Die Liebe und der bankautomat
5:40 leuchtete in einem warmen, roten Farbton die Digitalanzeige des Weckers, hüllte den nackten Rücken einer Frau in einen wohlig sanften Farbton.In fünf Minuten würde er leise surrend einen neuen erlebnisreichen Tag ankündigen. B. war schon vorher wach und ausgeschlafen. Vorsichtig hüllte er sie in ein weißes, glattes Laken, streicht nocheinmal zärtlich über ihren Nacken. Nach einen ergiebigen Frühstück und entspannter Lektüre der Zeitung die ihm sein Nachbar mit hochbrachte, machte B. sich, noch immer den Geruch frischen Kaffees in der Nase, auf den Weg zur Straßenbahn die ihn allmorgendlich in sein Büro brachte. Im Treppenhaus grinste er die 5 Kinder seiner Nachbarin an, die auf den Kindergarten warteten und den für Kinder diesen alters typsichen Lärm verursachten, und grüsste freudig den UPS Mann. Noch bevor er die 5 Minuten Fußmarsch zur nächsten Haltestelle antrat bat ihm die junge Dame von gegenüber an, ihn bis zum Büro im Auto mitzunehmen. Freudig nahm er an und nutze die Zeitersparniss, seien Post durchzublättern. „Liebe Kunde,“ stand da, „aufgrund positiverer Bilanzen als erwartet, möchten wir uns bei allen treuen Kunden unserer Telekommunikationsdienste mit einer Flasche Wein bedanken. Gegen Vorlage dieses Gutscheins....“
Ein Lächeln glitt über sein Gesicht.
„Wie geht es ihnen eigentlich?“ zog ihn die sanfte Stimme der jungen Dame aus seinen Gedanken zurück. „Wissen sie, mir fallen viele Menschen aus meiner nahen Umgebung auf, so wie sie, und ich frage mich immer, wie es ihnen wohl geht. Vor allem wenn ich Gesichter voll Sorgenfalten sehe wie ihres in der letzten zeit, wünsche ich mir immer, daß es ihnen gutgeht.“
Wieder lächelte er freundlich. Ihm ginge es wunderbar bedankte er sich und er wüsse gar nicht von welchen Sorgenfalten sie spräche.
Am Büro bedankte er sich herzlich für den kleinen Umweg den sie seinetwegen in Kauf genommen hatte.
10 Minuten früher als geplant erreichte er nun seinen Arbeitsplatz. Ein Breif mit dem geschwungenen Firmenlogo lag auf seinem Schreibtisch.
„In Anerkennung ihrer treuen Dienste die ihren kleinen teil zum großen positiven Gewinnjahr beitrugen, möchten wir uns mit einer kleinen Gehaltserhöhung bei ihnen bedanken....“
Dieses kribbelde Gefühl der Aufregung, ja fast der Erregung breitete sich in B.’s Unterbauch aus. Motiviert und guter Laune machte er sich an seine Arbeit, die bis zur Mittagspause nur durch ein paar kleine nette Plaudereien mit den Sympathischen Kollegen unterbrochen wurde.
Als er sein Essen auspackte, segelte ihm ein kleiner Zettel entgegen.
