Mitglied
- Beitritt
- 20.11.2005
- Beiträge
- 25
Die lustige Radtour
Inmitten eines wolkenartigen Bodennebels lag Benno mit ein paar süßen, in rosa Bikinis verpackten Thailänderinnen auf einem kitschig-pinken, herzförmigen Bett. Die Luft roch zart nach Hopfen und einer guten HB-Zigarette. Eine der Damen feilte an seinen maulwurfsartigen Fußnägeln herum, dass die Krümel nur so durch die Gegend flogen. Eine andere kraulte mit ihren kleinen Patschehändchen seine rostfarbenen Brusthaare während sie ihn mit sündigen Blicken bedachte. Und eine weitere hatte ein schwarzes Sechsliterfaß Krombacher im Schoß, welches nie zu versiegen schien, egal wie oft Benno ihr seinen goldenen Maßkrug zum Nachschenken vor die gepuderte Nase hielt.
Er rülpste zufrieden und übertönte damit für einen Moment die Puhdys, die neben der Szenerie ein A-Capella-Privatkonzert für ihren größten Fan Benno gaben. Er lächelte selig, als die erste Thaifrau ihm in seine Kinderjeans langte. Das hier war das Paradies und hier wollte er nie wieder weg.
Auf einmal schoß ein gleißend heller Strahl durch den Raum. Benno grunzte.
„Scheiß-Sonne!“
Er drehte sich herum und versuchte ohne die brutalen Sonnenstrahlen die durch die halb heruntergezogene Jalousie in sein Gesicht strahlten wieder einzuschlafen. Vielleicht waren die Thailänderinnen ja noch nicht aufgesprungen und weggelaufen aus seinem Traum. Naja und wenn dann hatten sie hoffentlich das Bierfass dagelassen.
Doch nur Mikrosekunden nachdem Benno diesen frommen Wunsch zuende gedacht hatte, riß ihn Gundulas Teletubbiewecker unter gnadenlosem „Winke Winke!“-Gekreische vollends aus dem Schlaf. Jetzt waren die Thaifrauen garantiert weg. Sowas hielt doch kein Mensch aus. Benno war sauer. Richtig sauer. „Stell das Scheiß-Ding ab!“ keifte er in Richtung des Haufens unter der Bettdecke neben ihm. „Ich will an meinem freien Sonntag ausschlafen verdammt!“
Doch zunächst musste das penetrante Gekreische bis zu Gundula durchdringen. Diese hatte einen weitaus tieferen Schlaf als Benno, was ja bei beleibten Personen nichts ungewöhnliches ist. „Hallo? Stell sofort das Ding ab hörst du?“ versuchte es Benno abermals. „AUF-WACHEN!“
Jetzt langte es Benno und er kraxelte über seine dicke Frau, um an den Wecker zu kommen. Diese wachte aber erst auf, als Benno sich nach vollendeter Aktion mit dem Knie auf ihrer Leber abstützte. Mit voller Absicht natürlich. „Ey, spinnst du?“ maulte sie. „Was kann ich dafür wenn du deinen Scheiß-Wecker nicht ausmachst?“ Raunzte ihr Gatte.
Benno wollte sich aber gar nicht erst auf eine Diskussion einlassen und rollte sich wieder in seine Decke. Er hustete den ersten dicken Klumpen Teer dieses Tages hervor und schluckte ihn genüßlich wieder runter. Erneut sank er ins Reich der Träume.
Das nächste was Benno mitbekam war, wie Gundula die Decke über dem in Embryonalstellung zusammengerollten Benno wegriss.
„Von wegen Herr Morgenmuffel!“ krähte sie. „Heute machen wir eine schöne Radtour!“ Benno glotzte sie an, als hätte er das Wort „Radtour“ noch nie gehört. „Das hab ich dir doch gestern noch gesagt!“ Gundula sah ihn vorwurfsvoll an. „Wann?“ knurrte Benno sichtlich verärgert und noch immer halb am schlafen. Er setzte sich auf, während er sich ungeniert im Schritt kratzte.
„Als du mit dem sechsten oder siebsten Bier vorm Fernseher gesessen hast und Fußball geguckt hast!“ schob Gundula nach und sah ihn herausfordernd an: „Hast gesagt, jaja, können wir machen!“ Benno bekam große Augen, die den Blick auf die geweiterten Arterien einer Säufernetzhaut nur überdeutlich preisgaben: „Hab ich nicht!“ Er versuchte sich den gestrigen Abend in seinem Verlauf ins Gehirn zu rufen, konnte sich jedoch nur daran erinnern mit dem VfL und jeder Menge Bier vor dem Fernseher den Sieg über Scheiß-Osnabrück gefeiert zu haben.
„Hast du doch!“ Gundula ließ es gar nicht darauf ankommen und informierte Benno darüber, dass ihre Schwester und deren Mann bereits in einer Stunde, um Punkt zehn Uhr vorbeikämen und Benno sich ja nicht einfallen lassen solle, zu kneifen. Dann gab sie ihm den Befehl, sich anzuziehen und sein Fahrrad aus der Garage zu holen.
