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Die Macht im Staate

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27.08.2001
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Die Macht im Staate

Die Macht im Staate

Die Kronleuchter des Präsidentenpalais warfen ihr kristallenes Licht in den Empfangssaal. Beinahe überirdisch wirkten die vielen gutgekleideten, in Grüppchen beieinander stehenden Menschen. Viele mit einem Sektglas in der Hand, manche auch mit kleinen auf Hölzchen aufgespießten Happen aus Käse, Lachs und anderen kleinen Köstlichkeiten. Gedämpftes Gemurmel durchbrochen von einigen wohlgeordneten Auflachern erfüllte den Raum.

Sogar der Minister war anwesend. Er stand mit einem Banker nah beisammen.
Gerade kam eine Bedienung mit einem Silbertablett vorbei.
„Mir bitte nur einen Kaffee!“, sagte der Banker
Sie nickte, verbunden mit einem angedeuteten Knickser, und verschwand in der Menge.
„Lass uns doch eine Weile hinsetzen, dort drüben am Tisch. Es war ein anstrengender Tag!“
Beide gingen zu einem mit Rosenblättern dekorierten Tisch und nahmen Platz. Sie saßen sich gegenüber, suchten in den Augen des Anderen.
Die aufkeimende Spannung der Beiden wurde durch die herannahende Bedienung unterbrochen. Lautlos stellte Sie die dampfende Kaffeetasse auf die weiße Tischdecke, nahm Blickkontakt zum Minister auf und ging als dieser mit einem angedeuteten Kopfschütteln bedeutete, keine weiteren Wünsche zu haben.

„Süße Beine, was?!“, sagte der Minister.
Der Andere lachte, rührte mit dem Löffel im Kaffee, schaute ihr nach und zog die Brille etwas herunter.
„Oh ja. Die ganze Erscheinung ist sehr ansprechend! Ich vermute, Du hast Deine alten Schwächen über die Jahre weiter gepflegt?“
„Nun....auch Du kannst die Brille wieder aufsetzen! Horrorgeschichten in der Boulevardpresse habe ich über mich zumindest nicht gelesen.“
Beide lachten. Etwas in deren Lachen hatte den Anflug von Erleichterung.

„Ich hoffe, Du hast die letzten Jahre nicht allzu sehr in Deiner Bank gewildert!“
„Diese Zeiten sind doch längst vorbei. Befassen wir uns nicht mit ernsthafteren Dingen, mittlerweile?!“
„Doch, ja!“, antwortete der Minister. Er war plötzlich wieder sehr ernst und dachte an die letzten Koalitionsrunden. An die Haushaltslage. An die Defizite: „Es gibt da ein Problem, Ralf. Mit den Finanzierungen.“

Aber der Banker antwortete nicht. Der schaute nur lange und scharf über den oberen Brillenrand. Das „bingbing“ des Kaffeelöffels in der Tasse blieb plötzlich aus. Jetzt war es richtig still. Er wartete. Das Gemurmel der übrigen Gäste war Ewigkeiten entfernt. Beide saßen sich eine kleine Ewigkeit schweigend gegenüber und wenn man Sie betrachtete, war es als wäre eine unsichtbare Wand zwischen ihnen.

Schließlich lehnte sich der Banker zurück. Er breitete die Arme in einer großen, offenen Geste aus. Fast so, als wolle er fliegen, und seine Worte waren ein wenig wie ein lautes Lachen:
„Ach komm, Horst. Probleme. Gibt es wirklich Probleme? Was sind schon Probleme? „Na erzähle doch mal. Frisch, frei, von der Leber weg. Ich bin sicher, wir regulieren das!“

„Die Abzahlungen. Sie drücken auf den Haushalt. Wir können Sie gerade so aufbringen. Von Investitionen gar nicht zu sprechen. Längst müßten wir – und da sind sich ausnahmsweise einmal alle quer durch die Parteien einig – die kleinen oder wenigstens mittleren Betriebe subventionieren. Aber das Geld dazu fehlt einfach. Nach den Steuerausfällen der letzten Monate....!“

Der Banker unterbrach.
„Was ist denn mit dem Erlös aus den AMTV Lizenzen? Das waren doch, warte mal, 100 Millionen DM Mehreinnahmen?“

„Das Geld ging direkt und vollständig in die Schuldentilgung!“

„Ja. Ich las davon. Aber – by the way – unsere Verträge wurden nicht getilgt.“ Er lächelte und bewegte spielerisch tadelnd den Zeigefinger.

