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Die kleine Palme

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02.02.2018
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Die kleine Palme

Die kleine Palme

Wenn ich das Haus verlasse, muss ich eine kleine Rampe nach unten gehen, um auf den Bürgersteig zu gelangen. Der Weg ist steil, aber nicht so steil, als dass ich es nicht mit meinem Rollator schaffen würde. In jüngster Zeit blockiert die linke Bremse etwas. Irgendwann wird es mein Sanitätsdienst richten. Beim Hinuntergehen muss ich mich konzentrieren und auf den Weg schauen, um nicht zu stürzen. Wenn ich am unteren Ende der Rampe ankomme, kann ich meinen Blick wieder heben. Und genau da steht sie, die kleine Palme, von der ich erzählen möchte.

Um was für eine Palme es sich handelt kann ich nicht sagen. Irgendwann einmal habe ich versucht, ihren genauen botanischen Namen zu erfahren. Aber das ist mir nicht gelungen. Es gibt einfach viel zu viele unterschiedliche Palmen. Meine Palme ist sehr klein im Vergleich zu gleichartigen Palmen, die im Garten wachsen. Wenn ich mich neben sie stellen könnte, könnte ich mit den erhobenen Händen den Ansatz der Palmwedel berühren. Ihre Artverwandten im Garten haben die drei- bis vierfache Größe. Meine Palme steht in einem kleinen, rechteckigen Beet mitten auf dem Bürgersteig. Der Boden ist von Rasen bedeckt, was hier eine Seltenheit ist und darauf schließen lässt, dass sie regelmäßig gegossen wird. Selten treibt sie ein neues Blatt aus. Ihr neuer Wedel ist hellgrün und viel saftiger als ihre anderen Blätter. Und topgesund. Aber das ändert sich binnen weniger Wochen. Dann ist auch das neue Blatt vollständig ummantelt mit einem weißen, wolligen Belag, der sie völlig entkräftet. Die Palme hat ein massives Gesundheitsproblem. Woll- und Schmierläuse haben alle ihre Wedel befallen und ausgesaugt. Mit Parasiten kenne ich mich aus. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie zerstörerisch sie wirken können. Den Zecken und der durch sie verursachten Borreliose verdanke ich meinen Rollator.

Die Palme tut mir leid. Der Befall ist einfach viel zu stark. Ich überlege mir, wie ich ihr helfen kann. Früher habe ich die Rosen gegen Läuse und Sternrus mit einer leichten Apfelessigtinktur besprüht. Einigen hat es wohl geholfen. Anderen nicht. Ob ich die Palme mit Essig unterstützen kann? Wie oft habe ich mir darüber Gedanken gemacht? Wie oft habe ich mir vorgenommen, in einer Sprühflasche einfach etwas Essig mit Wasser zu mischen und die Pflanze damit zu besprühen. Man würde ja sehen, ob es ihr hilft. Mittlerweile vermag ich die Palme gar nicht mehr anzuschauen, so sehr schäme ich mich, immer noch keinen Versuch gestartet zu haben. Das sieht die kleine Palme anders. Sie ist böse mit mir. Regelrecht wütend. Sie möchte nicht, dass ich mir Sorgen mache und versuche, ihr zu helfen. Sie versucht immer wieder, mir das zu erklären. Ich möchte das aber nicht hören. Es ist viel zu hart, undenkbar, zu wissen, ich könnte ihr vielleicht helfen, es aber nicht zu tun, geschweige denn nicht tun zu dürfen. Vielleicht kann meine Tinktur sie von den Parasiten befreien. Vielleicht könnte sie dadurch wieder gesund werden und Kraft für Wachstum gewinnen. Und wenn nicht, würde ich etwas anderes ausprobieren. Im Internet kann man sehr viele und unterschiedlich Ratschläge erhalten.

