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Die kleine Schneeflocke

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17.12.2002
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Die kleine Schneeflocke

Die kleine Schneeflocke

von Frank Sohler

Es war einmal vor nicht einmal allzu langer Zeit weit oben im Himmel in den Wolken, wo die Freiheit wohl grenzenlos sein muss, da gab es eine kleine Schneeflocke. Diese Schneeflocke war sehr traurig. Jedes Jahr beobachtete sie, wie ihre Geschwister nacheinander alle zur Erde schneiten. Sie rieselten sanft, getragen vom Wind, Richtung Erde und waren glücklich. Danach sah sie diese Geschwister nie wieder und bekam wieder neue Geschwister. Kaum hatte sie diese richtig kennen gelernt, flogen sie auch schon nach unten. Nur die kleine Schneeflocke durfte nicht schneien und so fühlte sie sich jedes Mal ganz unglücklich und sie dachte sich
„Wie schön müsste es jetzt sein, so frei wie ein Vogel in die Menschenwelt zu segeln? Wie viele kleine Kinder könnte ich wohl glücklich machen?“
Die Schneeflocke wusste nicht so richtig, warum sie nicht schneien durfte. Immer, wenn sie ihre Eltern nach dem Grund fragte, bekam sie eine andere Antwort, aus der sie am Ende nie richtig schlau wurde.
Das erste Mal, als sie fragte, sagte ihre Mutter:
„Mein Kind, du bist doch noch viel zu klein zum schneien.“
-„Aber Mami, meine Brüdern und Schwestern sind doch auch nicht viel älter, und die durften doch auch schon schneien.“
Darauf erwiderte die Mutter:
„Aber Tatsache ist, dass sie älter sind als du. Vielleicht darfst du nächstes Jahr.“
Dieselbe Antwort bekam sie auch die beiden darauffolgenden Jahre.
Im vierten Jahr erklärte die Mutter
„Du bist aber immer noch zu schwach zum schneien.“
-„Aber meine Geschwister haben im Gegensatz zu mir kein Eisheben gemacht und die durften trotzdem schneien.“
„Du hast aber ein zu schwaches Immunsystem. Du würdest Dir beim hinabrieseln eine Erwärmung zuziehen!“
Im nächsten Jahr als sie fragte, sagte der Vater
„Du kannst doch gar nicht schneien.“
-„Und ob ich das kann,“ beschwichtige die kleine Schneeflocke. Ich kann’s Dir ja beweisen.“
„Das kannst du das nächste Jahr noch, mein Kind.“, gab ihr Vater nur noch von sich.
Beim letzten Mal meinte die Mutter
„Du bist uns zu Schade zum schneien. Wir wollen Dich nicht an die Erde verlieren.“
-„Waren meine Geschwister denn unwichtig?“
„Nein, das nicht, aber du bist noch viel wichtiger als sie.“
-„Ich will aber TROTZDEM schneien!“
„Du schneist uns einfach nicht, verstanden?“, schrie der Vater. „Und damit Schluss! Hör endlich auf zu fragen!“
Und somit gab es die kleine Schneeflocke dann auf mit der ewigen Fragerei. Sie fand sich damit ab, dass sie eben nicht schneien durfte und schaute nur noch sehnsüchtig ihren Brüdern und Schwestern dabei zu, wie sie die Elternwolke verließen.
Die Jahre vergingen allmählich, die Schneeflocke wurde erwachsen, alles ward schon unlängst zur Routine geworden. Sie bekam neue Geschwister, lernte sie kurz kennen, sie verabschiedeten sich, die neuen kamen und, und, und. Doch irgendwann wurde sie immer einsamer, weil sie, abgesehen von ihren Eltern, die einzige war, die immer oben blieb, dadurch viel älter als alle Anderen war und so niemand mehr in ihrem Alter hatte.
Und daher wurde in unserer inzwischen großen Schneeflocke wieder einmal der langersehnte Wunsch wach, endlich so wie alle anderen Schneeflocken nach unten zu fliegen. Also ging sie erneut zu ihren Eltern und stellte sie zur Rede:
„Meine lieben Eltern, darf ich euch noch einmal darum bitten, mich gen Erde gehen zu lassen? Ich bin inzwischen alt genug, kann seit langem fliegen, habe ein starkes Immunsystem und Ihr könnt mir nicht erzählen, dass ich Euch immer noch so wichtig bin wie früher.“