„Nein. Andere Gläubiger waren wirklich unbedingt zu bezahlen.“

„Na bitte. Also müßtet ihr doch wieder etwas Polster für Neuaufnahmen haben?“

„Nein. Du vergisst die Steuerausfälle. Geplante Einnahmen gingen stattdessen zurück. Aber die Details kann Dir bei Bedarf sicher einer meiner Prüfer erklären.“

Aber der Banker winkte ab: „Lass doch gut sein. Wir reden nicht über klein-klein hier. Haben wir nie gemacht. Wenn ich Dich recht verstehe brauchst du Geld. Über wieviel reden wir?“

„100 Millionen.“

„Eine hübsche Stange, wirklich eine hübsche Stange Geld.“ Er rührte wieder im Kaffee, den Kopf gesenkt und murmelte vor sich hin. Dann sagte er halblaut und entschlossen:
„Ich brauche Sicherheiten!“
„Wir haben eine Menge Grundstücke!“
„Ok. Wird mit dem Geld investiert?“
„Sozusagen schon. In die Sicherheit. Deine und meine Sicherheit. Wir reformieren die Bundeswehr und ein anderer Teil läuft in die Wirtschaftsförderung!“
„Wieviel?“
„Nach unseren Analysen und Gutachten sind ca. 35 Millionen Mark sinnvoll! Vielleicht etwas mehr.“
„Was werdet ihr wehrtechnisch reformieren?“
„Rein quantitativ die Bestellung einiger Spähpanzer. Ansonsten, Westen, Ersatz des technischen Equipments, Funkgeräte, GPS Ortungsgeräte, Nachtsichtgläser – vor allem technische Güter. Unser Ausrüstungsstand ist für Einsätze wie jetzt in Turkmensitan vollkommen mangelhaft. Außerdem benötigen wir Detailplanungen für einen neuen Kampfpanzer.“

„Wie groß ist das Ausgabevolumen dieser technischen Ausstattung?“
„Ca. 15 Millionen DM!“
„Woher bezieht ihr das?“
„Geplant ist, über Sapp abzuwickeln!“
„Das trifft sich gut. Sehr gut, sehr gut!“, und mit jedem „sehr gut“ wurden seine Worte leiser bis Sie schließlich ganz verschwanden.
„Ich kann es Dir auf 2 Jahre stunden. Es belastet dann nicht diesen Haushalt!“

„Das ist gut!“, und die Worte gingen mit einem langen Ausatmen einher. Fast tonlos waren Sie.

„Setze den Auftrag für den Technikbedarf auf minimal 25 Millionen hoch und ich kann etwas für Dich tun!“

„Unmöglich. Das geht nicht!!! Ich hatte mit 15 Mio bereits Probleme einen Konsens zu erreichen. Du vergisst die Linke.“
„Ach was, mit Heuer habe ich letzte Woche gerade telefoniert. Ich rufe ihn von Zeit zu Zeit mal an. Das kann ich deichseln!“

„Dann bleibt immer noch Frenzen. Er hat intimste Kontakte zur Presse, ist gegen eine Anhebung des Wehretats und hat die Opposition geschlossen hinter sich. Zudem ist er beliebt in der Öffentlichkeit. Keiner hatte die die letzten Jahrzehnte solche Sympathiewerte, wie er!“

„Kein Wunder bei der Presse!“
„Ja. Auch so ein Problem. Und trotzdem, Ralf: Ich weiß nicht wie ich Frenzen überzeugen sollte!“

„Das ist Dein part. Dein Problem. Deine Arbeit. Ich halte Dir schon mit Heuer den Rücken frei. Etwas Eigenleistung gehört dazu. Meine nächste Bedingung: Von den 100 Millionen gehen insgesamt 85 Millionen in die Rüstung und ich kann Dir den Betrag mit nur 3,5% pro Jahr verzinsen. Vorausgesetzt die Planungen für den Kampfpanzer gehen an CTW und Sapp erhält detaillierte Feedbacks über die Einsatztauglichkeit und Änderungswünsche der Nachtsichtgeräte. Momentan gibt es noch einige Probleme mit der Optik bei hoher Luftfeuchte, aber das kann Dir Lewering besser sagen. Du hältst doch noch Kontakt mit ihm?“
„Aber sicher!“
„Gut! Sehr gut.“
„Noch eine Kleinigkeit. Ich sage es Dir lieber gleich: Lewering braucht Folgeaufträge. Die müsstest Du garantieren können. Er muß mittelfristig Einnahmen bilanzieren können.“
„Gut das zu wissen. Ist aber das kleinere Problem! Ich rede mit ihm. Aber wir senken den Anteil der Subventionen mit dieser Finanzierung auf 15 Millionen! Wir beschneiden die zukünftigen Einnahmen damit! Das geht doch nicht gut!“

„Weißt du, ob du in 2, 3 Jahren noch Regierungsverantwortung hast? Ob ein neuer Wirtschaftsaufschwung folgt. Du kennst keine Zahlen.“

„Die Gutachten. Wir haben bereits Analysen in Auftrag gegeben. Nein, nein. Das geht nicht.“

„Lass Neue anfertigen. Andere. Bessere!“

Der Minister spielte mit einem Rosenblatt. Rollte es in den Fingern und formte es zu einem kleinen Klumpen den er achtlos auf den Tisch schnippte.

