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Die Konferenz von Tau Ceti

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12.02.2004
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Die Konferenz von Tau Ceti

Der erste extrasolare Kongress als Auftakt zu guten Beziehungen
zwischen der Menschheit und den Bewohnern von Tau Ceti

Zugegeben, der Titel von Jean Schmidt-Deublés Dissertation im Fachbereich Völkerrecht war etwas sperrig, aber die Arbeit daran (gefördert aus dem Zukunftsfonds der EU) hatte ihn zum Mitglied der Delegation gemacht, die sich nun der Heimatwelt der Cetianer näherte.

Jean erwachte von Geräuschen, als würden Metallplatten über Beton geschleift. Alle Klappen zu den Stasiskammern, die Aussahen wie Kühlregale in einem Supermarkt, standen offen. Seine Augen brannten. Es dauerte mehrere Sekunden, bis er wusste, wo er war. Roboter bewegten sich nahezu lautlos von Luke zu Luke, um die Menschen mit Getränken zu versorgen. Jean bekam einen Becher mit einer perlenden roten Flüssigkeit. Er nahm ihn mit steifen und zittrigen Fingern. Es tat gut, das Getränk durch die Zähne zu drücken, es das Zahnfleisch umspülen und die Kehle hinunter rinnen zu lassen. Es schmeckte nach Waldbeeren. Jean entfernte vorsichtig die Absaugevorrichtung von seinen Ausscheidungsorganen. Da unten war alles schlaff und wund, aber seine Gedanken waren schon bei der Konferenz und bei den über fünfhundert Menschen in dem großen Schiff. Man hatte es Asta Cidea getauft, wegen der deutlich sichtbaren Gliederung der Innenräume und den Antennen mit den Andockvorrichtungen, die wie Krebsscheren aussahen.

Jean war ein lockenköpfiger 28-jähriger mit ausgezeichneten Noten und gut in Form. Die Cetianer hatten darauf bestanden, dass ein großer Teil der Delegierten unter dreißig sein sollte, um der Jugend bei der Anbahnung der Beziehungen zwischen den beiden Kulturen eine tragende Rolle zu geben. Schließlich gehörte der Jugend die Zukunft! Er rasierte sich, putzte die Zähne, die sich immer noch taub anfühlten. Aber es gab keine Zeit, sich weiter frisch zu machen. Eine Stimme aus einem Lautsprecher forderte die Delegierten auf, sich unverzüglich mit ihrem Gepäck zum Weltraumlift zu begeben. Dort würden sie etwas zu essen, medizinische Versorgung und weitere Instruktionen erhalten.
Noch unsicher auf den Beinen, aber voller Erwartungen, folgten die Menschen den Robotern mit ihrem Gepäck und unterhielten sich über die aufregenden Erlebnisse, die sie erwarteten. "Oh, schauen Sie!", rief jemand an einem Sichtfenster und alle in Hörweite blieben stehen und blickten hinunter auf die Landmassen und Ozeane der fremden Welt.

Jean suchte die Leiterin der europäischen Delegation, die ehemalige Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Unter den Teilnehmern gab es Polit-Prominenz wie den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan und Bill Clinton, den 42. Präsidenten der USA. Wirtschaftsführer, Hollywoodstars, Kader der chinesischen KP, ein indischer Fürst und ein Mitglied des saudischen Königshauses: Sie alle waren der Einladung gefolgt und zur Reise ihres Lebens aufgebrochen.

* * *​

Während der Weltraumlift sehr langsam nach unten glitt, lernte Jean ein Ehepaar kennen: den Ökologen Cees van Heugens und seine Frau Mareike, eine Ethnologin. Beide lehrten an der Erasmus Universiteit Rotterdam. Cees war ein rundlicher Mann mit Stirnglatze, der ein Flanellhemd und Jeans trug, wie ein Tourist auf der guten alten Erde. In den Außenwänden gab es durchsichtige Streifen, Triumphe der Werkstoffkunde und der Ingenieurskunst. Cees schaute hindurch, als würde er von einem Urwaldriesen das Blätterdach eines unermesslichen Dschungels überblicken. Schon jetzt zog er aus der Färbung der Atmosphäre und dem Aussehen der Oberfläche erste Schlüsse. Mit holländischem Akzent dozierte er: "Ich bin sicher, die Atmosphäre besteht aus Sauerstoff und Stickstoff, wie unsere, wenn auch nicht in der gleichen Zusammensetzung. Die Rationen, die wir bekommen haben, waren möglicherweise nicht irdischen Ursprungs. Das würde bedeuten, das Leben hier besteht aus denselben Kohlenwasserstoffen wie wir. Das wäre phantastisch! Eine Sensation! Wir könnten die Früchte von den Bäumen essen, die da unten wachsen."
Nach einer langen Phase der Geheimhaltung würden die Menschen wohl schon bald mehr von den Cetianern selbst erfahren, oder die Erlaubnis zu eigenen Forschungen bekommen. Ein gewisses Misstrauen war bei Erstkontakten unvermeidlich und sogar angebracht.

