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Die letzte Prüfung (eine Gruselgeschichte)
-überarbeitete Fassung-
Klassenfahrt! Gab es etwas Besseres, als eine Klassenfahrt?
Sieben Tage und Nächte in einem abenteuerlichen Schloss, das versprach großartig zu werden. Nicht einmal die Lehrer mit ihren lästigen Arbeitsaufträgen, konnten die Laune der Klasse 6d trüben.
Alle Schüler freuten sich – bis auf Thomas, der erst seit kurzem in der 6d war. „Du wirst neue Freunde finden“, hatte Mutter ihn getröstet, als Thomas gegen den Schulwechsel protestierte. Und Mutter hatte Recht behalten. Thomas hatte neue Freunde gefunden. Aber - er gehörte nicht zum Geheimbund. Der Geheimbund war der wichtigste Klub in der Klasse. Jeder wollte im Geheimbund sein. Denn nur wenn man dort Mitglied war, hatte man etwas in der Klasse zu sagen.
Thomas hatte es als Neuer natürlich sehr schwer in den Klub aufgenommen zu werden. Er hatte verschiedene Mutproben bestehen müssen und nun war nur noch eine Aufgabe übrig. Wenn er die letzte Prüfung bestand, würde er endlich dazugehören. Aber Thomas fürchtete sich vor jener letzten Aufgabe. Er sollte noch in dieser Nacht in das Verlies des Schlosses eindringen!
Natürlich war es verboten, das Verlies zu betreten. Doch das war nicht alles. Die unheimliche Geschichte, die der Herr des Schlosses erzählt hatte, machte Thomas Angst. Vor dreihundert Jahren wurde das Verlies als Gefängnis benutzt. Damals kamen zwei unschuldig verurteilte Männer in den finsteren Gewölben um. Bis auf den heutigen Tag, so erzählte der Schlossherr, spukten ihre ruhelosen Seelen nun durch das grausige Verlies. Obwohl Thomas der Geschichte wenig Glauben schenkte, gruselte es ihn.
„Und als Beweis, dass du wirklich im Verlies gewesen bist, musst du uns etwas von da unten mitbringen!“, hatte Robert, der Anführer des Geheimbundes, gefordert.
„Ja“, hatte Sabine zugestimmt, die Zweitmächtigste im Klub. „Falls du wieder auftauchst!“
Pünktlich um Mitternacht schlich Thomas mit seiner Taschenlampe durch den nächtlichen Flur. Ängstlich sah er sich um. Bloß nicht erwischt werden! Seine Beine fühlten sich seltsam schwer an, sein Herz raste. Es war einfach am hellen Tage über Geistergeschichten zu lachen. Allein, in der Tiefe der Nacht, wirkten dieselben Geschichten plötzlich ganz anders.
Vor einer großen, eisenbeschlagenen Tür blieb Thomas stehen. Zitternd lauschte er. Das einzige, was er hörte, war sein eigenes, wild pochendes Herz.
Die Tür quietschte unheimlich, als Thomas sie einen Spalt öffnete. Modrige Luft nahm ihm den Atem. Im Schein der Taschenlampe schlüpfte Thomas eine steile Treppe hinab. Wieder eine Tür, dahinter musste das Verlies liegen.
Thomas atmete eimal tief durch und trat ein.
Im zitternden Licht der Taschenlampe waberten unheimliche Schatten. Folterinstrumente, schoss es Thomas durch den Kopf. In der Mitte des Raumes stand eine wuchtige Streckbank. In einer Ecke lehnte eine Art Sarkophag. Die Wände des Verlieses waren mit rostigen Ketten bestückt. Die Ketten endeten in geöffneten Handschellen. Thomas sah sich hektisch um. Was sollte er mitnehmen? Verdammt, es musste schnell gehen – und dann nichts wie weg!
„Thomas!“, drang ein grausiges Zischen an sein Ohr. Mit einem Schrei fuhr Thomas herum. Eine entsetzliche Gestalt torkelte mit ausgestreckten Armen auf ihn zu.
„Thomas!“ Eine zweite Gestalt kam aus den Schatten hervor.
Panik überkam Thomas. „Was wollt ihr von mir? Ich habe euch doch nichts getan!“
„Wir haben auch niemanden etwas getan – und wurden dafür bestraft. Dich wird das gleiche Schicksal ereilen“, wisperte es gespenstisch.
Thomas spürte eisige Finger auf seiner Schulter. Angsterfüllt riss er sich los und wich zurück.
„Nein, bitte nicht“, flehte Thomas. Er stand nun mit dem Rücken zur kalten Wand. Etwas Spitzes bohrte sich zwischen seine Schulterblätter.
„Unser Flehen hat auch niemand erhört“, zischte der erste Geist.
„Und dein Flehen wird dir auch nichts bringen“, stöhnte der zweite Geist. Gemeinsam drangen sie auf ihn ein. Abermals wurde Thomas an den Schultern gepackt.
„Nun wirst du einer von uns, Thomas!“
Plötzlich hatte Thomas eine Idee. In panischer Eile ergriff er die baumelnden Ketten in seinem Rücken. Blitzschnell schnappten die rostigen Handschellen um die Handgelenke seiner Angreifer. Für einen Augenblick ließen die Gestalten von ihm ab. Thomas nutzte die Gelegenheit. Er tauchte zwischen den Leibern hindurch und rannte auf die Tür zu. Die Geister wollten sich auf ihn stürzen, wurden aber von den Ketten zurückgerissen.
„Thomas!“ kreischten sie in Todesangst auf.
Thomas jedoch, hatte die rettende Tür erreicht. Mit einem lauten Knall warf er sie hinter sich zu. Dabei brach die Klinke ab. Mit der Klinke in der Hand rannte er die Treppe hoch, durch die Flure des Schlosses, zurück in sein Zimmer. Vollkommen erschöpft warf er sich ins Bett und schlief sofort ein.
Am nächsten Morgen wurde Thomas von der ganzen Klasse umringt und als neues Mitglied des Geheimbundes beglückwünscht. Jeder wollte seine Geschichte vom Kampf mit den Geistern hören und die Klinke aus dem Verlies begutachten. Jeder, bis auf Robert und Sabine. Von denen fehlte jede Spur.