Dieser schluckte die bittere Pille, wieder einmal. Sein Kopf dröhnte zwar wie ein ganzes Stukageschwader, aber diese Frau war ihm körperlich einfach überlegen und schreckte vor physischer Gewalt auch nicht zurück. Außerdem war sie papieretechnisch die Eigentümerin des Hauses und könnte ihn wieder an die Luft setzen, wie letztes Jahr als Benno drei Nächte in der Garage schlafen musste und sich eine furchtbare Lungenentzündung holte. Nein, da wäre Radfahren wohl doch das kleinere Übel...
Wenn Benno sich da mal nicht täuschen sollte.
Zunächst musste Benno in den verbleibenden sechzig Minuten sein Fahrrad wieder fitmachen. Dieses hatte er als Zehnjähriger von seinem Vater zur Kommunion geschenkt bekommen und der hatte es wiederum von seinem Vater bekommen. Allerdings für den erfolgreichen Eintritt in die HJ. Böse Zungen behaupten jedenfalls, dass sich dieses Fahrrad bereits seit Jahrhunderten im Familienbesitz der Schwuppes befunden haben musste. Und kaum hast du mit so einem Ding die erste Million Kilometer abgespult, musst du an allen Ecken und Enden herumschustern. Erst recht wenn man wie Benno mit Mitte dreißig jeglicher körperlicher Bewegung abschwört und das Fahrrad nur noch alle zwei Monate mal benutzt, wenn man mal wieder vor der Wahl steht zu fahren ODER zu saufen.
Benno stand also mit seiner mittlerweile dritten Zigarette im Schuppen und betrachtete die zahlreichen Mängel seines treuen Gefährten. Der Sattel war bis zu den Federn durchgesessen, die Schutzbleche völlig verrostet und die jahrzehntealten Gummireifen rissiger als sein Verstand. Benno zog an seiner Zigarette.
Nach zehn weiteren Minuten gucken und kopfschütteln, entschied er sich schließlich, dass dem Lenkkopf die höchste Priorität im Bereich Fahrsicherheit zugute kam und begann missmutig den Achterschlüssel zu suchen. So müde und verkatert er auch war, Benno war schon immer jemand der Sicherheit ganz groß schrieb. Zumindest wenn es um ihn ging.
Umso unverständlicher war es, dass ebendieser Sicherheitsfanatiker Benno sich nach erfolgreicher Lenkkopfreparatur doch partout weigerte, den schicken blauen Teletubbie-Fahrradhelm aufzusetzen, den Gundula extra in freudiger Erwartung auf dieses Naturerlebnis im Zweierset erworben hatte.
„Ich setz das Ding nicht auf!“ patzte Benno und verschränkte die Arme. „Wie seh ich denn da aus?“ Gundulas dicke Stirnader nahm jetzt wieder bedrohliche Ausmaße an: „Benno! Ich habe diese Helme für uns beide extra für teures Geld gekauft! Und jetzt setzt du einen auf!“ Benno wurde jetzt bockig. „Nö!“ Wie ein kleiner Junge drehte er sich weg und tat so, als würde er Gundula nicht hören. Und diese reagierte so, wie man mit allen bockigen kleinen Jungs verfahren sollte: Sie klebte Benno eine, dass dieser fast rückwärts auf die Hobelbank kippte. „Setzt du den Helm jetzt auf?“ Benno rieb sich seine rote, pulsierende Wange und sah Gundula ängstlich an. Dann nickte er hastig.
Tja, hätte er das Ding mal gleich aufgesetzt, dann hätte der Schlag wenigstens nicht so wehgetan.
Mittlerweile war es allerdings schon viertel vor zehn und Benno hatte etwas wichtiges noch nicht erledigt. Er hatte zwar wie jeden Morgen seine drei Zigaretten geraucht und die zwei Tassen extrastarken Kaffee getrunken, der jedem normalen Menschen die Magenwand durchätzen würde, aber er hatte noch nicht sein Morgenhäufchen gemacht und so wie er das sah, wurde es jetzt langsam allerhöchste Zeit. „Ich geh nochmal schnell aufs Klo!“ sagte er, den Helm noch immer auf den Kopf geschnallt und wollte sich schon die Sonntagszeitung schnappen, da klingelte es an der Tür.
Gundulas Blick nahm etwas panisches an und sie ließ blitzartig verlauten, jetzt ginge das nicht mehr, er würde ja eh wieder stundenlang auf dem Klo hocken, wo doch ihre Schwester schon vor der Tür stünde und sie seien für eine Radtour sowieso schon viel zu spät dran und überhaupt solle er es sich doch bitte bis heut abend verkneifen.
Benno verzog das Gesicht. Das konnte ja heiter werden, wenn er stundenlang mit Druck aufm Kessel durch die Botanik strampeln müsste. „Mmh gut!“ sagte er mit beleidigtem Unterton. Er wusste, dass sie hier das Sagen hatte und es ihm einfach verbieten könnte. Statt aufs Klo gings jetzt also vor die Tür, seine verhasste Schwägerin und deren dämlichen Mann begrüßen.