Heugens' Ehefrau, die Ethnologin, hörte ihrem Mann zu, schaute aber die ganze Zeit den Cetianer an, der in seinem Schutzanzug reglos an einer Konsole stand. Dabei trug sie Lippenstift auf und Jean wunderte sich über die Eigenarten der Frauen. Halb flüsternd erklärte sie ihm die Teilnehmenden Beobachtungen, die sie plante, um Erkenntnisse über das Verhalten der Cetianer zu gewinnen: "Sie sind so anders als wir. Nur wenn einige von uns mit ihnen leben, können wir verstehen, wie sie sind und warum sie tun was sie tun. Trotz der biologischen Hindernisse hoffe ich, einen Weg zu finden."

Jean nickte geistesabwesend. Er hing eigenen Gedanken nach. Er dachte an seine Aufgabe, Material zu sammeln und nahm sich vor, schon jetzt an potenzielle Interviewpartner heranzutreten. Plötzlich dachte er an seine Freundin und fühlte den unsinnigen Impuls, nach seinem Handy zu greifen. Unter Tränen hatten sie sich getrennt, als er sich für die Reise und seine Karriere entschieden hatte - und gegen sie. Nun lagen zwölf Jahre kryogenen Schlafs zwischen ihnen, sie war neununddreißig Jahre alt und lebte außerhalb seiner Reichweite.

* * *​

Die Konferenz begann mit Feuerwerk. Die Delegierten saßen in Behältern, etwa so groß wie Kinosäle, um sie vor der fremden Atmosphäre zu schützen, und betrachteten das Farbenspiel am Nachthimmel. Das Dröhnen einer seltsamen Sprache hallte durch eine Art Stadion, den Versammlungsort. Die Flughafenstimme einer Übersetzerin erklärte sogleich: "Wir begrüßen die Delegierten vom Planeten Erde!"

Musik erklang. Sie hatte entfernte Ähnlichkeit mit Bachs Brandenburgischen Konzerten. Die Stimme informierte die Delegierten, dass heute nur zwei Punkte auf dem Programm stehen würden:

1. Ansprachen und Musik
2. Feierliches Abendessen

Der Sonderbotschafter der Vereinten Nationen war ein 60-jähriger Koreaner und sichtlich nervös, weil er nicht in ein Mikrofon sprach, sondern direkt in die Luft seines aquarienartigen Behälters. Aber die Übertragung funktionierte ausgezeichnet. Er rief: "Erstmals betreten Menschen den Boden einer anderen Welt!"

Die Übersetzung schmetterte seine Worte auf Cetianisch in das Stadion. Beifall übertönte die Musik, die zur Verwunderung der Menschen niemals aufhörte. Der Botschafter verglich diesen Tag mit der Mondlandung und der Landung der Cetianer vor einem Jahrzehnt: "... die uns ihrerseits die Hand zur Freundschaft reichten. Hier stehen wir nun, fünfhundert Frauen und Männer, bewegt von der Großmut unserer Gastgeber und blicken staunend in die neue Welt, die sie uns zeigen. Sie, die auf den Wegen der Wissenschaft und Zivilisation schon so weit sind und uns dennoch als ihresgleichen begrüßen."

