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Die letzte Kompanie

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25.01.2017
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Die letzte Kompanie

Sein müder Blick glitt über das Schlachtfeld. Überall auf dem Feld häuften sich die Körper der toten Soldaten. Die Schreie der Verwundeten konnte man bis zu den nächsten Dörfern hören. Den Rauch einheitlich geschossener Musketen sehen und riechen. Sein steifer Schwertarm lockerte langsam den Griff um den blutverkrusteten Degen und ließ die Waffe in den aufgewühlten Boden fallen.
Er versuchte, seinen Arm zu entspannen, die Männer zu vergessen, die durch seine Hiebe gestorben waren. Schreiend, um Gnade flehend. Er hatte sie in seinem Blutrausch niedergemetzelt, als seine Fußsoldaten gegen den Feind geschickt wurden. Durch das weiche Fleisch und Lederrüstung hat sein Säbel geschnitten. Immer wieder. Immer wieder.

„Kavallerie!“, schrie der Beobachtungsposten furchtsam. Das konnte nur bedeuten, dass der Feind wieder auf ihre Stellung zuritt. Der Mann blickte auf einen kleinen Hügel, wo er vor einigen Stunden mit seiner Kompanie gestanden hatte. Leer. Ihre Armee war aufgerieben, ihre Generäle waren geflohen und sie hatte man zurückgelassen, um den Feind aufzuhalten. Die Erde fing an zu vibrieren.
„In Formation treten!“, schrie er den verbliebenen Soldaten seinen Befehl zu. Das jahrelange Training ließ sie automatisch handeln, ohne über die Konsequenzen nachzudenken. Sie konnten nichts anderes tun. Das Feld bot keinen Schutz. Sie waren der Kavallerie schutzlos ausgeliefert. „Möge Gott über uns wachen.“, brachte der Sergeant zwischen seinen zusammengepressten Zähnen hervor. Der Leutnant griff zitternd nach seinem Degen. „Kein Gott wird uns gegen heranstürmende Kavallerie helfen können. Wir sind auf uns allein gestellt, Sergeant.“ Die Staubwolke, die die Kavallerie hinterließ, schwebte wie eine unheilverheißende Botschaft über dem Feld und ließ beide Männer das Gespräch unterbinden. „Wir leben und kämpfen für das Vaterland, Männer!“, brüllte der Sergeant dem Rest der Kompanie zu. „Wir leben und kämpfen für das Vaterland! Wir kämpfen und leben für das Vaterland!“, riefen sie ihm nach kurzem Zögern entgegen. Sie hatten nicht laut genug gebrüllt, als dass sie die Kavallerie übertönen konnten, aber sie hatten sich Mut gemacht. Ihr Gesang verstummte abrupt, als die Kavallerie durch ihre Reihen, wie ein Messer durch weiche Butter schnitt und aus Kriegsschreien Schmerzensschreie wurden. Galant schnitten Klingen der Kavallerie mühelos durch Leder, Stoff und Haut. Eine neue Schicht roter Farbe legte auf den Waffen ab. Pferdehufen traten Brustkörbe und Schädel ein. Der Kampf dauerte wenige Sekunden. Ein Dutzend blieb.


Der Leutnant spuckte Blut und fasste sich an die klaffende Bauchwunde. Er ließ den Degen abermals zu Boden fallen und schützte mit der freien Hand seinen Mund vor dem wirbelnden Staub. Der Sergeant lag vor ihm auf dem Boden. Tot. Ein glatter Schnitt führte von seinem Bauch bis zur Brust. Wenigstens war er von seinem Elend befreit, dachte sich der Leutnant müde, als er die Kavallerie wegreiten sah. Sie würden sich formieren und wieder über sie hinweg reiten. Genauso wie dieses Mal - und letztes Mal.
Der Leutnant blickte auf die Verbliebenen seiner drastisch geschrumpften Kompanie. Ein blutendes und schreiendes Häufchen Elend. Dieses Mal würde die Kavallerie das letzte Mal durch die Reihen der Kompanie reiten. Die verbliebenen Männer schauten, zitternd und abgekämpft, ihren Feind beim Manöver zu. Es war, als würde man zuschauen wie der Henker seine Axt ein letztes Mal in Position brachte. Der Leutnant setzte sich unter Schmerzen auf die aufgeweichte Erde und beobachtete geistesabwesend die feindliche Kavallerie. In perfekter Formation galoppierten die Pferde einen Bogen. Die Schreie der Verwundeten ignorierte er, genauso wie vor dem letzten Durchritt. Zitternd griff der Offizier nach der Wasserflasche.
Leer - bis auf den letzten Tropfen.