Darauf entgegnete ihr Vater:
Mein liebes Kind. Das ist ja alles schön und gut, du hast vollkommen recht. Allerdings muss ich Dir leider sagen, dass du inzwischen viel zu alt zum Schneien bist und wir Dich unmöglich mehr gehen lassen können. Deine Mutter stimmt mir da vollkommen zu, nicht?“
Er schaute seine Frau an und diese nickte zustimmend.
Die Tochter wurde jetzt aber mächtig wütend:
„Das kann jetzt wohl nicht Euer ernst sein! Mein ganzes unliebes langes Leben habe ich darauf gewartet, endlich diesen verdammten Himmel zu verlassen; immer wieder seid Ihr mir mit irgendwelchen faulen Ausreden gekommen, die jetzt alle nicht mehr gelten, und jetzt soll ich zu alt sein?“
„Ganz recht, meine Liebe.“, sagte der Vater milde.
„Jetzt passt mal auf: Zum Fliegen wird man nie zu alt. Ich habe schon von Flocken gehört, die erst nach ihrer Pensionierung geschneit sind, also könnt Ihr mir nichts erzählen, und auch wenn Ihr was dagegen habt; ich werde trotzdem fliegen!“
„Das wirst du nicht!“, gab der Vater barsch von sich.
-„Und wie willst du mich daran hindern?“
„Ich werde ganz einfach Petrus veranlassen, die Himmelspforte zu schließen. Und wenn du davor durchkommst, dann werde ich ein paar Rückhol-Engel nach Dir schicken.“
Die Schneeflocke konnte nicht mehr.
„Wenn du das machst, dann war ich die längste Zeit Eure Tochter!“
„Das ist uns egal.“, sagte die Mutter nur noch.
„Ganz recht.“, stimmte der Vater zu.
Endgültig beleidigt, enttäuscht und voller Hass auf ihre Eltern verließ die große Schneeflocke nun ihren Elternhimmel und flog einsam und ziellos durch das gesamte Himmelsgefilde, in der Hoffnung, irgend eine Lösung für ihr Leiden zu finden. Während ihrer Reise vergingen viele lange Jahre. Die Schneeflocke wurde alt, und langsam heilte die Zeit ihren Hass und ihr Wunden. Bald merkte sie, dass es keinen Sinn machte, nur umherzuziehen und begab sich deshalb wieder auf den langen Nachhauseweg. Es vergingen wieder einige Jahre, und als die Schneeflocke schließlich in ihrem Elternhimmel ankam, war sie bereits alt und bucklig. Sie suchte sofort ihre Eltern auf. Das Haus stand leer und man verkündete ihr, dass ihre Eltern vor vielen Jahren das Weite gesegnet hatten. Die alte Schneeflocke war jetzt noch trauriger. Sie hatte nicht im Streit mit ihren Eltern auseinandergehen wollen. Doch bereits nach ein paar Tagen wurde ihr bewusst, was ihr nun offen stand: Sie konnte endlich auf die Erde fliegen.
Und überhaupt hatten sie ihre Eltern doch ihr ganzes Leben lang nur schlecht behandelt.
Jetzt musste nur noch Petrus zustimmen. Ohne zu zögern, eilte sie zu ihm und bat ihn darum, dass Tor zu öffnen. Petrus meinte, das sei absolut kein Problem, er hatte sich auch schon immer gewundert, warum ihre Eltern so einen Aufstand machten, wenn es darum ging, eine Flocke nach unten zu lassen. Er gewährte ihr freien Flug.
Die alte Schneeflocke war so glücklich wie noch nie in ihrem gesamten Leben. Sie stürzte sich mit einem wogenden Freudentrubel nach unten. Alles Vergangene war ihr plötzlich vollkommen schnuppe. Jetzt zählte nur noch dieser Flug und alles Weitere. Sie genoss es, sich treiben zu lassen, freute sich darauf, einen Fleck auf der Erde weiß machen zu dürfen, Kinder zu beglücken und endlich ihre vielen Mitflocken wiederzusehen. Wie sie unten ankam wurde sie sogleich überschwänglich von ihren Geschwistern begrüßt. Niemand hatte sie mehr erwartet nach der langen Zeit. Es dauerte auch nicht lange, bis sie einen sehr netten Schneeflocken kennen lernte. Sie verliebte sich sofort in ihn, er verliebte sich in sie, sie gingen eine Blitzhochzeit ein und zogen zusammen in einen frischgebauten Schneehaufen an der Straße und lebten glücklich bis zum Tauwetter im Frühjahr.