Jean Schmidt-Deublé saß in einer Gruppe europäischer Beamte und Sozialwissenschaftler, durchmischt mit Afrikanern und Südamerikanern, ebenfalls Experten und Sekretäre. Die Politiker befanden sich in Behältern weiter vorne. Er machte die ganze Zeit Notizen. Neben ihm saß Natacha Duras, eine Juristin von der Sorbonne und Leiterin einer NGO für interkulturellen Dialog, die ihm ins Ohr flüsterte: "Tout sera enregistré quand même. Si vous écrivez tout cela, vous allez manquer les meilleurs moments! "

Im Zentrum des Stadions drängte sich ein Dutzend Cetianer. Einer davon ergriff nun das Wort: "Sehr geehrter Herr Botschafter! Verehrte Delegierte! Sie irren sich an einem Punkt: Sie sind nicht die ersten Menschen, die unsere Welt besuchen."

Alle staunten. Bei Jean kam die Verwunderung hinzu, dass niemand den Redner vorstellte.

"In der langen Geschichte der Besuche Ihrer Artgenossen auf Tau Ceti sind manche freiwillig zu uns gekommen und manche nicht. Es liegt uns aber fern, Sie in irgendeiner Weise herabsetzen zu wollen, denn in unserer Kultur kommt gutem Essen ein hoher Stellenwert zu."

Essen? War das ein Übersetzungsfehler?

"Was nun das Verhältnis unserer beiden Kulturen betrifft, werden Sie in wenigen Augenblicken Klarheit haben. Wir haben Sie einerseits hierher eingeladen, um Ihren Regierungen unseren Standpunkt deutlich zu machen, andererseits zu unserer Freude und unserem Genuss."

Jean schwirrte der Kopf. Er wollte gerade seiner Nachbarin etwas zuflüstern, als der Boden unter ihren Füßen verschwand und sie in kochendes Salzwasser stürzten.

 

Ich find's gut. Klar kann man immer noch was machen, als das Ehepaar vorgestellt wurde, war stilitisch zu oft "als" in den Sätzen; und bestimmte Versatzstücke wie "kryogener" Schlaf fordern dann eigentlich Fragen wie: "Und dann können die sich trotzdem bewegen? Kein Muskelschwund?" Und sowas wie "Das ganze Leben ist weg, weil jetzt 12 Jahre vergangen sind" kommt auch arg kurz, aber was dir hier gelingt, ist eine schöne Parodie, das umständliche, das so ein Erstkontakt tatsächlich haben würde, und dass gar keiner mit so einer Geschichte dort rechnet, sondern die machen halt ihren Job, Soziologen und Ethnologen und Politiker sind so begeistert und aufgeklärt und formal, dass ihnen solche anderen Ideen fast trivial erscheinen.

Die Geschichte hat mich an bestimmte Szenen aus Mars Attacks erinnert. Da versucht man die Außerirdischen ja auch immer wieder zu höheren Wesen zu stilisieren, während das einfach Ärsche mit Laserkanonen sind.

Ich fand das hier gut, es ist halt eine Pointengeschichte, die davon lebt, dass der Duktus der Erzählung nicht zum Brachialen der Pointe passt, und dass man wirklich davon ausgeht, jetzt einen Erstkontakt zu erleben.
Ich gebe aber zu bedenken, dass der Text, wenn er mit Blick auf eine überraschende Pointe gelesen wird, viel an Reiz verliert, glaube ich, weil über diese Funktion hinaus der Text nicht so viel bietet, er ist weder sprachlich sehr reivoll, noch in den Figuren, wichtige Elemente, die mich reizen würden, werden aufgrund der Kürze nur angedeutet. Ich fände z.B. die Entscheidung, sich entweder auf eine Frau einzulassen oder die Chance seines Lebens zu nutzen - das fänd ich schon spannend. Dass man dann sagt. Jaaa ... ich lieb dich schon, aber nicht genug, bin dann mal weg nach Proxima Centauri, bin in 24 Jahren wieder da, aber - mein Gott - dann bist du mir viel zu alt.
Und während die arme Frau völlig angepisst auf der Erde zurückbleibt, verpennt der Mann die nächsten 12 Jahre. :) Kyroschlaf ist toll, das hat aber nix mit deiner Geschichte zu tun.

Geh vielleicht stilitisch noch mal den Text auf Wortwiederholung durch (nicht immer die Vergleiche mit als einleiten, so dicht aufeinander) - oh, und du weist kleine Schwächen in der Groß/Kleinschreibung auf. Da sind auch noch 2,3 Sachen drin.