„Kavallerie!“, schrie erneut ein pflichtbewusster Soldat, als die Wasserflasche im Dreck landete. Unter Schmerzen kämpfte der Leutnant sich hoch. Seine Uniform war blutgetränkt. Sein Blick war trüb. „In Formation treten!“, schrie er zum vierten Mal. Die Erde fing an zu vibrieren. Der Offizier versuchte seinen Degen anzuheben, aber sein verkrampfter Arm wehrte sich. Stattdessen hob er eine leere Muskete auf und gesellte sich zu seinen Männern. Sie hatten schon lange keine Munition mehr, aber es ziemte sich nicht ohne Waffe zu sterben. Die Kavalleristen schienen ihre Waffen für diesen letzten Moment gesäubert zu haben. Grell glänzten die Klingen im heißen Sonnenlicht und kündeten das Ende an. Der Henker senkte seine Axt, um das Haupt von Körper zu trennen.
Die Kompanie brüllte keinen Kampfschrei. Sie wehrte sich kaum. Sie zitterten. Sie taten ihre Pflicht in einer längst verlorenen Schlacht. Erneut rollte die Kavallerie über die Soldaten in donnerndem Getöse hinweg und als sich der Staub legte, war kein Mann mehr auf den Füßen.

Der Henker hatte seine Arbeit getan.

 
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Hallo und herzlich willkommen hierorts,

Alexxerius -

ich tu mich mit Deinem Erstling schwer.

Warum?

Geschichten unter „Historik“ lassen sich i. d. R. auf eine/n konkrete/n Zeit/punkt festlegen, während Dein Schlachtengeälde – ich nenn es mal so und komm gegen Ende wieder darauf zurück – vom ersten Auftritt der Türken in Europa (mit den Türken kam der Säbel) und über den ganzen Zeitraum der Muskete, also vom Anfang der Neuzeit bis ins frühe 19. Jh., sich datieren ließe, was ja ziemlich lange währt. Und schon zu Anfang stock ich, wenn es heißt

Sein steifer Schwertarm lockerte langsam den Griff um das blutverkrustete Säbel und ließ es in den aufgewühlten Boden fallen.

Ich weiß, was der „Schwertarm“ meint, aber ein Säbel ist im Gegensatz zum Schwert mit gekrümmter Klinge und der Schneide auf nur einer Seite. Die Hieb und Stichwaffe kam wohl mit den Türken nach Europa und kam – eigentlich nur konsequent – übers ungarische szablya zu den Polen (szabla) und im Übergang zur Neuzeit als „sabel“ nach Mitteleuropa. Das entsprechende Verb „szabni“ bedeutet „schneiden“, der Säbel folglich „Schneide“.

Nun gut, dem Schwertarm (für Linkshänder ein anderer als die Rechte) entsprach immer ein Schildarm, der aber zu Musketens Zeiten abhandengekommen ist ...

Zum Zwoten ist „der“ Säbel grammatisch keine Sache.

Dann neigstu gelegentlich zu Substantivierungen, die man eigentlich in Büros und weniger in der schönen Literatur pflegt und die re-verbalisiert wiederum angenehmer sind,also statt

Von diesem Himmelfahrtskommando war niemand mehr am Leben.
Besser „von diesem Himmelfahtskommando lebte niemand mehr.“

Hier ließe sich gefahrlos die Partizipierung vermeiden

Genauso wie kein Gedanke von Ehre, Mut und Vaterland übrig geblieben ist.
„… und Vaterland übrig blieb.“

Hier wiederholstu Dich, nach dem Superlativ

Die Leichen der Ersten waren am brutalsten entstellt. Genauso war es mit dem Gedanken von Ehre, Mut und Vaterland.

Hier sind Kommas nachzutragen
Er versuchte[,] seinen Schwertarm zu entspannen, die Männer zu vergessen[,] die durch seine Hiebe gestorben sind.

(Und warum immer der Wechsel zwischen Plusquamperfekt und Perfekt?)

Hier wäre nach dem Komma ein Leerzeichen zu nutzen

„In Formation treten!“,[...] schrie er den verbliebenen Soldaten seinen Befehl zu.
Was Du hier zwar tust, dafür aber einen entbehrlichen Punkt vors Gänsefüßchen setzt
„Möge Gott über uns wachen[...]“, brachte der ...

Sie hatten nicht laut genug gebrüllt, als das sie die Kavallerie übertönen konnten, ...
Jetzt waren sie nur noch einige Dutzend[...] .

Wenigstens war er von seinem Elend befreit, dachte sich der Leutnant träg …
Warum das Reflexivpronomen, wenn es ohne auch geht?

Jetzt komm ich wieder auf den Anfang zurück:

Kennstu Akira Kurosawa?

Das ist ein japanischer Filmemacher, der seit Rashomon (1950-er Jahre) sich mit der Welt der Gewalt auseinandersetzt und dafür die Zeit der Samurai-Krieger verwendet (so hat er sogar Shakespeares Lear auf japanische Verhältnisse umgesetzt)

In dem Spielfilm „Kagemusha“ wird das ganze Elend einer Feldschlacht an einem einzigen Pferd dargestellt, das elendig verreckt, und das ist wirksamer als das Massensterben in Hollywoodästhetik (wie z. B. im letzten Samurai, um in Japan zu bleiben), wo dasMassensterben zwar ekelerregend wirken kann, aber in der Regel wegen der großen Zahl zu weggucken oder schulterzucken verführt – das Mitleiden abnutzt oder gar zur bloßen Unterhaltung gerinnt.