„Helga! Jürgen!“ Gundula begann sofort ihre Lieblingsverwandten vollzuquaken. Benno stellte sich schmollend daneben und brachte das Pflichthändeschütteln hinter sich. Helga hielt von Benno ähnlich viel wie ihre Eltern: Nämlich nichts. Jürgen hingegen war einfach ein bebrilltes Kind mit Schnurrbart und Halbglatze. Auf dem letzten Geburtstag von seinem Neffen Wolfgang hatte er Benno fast drei Stunden mit leuchtenden Augen von seiner Playmobil-Ritterburg erzählt, so dass Benno ihn vor Wut am liebsten windelweich geprügelt hätte. Er stand natürlich genauso unter der Fuchtel seiner Frau wie es bei Benno der Fall war. Dennoch schien er sich ehrlich auf diese Radtour zu freuen, denn kaum hatte Benno seine haarige Hand losgelassen, sprudelte es nur so aus ihm heraus: „Guck mal Benno! Mein neues Fahrrad! Das hat fast zweitausend Euro gekostet!“ Der Addressat dieser Lobpreisung auf die eigene Gerissenheit sah ihn schweigend an. „Schicker Helm!“ fügte Jürgen hinzu, als Benno sich wegdrehte und seine ebenfalls behelmte Frau fragte, ob sie jetzt endlich loskönnten, alles nur um dem Gelaber seines Schwagers zu entkommen.
Minuten später: Gundula und ihre nicht minder fette Schwester Helga schlingerten auf ihren titanverstärkten Mountainbikes nebeneinander her und begannen eine lebhafte Unterhaltung über Form und Verteilung von Schwangerschaftstreifen. Die beiden Ehemänner fuhren artig hinter ihnen her, wobei Benno es um jeden Preis vermied, eine Unterhaltung mit dem infantilen Jürgen aufkommen zu lassen. Er hatte aber sowieso andere Probleme, da das Fahrverhalten durch den auf seinem Gepäckträger befestigten, brutal schweren Picknickkorb sehr negativ beeinflußt wurde und Benno hin und herschlingerte als hätte er schon drei Flaschen Wodka intus. Es war einfach herrlich.
An diesem Tag schien die Sonne, doch war das Klima für den Juni doch angenehm mild. Sonnenallergiker Benno hatte sich aber trotz dieser vermeintlich geringen Gefährdung in weiser Voraussicht seine rotgesoffene Glatze extra dick mit Sonnenmilch eingerieben. Letztes Jahr, bei der Wanderung zum Höllenkliff hatte er bereits um die Mittagszeit ausgesehen wie Niki Lauda. Das musste er nicht nochmal haben. Doch weil jemand wie Benno stets nur in Extremen lebt, hatte er es mit der Sonnenmilch ein wenig übertrieben, was sich nach etwa zwanzig Minuten mitten auf einer friedlichen Landstraße bitterböse rächen sollte: „Ahhh! Wartet mal!“ rief er den drei Vorauseilenden plötzlich zu. „Ich habe Sonnenmilch ins Auge gekriegt!“
Benno war nämlich bereits zu diesem Zeitpunkt gewaltig ins Schwitzen geraten. Wahre Sturzbäche an Schweiß schossen da die tiefen Furchen auf seiner Stirn talwärts und nahmen da auf dem Weg in Richtung Netzhaut die abrasiv wirkende Sonnenmilch gerne ein Stück mit.
Es brannte höllisch und Benno kniff das schmerzende Auge zu. Zu seinem Entsetzen musste er jedoch feststellen, dass ihn die anderen nicht gehört hatten und weiter wie an einer Perlenschnur aufgereiht die Landstraße entlangradelten. Zu vertieft waren Gundula und Helga in ihr Gespräch über buttergefüllte Windbeutel und Kindskopf Jürgen hörte sowieso nichts mehr. Helgas radlerhosenverpackter Riesenschinken hatte ihn durch die synkopischen Bewegungen regelrecht hypnotisiert. Ein Ufo aus „Independence Day“ hätte über ihm schweben können und er hätte es nicht bemerkt.
„HEY!“ grölte Benno abermals, Zeige- und Mittelfinger noch immer aufs schmerzende linke Auge gepreßt. Der Schmerz wurde immer stärker, sodass ein Teil von Bennos Gehirn schon dachte: „Das ist Napalm was die da als Sonnenmilch verkaufen!“ Mit dem anderen Auge versuchte er so gut es ging, dem Straßenverlauf zu folgen, obgleich ihm die räumliche Sicht genommen worden war. Diese Tatsache, in Verbindung mit dem gut zehn Kilo schweren Picknickkorb auf der Rückbank und der einhändigen Fahrweise, machte es nun nicht unbedingt leichter das Rad geradezuhalten. „Ey! Anhalten!“ schrie er abermals. Keine Reaktion. Noch immer fuhren die anderen stur geradeaus weiter. Vielleicht war der Fahrtwind auch nicht ganz unschuldig daran, dass sie ihn nicht hörten. Mit diesen Mountainbikes wirst du ganz schön schnell heutzutage. Benno dachte nicht daran, ihm abermals etwas von dem Sonnenmilch-Schweiß-Gemisch ins Auge tropfte. Diesmal allerdings ins Rechte. Er kreischte nur vor Schmerz und Panik, da er jetzt gar nichts mehr sah.