Gruß
Quinn

 

Schade. Ich hatte auf eine weniger naheliegende Idee gehofft. Immerhin bist Du in bester Gesellschaft: Zuletzt hat sich Markus Heitz ihrer bedient (in "Collector"). Außerirdische, die Menschen zum Essen einladen, sind in meinen Augen nicht mehr als genau dieses Wortspiel wert, und die Story tut auch nicht mehr als nötig ist, um diese Pointe vorzubereiten.
Anders gesagt: Wer eine solche Pointe noch nicht kennt, mag darüber schmunzeln. Ich dagegen hoffe auf tiefsinnigere Geschichten von Dir, denn ich weiß ja, dass Du das kannst.

 

In den Außenwänden gab es durchsichtige Streifen, Triumphe der Werkstoffkunde und der Ingenieurskunst.

Feines, kleines Spiel über eine nicht allzu ferne Zukunft – findet sich doch der im text genannte Kofi Annan inzwischen im 74. Lebensjahr -

lieber Berg,

mit dem Raumschiff Erde, pardon, Lobster.

„Lobster“ sind Homaridae und zählen zu den Höheren Krebsen & lassen durch ihre Klassifizierung als Schwimmer (Garnelen) und Kriecher (Reptantia) Bilder des menschlichen Daseins erahnen, zudem die „Zehnfußkrebse“, als die sie auch gekennzeichnet werden, alle Lebensräume bewohnen - also auch uns fremde Welten wie das Meer - und sie sind Fleisch- oder Allesfresser, einige bescheiden sich sogar mit Schlamm und Scheiße, womit das Raumschiff die Menschheit symbolisiert.

Ein schönes Bild über unsere Zukunft und über den Umgang mit Lebewesen, sie durch begnadete Kochkünstler bei lendigem Leibe zu kochen …

Mögen wir niemals an einer solchen teilnehmenden Beobachtung teilhaben - oder besser doch nur die andern!

Einige bescheidene Anmerkungen:

… Stasiskammern, die Aussahen wie Kühlregale in einem Supermarkt, …
Schöne Anspielungen, gleichwohl könnte das Verb klein geschrieben werden …

Hier wäre zumindest das zwote es entbehrlich, ohne dem Satz zu schaden,

Es tat gut, das Getränk durch die Zähne zu drücken, […] das Zahnfleisch umspülen und die Kehle hinunter rinnen zu lassen. Es schmeckte nach Waldbeeren,
um eine Ansammlung von „es“ zu vermeiden.

"Ich bin sicher, die Atmosphäre besteht aus Sauerstoff und Stickstoff, wie unsere, wenn auch nicht mit der gleichen Zusammensetzung. …“
Statt „mit“ besser „in“.

…, wie sie sind und warum sie tunKOMMA was sie tun.

Die Delegierten saßen in Behältern, etwa so groß wie Kinosäle, um sie vor der fremden Atmosphäre zu schützenKOMMA und betrachteten das Farbenspiel am Nachthimmel.

Natacha Duras,
die kenn ich, versieht ihren Vornamen (bei aller Eigenwilligkeit) auch mit einem s.

Gern gelesen vom

Friedel,
der sich Randbemerkungen zu würde-Konstruktionen untersagt hat!

PS: Geißendörfer hat 1976 eine Krimiserie gleichen Titels geschaffen. Der Privatdetektiv Lobster (trefflich dargestellt von Heinz Baumann) löst sich aber nur in Ausnahmefällen von seinem -

Bett, um Fälle zu lösen, die an sich niemand was angehn.

 

Danke euch fürs Lesen!

@Quinn: Du schreibst:

Ich fand das hier gut, es ist halt eine Pointengeschichte, die davon lebt, dass der Duktus der Erzählung nicht zum Brachialen der Pointe passt, und dass man wirklich davon ausgeht, jetzt einen Erstkontakt zu erleben.
Ich gebe aber zu bedenken, dass der Text, wenn er mit Blick auf eine überraschende Pointe gelesen wird, viel an Reiz verliert, glaube ich, weil über diese Funktion hinaus der Text nicht so viel bietet, er ist weder sprachlich sehr reivoll, noch in den Figuren, wichtige Elemente, die mich reizen würden, werden aufgrund der Kürze nur angedeutet.
Der Text lebt natürlich von der Pointe, die ich mal an den Mann bringen wollte. Als Viel-Leser wusstest du sicher schon durch den Titel und das Setting, worauf es hinausläuft.