Am Ende der Rampe behalte ich jetzt immer meinen Kopf unten und gehe weiter, so schnell ich kann. Ich muss mit meinem schlechten Gewissen und den Vorwürfen der kleinen Palme, die ich nicht hören möchte, klarkommen. Hinter der Palme, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, liegt ein kleines Café. Dort verbringe ich an guten Tagen den Vormittag. Über die Straße führt ein Zebrastreifen und ich kann mir beim Überqueren der Straße die Zeit nehmen, die ich benötige. Vor dem Café gibt es eine kleine überdachte Terrasse. Um dorthin zu gelangen, muss ich zwei Stufen nach unten gehen. Schwierig, aber bewältigbar. Der Trick ist: man muss den Rollator beide Stufen auf einmal nach unten stellen und die Bremsen einlegen. Dann steht man zwar ziemlich weit nach vorne gebeugt, aber man kann die Beine Stufe nach Stufe nach unten führen. Heute ist eine Aushilfskraft im Service, die ich noch nicht kenne. Sie kommt mir entgegen und will mir helfen. Das irritiert mich gewaltig. Ich habe Angst, meine mühsam aufrecht gehaltene Balance und damit die Kontrolle zu verlieren. Aber glücklicherweise hat die Chefin die Situation erkannt und ruft ihre Mitarbeiterin zurück. „Das ist die Frau, die keine Hilfe will!“ Ich bin ihr sehr dankbar für ihr Eingreifen und ihr Verständnis. Und ich habe einen Spitznamen erhalten, den die Mitarbeiter zukünftig benutzen werden, wenn sie über mich sprechen. Die Frau, die sich nicht helfen lassen will.

Ich wähle immer denselben Tisch, weil ich dort meinen Rollator am besten aus dem Weg stellen kann. Ich möchte nicht, dass eine Kellnerin oder ein Gast darüber stolpert und sich verletzt. Während ich den Zucker in meinem Kaffee verrühre, fällt mein Blick auf die kranke Palme. Vielleicht ist ja auch sie „eine Palme, die sich nicht helfen lassen will“. Und mir fällt auf, wie unsinnig das ist. Warum will ich mir nicht helfen lassen? Hilfe ist doch etwas Wunderbares. Es gibt einen Unterschied zwischen mir und dir, versuche ich der Palme zu erklären. Wenn mir jemand die Stufe herunter hilft, verliere ich die Kontrolle. Gleichzeitig weiß ich aber nicht, ob derjenige, der mir hilft, das auch tatsächlich kann. Im Zweifel stürzen wir beide und verletzen uns. Das kann ich nicht riskieren. Jede weitere, noch so kleine Veränderung am Status quo kann bedeuten, dass ich meine Wohnung selbständig gar nicht mehr verlassen kann.

„Und wo bittesehr ist da der Unterschied?“, fragt die kleine Palme. „Kann sein, dass deine Tinktur genau das Quäntchen mehr an Belastung ausmacht, das ich nicht mehr ertragen kann. Und ich muss eingehen.“

Ich weiß, irgendwo hat sich ein Denkfehler eingeschlichen. Hilfe ist doch eines der zentralen Themen des Menschseins. Mag sein, dass das bei den Pflanzen anders ist. Aber bei mir doch nicht. Also sollte ich auf dem Zebrastreifen überfahren werden, würde ich Hilfe in jeder Form sehr willkommen heißen. Und dennoch, man nennt mich nicht umsonst „die Frau, die sich nicht helfen lassen will“.

„Schau, was aus uns geworden ist, seit wir uns kennen“, mischt sich die kranke Palme wieder in meine Gedanken ein. „In den ersten Tagen und Wochen hast du mich immer fröhlich begrüßt und angestrahlt. Das hat mir sehr gut getan.“

Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich bin mit Freude aus dem Haus gegangen und habe jeden und alles fröhlich gegrüßt.

„Aber dann hast du den Parasitenbefall bemerkt und gesehen, wie kümmerlich ich wachse. Und du hast angefangen, dir Sorgen um mich zu machen und dir überlegt, wie du mir helfen kannst. Glaube nicht, ich hätte nicht bemerkt, wie du verschämt den Kopf nach unten gehalten hast, weil du wieder vergessen hast, mir dein Wundermittel mitzubringen.“

