Die Liebe ist tot!
Die Liebe ist Tod!
Glauben wollten wir es ja nicht, aber jetzt ist es soweit. Und wir stehen da, gaffen, verwirrt, verstört und ängstlich, weil wir uns nie vorstellen konnten, dass es tatsächlich einmal passiert. Du starbst einen langsamen Tod, weit weg von uns, hast dich vorher zurückgezogen wie ein verletztes Tier, aber genützt hat es nichts. Bist in deinem dunklen Versteck verreckt, fernab von uns, während wir weitergingen, weiterliefen, weitertanzten, weitersprachen und so vieles weiter machten, dass wir nicht merkten, dass es zu weit war.
Und heute bist du tot.
Liebe haben wir dich nie genannt. Wollten dich nie beim Namen nennen, konnten dich gar nicht mehr aussprechen, schlichen uns ton- und wortlos durch unser ton- und wortloses Leben, nahmen dich als etwas Selbstverständliches, denn du warst ja da. Sogar als du schon längst in ihrem Versteck lagst und um Hilfe flehtest, glaubten wir dich noch zu sehen, zu hören und zu fühlen. Aber deine Stimme war schon schwach, und wenn wir sie hörten, dann wollten wir sie nicht hören, übergingen sie, denn anderes war wichtiger.
Ihr lebt euch zu Tode, sagtest du mir einmal, und wenn ich heute daran zurückdenke, merke ich erst, wie schwach deine Stimme schon war. Ich verstand nicht, denn ich war auch kein anderer als die anderen. Irgendwann warst du weg, bist ausgezogen und ich hielt dir die Tür auf. Ich hatte anderes im Kopf, Vieles, was nicht du warst, obwohl ich ständig dachte, dich zu sehen, dich zu treffen, mir dir zu reden. Aber es waren nur deine verblassten Abziehbilder, und meine Augen waren zu blind um hindurch zu sehen, überhaupt zu sehen. Heute weine ich mit den anderen. Vertrieben haben wir dich allesamt gemeinsam.
Wir gehen jetzt mal huff-tuff Sexi machen, One-Ständer und immer an die Orgasmen denken. Spritzen, blasen und rammeln wie die Hasen. Dort ist eine, da ist einer, Traumfrau, Traumtyp, Märchenprinz und Prinzesschen, versammelt. Nicht viel reden, kein Geld, viel Geld, zu dir oder zu mir, da sein, hingehen und aufreißen, klarmachen, und immer an die Orgasmen denken. Busen, Silikon und Penispumpen, Sex in the city, in the country, Häschen, Macker, Typen, Schlampen und junge Nächte, gerüstete Leiber, gerüstete Gefechte. Auswählen, anlächeln, trinken, essen, warten, warten lassen, randürfen, ranlassen, drüberrutschen und drüberlassen und immer an die Orgasmen denken. Hinten, vorne, rein, raus, oben, unten, Durchschnittsgrößen, Oberweiten, Dicke, Länge und die Wurzel daraus. Beziehung aus, Beziehung an, beziehungsreif, beziehungsmüde. Bloß keine Romanzen mehr. Gel ins Haar, rein den Bauch, Candle light, Dates. Bloß keine Rendez-vous’ mehr.
Vieles probiert mit unseren Löchern, Fleischanhängen. Sind endlich, was wir immer sein wollten.
Das Sex – Seeeex!
Liebst du mich? Äugeleinaufschlag, äugeleinniederschlag, äugeleinzumach, hach, schön, ja, jaa, stöhn, seufz, bibber. Schön war’s, genauso wie gestern, und vorgestern und vorgestern und vorgestern, und vorgestern und vorgestern, und... vorvorgestern. Schön wird’s morgen, und übermorgen und übermorgen und übermorgen und übermorgen und übermorgen und übermorgen...
Langweile ich sie?
Ficki, facki, schon wieder, nichts so oft, häufiger, weniger, liebevoller, versauter, weniger versaut, wie und warum. Und warum immer an die Orgasmen denken? Ich bin erster, du bist zweiter, er ist dritter und sie wird vierter. Alles ist so schön. Schön bunt. Weggehen, ausgehen, drüberstehen, druntersehen, Toilette, Bus, Aufzug – dabei zusehen. Liebe machen, Kuchen backen, Liebe machen beim Kuchen backen, mit Liebe Kuchen backen und Kuchen machen – danach erst Liebe backen. Zuerst Porno, dann erst Storno. Liebst du mich? Ja, ich liebe mich. Versprecher, Eheversprecher, Liebesversprecher, und Horden von Menschen, die sich verfickt haben. Unterwäsche, Drüberwäsche, Aphro-Look und -disiaka, alles bereit für unser Liebespaar. Liebestrios, Liebesquartetts, und kreischen im Falsett.
Es sind so viele.
Bussi aufs Bauchi.
Wir weinen um dich. Weinst du auch um uns? Tat es dir leid, alleine zu sterben? Oder hattest du ohnehin schon genug? Waren wir wirklich zu oft verliebt, zu oft verliebt in Körperteile?
Ja, ich weiß. Keine Antwort ist auch eine Antwort.
Heute sitze ich da und frage mich, wo du bist. Ob es dich dort, wo du bist, auch gibt. Und manchmal wünsche ich mir, du würdest mich zu dir holen. Aber ich habe Angst dich danach zu fragen. Wir beide wissen, warum.
Heute sitze ich da und blicke über einsame Friedhöfe, zugeschüttete Massengräber, voll von toten Dates und Stands. Und nur mehr leichter Nebel steigt aus der nassen Erde.
Ich habe es begriffen, zum Schluss doch noch begriffen.
Die Liebe ist tot!
Gestern ist sie gestorben, und ich war dabei.