ENDE

 

Mahlzeit!

Naja, zunächst dachte ich: "Och, was für eine süsse Geschichte!" Das mit dem "Du bist noch zu klein zum Schneien!" und so fand ich niedlich. Nur leider verliert die Story danach rapide, schleppt sich auf m.E. unnötigen Umwegen hin zu einer Pointe, die eigentlich gar keine ist - denn wie schon Aquinas bemerkte: Die eigentliche Frage, die du zu Beginn des Textes aufwirfst, wird nur unzureichend beantwortet. Die Pointe mit der Blitzhochzeit und dem Schneehaufen und dem Tauwetter ist zwar an sich sehr nett, aber etwas zusammenhangslos bzw. die ganze Geschichte an sich wirkt im Grossen und Ganzen irgendwie...banal. Oder sollte das ganze eine Art Lebens-Allegorie mit eingebauter Eltern/Kind-Problematik sein? Die - wenn dem so wäre - dann aber leider in ihrer Kernaussage extrem unentschlossen hin und her schwankt zwischen: "Vergeude dein Leben nicht mit dem Warten auf die schönen Dinge!" und "Auch wer spät losgeht, kommt noch ans Ziel!" Oder so ähnlich. So recht weiss ich mit dem Text ehrlich gesagt noch nichts anzufangen, sorry... :confused:

BTW:
"Wie sie unten ankam wurde..."

Wohl eher: "Als sie unten ankam, wurde..."

Gruß,
Horni
(Hohenörgelpriester von Ähmdawarnochwas :cool: )

 

Hi Aquinas

Wenn du das mit dem "Wo die Freiheit wohl grenzenlos sein muss" meinst: Das sollte einfach nur ein Gag sein, so ein kleiner Spruch zur Auflockerung des Textes, frei nach dem Lied von Reinhard Mey, heißt also nicht automatisch, dass dort die Freiheit wirklich grenzenlos sein soll.
Warum die Schneeflocke nicht auf die Erde darf?
Das beantworten die Eltern ja selbst: "Du darfst einfach nicht, basta." Sie wissen es nicht, drum widersprechen sie sich auch ständig selbst. Es sei also einfach mal offen gestellt.
Diese Engel gibts wirklich. Die kannst du direkt bei mir bestellen ;)
Danke jedenfalls für die Tipps.

MfG Frank

 

Mahlzeit Horni

Das mit dem Sinn des Textes kann ich nicht so sicher sagen. Eine kleine Aussage ist jedenfalls: Geh deinen eigenen Weg und lass Dir von niemandem was sagen, was auch hier deutlich wird:

"Petrus meinte, das sei absolut kein Problem, er hatte sich auch schon immer gewundert, warum ihre Eltern so einen Aufstand machten, wenn es darum ging, eine Flocke nach unten zu lassen. Er gewährte ihr freien Flug."

Das heißt, die Pforten wären immer für die Flocke offen gewesen. Sie hätte nur fliegen müssen.(was ich im Text eben nicht so deutlich dargestellt habe.)
Ansonsten wollte ich nur einen netten kleinen Text ohne große Messages schreiben, einfach nur was zum Lesen und Schmunzeln. Allerdings hätte ich die eine oder Andere Ungereimheit noch rausnehmen können, da hast du Recht, hatte allerdings nicht die Zeit dafür.

Gruß Frank

 

Servus Aquinaboy

Stimmt, ja, bisschen komisch. Hast du einen Vorschlag, wie man das am besten schreiben könnte?

Mfg Frank

 

Hey, Franky!

(Äh...gab's nicht mal nen Sister-Sledge-Song in den 80ern, der so hiess?)

Nicht verzagen! Nobody's perfect. Und für den Anfang war es ja nun gar nicht mal soooo schlecht, gell! ;)

Beim nächsten Mal einfach etwas mehr Zeit nehmen und - mucho wichtig und mächtig importante und so!!! - niemals die erste Fassung veröffentlichen, sondern immer noch ein bisserl überarbeiten und noch mal überarbeiten, und dann, wenn man denkt, jetzt isses fettich...nochmal ein bisserl überarbeiten. :D
Dann wird die nächste Story evtl. schon ein Knaller!

Dran bleiben!

Gruß,
Horni

 

Hast du einen Vorschlag, wie man das am besten schreiben könnte?
Falls ich mich da einmischen darf... :D

Mein Vorschlag wäre:

"Es war einmal, vor gar nicht allzu langer Zeit, da lebte hoch in den Wolken - dort, wo die Freiheit wohl ohne Zweifel grenzenlos sein muss - eine kleine Schneeflocke."

Just my tuppence,
Horni
(Hohenörgelpriester und Klugscheisser vom Dienst...)

 

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