Wieder muss ich der Palme recht geben. Und plötzlich kann ich es auch sehen. Wie ich in gebückter Haltung aus der Haustür trete, wie ich mich immer schlechter fühle und wie ich keinen mehr fröhlich grüße. Ich glaube sogar, dass ich einige Male - und ich bin sehr erschrocken, während ich das denke - gehofft habe, der Gärtner würde die kranke Pflanze beseitigen. Ein tiefer Schatten liegt über mir. Und mit jedem Tag, den ich nicht geholfen habe wächst die Last auf meinen Schultern.
„Und auf meinen“, ergänzt die kranke Palme. „Dich so gebückt und voller Sorge zu sehen, zerreißt mein kleines Palmenherz. Eine Traurigkeit hat mich erfasst, die es mir noch schwerer macht, gegen die Läuse anzukämpfen. Schau, ich benötige all meine Kraft, um mit meinem Dasein klar zu kommen. Ich habe schlicht keine Reserven, um auch noch deinen Schmerz über mich zu tragen.“

Ich merke kaum, dass mir eine Träne über die Wange läuft. Den Stein, der mir vom Herzen fällt, den merke ich sehr wohl. Die kleine Palme hat mir gezeigt, was mich so belastet. Der Kummer und die Sorgen der Menschen, die mich lieben und die mir helfen wollen, macht mich traurig und schwächer. Denn ich möchte doch, dass es ihnen gut geht, dass sie fröhlich und entspannt sind. Ja, kleine Palme, dass habe ich gut verstanden. Aber was soll ich tun. Wie kann ich dich unterstützen, frage ich die Palme.
„Wenn du mich anschaust, dann sieh nicht meine Parasiten. Sieh meine Kraft, meine Stärke, meine Fröhlichkeit, meine Lebensfreude. Schau genau hin, sieh mich!“

Ich schaue über die Straße und sehe. Ich sehe eine selbstbewusste, kraftvolle Palme mit einer wunderbaren Ausstrahlung. Voller Lebensfreude, warmherzigem Humor und strahlend hellem Kern. Ich fühle, wie Wärme mich umspült, meine Schmerzen nachlassen, mein Herz vor Freude springt und ich lache lauthals los. Ich freue mich schon auf Morgen. Wieder werde ich die Rampe heruntergehen. Diesmal jedoch mit hocherhobenem Haupt. Ich werde die kleine Palme freudig grüßen sowie jeden und alles. Und wer weiß. Vielleicht, eines Tages, raunt die Palme mir zu: „Bring Essig mit!"

 

Da ist im Titel doch glatt ein "e" verschwunden. Ich kann es nicht wieder gut machen. Vielleicht ein Administrator?

 
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Danke herzlich Perdita! Welche Freude doch so ein kleines "e" am rechten Fleck machen kann!

 

Hallo, Heike Hatzmann

Wow, so eine schöne kleine Geschichte über eine Freundschaft zwischen einer Frau und einer Palme, die nebeneinander alt werden. Hat mir große Freude gemacht, sie zu lesen. Ich hätte eigentlich nur ein paar Kleinigkeiten, weil ich das vom Aufbau her schon ziemlich gut finde. Man kann da vielleicht an einigen Absätzen meckern, aber weil ich selbst noch nicht so das Handwerkszeug habe, überlasse ich das erstmal anderen, die dann auch direkt gute Tipps geben können.

„Und wo bitte sehr, ist da der Unterschied?“ fragt die kleine Palme.

Erstmal kommt kein Komma vor "ist". Außerdem: Wenn Du wörtliche Rede mit nachgestelltem Begleitsatz schreibst, muss nach den Anführungszeichen immer ein Komma gesetzt werden. Also: "Und wo bitte sehr ist da der Unterschied?", fragte die kleine Palme. Das machst Du nie. Bitte im ganzen Text sorgfältig prüfen.
Vielleicht machst Du auch besser ein paar Absätze um die wörtliche Rede herum. Es ist eigentlich üblich, jeden Sprecherwechsel in einen Absatz zu packen. Also ungefähr so:
1. Absatz: wörtliche Rede Palme
2. Absatz: Gedanken Prota
3. Absatz: wörtliche Rede Palme
4. Absatz: wörtliche Rede Prota
uws... Damit erhöhst Du gerade in Dialogszenen stark die Lesbarkeit.

Hilfe ist doch etwas wunderbares.
"Wunderbares" ist hier eine Nominalisierung und wird groß geschrieben.

„Schau was aus uns geworden ist, seit wir uns kennen“

Komma nach "schau".