Eine Wortwiederholung mit "als" habe ich eliminiert. Insgesamt sind das gar nicht so viele.

@Uwe Post: Der fehlende Tiefsinn erspart dem Leser den Aufwand, nach Weisheiten zu suchen. ;)

@Friedrichard: Als Chemiker glaube ich dir gerne, dass von einer Atmosphäre in einer bestimmten Zusammensetzung die Rede sein sollte. Auch die fehlenden Kommata habe ich nachgereicht. Dass du Natacha Duras kennst, wundert mich, habe ich doch diesen Namen frei erfunden. Die Franzosen schreiben meistens Natacha (mit ch). Ich hatte einmal eine Brieffreundin, die so hieß.

Freundliche Grüße,

Berg

 

wegen der deutlich sichtbaren Gliederung der Innenräume und den Antennen mit den Andockvorrichtungen
Wegen ... den Antennen? Oder ... der Antennen?
Ansonsten: Gefällt mir. Als Fingerübung für's SF-Format sauber ausgearbeitet.
Gruß,
TheDo

 

Hi Berg!

Schon als ich diesen Satz las:

Die Cetianer hatten darauf bestanden, dass ein großer Teil der Delegierten unter dreißig sein sollte.

dachte ich: "Oh nein, bitte nicht so eine platte Alien-Fressen-Menschen-Pointe."
Oder besser, ich flehte innerlich darum, du mögest uns mit so einfallslosem Plunder aus Opas Gagkiste verschonen. Den hier hätte man schon H. G. Wells' Opa zum Einschlafen erzählen können, anstelle von Schäfchen zählen.
Die Krebs- und Kühlschrankgleichnisse verschlimmern noch die Befürchtung, zumal man sich fragt, warum du diesen komischen Schiffsnamen als Titel verwendest.
Und wenn dann genau das kommt, was man als Leser bang befürchtet hat, ist das für die Geschichte schlimmer, als hättest du das Ende mit Scrabblewürfeln ermittelt.

Ich hoffe mal zu deinen Gunsten, das war nur eine Schreibübung zum Wiederreinkommen. ;)

Tschüss, Megabjörnie

 

Hi Megabjörnie,

Ich hoffe mal zu deinen Gunsten, das war nur eine Schreibübung zum Wiederreinkommen.
So ungefähr, ja. ;)

Beste Grüße,

Berg

 

Hallo Berg,

auch ich fand's zu vorhersehbar ... falls du an dem Häppchen noch was ändern willst, wäre ich erstens für einen anderen Titel und zweitens für die Verschiebung des von Megabjörnie zitierten Satzes mit dem "unter dreißig". Vielleicht bleibt die Pointe länger warm, wenn der später kommt. Hier passt es vielleicht in den Absatz:

Jean Schmidt-Deublé saß in einer Gruppe europäischer Beamte und Sozialwissenschaftler, durchmischt mit Afrikanern und Südamerikanern, ebenfalls Experten und Sekretäre. Die Politiker befanden sich in Behältern weiter vorne.
Da könntest du doch sowas reinschummeln, dass es so schwierig war unter den Politikern junge Leute zu finden ... :D

Jean erwachte von Geräuschen, als würden Metallplatten über Beton geschleift. Alle Klappen zu den Stasiskammern, die Aussahen wie Kühlregale in einem Supermarkt, standen offen. Seine Augen brannten. Es dauerte mehrere Sekunden, bis er wusste, wo er war. Roboter bewegten sich nahezu lautlos von Luke zu Luke, um die Menschen mit Getränken zu versorgen. Jean bekam einen Becher mit einer perlenden roten Flüssigkeit. Er nahm ihn mit steifen und zittrigen Fingern. Es tat gut, das Getränk durch die Zähne zu drücken, es das Zahnfleisch umspülen und die Kehle hinunter rinnen zu lassen. Es schmeckte nach Waldbeeren. Jean entfernte vorsichtig die Absaugevorrichtung von seinen Ausscheidungsorganen. Da unten war alles schlaff und wund, aber seine Gedanken waren schon bei der Konferenz und bei den über fünfhundert Menschen in dem großen Schiff.
Der Absatz hat mir übrigens gut gefallen.

