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Die Lichtung

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27.07.2002
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Die Lichtung

Ein Jäger, das Gewehr mit der einen Hand vor seine Brust drückend, mit der anderen vorsichtig über den regennassen Boden tastend, schlich durch das dichte Unterholz eines großen Waldes. Die Sonne war noch nicht aufgegan-gen, doch allmählich und schwer machte sich die Morgendämmerung breit und ließ die Gräser und Äste leise dampfen.
Der Jäger ächzte. Er war diesen heimlichen Gang in der Halbhocke nicht gewohnt und ärgerte sich wieder, dass er nicht zu Hause in seinem Bett geblieben war. Stattdessen spürte er die klammfeuchte Hose an seinen Bei-nen, seine kalten Füße und den Tau, der sich an seiner Nasenspitze bereits zu einem Tropfen gesammelt hatte. Aber er musste weiter. Ein innerer Drang trieb ihn an diesem Morgen weiter zu kriechen. Was genau es war, wusste er nicht. Bis dahin war er stets in Gesellschaft auf der Jagd gewesen und ausschließlich diese war es gewesen, die ihn hatte mitjagen lassen. Nicht um des zu erlegenden Wildes wegen, nein, der frühmorgendliche Plausch über die zu machende Beute hatte ihn getrieben. Doch heute war er allein und er wusste nicht, warum.
Plötzlich lichtete sich das Unterholz. Wie durch ein bizarres Gitter, dessen wirre Stäbe sich langsam auseinander schoben, sah er unmittelbar vor sich eine kleine Wiese, über der ruhig und still der Nebel lag. Dem Jäger war mit einem Mal, als erwartete ihn nun, da er allein und unbeobachtet war, eine große Entscheidung, ein ihn selbst verändernder Moment. Er spürte, wie sein Herz stärker zu pochen begann, wie seine Hände zitterten, er sah sich plötzlich hastiger vorkriechen, schneller, weiter, noch ein Stück, dann legte er sich lang auf den Bauch, spähte, schob sich die letzten Meter weiter nach vorne, bis er endlich den Waldesrand erreichte und die Wiese offen vor ihm lag. Er sah seinen Atem, der stoßweise und grau aus ihm herauskam, und versuchte ihn zu unterdrücken. Nur noch kleine Fäden entströmten seiner Nase, schnell weggewirbelt mit seinem Unterarm, damit niemand ihn jetzt entdeckte. Gleich musste etwas, gleich musste es geschehen, das wusste er, er wusste aber nicht, was.
Und plötzlich war das Bild in seinem Kopf, auf der nebelbedeckten Wiese laufe eine Frau, seine Frau. Überrascht, dass sie nicht zu Hause geblieben, sondern ihm augenscheinlich gefolgt war, sieht er, wie sie in ihrer mäd-chenhaften Art auf dem Boden umherschaut, endlich in die Hocke geht, eine frische Blume pflückt, an ihr riecht und sie dann in ihrer Hand schaukeln lässt wie ein Kind sein Spielzeug. Ihre blonden Haare trägt sie offen, sie liegen auf ihrer weißen Bluse und bei jedem Bücken wehen die Haare hoch, gleiten nieder und umschlängeln ihren schmalen, schönen Hals. Der Jäger denkt daran, wie wunderschön seine Frau ist. Und gerade jetzt, da sie, von ihm unbemerkt, unschuldig umherspielt und eins ist mit der Natur, da scheint sie ihm noch schöner und begehrenswerter.
Er weiß nicht warum, aber in seinem Kopf ziehen mit einem Mal düstere Gewitterwolken über der Wiese auf. Seine Frau scheint die drohende Gefahr nicht zu bemerken, denn voller Ausgelassenheit, so kommt es ihm vor, dreht sie sich jetzt im Kreis. Er selbst beginnt sich, da der Himmel nun schon pechschwarz war, zu ängstigen. Verzweifelt versucht er seine Frau zu war-nen, doch aus seinem Mund kommt kein einziger Laut. Seine Frau lächelt, ja, mit einem Mal sieht er sie lachen, geradezu jauchzen, dann gebärdet sie sich mit einem Schlag hochmütig, scheint etwas zu erzählen aus kleinem, verzerrtem Mund. Sie wirkt arrogant, selbstgefällig und wie um diesen Ein-druck zu bestätigen, zerknüllt sie die Blume in ihrer Hand und schmeißt sie weg.
Da spürt der Jäger das kalte Eisen seines Gewehres in seiner Hand, und er erschreckt. Das also, denkt er. Langsam hebt er das Gewehr und nimmt es in den Anschlag. Eine Sekunde zögert er und überlegt, ob er es nach unten schieben und sich damit in den Kopf schießen solle, dann wäre es vorbei, endlich, doch er wirft den Gedanken beiseite und legt an. Nach kurzem Su-chen entdeckt er im Fadenkreuz seine Frau, die ihn nun grinsend anblickt...