„Danke für die wundervolle Nacht, danke, daß ich Dich lieben darf...“ stand darauf. Träumend, die Augen wie in weite Ferne blickend, lehnte er sich zurück und sog den Duft des offensichtlich parfümierten kleinen Zettels ein. Ein kleines Stück Papier und doch soviel Gefühl. Er setzte die Arbeit fort wenn er auch im Hintergrund eine leise Vorfreude auf zuhause verspührte. Um 15 Uhr unterbrach der Abteilungsleiter nocheinmal seine Arbeit. Er zeige sich erfreut über die Pünktlichkeit des B. und bot ihm an, seinen wohlverdienten Feierabend heute schon um um 15 Uhr 30 anzutreten. Schließlich arbeite man ja fürs Leben und lebe nicht für die Arbeit, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Und B. machte sich auf den Heimweg. Die so gewonnene Zeit nutzte er um an diesem schönen Sommertag zu Fuß durch den park nachhause zu schlendern, in der linken hand seine Aktentasche, in der rechten duftende Rosen. Er hatte noch die Hälfte des Weges vor sich, als er eines jungen Mannes gewahr wurde, der auf einer Parkbank saß. Im fiel das tiefgraue äußere des Mannes auf, der Anzu grau, die Schuhe von grauem Straßenstaub überzogen, das Haar ergraut, ja selbst seine Haut schien seltsam grau und kalt zu wirken. Vor der farbenfrohen Parkkulisse sprang er quasi in den blick des Betrachters, wie ein gefälschtes Detail in einem bekannten Bild oder wie etwas aus einer anderen Welt. Als B. die Parkbank auf der der junge Mann saß, passieren wollte sprang dieser auf einmal auf und starrte ihn aus übernächtigten aber auch tränengetrübten Augen die aus einem leblos grauen Gesicht hervorstachen, an. „DIE LIEBE IST NICHT ANDERS ALS DIE REALITÄT!!!!DIE LIEBE IST EIN BANKAUTOMAT!!!“ schreit er und noch im selben Moment richtet er sich eine Pistole die er blitzschnell aus seinem Trenchcoat gezogen hat an die Schläfe. Ein Schuss kracht und im selben Moment erwacht B.
Instinktiv dreht er sich um und greift ins Leere. Kalt fühlt sich das knittrige Laken an.
5:40 brennt sich agressiv die Rote uhrzeitanzeige in das Dunkel des Zimmers. „Wie unter einen Laster geraten fühle ich mich“ denkt sich B.
Übermüdet stolpert er durch die Dunkelheit. Klirrend reißt er einen Pulk leerer Weinflaschen am Fußende des Bettes um. Auf dem Schränkchen vorm Spiegel aufgerissene Briefe.
„Mahnung“ steht dort. „Ich muß mich beeilen um die dreckige Straßenbahn zu erreichen denkt sich B in einem Anflug von Hast und Panik. Wo ist das Kleingeld? Dann fällt sein Blick auf den zweiten Brief: „Kündigung... wegen krisenbedingter Einbußen sehen wir uns gezwungen, einen strengen Sparkurs anzutreten. Man muß Geld investieren um Geld zu verdienen... entschlossen ein Mitarbeiterprofil...diesem genügen sie nicht....es tut uns leid...“
B wendet sich um. Neben seiner zerwühlten Bettdecke, glattgestrichen, zusammengelegt, kahl, eine zweite. Er weiß wonach sie riecht. Darauf ein zerknittereter Brief. Er weiß was darin steht. „Es tut mir leid....auseinandergelebt...hatte das gefühl Dich immer haben zu können...nichts neues...es hat im Bett nicht geklappt....“
Als B sich wieder umdreht und in den Spiegel schaut, blickt ihm ein fahles, fast graues Gesicht entgegen, aus dem rote, tränengetrübte, übernächtigte Augen hervorstechen.
„Liebe ist wie ein Bankautomat“ geht im durch den Kopf.
„Man muß etwas investieren um etwas wiederzubekommen“ geht im durch den Kopf.
In seinen Gedanken fügen sich beide Sätze aneinander wie zwei teile eines Puzzels, schmiegen sich aneinander, ergeben ein Ganzes. Und während Tränen seine Augen füllen und seine Welt an zwei Sätzen zu ertrinken beginnt, wendet B sich noch einmal um und wie in einer einzigen, gleitenden Bewegung ergreift seine Hand dabei die Pistole.
Ein Schuss kracht.
Ein Nachbar mit einer Zeitung ersteigt die Treppen.
Eine Mutter fährt ihre Kinder zum Kindergarten.
Ein brauner UPS wagen hält.
Eine Junge Dame gegenüber braust in ihrem Wagen davon.
Millionen Menschen gehen zur Arbeit.