„Ich kann es nicht garantieren. Ich muß Frenzen überzeugen.“

Der Andere aber hielt die Hände in die Luft und senkte zugleich den Kopf.

„Es ist Dein part. Auch ich muß dafür sorgen das Geld aufzutreiben. Glaube mir, das ist kein Kinderspiel. Hörst Du mich lamentieren? Ich bin an meine Grenzen gegangen. Du kriegst das so durch oder es wird nicht gehen.“

„Du erwartest zu viel. Es ist unmöglich! Nicht mehrheitsfähig!“

„Hör auf Horst. So, oder gar nicht.“ Die Stimme des Bankers war nun lauter. Endgültig klang sie. „Du weißt, ich pokere nicht. Es sind die minimalsten Forderungen. Ich bin Dein Freund. Du weißt das. Wer gibt euch sonst noch Geld zu diesem Zins? Mit Stundung! Es ist mir sehr unangenehm – und glaube mir, bei Gott, ich habe das nicht vor – aber stelle Dir doch einmal vor, meine Bank würde heute alle Kredite und gestundete Teilzahlungen zurückfordern. Wo wäre Dein Haushalt? Aber davon reden wir ja nicht. Mir geht es um Zusammenarbeit, um Problemlösung, um Kooperation.“

„Ich werde sehen, was ich tun kann!“

„Dein Stuhl wackelt. Ist es nicht so? Bald sind Neuwahlen und Frenzen ist euch voraus!“
„Es ist knapp, ja.“
„Es ist nicht knapp, er liegt vor euch. Du hast es selbst gesagt!“
„Ja. Wenn Du es so genau nimmst. Ja, verdammt!“
„Mit einem wirklich großangelegten Wahlkampf ließen sich einige Prozente wieder holen!“
„Sicherlich!“
„Auch für uns ist es sinnvoll, vernünftige Leute dort zu haben wo man Sie benötigt. Wieviel kostet das?“
„Ca. 80 Millionen Mark! Ein großer Wahlkampf. Zur Verfügung stehen bislang ungefähr 32 Millionen.“
„Da fehlt noch einiges!“
„Einiges, ja!“

„Ich bin sicher, Du machst das schon. Du brauchst nur Begründungen und danach reden wir über die Details. Alles wie Du es haben willst. Wann Du das Geld benötigst und all der Schnickschnack. Und den Wahlkampf. Aber das hat ja noch etwas Zeit.“

Beide fanden zurück zu unverfänglicheren, ja beschwingenden Themen über ihre Vergangenheit, die Zeit auf der Schule, gemeinsame Erlebnisse.

„Für die Mehrheit brauche ich Frenzen!“, dachte der Minister dabei.

Der Banker überlegte währenddessen, wo er die 100 Millionen auftreiben sollte, denn seine Verbindlichkeiten bei anderen Banken waren sehr hoch. Dann fiel ihm Spartak, ein Versicherungskonzern ein. Der stand tief bei ihm in der Kreide und der Vorstand war ihm für seine Ziele eher ein Dorn im Auge.

„Politik ist ein verdammt kniffliges Geschäft!“, dachte der Banker, während er grob kalkulierte.

 

Eine gelungene, unkorrumpierte Geschichte. Gibt es eigentlich eine Fortsetzung davon? Wenn, dann laß mich wissen.
mfg, zorenmaya

 

Echt super die Geschichte, Frank.

Geld regiert die Welt aber vorallem die Politik und du hast das gut herausgebracht. :bounce:

 

Danke für eure Kritiken.
Eine Fortsetzung war eigentlich nicht geplant, aber es ist eine gute Idee...

Grüße
Frank

 

Mal eine Frage aus Neugier: diese Geschichte (aber auch Nichts gelernt) wirkt sehr autentisch. Entsprangen sie deiner Phantasie oder hast du selber einen Bezug dazu?

[Beitrag editiert von: zorenmaya am 25.02.2002 um 13:33]

 

Könntest du es vielleicht auch etwas konkretisieren? Meinetwegen auchin einer PM.

 

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