Der rettende Gedanke, einfach voll in die Bremsen zu steigen kam Benno nicht mehr rechtzeitig. Im Blindflug driftete er nach rechts von der Straße ab, kam auf den Grünstreifen und schoß dann wie eine Rakete in den Graben am Straßenrand, wobei er sich aufgrund der Geschwindigkeit überschlug. Der Picknickkorb segelte an ihm vorbei und schlug hart auf dem dahinterliegenden Acker auf. Bruchpilot Benno hatte Glück. Nicht zuletzt der Helm verhinderte schlimmeres, als er mit dem Kopf im Graben aufschlug.
Dennoch stöhnte Benno vor Schmerzen, als er so im Graben lag, sein treues Fahrrad halb auf und halb unter ihm. Zum einen brannten seine Augen noch immer wie Feuer. Er hatte in den Achtzigern mal eine Frau angemacht, die ihm sofort Pfefferspray in die Augen gesprüht hatte, und das hier kam dem schon nahe. Das fand jedenfalls Benno. Zum anderen jedoch, hatte es ihm beim Überschlag den Lenker derartig in den Schritt gerammt, dass ihm richtig kotzübel war. Er lag bestimmt fünf Minuten im Graben und musste es sich verkneifen, sich von oben bis unten vollzugöbeln.
Die nassen Knie, die vom Grund des matschigen Straßengrabens zeugten, waren die einzig sichtbaren Spuren, die Benno von dem Unfall davon trug, als er auf die Straße zurückgeklettert war und die anderen drei als winzig kleine Punkte zurückgeradelt kommen sah.
Was er wirklich schlimm fand, war aber nicht etwa die Tatsache, dass die anderen fast zehn Minuten benötigt hatten um sein Fehlen bemerken und umzukehren, während er die schlimmsten Verletzungen haben könnte.
Nein, wirklich schlimm war für ihn die Tatsache, dass es den Dynamo seines Fahrrades zerlegt hatte. Sein Vater hatte ihm nicht einfach nur dieses Fahrrad geschenkt. Es war ein ganz besonderes Fahrrad, nicht zuletzt wegen dieses Dynamos. Er war im Frontstrahler integriert und das war 1963 nun mal eine regelrechte Sensation des Zweiradbaus. Und nun war das Ding hin. Abgerissen, wie der Kopf des Kaninchens, welches Benno mit fünfzehn auf demselben Fahrrad mit Absicht überfahren hatte. Ebenso wie der blutige Kaninchenkopf an den Sehnen noch mit dem Körper verbunden war, hingen jetzt auch noch die alten Kupferkabel aus dem eingedrückten, zersplitterten Dynamo und ragten aus dem Fahrradkorpus, wie eine Art elektrischer Nabelschnur. Wenn das sein Vater gesehen hätte, auweia.
Gundula hatte in der Zwischenzeit etwas ganz anderes gesehen. Nämlich den arg ramponierten Picknickkorb auf dem Acker.
Wie haste denn das geschafft? Hast wohl wieder versucht freihändig zu fahren was?“ keifte sie vorwurfsvoll, wobei sie jedoch den Nagel auf den Kopf traf.
Als der Korb von Benno geborgen worden war und Gundula ihn geöffnet hatte, brach die Hölle los. Alles was in diesem Korb transportiert worden war, war mehr oder weniger hin. Die Limonadeflaschen waren zersplittert und hatten die Brötchen durchnässt. Der Nudelsalat war jetzt mit Splittern angereichert und an den Innenseiten des Korbs verteilt. Die Äpfel und Bananen sahen zwar auch böse aus, schienen aber als einzige noch verwertbar zu sein. Ebenso wie die Drei Matjesbrötchen, die Snickerspackung und die Bifi. Trotzdem war Gundula kaum zu beruhigen: „Sieh dir nur an was du angerichtet hast!“ Jetzt kam auch noch Helga hinzu und sah sich den Grund der Erregung ihrer Schwester näher an: „Oh Nein! Das ganze Essen ist futsch! Du Trottel!“ Benno sah sie voller Haß an.
Er war hier mit knapper Not dem Tode entronnen, hatte seinen guten Dynamo eingebüßt und alles woran diese fetten Schweine dachten war das Essen. „Was erlaubst du dir du fette Trulla?“ keuchte er atemlos vor Wut. Gundula zischte „Benno!“, ehe Helga loskeifte, er solle bloß sein Maul halten, sonst würde es gleich wehtun. Jürgen stand die ganze Zeit daneben und grinste wie ein kleiner Schuljunge.