 

Hallo Möchtegern,

anscheinend habe ich den Spürsinn der Leser gewaltig unterschätzt.
Eigentlich hatte ich darauf spekuliert, dass man sich als Leser sagt: Das kann doch nicht sein... - bis es am Ende doch passiert.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Nachdem du bereits meine Geschichte kommentiert hast, möchte ich mich gerne erkenntlich zeigen und mit gleicher Münze zurück zahlen!

Als allererstes möchte ich die Sprache loben. Die Geschichte liest sich gut und flüssig, sprachliche Schnitzer und deplatzierte Ausdrücke konnte ich auch keine entdecken.

Das gleiche gilt für die Komposition - der Aufbau ist stringent und logisch, Szenerien, die eher der Bildung der Atmosphäre dienen, wechseln sich mit Szenen ab, die die Handlung voran treiben.

Der einzige Satz, der mir negativ aufgefallen ist:

Jean ging durch den Kopf, dass möglicherweise all diese Geschichten von Roswell und den Entführungen durch Außerirdische mehr als ein Körnchen Wahrheit enthielten.

Schon klar, worauf der Tau Ceterianer hinaus wollte, das muss Jean mit jetzt nicht noch erklären. Ein simples "Jean schwirrte der Kopf." hätte es auch getan.

So weit so gut - aber leider habe selbst ich blutiger Anfänger in meinem Leben schon zu viel Robert Dahl gelesen und M. Night Shyamalan gesehen, als dass mir bei dem Satz

Die Cetianer hatten darauf bestanden, dass ein großer Teil der Delegierten unter dreißig sein sollte.

nicht die Alarmglocken schrillen und ich mit ein bisschen überlegen und dem Titel (was macht man so mit Hummern? Richtig!) nicht darauf komme würde, wer hier wen zum Essen eingeladen hat.

Meine Anregung dafür wäre: Kann man das nicht vielleicht etwas kaschieren? Den Satz einfach rausnehmen, aber dafür bei jedem Nebencharakter etwas einbauen, das darauf hinweist, wie jung, durchtrainiert und/oder gut aussehend dieser doch ist? Und bei der Beschreibung der Erd-Delegation kann sich unser Protagonist vielleicht ein wenig wundern, dass zwar Clinton und Annan mit dabei sind, aber erstaunlich wenig andere über 30. Dann ist es erstens keine offizielle Politik mehr (dazu gleich noch mehr) und zweitens wird es dem erfahrenen Leser nicht mehr mit dem Holzhammer serviert, dass hier etwas faul ist.

Mit dieser Änderung wird die Geschichte schon ziemlich rund und wenn es dein Ziel ist, mit der Geschichte ein wenig Kurzweil und Unterhaltung zu bieten, dann kannst du an dieser Stelle aufhören, denn das Ziel sollte meiner Meinung nach erreicht werden. Da ich aber ein Verfechter der unbestechlichen Logik bin, hier noch ein paar Anmerkungen zu Stellen, die ich höchst unlogisch fand:

Fangen wir mit dem bereits kritisierten U30-Satz an und verbinden ihn mit der Stelle, wo der Ökologe folgendes sagt:

Ich bin sicher, die Atmosphäre besteht aus Sauerstoff und Stickstoff, wie unsere, wenn auch nicht in der gleichen Zusammensetzung.

Moment, du willst mir erzählen, dass da Tau Ceterianer kommen und der Erde sagen: "Hey, schickt eure brillantesten Leute unter 30 und im Gegenzug geben wir euch nicht einmal grundlegende Informationen über unseren Heimatplaneten. Oh, ganz wichtig: UNTER 30!" Und die Erde sagt nicht etwa "Hm, das klingt aber irgendwie verdächtig," sondern "Geht klar"? Vielleicht bauen unsere Politiker viel Bockmist, aber blöd sind sie meistens nicht - es ist sehr, sehr unwahrscheinlich, dass sich irgendwer auf diesen Deal einlässt...

Mein zweiter großer Kritikpunkt ist folgende Aussage:

"Was nun das Verhältnis unserer beiden Kulturen betrifft, werden Sie in wenigen Augenblicken Klarheit haben. Wir haben Sie einerseits hierher eingeladen, um Ihren Regierungen unseren Standpunkt deutlich zu machen, andererseits zu unserer Freude und unserem Genuss."

