Kopf in den Nacken fallen. Rick küsste über ihren Hals zu ihren Ohrläppchen, saugte kurz daran und küsste zurück zu ihren Nippeln. Er hievte sie behutsam auf den Rücken und leckte über ihre Brust, bis zum Bauchnabel und weiter nach unten. Sie lag mit geschlossen Augen da, zuckte und stöhnte immer wieder leise auf. Rick zog ihren Slip herunter, knabberte und leckte ihren Schenkel nach oben bis zu ihrer Vagina. Er küsste ihre Schamlippen, öffnete sie mit seiner Zunge von unten nach oben und spielte mit ihrer Klitoris. Ihr Zucken und Stöhnen wurde heftiger und Rick hielt es nicht mehr aus. Er streifte seine Unterhose herunter und drang langsam ihn sie ein. Mary krallte sich in seinen Rücken. Er stieß einige Male nur langsam in sie. Jedes Mal ein kleines Stück weiter, bis sein Penis komplett in ihr war. Rick machte abwechselnd harte und sanfte Stöße. Sie fingen an zu schwitzen und ihre Bewegungen wurden heftiger. Die Luft brannte und roch stark nach Sex. Rick hievte Mary herum, so dass sie auf ihm saß. Mary griff Ricks Schulter. Rick packte sie an der Hüfte und an ihrem linken Bein. Sie zogen sich gegenseitig an ihre verschwitzen Körper. Der Raum, die Welt und das Universum vibrierten. Die Zeit wurde bedeutungslos. Alles wurde unwichtig. Für Rick existierte nur noch Marys Stöhnen, ihre Bewegungen, ihre Berührungen, ihr Schweiß, ihr Geruch und das Gefühl, mit ihr gemeinsam die Welt zu vergessen.
Rick wachte auf. Die andere Seite des Bettes war leer, bis auf einen Zettel.
Musste los. Ruf mich an. In Liebe, M.
Unter dem schwungvollen M stand Marys Telefonnummer. Rick betrachtete den Zettel, die feinen Schnörkel ihrer Schrift und schaute zu der Seite des Bettes, wo Mary geschlafen hatte. Ihr Geruch hing noch in der Luft und in der Bettwäsche. Rick schloss die Augen, atmete tief ein und schwang sich aus dem Bett. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte kurz nach elf an. Er ging in die Küche, setzte Kaffee auf und schaute aus dem Fenster. Große Regentropfen peitschte gegen die Scheiben. Der Nebel hing noch immer tief in den Straßen.
Am frühen Nachmittag setzte er sich an die Schreibmaschine und tippte einige Gedichte.
Nach zwei Stunden rief er Mary an. Es klingelte, aber niemand meldete sich.
Rick machte sich einen Whisky mit Soda, setzte sich auf die Couch, schaute aus dem Fenster und rauchte eine Zigarette. Der Regen hatte nicht nachgelassen. Der Himmel wurde bereits dunkler und die Straßenbeleuchtung eingeschaltet. Durch den Regen schlierte das Licht der Straßenlaternen und Reklametafeln.
Er wählte die Nummer von Mary erneut. Sie antworte nicht.
Rick mixte sich den dritten Whisky mit Soda und las seine Gedichte vom Nachmittag. Er hatte bereits viele Jahre keine Liebesgedichte mehr geschrieben. Die Liebe war aus den Köpfen der Menschen getilgt. Für Liebe brauchte man Hoffnung und Zuversicht.
Und Mary gab ihm diese.