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Die Kunst, die Welt zu besiegen

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21.06.2003
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Die Kunst, die Welt zu besiegen

Er konnte nicht in dieser Welt leben.
Oder konnte diese Welt nicht mit ihm leben?

Keiner wusste es so genau. Keiner kannte ihn wirklich.
Seine Mutter liebte ihn, sein Vater auch. Er hatte eine glückliche Kindheit in einer glücklichen Familie.

Bis zu dem Tag, der alles veränderte. Der Tag an dem sein Kampf gegen die Welt begann.

Es war kein sehr besonderer Tag, er war jung, noch ein Teenager, und doch war dieser Tag der Wendepunkt seines Lebens.
Es war der Tag, an dem er beschloss, zu sterben.
Nein, eigentlich beschloss er es nicht, er wusste es einfach. Er wusste, er würde sterben.
Und er war glücklich.

Doch sein Glück hielt nicht lange an. Er bemerkte bald, dass die Welt seinen Entschluss nicht verstand.

Zuerst nahm er Tabletten. Das war nicht gut. Im Krankenhaus, Kohle essend und mit einem Schlauch im Magen beschloss er, diese Idee abzuhaken.

Er wartete ein wenig. Die Welt hatte seinen Entschluss nun bemerkt, sie hatte ihn im Auge, war aufmerksam, beobachtete ihn. Er konnte es nicht wagen, so bald wieder einen Versuch zu machen.
Doch er hatte gelernt.
Heimlichkeit war der Schlüssel.

Beim nächsten Mal schnitt er sich, im festen Glauben, er wäre allein in der Wohnung, die Pulsadern auf.
Auch keine gute Idee. Sie fanden ihn, noch bevor er bewusstlos wurde. Diesmal brachten sie ihn in eine Klinik.
Sie nannten es Hilfe, nannten es Heilung. Sagten ihm, er hätte eine Krankheit.

Er wollte ihnen glauben. Wollte glauben, dass das Leben doch besser sei als der Tod, dass es keinen Sinn habe, die Welt zu besiegen. Er glaubte, sie gäben ihm Hoffnung, Vertrauen.
Doch sie gaben ihm Medikamente. Er nahm sie nur einmal. Den ganzen Tag war er müde und apathisch, konnte nicht denken, war kaum ansprechbar.

Wieder hatte er gelernt.
Ab jetzt sagte er immer schön brav, er habe die Tabletten genommen und es ginge ihm gut. So durfte er bald wieder nach Hause gehen.

Statt die Tabletten zu nehmen, sammelte er sie nun. 100, 200, 300 Stück hatte er bald zusammen. Ein guter Zeitpunkt für einen neuen Versuch. Vielleicht würde es diesmal besser klappen.
Doch wieder fanden sie ihn, wiesen ihn wieder ein. Entliessen ihn nach einer längeren Zeit wieder.

Dann fand er eine Freundin. Spürte Umarmungen, empfand so etwas wie Liebe. Ein Grund, doch am Leben zu bleiben?
Für eine Weile ging es sehr gut, doch dann war es zuviel. Dieser Mensch, der ihn liebte, dieses Mädchen, sie lebte in dieser Welt, tat es gern.
Doch er kämpfte gegen die Welt, er tat es nicht gern, doch ihm blieb keine Wahl.

Also verließ er sie, machte einen neuen Versuch.
Stand auf der Brücke, sie holten ihn herunter.
War schon mit einem Bein auf den Bahnschienen, sie zogen ihn zurück.
Sammelte wieder Tabletten, sie nahmen sie ihm weg.

Nur manchmal vermisste er sein Mädchen.

Er war jetzt nur noch in der Klinik, doch es lebte sich ganz gut dort. Man brauchte nur Übung.
Übung im Lügen und darin, sich zu langweilen.
Inzwischen konnte er beides recht gut. Beim Lügen übte er sich in Kreativität, beim Langweilen dachte er sich neue Ideen für den nächsten Versuch aus.

Dieses Mal sollte alles perfekt sein. Das Wichtigste war, dass die Welt es nicht vorher bemerkte.
Als er auf dem Turm stand, jubilierte er.
Niemand war da, um ihn zurückzuhalten. Die Welt wusste nicht, dass er hier war. Endlich konnte er sein Schicksal erfüllen.

Als er von der Brüstung sprang, stieß er einen Schrei aus.

Er hatte die Welt besiegt...

Etwa einen Meter fiel er, dann kam er auf der Plattform auf.

Sein Mädchen an der Hand haltend, ging er fort. Die Klinik betrat er nie wieder.
Später erzählte er seinem Sohn von seinem Sieg über die Welt.

Im hohen Alter starb er, an der Seite seiner Frau, im Kreise seiner Enkel.
Sie alle waren sehr stolz auf ihren Opa, den Bezwinger der Welt.

 

Nicht schlecht!
Mancher muß erst mehrfach durch die Hölle gehen, bevor er die Einmaligkeit kapiert, überhaupt auf die Welt gekommen zu sein.
Könnte ein gutes Buch werden, wenn Du eine Handlung zwischen die Zeilen kriegst.

 

Hi barrash,

ich glaube von dieser geschichte werde ich kein großer fan. mir fehlt hier, dass die geschichte schlüssig ist, ich die handlungen des prots nachvollziehen kann - denn um die erläuterung der motivation des prots für die beiden großen wendepunkte der geschichte drückst du dich.

die erste gleich am anfang: warum will er die welt plötzlich verlassen? die zweite: warum versöhnt er sich plötzlich mit der welt? weil er sie besiegt hat? hmm.. dass sein versuch beim letzten mal nicht durch menschenhand scheitert, sondern durch mangelnde vor"aussicht"..*smile*... ist mir da zu wenig..

irgendwie klingt mir das zu sehr nach: "ihr wißt schon, junge menschen finden die welt manchmal so schei... dass sie sich umbringen wollen".. und dann: "jetzt kommt die pointe - er lebt jetzt ein zufriedenes leben"...

war mir etwas zu mau...

positiv: du hälst deinen sprachstil durch - lakonisch, sachlich und interessant distanziert mit blick auf den inhalt..

viele grüße, streicher

 

Hi Stauni, hi Streicher.

Erstmal danke für eure Kritiken.

@Stauni: Ich habe die Geschichte nach einem Buch geschrieben, insofern ist der Vorschlag recht gut.

@Streicher: Der Prot hat keine Motivation, jedenfalls keine offensichtliche, möglicherweise ist er tatsächlich krank, das ist aber für die Geschichte auch nicht weiter wichtig.
Es geht ja nicht um die Motivation des Prots, sondern um die Reaktion der Gesellschaft auf dessen Handlungen.
Der zweite Wendepunkt, das Ende, geschieht nicht durch mangelnde Voraussicht sondern durch Kalkulation.
Er hat die Welt besiegt, er kann jetzt sterben.
Doch der Entschluss, den er am Anfang gefasst hat, nämlich das er sterben wird, der ist inzwischen umgewandelt worden. Er will nicht mehr wirklich sterben, er will die Gesellschaft "besiegen" oder eher sie überlisten.
Das schafft er am Ende, womit er keinen Sinn mehr sieht, tatsächlich zu sterben, und nun endlich ein zufriedenes Leben, ausserhalb der Gesellschaft, führen kann.

Ist vielleicht ein bisschen arg kompliziert, das sind wahre Geschichten ja häufig, wobei das Ende auch tatsächlich konstruiert ist.
Es hätte mir einfach gefallen, wenn es so ausgegangen wäre :) .

Schöne Grüße,
Barrash

 

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