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Die Legende vom Weihnachtsbaum
Die Legende vom Weihnachtsbaum
Er ist uns zum Begleiter des Weihnachtsfestes geworden, in allen Größen, Farben und Formen strahlt er uns in der Weihnachtszeit entgegen.
Er ist zum Symbol der Christlichen Weihnacht geworden, und es scheint uns, als sei er schon immer dieses Symbol gewesen, seit Anbeginn unserer Religion.
In Wahrheit ist er aber noch relativ „jung“.
Folgt mir in ein kleines Dorf, irgendwo im Elsass, vor etwa 400 Jahren...
Anna erwachte aus einem tiefen Schlaf.
Es war früh am Morgen des 23. Dezember.
Draußen strich ein kalter Wind durch die leeren Dorfstrassen, nicht einmal ein Hund bellte und die kleinen, aus festen grauen Steinen gemauerten Häuser schienen sich unter ihrer Schneelast an die Hänge des Tales zu kauern.
Ernst und fern sandten die klaren Sterne ein sanftes, aber kaltes Licht in jene Winternacht.
Anna rieb sich die Augen, stand leise auf, ging zum Fenster, hauchte ein Guckloch in die gefrorenen Scheiben und schaute zu „ihrem“ Stern auf, der alle anderen Sterne zu überstrahlen schien.
Sie hatte immer noch dieses wunderbare Traumbild vor Augen, dieses Bild von strahlendem Licht, von leichtem Duft und von Wärme.
Anna lächelte, und schlich zurück in ihr Bett, zurück zu den vier Geschwistern, die dort aneinandergeschmiegt in tiefem Schlummer lagen.
Immer noch lächelnd schlief sie ein, erneut gefangen von jenem wunderbaren Bild in ihrem Herzen.
Kalt und klar graute der Tag, als Leben in die kleinen Häuser kam.
Die Menschen standen auf und begannen ihr Tagewerk wie an jedem anderen Tag auch.
Da musste der Stall gemistet und die Kühe gemolken werden, ebenso wie die Ziegen, aus deren Milch die Mütter einen wunderbaren Käse zu bereiten wussten.
Die Hühner gackerten, wenn man in den Stall kam um nachzuschauen, ob sie über Nacht Eier gelegt hatten.
Die Kätzchen kuschelten sich in einer Ecke an ihre Katzenmutter, die auch in jener Nacht den Kleinen die Geheimnisse des Mäusejagens beigebracht hatte.
Männer traten auf die Strasse, eine Gruppe von ihnen scharte sich um ein Fuhrwerk mit einem kräftigen Pferd davor.
Jeder von ihnen legte ein schmales Bündel auf den hohen Leiterwagen, mit dem sie im Sommer die Heuernte einfuhren, und im Winter die in den Hochwäldern gefällten Bäume zu Tal fuhren.
Trotz der beißenden Kälte lachten sich die Männer mit einem frohen Blitzen in den Augen an, Dampf wölkte vor ihren Gesichtern, wie auch aus den schnobernden Nüstern des großen Pferdes, denn was sie heute in gemeinschaftlicher Arbeit zu erledigen hatten war eine heilige Pflicht und kein normales Alltagswerk.
Der Pfarrer kam zu ihnen, schüttelte einem jeden von ihnen die Hand und stellte sich vor die Männer, als dieses geschehen war.
„Nun denn, ihr Brüder in Christo, lasset uns das Werk Gottes verrichten. Zu Lob und Preis“
„Zu Lob und Preis“ schallte es aus kräftigen Männerkehlen zurück, und die Gruppe setzte sich in Bewegung, hin, zu den noch schattenschwarzen Bergen auf deren Gipfeln sich ein schwacher Abglanz des nahenden Tageslichtes zu spiegeln begann.
Die Männer waren schon lange fortgegangen, die morgendliche Arbeit in Hof und Ställen erledigt, die Mütter buken und kochten für den Weihnachtsabend am nächsten Tage, als Anna ihre Freunde und Geschwister um sich geschart hatte und ihnen mit freudeglänzenden Augen von ihrem Traum in der Nacht erzählte.
Annas inneres Leuchten sprang über wie ein Feuer in die anderen Kinderaugen, sie schauten einander in die frostgeröteten Gesichter und juchzten:“Ja das machen wir, das wird wundervoll“.