Bis Benno und die nicht minder aufgeregte Helga sich wieder beruhigt hatten und der ramponierte Picknickkorb samt leicht unvollständigem Inhalt wieder auf Bennos Gepäckträger verschnürt war, war fast eine halbe Stunde vergangen und fast unbemerkt waren am Horizont ein paar dunkle Wolken aufgezogen. Benno hatte jetzt schon wieder genug. „So einen Dynamo stellen die heute gar nicht mehr her!“ schoß es ihm durch den Kopf. „daran denkt natürlich keiner!“ Er sah sich sein Fahrrad an. Es wirkte nackt ohne seinen Dynamo. Wie als hätte man es entmannt.
Benno war traurig, aber immerhin hatte der dämliche Fahrradhelm ihn tatsächlich vor körperlichen Schaden bewahrt, auch wenn ihm der Schädel jetzt noch ein bisschen mehr brummte als heute morgen.
Vermutlich aus Sorge um einen erneuten Verlust von Nahrungsmitteln durch Bennos unachtsame Fahrweise, ordnete Oberrottenführerin Gundula nicht mal eine halbe Stunde nach diesem Vorfall und doch bereits mitten im Wald, eine Rast an. Benno fand das gut, so konnte er endlich mal wieder eine rauchen und müsste sich mal einen Moment nicht so abstrampeln. Außerdem könnte er den blöden Helm mal 'ne Sekunde absetzen und Luft an seine nassgeschwitzte Glatze lassen.
Doch der Frieden währte nicht lange, denn Helga begann sofort wieder zu stänkern. „Da hat dein Mann doch tatsächlich die Sandwiches mit den Majonaisegürkchen zerquetscht!?“ quakte sie mit einem stichelnden Unterton, als wolle sie sogar den Bäumen im Wald zeigen, was für ein blöder Typ dieser Benno ist. „Na ganz toll!“ Benno wollte sich nicht schon wieder auf einen Streit mit den beiden fetten Töchtern des Teufels einlassen und ging mit seinem qualmenden Tabakbrötchen ein paar Schritte den Waldweg hinauf.
Sekunden später stand Jürgen auch schon neben ihm. „Wusstest du eigentlich, dass mein Fahrrad 21 Gänge hat?“ begann er die Unterhaltung die eigentlich gar keine war. „Das schaltet butterweich, das merkst du gar nicht!“ Benno sah kurz auf. „Aha!“ Dann zog er genervt an seiner Zigarette und ging einen Schritt weiter. „Weißt du, manche Leute kaufen sich teure Autos, ich kauf mir eben teure Fahrräder!“ versuchte es Jürgen erneut und sah Benno mit großen Augen an. „Das ist mehr meine Welt!“ schob er nach und hob die Stimmlage ein wenig, vermutlich um endlich Bennos Aufmerksamkeit und Bewunderung zu bekommen.
Doch dieser rollte nur die Augen. „Vermutlich weil du keinen Führerschein hast!“ erwiderte er abschätzig, „denn du bist viel zu blöd zum Autofahren!“ hätte er im selben Moment gerne noch hinterhergeschoben, es sich dann aber doch nicht getraut.
Offenbar hatte das aber gesessen, denn nun fing Jürgen nachdem er drei Sekunden gestutzt hatte, wieder mit seiner Anti-Raucher-Hetze an. „Weißt du eigentlich, dass jede Zigarette das Leben um achteinhalb Minuten verkürzt?“ sagte er und setzte einen überlegenen Blick auf. Benno war heut jedoch ungewohnt mutig und knurrte leise: „Komm lass mich in Ruhe jetzt!“ Er zog an seiner Zigarette und ging erneut ein paar Schritte weiter weg von dem nervenden Schwager. Dann hörte er erneut Jürgens nervendes Organ: „Außerdem ist es streng verboten im Wald zu rauchen!“ Benno sah ihn einen Moment lang fassungslos an. Am liebsten hätte er ihm den bärtigen Beamtenkopf vom Kinderkörper geprügelt, aber er traute sich derlei Gewaltexzesse dann doch nicht zu.
Stattdessen ging er zurück zu den beiden dicken Frauen, die ihre gigantischen Hinterteile auf einem ächzenden Baumstumpf geparkt hatten und fragte seine Gundi, was sie ihm denn leckeres in den Picknickkorb gelegt hatte. Doch Helga fing sofort wieder an herumzupöbeln und pflaumte ihn an, er habe das Essen und ihren leckeren Nudelsalat auf dem Gewissen und deshalb dürfte er eigentlich gar nichts bekommen. Gundula konnte ihre der Hyperventilation nahe Schwester jedoch abstellen und reichte Benno eine ziemlich zermatschte Matjesstulle herüber. „Ich mag aber kein Matjes!“ grummelte Benno und sah angewidert das platte Brötchen an. „Was anderes haben wir aber nicht mehr!“ quakte Helga ihm genervt ins Gesicht. „Ja vermutlich weil DU alles aufgefressen hast!“ entgegnete Benno selten schlagfertig. Helga zeigte ihm nur erbost den Stinkefinger, weswegen Benno ihr das Matjesbrötchen auf ihr neongelbes Top schleuderte. Sofort sprang sie auf – trotz ihres Gewichts mit einer beachtlichen Schnelligkeit – um ihrem Schwager eine zu knallen, so dass abermals Gundula dazwischengehen musste, während unschöne Worte wie „Wichser!“ und „blöde Fotze!“ durch den Forst hallten.
