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Die Konsole
Es war Heiligabend und die ganze Familie saß in der städtischen Kirche beim Gottesdienst. Auch ihren 14 Jahre alten Sohn Simon hatten die Eltern, unter Androhung von Fernseh- und Spielverbot, dazu „überredet“ mitzukommen. Jetzt saß ihr Sprössling in der Kirchenbank neben seinen drei Geschwistern und machte ein Gesicht, das nicht einmal in der Schule hätte gelangweilter aussehen können. All die wunderbaren Dinge die den Weihnachtsgottesdienst ausmachten, die Kerzen, der Gesang, die feierliche Atmosphäre, dass alles schien er überhaupt nicht warzunehmen. Die Eltern konnten sich natürlich denken wo Simon mit seinen Gedanken war: bei seiner Konsole. Die Konsole hatten sie ihm zu seinem 14. Geburtstag geschenkt und seitdem schien sich alles nur noch darum zu drehen. Als der Gottesdienst vorbei war, konnte man Simons Erleichterung deutlich sehen. „Er sieht so aus, als würde er im nächsten Moment auf die Knie fallen und Gott dafür danken das es vorbei ist“ dachte seine Mutter.
Als die Familie zu Hause angekommen war begannen alle, so wie es seit langem eine weihnachtliche Tradition war, das Abendessen herzurichten. Auch Simon musste natürlich mithelfen. Die Eltern mussten sich allerdings kurz darauf fragen, ob das so eine gute Idee gewesen war, denn Simon konnte sich absolut nicht konzentrieren. Beim Karottenschneiden hätte er sich beinahe in den Finger geschnitten und er redete kaum noch von etwas Anderem als von seiner Konsole. Das Abendessen verlief auch nicht viel besser, denn Simons Konzentration ging geradewegs gegen Null. Manchmal hatten sich seine Eltern darüber unterhalten, ob es die falsche Entscheidung gewesen war, Simon eine Konsole zu schenken und auch heute zweifelten sie an ihrer Entscheidung. Simons ältere Schwester war ständig draußen oder mit Freunden unterwegs und eine Konsole hatte sie nie haben wollen. Auch Simons jüngere Geschwister waren oft an der frischen Luft, allerdings waren sie auch noch zu jung um eine Konsole zu besitzen. Nach dem Essen versammelte sich die ganze Familie im Wohnzimmer um die Geschenke auszupacken. Simons Eltern hatten für ihn anstelle des Videospiels, welches er sich gewünscht hatte, ein Abonnement für einen Musik-Streamingdienst abgeschlossen.
Simon war aufgeregt. Er wusste schon, dass seine Eltern ihm das neue Videospiel für seine Konsole schenken würden, immerhin hatte er oft genug erwähnt wie sehr er sich dieses Spiel wünschte. Er fand das Päckchen mit seinem Namen darauf auch sofort unter dem Weihnachtsbaum. Er riss das Papier herunter, aufgeregt und voller Vorfreude. Er würde gleich das Spiel in diesem Päckchen finden, vor Freude seine Eltern umarmen, in sein Zimmer rennen, die Konsole anwerfen und der glücklichste Mensch der Welt sein. In dem Päckchen lag aber kein Spiel. Da lag nur ein Brief in dem Stand, dass seine Eltern ihm ein Abonnement für einen Musik-Streamingdienst schenkten. Er war so unglaublich enttäuscht. Das Abo hatte er sich vor Monaten mal gewünscht, da hatte er aber doch noch nicht gewusst, dass bald die neue Version seines Lieblingsspiels herauskommen würde. Das war doch viel wichtiger als so ein Abo. Seine Eltern konnten ihn doch einfach nur nicht leiden. Da standen sie und erwarteten, dass er sich genauso freute wie seine Geschwister sich über ihre Geschenke freuten. Er nahm den Brief, bedankte sich äußerst halbherzig bei seinen Eltern, rannte in sein Zimmer, warf die Konsole an und war der unglücklichste Mensch der Welt. Simon startete ein Spiel und der Ärger und die Enttäuschung waren ziemlich schnell vergessen. Jetzt war er in seinem Element und seine Gegner hatten nicht den Hauch einer Chance!
Das komische Gefühl in seiner Magengegend kam schleichend. Er fühlte sich unwohl in seiner Haut. Diese Welle der Enttäuschung. War das wirklich nötig gewesen? So ein Abo war doch schon eine ziemlich coole Sache. Ihm kam plötzlich der Gedanke daran, dass er dieses Weihnachtsfest nur wie in einer Art Trance erlebt hatte. Wie durch einen Schleier hindurch. Die letzten Weihnachtsfeste hatte er immer in vollen Zügen genossen. Er liebte den Duft im Haus, wenn seine Mutter in der Küche Kekse buk, dass Licht der Kerzen und die feierliche Atmosphäre. An diesem Weihnachten hatte er seine ganze Aufmerksamkeit und Konzentration einzig und allein seiner Konsole gewidmet. Damals war das Weihnachtsfest viel schöner und magischer gewesen. Damals, da hatte er die Konsole noch nicht besessen, oder die Konsole ihn? Er wusste es nicht! Simon schaltete die Konsole aus, ging durch das kühle Treppenhaus nach unten, und öffnete die Tür zum Wohnzimmer, zu seiner Familie.