Ja, daran konnte ich mich noch gut erinnern. Ich bin mit Freude aus dem Haus gegangen und habe Jeden und Alles fröhlich gegrüßt.

Du schreibst im Präsens. Müsste es nicht eigentlich erst "kann" und danach eher Präteritum also "ging" und "grüßte" heißen? Den letzten Satz kann man vielleicht so lassen, aber den ersten würde ich auf jeden Fall wie den Rest der Geschichte im Präsens schreiben.

Das so zu den formalen Kleinigkeiten. Mir ist beim ersten Lesen irgendwo noch eine Stelle aufgefallen, wo Du "dass" statt "das" geschrieben hast, aber ich habe sie jetzt nicht mehr wiedergefunden. Na ja. Findet vielleicht jemand anderes.

Wie gesagt, zum Inhalt und Aufbau habe ich nichts zu sagen. War gut zu lesen, hat Spaß gemacht und auch ein kleines bisschen berührt. Vielen Dank für diese Geschichte.

Viele Grüße,
Maria

 

Hallo TeddyMaria,

danke für deine Korrekturen. Ich habe das Meiste übernommen und eingearbeitet. Außerdem habe ich noch mal deutlicher herausgearbeitet, dass das Thema Krankheit und nicht Alter ist. Ich hoffe, es liest sich jetzt besser.
lieben Dank
Heike

 
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Ich werde umzingelt von Geschichten. Sie bedrängen mich. Sie wollen geschrieben werden. Und ich habe Angst, ich kann das nicht. Ich will das nicht. Ich habe noch nie geschrieben. Doch muss ich es versuchen. Wollen sie auch gelesen werden?
schreibstu,

liebe Heike, Heike Hatzmann

in Deinem Profil, und da antwort' ich mal ohne Umschweife "Ja, woll'n se! Kannze mich glauben", wie man hier im Pott so sagt.

Und da bin ich gleich noch einmal und ganz vorneweg: Ich hab verdammt viel Respekt vor Zecken und als Hundehalter muss man damit leben. Und wie ich mit Hunden rede, so redet meine Frau mit den Tomaten und ich weiß, warum die rot werden ...

Was sicherlich nix zur Geschichte tut.

Spaß beiseite, auch diese Parabel über Hilfe und dem Willen zur Selbständigkeit gefällt mir, wobei ich Dir verraten darf, dass ich die Gnade eines tauben Ohres genieße. Gut, Musik selbst zu machen wird da schwierig, Gitarre eher ein mechanisch behandeltes Instrument, aber Zeichnen und Schreiben kann ein taubes nicht eingrenzen.

Aber die Lehre aus der kleinen Geschichte ist, dass man seine Hilfe wohl anbieten, aber nicht aufdrängeln soll. Dem barmherzigen Samariter war offensichtlich, dass dem verletzten und ausgeplünderten, hilflosen Opfer geholfen werden musste ohne Nachfrage.

Einige Flusen, zumeist Flüchtigkeit , sind aufzulesen

Der Weg ist steil[,] aber nicht so steil, als dass ich es nicht mit meinem Rollator schaffen würde.
Eine große Zahl von Konjunktionen erspart ein Komma zwischen gleichrangigen Aufzählungen, nicht aber "aber"

Und genau da steht sie, die kleine Palme[,] von der ich erzählen möchte.
(Relativsatz "von der ...")

Dann ist auch das neue Blatt vollständig ummantelt mit einem weiße[n], wolligen Belag, der ...
Ich wei[ß] aus eigener Erfahrung, wie ...

Hier gibt's m. E. zwo Probleme: Die ausschließende Konjunktion "oder" hält Gast und Kellner im Singular (mit einem und wär's anders, quasi wie in der Rechnung) und warum der vermeintliche Ge-zeitenwechsel, der in Wirklichkeit aufgrund der Endung anzeigt, dass Du in der Schwebe warst, Rin- oder Mehrzahl?
Ich möchte nicht, dass eine Kellnerin oder ein Gast darüber stolper[t] und sich verletzt[...].