Also da sind uns vielfach überlegene Außerirdische, die uns zum Fressen gern haben, und die wollen noch mit uns Verhandeln? Für was? Um uns eine festgelegte Quote an Frischfleischlieferungen aufzudrücken? Warum kommen die nicht einfach und holen uns alle ab? Selbst wenn sie uns waffentechnisch keinesfalls überlegen sind, haben sie gut 24 Jahre, bis den ersten Menschen auffällt, dass keiner, der nach Tau Ceti fliegt, wieder zurück kommt. Da kann man schon eine ganze Menge Holz verschiffen. Und wer würde nicht gerne einen fremden Planeten besichtigen, wenn ihm versprochen wird, dass er kaum gealtert zurück kehren wird?

So viel zu mir aufgefallenen Logik-Lücken. Aber wie gesagt, auch mit diesen Lücken funktioniert die Geschichte. Es ist sozusagen nur eine Anregung von einem superkritischen Leser, was SF angeht...

 

Hi Berg,

ich hau jetzt mal in dieselbe Kerbe wie alle andern, aber dafür hab ich dann auch einen Vorschlag, wie man es vielleicht ein bisschen weniger offensichtlich machen könnte, worauf die Geschichte hinaus läuft :)

Also genau wie die meisten anderen Leser, die sich geäußert haben, hatte ich schon einen Verdacht, als ich den Titel gesehen habe, und bei dem Satz:

Die Cetianer hatten darauf bestanden, dass ein großer Teil der Delegierten unter dreißig sein sollte.

war ich mir dann ganz sicher, wie es enden wird. Das liegt aber auch daran, dass diese doofen Aliens sich überhaupt keine Mühe geben, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Wäre ich die Cetianer, dann würde ich sagen: Wir möchten, dass die Mehrzahl der Delegierten unter dreißig ist ... damit sie noch zu ihren Lebzeiten zur Erde zurückkehren und der Erdbevölkerung erzählen können, was sie alles über unsere Kultur gelernt haben. Ich meine, das liegt doch nahe und wäre eine ganz unschuldige Begründung. :D

Abgesehen von der Vorhersehbarkeit der Pointe hat mir die Geschichte gut gefallen. Du hast einige schöne Details da drin, zum Beispiel die Beschreibung der Desorientierung nach dem Aufwachen, die Geschichte mit Jeans zurückgelassener Freundin, diese enthusiastischen Wissenschaftler - das fand ich fast ein bisschen verschwendet an die Geschichte. Ich hätte gern gehabt, wenn die Expedition erfolgreich wäre und diese Leute auf Außerirdische treffen, die wirklich an kulturellem Austausch interessiert sind. Ich hab das gern gelesen, es hätte ruhig ein bisschen länger sein dürfen.

Tja ... Hoffentlich war's wenigstens lecker. :)

Grüße von Perdita

 

Hallo MuGo & Perdita,

danke für Eure Meinungen! Dass ich die Pointe viel vorsichtiger vorbereiten muss, ist inzwischen angekommen. Wenn ich eine inspirierte Phase bekomme, mach ich das. *promise*

MuGo schrieb:
Also da sind uns vielfach überlegene Außerirdische, die uns zum Fressen gern haben, und die wollen noch mit uns Verhandeln? Für was? Um uns eine festgelegte Quote an Frischfleischlieferungen aufzudrücken?
Dieser Aspekt der Geschichte ist etwas subtiler: Natürlich sind die Cetianer nicht wirklich an Verhandlungen interessiert. Das seltsame Benehmen der Delegierten mit ihren vorbereiteten Reden und ihrem förmlichen Gehabe dient zu ihrer Unterhaltung vor dem Essen. Außerdem wird die Nachricht von der Behanldung der Delegation Entsetzen und Befremden auslösen, was ja auch von Vorteil sein kann, wenn man eine unterlegene Macht zum Krieg provozieren will.

Perdita schrieb:
Wir möchten, dass die Mehrzahl der Delegierten unter dreißig ist ... damit sie noch zu ihren Lebzeiten zur Erde zurückkehren und der Erdbevölkerung erzählen können, was sie alles über unsere Kultur gelernt haben. Ich meine, das liegt doch nahe und wäre eine ganz unschuldige Begründung.
Hast Recht. Oder die Cetianer könnten behaupten, besonders an Kontakten zur Jugend interessiert zu sein, weil der Jugend ja die Zukunft gehört. ;)

Jedenfalls danke fürs Lesen!