Die Fahrt war noch keine zehn Minuten wieder aufgenommen, da traf es Benno auf einmal wie der Blitz: Er musste abwursten. Ganz dringend. Jetzt. Das musste am Essen und den drei Zigaretten gelegen haben, da war er sich sicher. Nur waren sie hier mitten im wald und nicht zuhause, wo er sich seine Kloschüssel noch schön mit dem rosa Charmin auspolstern könnte. Hier war nur Natur weit und breit. Er müsste es wie der Charmin-Bär machen und sah sich schon einen Moment lang wie das Viech in der Werbung mit der Zeitung hinterm Baum hocken. Mit dem Unterschied, dass in dieser Werbung nicht die widerliche Verwandtschaft vom Charminbär vorkommt.
Oh Mann, das war vielleicht peinlich. Er überholte hastig Jürgen, der noch immer muckelig wegen Bennos rüder Ablehnung war und rief Gundula zu, er müsse mal, ob sie vielleicht dort hinten an der Weggabelung warten könnten. Anstatt ihm auf diese Bitte zu antworten, fing diese aber an, herumzumosern, dass er doch eben bei der Pause hätte pinkeln gehen können. Wenn sie gewusst hätte.
Während also Gundula, Helga und Jürgen an der Weggabelung standen und sich Bennos neue Lieblingsschwägerin ausgiebig über sein rüpelhaftes Benehmen ausließ, suchte dieser sich hektisch ein ruhiges Plätzchen neben dem Waldweg. Es müsste schnell gehen. Trotzdem nahm er sich die Zeit den Helm abzuschnallen, sonst wäre an Entspannung nicht zu denken. Kaum hatte er einen blickdichten Busch ausgemacht, ließ er die Hose runter, hockte sich hin und pfefferte richtig einen ab. Es war so laut, dass er sich ernsthaft sorgte, die drei Anderen könnten ihn hören und begann, alibimäßig herumzuhusten.
Benno sah auf die Uhr. Gerade eine Minute rum, das könnte auch eine sehr volle Blase sein. Doch er merkte, dass das Werk noch nicht vollendet war. „Komm schon!“ grunzte er und kniff die Augen zusammen. „Mmmpff!“ Bennos Kopf errötete noch weiter. Vielleicht war da wirklich nix mehr. Er presste abermals.
Und dann zeigte sich, dass Benno einem alten Irrtum aufgesessen war. Denn beim Stuhlgang nach einer durchzechten Nacht ist es oftmals so wie bei einem Konzert mit klassischer Musik: Wenn man denkt es ist vorbei, geht es erst richtig los.
Mit einem Ruck schoß ein Strahl braune Suppe ins Gehölz und besprenkelte Bennos Jeanshose derart, dass sie mit einem Mal der Flecktarnausführung derselben Marke glich. „Scheiße!“ raunte er, als ihm das Ausmaß der Katastrophe bewusst wurde.
„Benno! BEEIL DICH BITTE!“ hörte er seine Frau von der Weggabelung rufen. Benno sah sich das Malheur ein zweites Mal an und erwiderte dann in die Richtung aus der Gundula gerufen hatte: „KOMME SCHON!“
Schnell schnappte er sich ein paar Buchenblätter und wischte sich notdürftig die Kimme sauber. Erst dann kümmerte er sich um die rostbraunen Flecken auf seiner Jeans, deren Entfernung natürlich völlig aussichtlos war, da diese alten Hosen eine Saugfähigkeit besitzen die jeden Tampon alt aussehen lassen.
Mit hochrotem Kopf trat Benno auf den Waldweg zurück. Er tat so, als wäre nichts passiert, dabei konnte er Helga und Jürgen bereits aus gut zwanzig Metern glucksen hören. „Oha! Da hat sich aber einer schmutzig gemacht!“ bemerkte Jürgen und begann zu kichern wie ein Schuljunge. „Halt die Fresse!“ zischte Benno, so dass Gundula ihn sofort anfauchte, er solle nicht so unverschämt sein. Helga gackerte einfach nur vor sich hin und Benno hätte ihr am liebsten den fetten Hals umgedreht, so groß war sein Haß mittlerweile. Beleidigt setzte er sich seinen Helm wieder auf und fragte sich ob man diesen Horrortrip überhaupt noch steigern konnte.
Konnte man.