Es gibt enen Unterschied zwischen mir und

„Schau[,] was aus uns geworden ist[,] seit wir uns kennen“, mischt sich
Ich bin mit Freude aus dem Haus gegangen und habe Jeden und Alles fröhlich gegrüßt.
immer: "jeden und alles" (kommt nachher noch mal vor)

Auch hier Flüchtigkeit, denn der helle Kern zeigts an

Voller Lebensfreude, warmherzige[m] Humor und strahlend hellem Kern.

So viel oder wenig für heute vom

Friedel

 

Hallo Heike,

Sie möchte nicht, dass ich mir Sorgen mache und versuche, ihr zu helfen. Sie versucht immer wieder, mir das zu erklären.->
Vielleicht könntest du hier noch im Detail beschreiben, warum die Pflanze das nicht möchte. Warum ist die Beziehung zur Pflanze an dieser Textstelle nicht so prickelnd.

Empathisch gegenüber der Pflanze zu sein, macht deine Geschichte ungewöhnlich und gut. Die Beziehung zwischen einer Person und einer Pflanze habe ich selten irgendwo gelesen.

die Analogie zwschen der Person in deiner Geschichte, die sich nicht helfen lassen möche und der Pflanze, die es ebenso nicht benötigt, ist kreativ.

Viele Grüße

Samed

 

Hallo Bas,

die meisten Anregungen aus dem Rucksack habe ich direkt umgesetzt. Danke.

Aber regelrecht von den Füßen gerissen hat mich deine Einschätzung. Absoluter Treffer, unbedingt richtig. Die Geschichte ist überhaupt nicht erzählt. Ich habe die letzten zwei Stunden darüber nachgedacht, ob ich sie überhaupt erzählen will. Denn das macht große Arbeit und bedeutet maximalen Einsatz. Ja, ich jammere. Ich bin alt und sehr krank. Wer will sich da noch so viel Mühe machen, die Geschichte einer Palme zu erzählen. Selbst wenn, ist ungewiss ob ich das überhaupt kann. Dieses Forum ist Gold wert für mich. Ohne all die Kommentare und die Beispiele der anderen würde ich es nicht versuchen. Aber so..! Also, schaun wir mal....


liebe Grüße
Heike

 
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Liebe Heike Hatzmann,

deine Geschichte hat mir besonders sprachlich wieder recht gut gefallen. Inhaltlich habe ich ein paar Anmerkungen:

Die ‚Vermenschlichung’ der Palme kommt mir an dieser Stelle zu überraschend und zu unvermittelt.

Mittlerweile vermag ich die Palme gar nicht mehr anzuschauen, so sehr schäme ich mich, immer noch keinen Versuch gestartet zu haben. Das sieht die kleine Palme anders. Sie ist böse mit mir. Regelrecht wütend. Sie möchte nicht, dass ich mir Sorgen mache und versuche, ihr zu helfen. Sie versucht immer wieder, mir das zu erklären.

Da fehlt mir irgendetwas, was diese neue Ebene einleitet, etwas, was mich dieses Zwiegespräch z.B. als Gedanken der Ich-Erzählerin einordnen lässt.

Später setzt du ja genau hier noch einmal an:

Vielleicht ist ja auch sie „eine Palme, die sich nicht helfen lassen will“. Und mir fällt auf, wie unsinnig das ist.
Das war doch eigentlich schon klar. Ich würde deshalb die erste Stelle streichen und das, was du dort sagst, hier einbauen. Denn hier beginnst du ja erst, die ‚Parallelen’ zu entdecken.

Auch die thematische Veränderung am Ende deiner Geschichte ist mir – so wie du sie darstellst - nicht so recht nachvollziehbar:

Die kleine Palme hat mir gezeigt, was mich so belastet. Der Kummer und die Sorgen der Menschen, die mich lieben und die mir helfen wollen, macht mich traurig und schwächer. Denn ich möchte doch, dass es ihnen gut geht, dass sie fröhlich und entspannt sind. Ja, kleine Palme, dass habe ich gut verstanden. Aber was soll ich tun.(?) Wie kann ich dich unterstützen(?), frage ich die Palme.
„Wenn du mich anschaust, dann sieh nicht meine Parasiten. Sieh meine Kraft, meine Stärke, meine Fröhlichkeit, meine Lebensfreude. Schau genau hin, sieh mich!“

Ich schaue über die Straße und sehe. Ich sehe eine selbstbewusste, kraftvolle Palme mit einer wunderbaren Ausstrahlung. Voller Lebensfreude, warmherzigem Humor und strahlend hellem Kern. Ich fühle, wie Wärme mich umspült, meine Schmerzen nachlassen, mein Herz vor Freude springt und ich lache lauthals los.