So viel oder wenig für heute.
Sieh's als Fingerübung an und es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Was hätte er denn auch davon - ein gebrochenes Genick.

Wird schon werden, meint der

Friedel

 

Danke für deine ausführliche Kritik Friedrichard, vor allem für den geschichtlichen Teil.
Ich hoffe die gröbsten Fehler beseitigt zu haben.

Ich muss sagen, dass ich Probleme bei der Findung des passenden Genre hatte. Historik erschien mir am Ende dann am passendsten.
Dazu habe in der kurzen Kurzgeschichte extra keine genauen Daten oder Angaben genannt, weil ich sozusagen ein allgemeines Bild von Schlachten rund um das 18-19 Jh. aufzeigen wollte. Vielleicht war das im Endeffekt nur eine passable Idee...

Den Regisseuren kenne ich nicht, werd aber einen Blick auf seine Filme werfen.

Nochmals danke für die Kritik

Alex

 

Hallo Alexxerius!

Das Problem am Genre "Historik" ist wohl, dass es im Allgemeinen nicht ausreicht, einfach nur eine Geschichte in die Vergangenheit zu verlegen. Groschenhefte aus dem Wilden Westen sind zwar irgendwo auch "historisch", jedoch dürften diese wohl kaum ernsthaften geschichtlichen Ansprüchen genügen.
Ich denke, der Tag "Spannung" wäre hier angebrachter gewesen.

Insgesamt ist deine Schlachtenszene durchaus stimmig und in ihrer Handlung relativ zeitlos - ersetz die Musketen durch Pfeil und Bogen, dann passt es in die Ritter- und Römerzeit, ersetz die Pferde durch Panzer, dann passt es in die Neuzeit.

Das Problem ist eher die Handlung als solche - da gibt es ja keine allzu große. Du "beschreibst" halt nur eine Szene, ohne etwas zu erzählen. Die Figuren deiner Handlung dienen mehr der Darstellung eines Gemetzels, und weniger der Charakterisierung oder empathischen Darstellung. Auch hier erinnerte mich deine Geschichte dann doch eher an ein "Landser"-Heft und weniger an ein historisches Schlachtenepos.

Kommen wir nun jedoch zu einem Punkt, Alex, der mir in deiner Geschichte leider am negativsten aufgefallen ist - die Sprache.
Du hast aus dem Säbel jetzt einen Degen gemacht. Das war wohl Friedels Geschichtssunterricht geschuldet. Leider war es am Ende des ersten Abschnitts dann doch wieder ein "Säbel".

Du verhaust dich auch recht häufig in der Erzählzeit und Grammatik.

Sein steifer Schwertarm lockerte langsam den Griff um den blutverkrusteten Degen und ließ die Waffe in den aufgewühlten Boden fallen. Es lag zwischen den Fußabdrücken der Männer, die als erste gegen die stählerne Kavallerie des Feindes geschickt wurden.
"Es"? "Das" Waffe?
Sie hatten nicht laut genug gebrüllt, als dass sie die Kavallerie übertönen konnten, aber sie haben sich Mut gemacht. Ihr Gesang verstummt abrupt, als die Kavallerie durch ihre Reihen, wie ein Messer durch weiche Butter schnitt und aus Kriegsschreien Schmerzensschreie wurden.
Sie "hatten" sich Mut gemacht und ihr Gesang "verstummte".

Außerdem wiederholst du dich oft in deinen Formulierungen.

Sie würden sich formieren und wieder über sie hinweg reiten.
Dieses Mal würde die Kavallerie das letzte Mal über die Kompanie hinweg reiten.

„Die Kavallerie kommt!“, schrie der Beobachtungsposten
„Die Kavallerie kommt!“, schrie ein pflichtbewusster Soldat

Genauso wie dieses Mal.Genauso wie letztes Mal.
Dieses Mal würde die Kavallerie das letzte Mal über die Kompanie hinweg reiten.

Auch klingen einige Formulierungen ziemlich hölzern und unpassend:
im Takt geschossenen Musketen
- klingt nach Schlagzeug
und ließ beide Männer das Gespräch unterbinden
- besser "verstummen"
Eine neue Schicht roter Farbe gesellte sich zu den gefärbten Waffen.
- vielleicht eher "Eine neue Schicht legte sich auf die Klingen"
gegen heranpirschende Kavallerie helfen
- wer "pirscht", der schleicht - Kavallerie im Sturmangriff "schleicht" nicht wirklich.

Lass dich durch meine Kritik nicht entmutigen, Alex! Du hast eine Geschichte geschrieben und dir deine kreativen Gedanken gemacht. Es gehört Fleiß, Mut und Phantasie dazu, das zu tun. Der Rest ist bloß Übungssache, nichts weiter!

In diesem Sinne wünsche ich dir weiterhin frohes Schaffen und viel Spaß beim und am Schreiben
EISENMANN

 

Danke dir, habe die Verbesserungen vorgenommen.
Wenn ich das nächste Mal eine Kurzgeschichte veröffentliche, werde ich mehr darauf anpassen eine Handlung auszubauen und die Sprache zu verbessern!! :)

Alex

 

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