Die Krux mit den Staubbeuteln
Die Krux mit den Staubbeuteln
Er gehört in die Liste der wichtigsten Erfindungen: Der Staubsauger!
Praktisch alle Bewohnerinnen und Bewohner von Gibraltar bis zum Ural und von Texas bis hinauf nach Mittelkanada (nehme ich einmal an) haben einen oder mehrere in ihrem Haushalt stehen. Aber wehe, es ist nicht das Modell „Volksempfänger“ und die Staubbeutel sind alle.
Trotz Quantensprüngen in der Staubsaugertechnologie hat wohl keines der Ingenieur-Superhirne je daran gedacht, für den Staubbeutel eine Universalhalterung und ein Einheitsloch für den Saugrüssel zu erfinden. Was bin ich rumgesprungen in Warenhäusern, Fachgeschäften und am Wochenende auch noch auf Flohmärkten, nur um endlich die richtigen Staubbeutel zu ergattern, die mein Apparat akzeptiert. Was habe ich mich täuschen und ärgern lassen. Jedes Mal, wenn ich hätte in die Luft springen können vor Freude; jetzt habe ich die passenden Staubbeutel gefunden, hat mich meine saugende Haushaltshilfe augenblicklich auf den Boden der Realität herunter gerissen, in dem sie den eingesaugten Staub demonstrativ wieder aus dem Gehäuse pustete. Entweder stimmte am Beutel das Loch nicht für den Saugrüssel oder es fehlte die Lasche für die richtige Fixierung in der dafür vorgesehenen Kammer des Apparates.
Warenhäusern führen ein Staubbeutel-Sortiment, das punkto Umfang Ausmasse hat wie das Bücherangebot in einer mittleren Gemeindebibliothek. Freundlicherweise passen die meisten Beutel auf mehrere Modelle; sogar unterschiedlicher Hersteller. Die Krux ist nur, man muss sich wegen der Modell-Spezifitäten durchs ganze bibliothekarische Staubbeutel-Sortiment durchlesen. Das kann dauern. Zudem sind die Modellnamen und -beschriebe noch keine Gewähr für die richtigen Staubbeutel. Die Staubsaugerhersteller scheinen sich nämlich einen besonderen Spass daraus zu machen, bei ihren neuen Kreationen an den eingeführten Namen der Modelle kaum etwas zu verändern, dafür aber die Kammern für die Staubbeutel laufend neu zu erfinden. Auf dem Apparat steht dann zusätzlich „super“, „super plus“ oder „smart“. Offensichtlich kommuniziert aber keiner von den ideenreichen Staubbeutel-Kammer-Designern mit der Abteilung Staubbeutel-Entwicklung. Auf den Staubbeutel-Packungen steht weder „super“ noch „super plus“ noch „smart“. Bleibt für uns Konsumenten nur alle Staubbeutelprodukte aufzukaufen, die, wie auch immer, Hinweise auf unseren Apparat enthalten. Das geht ins Geld! Ich war drauf und dran, selber Staubbeutel für meinen Saug-Affen zu basteln. Schliesslich war ich während der Schulzeit ein Jahr lang in der Kartonage. Auch wenn’s lange her ist, gewisse Grundkenntnisse im Tütenkleben sind geblieben.
Wie habe ich mir die Zeit herbei gewünscht, als es Staubsauger, aber keine Staubbeutel gab. Das war um 1876, als Anna und Melville Bissell in Chicago das erste Patent für einen Staubsauger haben eintragen lassen. Ihr Gerät brauchte keine Staubbeutel! Es stand auf einem Pferdefuhrwerk und hatte einen 30 Meter langen Schlauch. Dieser wurde durch ein geöffnetes Fenster in die Wohnung geschoben und hat mittels Handpumpe den Staub auf die Strasse hinausgeblasen. - Aber nein, es durfte nicht so unkompliziert bleiben. Weltweit tätige Elektrogerätehersteller haben sich die Staubsauger-Idee unter den Nagel gerissen. Mitte des 20. Jahrhunderts wurden die mobilen Staubsauger auf den Markt geworfen und der Staubbeutel hielt Einzug und stiftet bis jetzt unsägliche Verwirrung.
Inzwischen gibt es Staubsauger, die die unangenehmen Schwebeteilchen, die sich aus der Luft ablagern, einsaugen und selbige Luft mit dem Ausstossen von verschiedenen Aromen noch um eine Note sauberer machen. Auch sie lösen aber das Beutel-Problem nicht. In einem Chat bei Google habe ich kürzlich erfahren, dass es inzwischen die vergleichende Wissenschaft für Staubsaugerbeuteltypen gibt. Sie nennt sich „Transzendente Culleokomparatistik“. All das hat mir aber nicht weitergeholfen, mein Staubbeutelproblem zu lösen. - Es war rein zufällig, eine jener ganz seltenen Sternstunden im Leben, vor zwei Monaten, als ich umzog; da fand ich ein noch verschlossenes Set mit zehn Staubbeuteln exakt für meinen Apparat. Wenn ich jeweils die vollen Beutel vorsichtig leere und nach mehrfachem Gebrauch allfällige Risse zuklebe, kann ich bei einem solchen Vorgehen wahrscheinlich bis 2010 staubsaugen. Dann ist der Apparat auch todsicher amortisiert und ich kaufe einen neuen: Diesmal einen „Volksempfänger“!