So schön das alles formuliert ist, so ist es mir doch unterm Strich zu moralisierend und auch zu sprunghaft. Ich kann deinem Gedankengang nicht wirklich folgen.
Außerdem suche ich nach der Verbindung dieser neuen Gedanken mit der anfänglichen Thematik. Mir fehlt insgesamt ein logisch nachvollziehbarer Ablauf des Zwiegesprächs. Ich möchte als Leser erkennen, wie sich aus der anfänglichen Ablehnung von Hilfestellungen der Gedanke entwickelt, dass es (wie übrigens im ‚Kleinen Prinzen’) allein auf das Wesentliche ankommt. Das Ende scheint mir, so wie du es gestaltest, ein wenig zu stark auf die dir wichtigen Aussagen hin konstruiert zu sein.

Noch ein paar Kleinigkeiten, die ich mir notiert habe:

Um was für eine Palme es sich handeltK kann ich nicht sagen.

Ihre Artverwandten im Garten haben die drei- bis vierfache Größe.
Keine Ahnung, wo du die Geschichte ansiedelst. Vielleicht wäre ‚im Botanischen Garten’ besser.

Läuse und Sternrus
Sternruß

Es ist viel zu hart, undenkbar, zu wissen, ich könnte ihr vielleicht helfen, es aber nicht zu tun, geschweige denn nicht tun zu dürfen.
Diesen Satz würde ich noch einmal überdenken. Was willst du mit ihm eigentlich sagen? Ich glaube, es wäre besser, aus ihm zwei oder mehrere Sätze zu machen.

Vielleicht kann meine Tinktur sie von den Parasiten befreien.(?) Vielleicht könnte sie dadurch wieder gesund werden und Kraft für Wachstum gewinnen.(?)

Ich muss mit meinem schlechten Gewissen und den Vorwürfen der kleinen Palme, die ich nicht hören möchte, klarkommen.
Welche Vorwürfe sollen das sein?

Um dorthin zu gelangen, muss ich zwei Stufen nach unten gehen. Schwierig, aber bewältigbar.
Statt ‚bewältigbar’ vielleicht besser ‚aber zu bewältigen’.

Der Trick ist: man muss den Rollator beide ...
Nach einem Doppelpunkt schreibt man groß weiter, wenn ein ganzer Satz folgt. Passiert dir öfter.

Ich habe Angst, meine mühsam aufrecht gehaltene Balance
MMn besser: ‚meine mühsam gehaltene Balance’

Vielleicht ist ja auch sie „eine Palme, die sich nicht helfen lassen will“.(?) Und mir fällt auf, wie unsinnig das ist.
Diesen Gedanken hast du doch schon eingeführt. Wieso wiederholst du ihn hier noch einmal. (s.o.)

Ich weiß, irgendwo hat sich ein Denkfehler eingeschlichen. Hilfe ist doch eines der zentralen Themen des Menschseins. Mag sein, dass das bei den Pflanzen anders ist. Aber bei mir doch nicht. Also sollte ich auf dem Zebrastreifen überfahren werden, würde ich Hilfe in jeder Form sehr willkommen heißen. Und dennoch, man nennt mich nicht umsonst „die Frau, die sich nicht helfen lassen will“.

Diesen ganzen Absatz würde ich streichen. Er bringt deiner Geschichte mMn nichts.

Ich freue mich schon auf Morgen.
morgen

Liebe Heike, jetzt hoffe ich, dich nicht noch weiter 'von den Füßen gerissen' zu haben. Denke daran, dass es sich bei unseren Äußerungen in der Regel um sehr subjektive Leseeindrücke handelt.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo barnhelm,
auch dir herzlichsten Dank für deine Kritik und die Anregungen. Alles absolut nachvollziehbar, werde ich gerne übernehmen. Allerdings muss ich die KG umschreiben und damit habe ich begonnen. Ich werde sie die nächsten Tage neu einstellen bzw. die alte Erzählung überschreiben. Wie handhabt ihr das hier mit von Grund auf erneuerten Erzählungen? Der Plot bleibt, ich fokusiere nur deutlicher.
liebe Grüße
Heike

 

Allerdings muss ich die KG umschreiben und damit habe ich begonnen. Ich werde sie die nächsten Tage neu einstellen bzw. die alte Erzählung überschreiben. Wie handhabt ihr das hier mit von Grund auf erneuerten Erzählungen? Der Plot bleibt, ich fokusiere nur deutlicher.