Berg

 

Hallo Berg,

Zitat von MuGo
Also da sind uns vielfach überlegene Außerirdische, die uns zum Fressen gern haben, und die wollen noch mit uns Verhandeln? Für was? Um uns eine festgelegte Quote an Frischfleischlieferungen aufzudrücken?

Dieser Aspekt der Geschichte ist etwas subtiler: Natürlich sind die Cetianer nicht wirklich an Verhandlungen interessiert. Das seltsame Benehmen der Delegierten mit ihren vorbereiteten Reden und ihrem förmlichen Gehabe dient zu ihrer Unterhaltung vor dem Essen. Außerdem wird die Nachricht von der Behanldung der Delegation Entsetzen und Befremden auslösen, was ja auch von Vorteil sein kann, wenn man eine unterlegene Macht zum Krieg provozieren will.

Von der Warte aus betrachtet macht es natürlich Sinn. Vielen dank für die Aufklärung.

Ich finde die Gedankenspiele von perdita und dir, wieso die Außerirdischen auf U30 bestehen, übrigens ziemlich gut. Das nimmt auf jeden Fall den Holzhammer raus und lässt einen am Ende als Leser so richtig schön ärgern, dass man die Pointe nicht vorher erraten hat, obwohl es doch so dick im Text steht. Und dann wäre die Geschichte ein richtiges Kleinod!

Viele Grüße,
MuGo

 

Tach Berg.

Ich habe ja offensichtlich die neuere Version gelesen, deshalb scheint Vieles hier gesagte schon bearbeitet.
Ich fand die Geschichte sehr unterhaltsam, flüssig zu lesen, sauber ausgearbeitet.
Und ganz ehrlich, mich stört üüberhaupt nicht, wenn eine gute Geschichte eine vorhersehbare Pointe hat.
Im Gegenteil, ich freue mich "unterwegs" schon über spassige Details, wie die Anmerkung, die Ethnologin schminkt sich die Lippen. Vor dem Dinner! :)
Solche kleinen, beschreibenden Details hätte ich mir noch zahlreicher gewünscht, immer mit dem Hintergedanken: Alles für den Kochtopf!
Denke, du weißt was ich meine.

Gruß
schreibmytze

 

Hi Berg,

mir gefällt Deine Geschichte gut. Über das grundsätzliche Für und Wider von Pointen-Stories wurde ja im Forum schon einiges gesagt. Deshalb laß ich dieses Thema mal weg und sage nur kurz etwas zu Formulierungen, die ich problematisch finde:

"In den Außenwänden gab es durchsichtige Streifen, Triumphe der Werkstoffkunde und der Ingenieurskunst."

Mich stört der Begriff Streifen, denn das bezeichnet eher eine Form als ein Material.

"Halb flüsternd erklärte sie ihm die Teilnehmenden Beobachtungen, die sie plante, um Erkenntnisse über das Verhalten der Cetianer zu gewinnen"

Teilnehmende Beobachtungen geht meinem Empfinden nach gar nicht.

"Beifall übertönte die Musik, die zur Verwunderung der Menschen niemals aufhörte."

Niemals paßt für mich hier nicht, denn dafür ist die Zeitspanne der Veranstaltung zu kurz.

"Die Politiker befanden sich in Behältern weiter vorne."

Hier scheint mir befanden merkwürdig, würde ich eher auf Dinge als auf Personen beziehen.

Grundsätzlich scheint mir bei den Kritiken hier im Forum die Herangehensweise manchmal ein bißchen zu streng. Es sollte doch klar sein, daß die meisten Arbeiten, die hier veröffentlicht werden, Schreibübungen sind. Das wird meiner Ansicht nach nicht berücksichtigt. Ich finde, es wäre viel hilfreicher, die Stärken einer Geschichte zu betonen und (sanft) auf Schwächen hinzuweisen, als jemanden, der seine Freude am Schreiben entdeckt (damit meine ich jetzt nicht speziell Dich) nicht durch grobes Nörgeln völlig zu demotivieren. Aber vielleicht sind wir für die softere Gangart zu deutsch ;)

Gruß Achillus

 

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