Dann stoben sie in alle Richtungen auseinander, als Anna abschließend gesagt hatte:“Jeder bringt eine Kerze mit. Er soll strahlen wie der Stern des Herren.“
Es war Mittag geworden, als die Männer mit dem Fuhrwerk zurück ins Dorf gekommen waren.
Die Kinder liefen ihnen jubelnd entgegen, denn die Männer und der Pfarrer hatten drei wunderschöne Tannen in der eisigen Höhe des Bergwaldes geschlagen um sie in der Kirche als Hintergrund für das Paradeisspiel und das Christgeburtspiel aufzustellen, die am Vorabend zum heiligen Abend aufgeführt werden sollten.
Vorsichtig brachten die Männer die kostbaren Bäume in die Kirche, und stellten sie links vom Altar auf, so dass sie einen Halbkreis bildeten, der hin zum Altar mit dem schlichten Kreuz geöffnet war.
Als die Bäume aufgestellt waren, knieten sie sich alle hin, und beteten ein Vaterunser.
Der Pfarrer hob segnend die Hände über ihnen und sprach: „Dies Werk war wohl getan. Ich danke euch, meine Brüder.“
Dann gingen sie alle nachhause, um ein wenig auszuruhen, bevor es an die abendliche Stallarbeit ging.
Kaum aber lag die kleine Kirche verwaist im milden Licht des späten Nachmittags, huschten Anna und ihre Freunde aus allen Richtungen kommend in die kleine Kirche.
Jedes der Kinder barg etwas unter seiner Joppe, als wäre es ein kostbarer Schatz.
Nach einer kleinen Weile verließen die Kinder, eins ums andere wieder die Kirche und strebten nachhause, erfüllt von banger Freude.
Was würden die Eltern sagen, wenn sie es sähen... ?
Würden sie sich freuen, oder würden sie schimpfen, weil die Kinder sie nicht gefragt hatten? Denn das war doch etwas ganz und gar Unerhörtes, was sie hier, alle miteinander getan hatten...
Bevor Anna als letzte die Kirche verlies, schaute sie noch einmal auf ihr Werk, kniete vor dem Altar nieder, faltete die Hände und flüsterte:“ Ich hoffe, dass es dir gefällt, Herr.“
Dann bekreuzigte sie sich und lief leichtfüßig nachhause.
Als der Pfarrer dann am Abend in die Kirche ging um die Kerzen anzuzünden und die letzten Vorbereitungen für die bald beginnenden Mysterienspiele zu treffen verharrte er staunend vor dem Altar.
Etwas war anders, als es bisher zu sein pflegte.
Suchend schaute er sich um, denn ein neuer Duft durchzog den stillen, kühlen Raum. Als sein Blick auf die drei Tannenbäume fiel, erhellte ein leises Lächeln sein Gesicht.
Vom ehernen Klang der Glocken gerufen strömten die Leute am Abend in die Kirche.
Alle wunderten sich als sie die selbige betraten, und sie, anders als sonst, nicht von Getuschel erfüllt war, sondern fast totenstill.
Ein strahlendes Licht erhellte den Altarraum. Ein warmes, goldenes Leuchten flutete über die Gesichter hin, ausgehend vom größten Tannenbaum in der Mitte, der mit den schönsten, rotgoldenen Äpfeln behängt war, und auf dessen feinen, im Licht samtig schimmernden Zweigen lauter Kerzen angebracht waren, alle in verschiedenen Größen. Das war das Werk der Kinder gewesen, und das war Annas Traum, den sie mit ihren Gefährtinnen und Gefährten den Menschen im Dorf zum Geschenk machen wollte.
Selten hatte man so fröhliche Spiele erlebt wie in diesem Jahr, und selten vorher waren die Menschen in diesem kleinen Dorf so erfüllt gewesen von der Frohen Botschaft des Evangeliums.
Nachdem der Pfarrer den Schlusssegen über die Gemeinde gesprochen hatte, fügte er nach einer kurzen Pause hinzu: „Und so wollen wir es alle Jahre halten, denn dieses Werk ist recht getan.“
So kam der Christbaum in die Welt.