Hallo Heike,

Bitte überschreiben. Gerne kannst du dann in einem Kommentar die (wesentlichen) Änderungen aufführen bzw. dich entsprechend auf die Kommentare beziehen.

Gruß,
GoMusic

 
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Hallo Heike, ich kenne eine sehr ähnliche Geschichte, bei der es nicht um eine Palme sondern eine Schnecke geht. Der Plot ist, dass sich zwei Männer (Schüler und Meister) darüber unterhalten, ob es richtig wäre, eine Schnecke, die über eine Straße kriecht, aufzusammeln, hinüberzutragen und auf der anderen Seite wieder abzusetzen. Der Schüler möchte das unbedingt, er will helfen. Der Meister setzt ihm auseinander, dass es im Grunde unmöglich ist, zu helfen, jedenfalls, wenn man es sich so einfach macht.

Ich sehe daher die Quintessenz Deiner Geschichte nicht so sehr wie die anderen Kommentatoren in der Frage, ob man Hilfe aufdrängen sollte oder nicht, sondern in der viel grundsätzlicheren Frage, ob es überhaupt möglich ist, zu helfen. Die Antwort darauf ist viel schwieriger, als man zunächst annimmt.

Zunächst einmal ist Hilfe häufig ein egoistisches Unterfangen, wo man einfach das eigene Gefühl des Leidens mildern möchte, das man beim Anblick fremden Leidens empfindet. Das wird insbesondere dann problematisch, wenn die vermeintliche Hilfe blinde Aktion ist. Woher wissen wir, welche Konsequenzen unsere Hilfshandlungen haben werden? In der Geschichte mit der Schnecke erklärt der Meister, dass das Gras auf der anderen Straßenseite durchaus mit Ungeziefergift verseucht sein könnte.

Wirklich helfen zu können, setzt voraus, die Wirkungen des Handelns zu kennen. Das ist aber selten der Fall. Noch seltener können wir die Bedeutung dieser Wirkungen abschätzen. Muss ein Mensch erst tief fallen, um sich dann aus eigener Kraft aufzurappeln oder sollten helfende Mitmenschen ihm diese Erfahrung ersparen?

Wir dürfen beim Helfen nicht übersehen, dass wir häufig nur unsere persönlichen Wertvorstellungen auf das Leben eines anderen Menschen projizieren. Als die Conquista in Südamerika einfiel und die Ureinwohner mit brutalen Mitteln „zivilisierte“, verstanden viele Europäer das als wahrhaftige Hilfe. Und als die Christen die Heiden Europas zwangen, ihre traditionellen Religionen aufzugeben wurde das auch als Hilfe begriffen.

Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.

Statt im Konzept der Hilfe zu verharren, wäre es viel wichtiger, darüber nachzudenken, welche grundsätzlichen Bedingungen für eine selbstverantwortliche Existenz geschaffen werden müssten. Wie können sich Menschen emanzipieren? Statt der dritten Welt zu helfen, sollten die Strukturen geschaffen werden, die Hilfe unnötig machen würde. Statt einen Schüler zu belehren, sollte ihm vermittelt werden, wie er selbständig denken lernt.

Soviel zum Philosophischen. Das ist durchaus spannend. Aber vor solchen literarischen Allegorien ist trotzdem zu warnen. Sie wirken in ihrer künstlichen Doppeldeutigkeit häufig dünkelhaft. Der Autor will mir durch die Blume was erklären. Nein, danke. Wenn Du philosophisch reden möchtest, mache Dir die Mühe, die Hürden ernsthafter Philosophie zu meistern. Ansonsten erzähl mir einfach eine Geschichte, die nicht den Anspruch erhebt, philosophisch sein zu wollen, ohne sich dem harten philosophischen Diskurs zu stellen.