Die Regenwolken vom Horizont waren zu riesigen dunkelschwarzen Bergen gewachsen und schlagartig begannen dicke Regentropfen trotz des Blätterdachs über ihnen auf die wackeren Radfahrer herabzuprasseln. Ein Gewitter allererster Güte schien hier aufzuziehen. „Iiiih! Das ist ja ein schebbiges Wetter!“ jaulte Helga. Bennos Freude über Helgas Leid war jedoch nur von kurzer Dauer. Der Regen wurde nun immer stärker und der Wald lichtete sich langsam. Das erste Blitzen war über ihren Köpfen zu sehen. Benno hörte Helga zu Gundula sagen, sie müssten aus dem Wald raus, weil das gefährlich sei bei all den Bäumen. Und natürlich gab Phrasendrescher Jürgen seinen Senf in Form eines dummen Spruches dazu ab: „Den Eichen musst du weichen, die Buchen musst du suchen!“
Benno rollte die Augen über soviel Naivität. Er als gelernter Elektriker wusste, dass ein Gewitter da keinen Unterschied machte. Der pfeifende Wind ließ Jürgen jetzt aber verstummen, vermutlich weil er sein eigenes Wort nicht mehr verstand.
Gundula schien der Wetterumschwung ein wenig stärker zu beunruhigen als ihn, denn sie gurrte jetzt theatralisch über ihre Schulter, sie habe Angst, „vermutlich um ihre Frisur“ wie Benno vermutete. Den Rest ihres Gequatsches verstand er aber nicht mehr, denn da knallte schon ein derartiges Donnern los, dass es selbst ihm als Naturbursche ein wenig mulmig wurde. Der Regen prasselte jetzt wie aus Kübeln herab und benetzte seine rotgesoffene Glatze. Er hoffte, dass sie sich bald irgendwo unterstellen konnten. Und wenn es nur unters Helgas fetter Wanne wäre.
Jetzt waren sie am alten Steinbruch angekommen, der Wald war hier kein Wald mehr, sondern nur noch eine sandige Geröllwüste voller Büsche. Der Regen prasselte ohne Unterlaß auf sie herab und Benno hörte sein eigenes Gekeuche nicht mehr, so laut pfiff der Wind über die Schluchten.
Während die breiten Reifen der Mountainbikes auf den schlammigen Wegen recht gut Halt fanden, verlor Picknickkorbchauffeur Benno mit seinen dünnen Teerschneidern immer mehr Grip. An einer langgezogene Rechtskurve die am Rande des alten Steinbruchs bergab auf die Felder führte, passierte dann was passieren musste, wenn man mit Fahrrädern umherfährt, die schon den eigenen Uropa überlebt haben: Benno rutschte schlagartig auf dem schlammigen Untergrund weg. Und mit ihm der Picknickkorb. Beide schrabbten über den kieseligen Matschweg und rauschten dann einen gut fünf Meter hohen Abhang hinunter. Ein mit den Armen ruderndes Knäuel aus Mensch und Fahrrad donnerte den Hang hinab und blieb nach unzähligen Überschlägen in einem Busch knappe zehn Meter vom Fahrradweg entfernt stecken. Das allerdümmste jedoch war:
Niemand hatte Bennos Sturz registriert.
Erst als die drei anderen eine Bushaltestelle vor dem nächsten Dorf erreichten um sich unterzustellen, bemerkte Gundula, dass ihr Mann fehlte. „Wo ist denn Benno?“ fragte sie in die durchnässte Runde, obgleich sie im selben Moment wusste, dass sie von den beiden sowieso keine Antwort bekommen würde. „Mir egal!“ entgegnete Helga und man konnte förmlich hören, dass es ihr auch WIRKLICH egal war. „Ist so schön ruhig ohne ihn!“ Dabei krachte im selben Moment ein Donnern über das Feld, dass Gundula ihr eigenes Wort nicht verstand. Sie wandte sich an Jürgen. „Wann hast du Benno zuletzt gesehen?“ Jürgen überlegte. „Ich glaube als er mich blöd angeschnauzt hat, obwohl ich mich ganz nett mit ihm unterhalten wollte!“ griente er dann und fügte hinzu, Benno habe bestimmt einfach keine Lust mehr gehabt und sei zurückgefahren.
In der Zwischenzeit kam Benno wieder zu Bewusstsein. Er lag im Dreck, mit dem Oberkörper in einem Strauch. Seine Jeans war zerlöchert und am rechten Bein komplett zerrissen. Ein dünner lehmfarbener Strom, der durch den Regen gelöst vom Abhang herunterfloß, strömte in seine Hosenbeine.
Seine Zunge meldete einen eigenartigen Geschmack und er bemerkte sofort, dass was fehlte, was vorher dagewesen war. Seine Zähne. Zumindest die oberen fünf Stück. Dabei waren das doch fast die letzten echten Teile in Bennos Mundhöhle. Diese Schneidezähne, die ihn ein Leben lang begleitet hatten, mit denen er unzähligen Kronkorken den Garaus gemacht hatte, die die Jahre der Folter auf dem Zahnarztsessel mitbekommen hatten. An denen so mühsam und teuer herumgeschustert worden war. Jetzt sah Benno sie im Laub neben sich liegen. Zumindest zwei von ihnen. Die anderen blieben verschwunden.