 

Guten Morgen Maelzel,

herzlich willkommen auf kg! :kuss: Schön, dass du dich endlich auf kg angemeldet hast. Ich wünsche dir hier eine schöne Zeit.
Deine Geschichte wirkt auf mich wie ein Traum, hat mich in ihren Bann gezogen als wäre ich direkt bei diesem Jäger und könnte fast seinen Atem spüren und die feuchte Luft um uns herum.
Diese erzeugte Stimmung ist eindringlich und hat mich bis zum Ende der Geschichte gefangen gehalten.
Diese Begegnung mit seiner Frau wirkt auf mich, als suche dort jemand nach dem Sinn seiner Beziehung, als ziehe dort jemand Bilanz, hinterfrage, ob es noch Sinn macht, so weiter zu machen. Du hinterläßt Nachdenklichkeit und das gefälllt mir gut.

Gestört hat mich, dass die Frau teilweise zu wechselhaft beschrieben wird, du nimmst dir nicht viel Zeit, ihren Charakter wachsen und entstehen zu lassen. Ich glaube, der Geschichte würde es vielleicht guttun, wenn du hier etwas ausführlicher sein könntest.
Zunächst beschreibst du sie als mädchenhaft, schön und unschuldig, dann schiebst du aber den Vorhang sofort wieder zu und zwingst mich als Leser umzudenken, anders zu fühlen, die Frau wird ausgelassen, hochmütig, selbstgefällig, arrogant. Hier fühle ich mich in eine Stimmung hineingezwungen, die ich nicht so mitverfolgen konnte.
Aus diesem Grunde sprach ich von einem Traum, denn solche raschen Stimmungswechsel sind wohl eher die eines Traumes.
Das Ende deiner Geschichte ist dann allerdings stimmig. Gut, dass du offen gelassen hast, was passiert. So darf ich als Leser diesen Freiraum nutzen und mir selbst das Ende vorstellen. Das hat mir gefallen.

Nicht so gut fand ich folgende Formulierungen und bitte sei so gut und editiere deinen Text nochmals, es haben sich an manchen Stellen Bindestriche eingeschlichen, die dort nicht hingehören.
(Wenn du deine Geschichte nochmals aufrufst und in der Kopfzeile "Editieren" anklickst, kannst du Veränderungen an der Geschichte problemlos vornehmen.)

Gleich im ersten Absatz schreibst du von "leise" dampfenden Gräsern und Ästen. Ich denke ohne das Wort "leise" würde es besser klingen, zumal ich dieses Adverb hier unpassend halte. Gräser dampfen, aber dies ist eine visuelle Wahrnehmung, keine akkustische.
Dieser Satz hat mir auch nicht so gefallen: " Der Jäger denkt daran, wie wunderschön seine Frau ist."
Damit weiß ich als Leser aber noch lange nicht, wie wunderschön sie wirklich oder in seiner Vorstellung ist. Gib mir ihre Beschreibung, dann kann ich Leser mir selbst ein Bild von ihr machen, es vor meinen Augen entstehen lassen. Mit dem zitierten Satz hältst du mich auf Distanz, ich erfahre damit nur, dass dein Protagonist sie für schön hält, aber nicht was ihre Schönheit ausmacht.

Aber bei aller Kritik möchte ich abschließend anmerken, dass ich finde, du hast einen guten Einstand hier gegeben. Meine Verbesserungsvorschläge sollen deine Geschichte eher nur vervollkommnen, sie nicht herunterdrücken.

Liebe Grüße
lakita

 

Hallo Maelzel!

Auch ich sehe in deiner Geschichte eine sehr kritische Auseinandersetzung mit der Beziehung zwischen zwei Menschen. Der Jäger hat seine Frau einmal sehr geliebt, jetzt aber, da er auch ihre negativen Seiten kennt, hinterfragt er sie, möchte sie sogar loswerden.
Die Frau versucht gar nicht ihre schlechte Seite zu verbergen, selbst im Moment, in dem sie durchschaut wird.
Das Ende ist erschreckend, wenn man davon ausgeht, der Jäger könnte abdrücken - in welche Richtung auch immer.

Du zeigst hier auf, wie weit man durch eine Beziehungskrise gebracht werden kann. Anstatt ihr freundschaftlich den Rücken zu kehren und einem andere "Häschen" aufzuspüren, lässt sich der Jäger tief in den Sumpf seiner Gefühle ziehen.

Liebe Grüße
Barbara

 

Hi.

Eine schön erzählte Geschichte. Nur finde ich es schade, daß man nicht erfährt, warum der Jäger seine Frau umbringt (umbringen will).Ich finde, das hätte dazu gehört. Vielleicht tötet er sie mehr aus einem Affekt heraus; die Beiden haben sich gestritten, sie läuft ihm nach, er erschießt sie, weil er noch wütend auf sie ist... Aber irgendwie braucht es doch ein bißchen mehr Tiefgang. Man erschießt ja nicht einfach so jemanden.
Wie auch immer, jedenfalls hätte ich mir wirklich den Grund gewünscht, warum er so handelt. Ansonsten habe ich an der Story nichts auszusetzen.

Gruß,
stephy

P.S.: Na ja, er ist Jäger... Denen ist alles zuzutrauen... :D

[ 30.07.2002, 08:38: Beitrag editiert von: stephy ]

 

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