Einfach ausgedrückt, kann man nur davor warnen, absichtsvoll das Eine zu schreiben und etwas ganz anderes zu meinen. Dadurch wird nämlich das Erste trivial, lediglich zum Vehikel für das Gemeinte. Und das zerstört jede Poesie. Wenn wir die Welt und ihre Erscheinungen liebevoll behandeln wollen, sie ernst nehmen und ihrer Magie nachspüren, dann dürfen wir sie in der Literatur nicht als Zeichen verwenden, die für höhere Botschaften stehen. Eine Blume (von mir aus auch eine Palme) ist wunderbar und perfekt. Sie muss nicht durch einen allegorischen Sinn aufgewertet werden, sondern wird dadurch im Gegenteil entwertet.

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Achillus,
..und getroffen sinke ich zu Boden. Über mir lächelt die kleine Palme weise. Und so weiter.
Was eine grundsätzliche Auseinandersetzung zum Thema Hilfe werden sollte, habe ich verbockt. Die kleine Palme misbraucht. Ich war schlicht zu feige, die grundsätzliche Frage zu stellen. Das hat auch barnhelm schon angemahnt. Ich werde die Geschichte komplett überarbeiten müssen.
Tausend Dank für deinen Tritt in den Allerwertesten. Extrem nützlich.
Liebe Grüsse
Heike

 

Hallo @Heike Hartzmann,

ich mag deine Art zu schreiben, und wenn das wirklich dein erster Versuch ist, bekommst du dafür ein Kompliment von mir. Gut geschrieben ist es, da ist nichts, worüber ich stolpere, nur inhaltlich habe ich Schwierigkeiten. Am Anfang hast du einen guten Zug, aber als deine Prota dann im Cafè sitzt, bekommt der Text für mich Längen.

Einerseits finde ich es schon rührend, wie sie mit der Palme einen Bezug zu sich selbst herstellt, über die eigenen Unzulänglichkeiten sinniert und damit die Welt ein bisschen besser machen will. Schöne Idee. Nur die Umsetzung ist für meinen Geschmack zu sehr auf die Tränendrüse gedrückt. Da fehlt mir irgendwie der Pep, und es zieht sich für mich etwas in die Länge. Schade, denn die Idee finde ich eigentlich gut.

Liebe Grüße schickt Chai

 

Hallo und guten Morgen Chai,
ich bin zu recht gerügt worden, dass ich deinen Beitrag nicht kommentiert habe. Das hat technische Gründe. Natürlich hatte ich dir direkt auf deinem freundlichen und sehr netten Kommentar geschrieben. Auch, dass ich die Geschichte am überarbeiten bin, dass aber seine Zeit benötigt, weil die zentrale Idee scheinbar noch nicht reif ist. Und dann hat das System meine Antwort einfach verschluckt. Das macht es öfter, weswegen ich mir angewöhnt habe, die Antworten erst zu kopieren, bevor ich den Antwortbutton drücke. Keine Ahnung warum, das passiert. Tut mir wirklich leid. Ich werde künftig besser kontrollieren, ob alles auch abgesandt ist.
Bste Grüße
Heike

 

Und dann hat das System meine Antwort einfach verschluckt. Das macht es öfter, weswegen ich mir angewöhnt habe, die Antworten erst zu kopieren, bevor ich den Antwortbutton drücke. Keine Ahnung warum, das passiert.

Guten Morgen, Heike,

Schau mal, ob du den Knopf "angemeldet bleiben" (oder so ähnlich) angehakt hast, wenn du dich bei den Wortkriegern anmeldest. Wenn ja, dann wirft dich das System nicht mehr zwischendurch heraus.

Offline schreiben und dann ins Onlinefenster hineinkopieren ist aber sowieso immer die beste Idee. Das kann ich generell empfehlen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo GoMusic,
das ist eine sehr gute Idee. Ich hatte schon den Verdacht, dass es mein Anmeldestatus ist, der mich hin und wieder raus schmeißt.
Heike

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich noch mal,hier hab ich hier hatt' ich

liebe Heike Hatzmann,

hier hatt ich Blödsinn verzapft (bzgl. sowieals Konjunktion und so wie als reiner Vergleich, den ich zu entschuldigen bitte!

Friedel

 

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