Der eigenartige Geschmack war nebenbei bemerkt das Blut, was seinen Mund füllte. Aber auch Bennos Unterarme hatten Federn gelassen. Oder um genauer zu sein: Haut. Rohes Fleisch glänzte dort und jeder Regentropfen der bei der folgenden Begutachtung darauf fiel, brannte wie Napalm. Unterhalb des völlig zerkratzten und gesplitterten Helmes war die nächste Behandlungsbedürftigkeit: Bennos Stirn hatte es ordentlich umgekrempelt und das erste Blut, welches schwallartig aus der gut zehn Zentimeter langen Rißwunde geströmt war, gerann in seinen Augenbrauen.
Noch immer völlig unter Schock stehend stellte Benno fest, dass er sich wenigstens nichts gebrochen hatte, aber alleine die Tatsache, dass er ohnmächtig gewesen war deutete darauf hin, dass er schnellstens ins Krankenhaus sollte. Dann jedoch traf es ihn wie der Blitz, der im selben Moment über seinem Kopf im tiefblauen Himmel zuckte:
Seinen Freund das Fahrrad hatte es richtig erwischt. Benno wurde blaß als er sah, wie dieser Sturz es zugerichtet hatte: Die rechte Pedale hatte es bei der unfreiwilligen Flugshow einfach abgerissen, der Lenker war um fast neunzig Grad zur Seite verdreht worden und obendrein völlig verbogen. Selbiges galt für das Vorderrad. Außerdem war die Kette rausgesprungen und der Zahnkranz hatte sich auf Nimmerwiedersehen ins Unterholz verabschiedet. Zu guter Letzt hatten auch noch beide Schutzbleche der mechanischen Überlastung nachgegeben und hingen nun wie zerknitterte Pappstreifen um die Reifen. Es wäre einfacher gewesen, zu schildern, was an Bennos Fahhrad heile geblieben war. Tränen traten in Bennos Augen. Er sank zusammen.
Bilder zogen vor seinem inneren Auge vorbei, während er so im Matsch saß und der kalte Regen auf ihn niederfiel. Bilder aus längst vergangenen Zeiten. Er sah sich und seinen Vater, wie sie in der Werkstatt das Fahrrad einer gründlichen Inspektion nach Schwuppe-Art unterzogen hatten. Er sah sich als Vierzehnjährigen, wie er den Tachometer-Dynamo polierte, so dass man dieses hohe Stück Zweiradbaukunst schon von weitem Glänzen sah. Die Sicht über den Fahrradlenker auf das Kaninchen, welches panisch vor ihm davonlief, jedoch keine Gnade vor Bennos Sadismus fand. Er sah auch den fetten Uli, der einmal Benno die Luft aus den reifen gelassen hatte, wofür Benno später aus Rache seinen Hund vergiftet hatte.
Dann wieder sah er sich, wie ihm vor zehn Jahren nach dem Saufen auf dem Waldparkplatz mitten im tiefsten Forst die Kette rausgesprungen war. Wie es damals dunkler und dunkler wurde und er sich beim Kettenreinfummeln beinahe vor Angst in die Hosen geschissen hätte, auch wenn er das nie zugeben würde. All diese Dinge sah er vor sich. Zum Greifen nahe.
Selbst als die Sanitäter ihn eine gute Stunde später endlich gefunden hatten und seinen durchnässten, blutüberströmten Körper auf der Vakuummatte in den Krankenwagen luden, sah er immer noch diese Bilder aus der Vergangenheit. Schöne Bilder aus schönen Zeiten. Szenen, die das Glück dieser Momente für einen kurzen Moment in seine alkoholgeschädigten Hirnbahnen zurückholte, während ebendieses Fahrrad total ramponiert im Regen lag.
Erst die Morphiuminfusion auf dem Weg zum Krankenhaus beendete diese nostalgische Diashow der ganz anderen Art. Es wurde dunkel.
Im Krankenhaus machte sich Benno große Sorgen was aus seinem Fahrrad werden würde. Da ganz allein im Wald. Er fasste den Entschluss, sofort nach seiner Entlassung, sein Fahrrad da rauszuholen. Aber ob du es glaubst oder nicht, der Förster persönlich hat es ihm schon zwei Tage nach dem Unfall vorbeigebracht. Benno freute sich sehr, als Gundula ihm erzählte, wie sie den Wagen des Försters plötzlich vorfahren sah, den Hänger mit dem bös verbeulten Fahrrad hinten drauf.
Noch mehr hatte Gundula sich gefreut, als sie den schimpfenden Mann wieder los war, der ihr Bennos liebes Fahrrad eben wutentbrannt auf den Hof geschmissen hatte und ihn zusammengebrüllt hatte.
Am allermeisten freute Benno sich jedoch, als er noch im Krankenhaus die damit verbundene Anzeige wegen illegalen Abladens von Sperrmülls in den Händen hielt, welche ihm im nachfolgenden Gerichtsverfahren nicht zuletzt aufgrund seiner unflätigen Art und Weise eine Geldstrafe von viertausend Euro einbrachte, worauf Benno vor lauter Freude fast einen Herzinfarkt bekommen hätte.
Ja, Radtouren sind was feines!