Die Kerze
Mit einem gezielten Stoss hatte sie die Kerze ins Wasser gestossen. Kurz nachdem die Flamme der Kerze von den Wogen des Meeres erstickt worden war, begannen dicke Regentropfen vom Himmel zu fallen.
Sie starrte hinaus, hinaus in die Unendlichkeit des Meeres, während der Regen auf ihr Haar fiel.
Warum er denn an manchen Tagen so spät nach Hause komme, hatte sie ihn gefragt. Er mache Überstunden, hatte er geantwortet, und sie hatte ihm geglaubt.
Doch gestern war ihr Sohn krank geworden, es war ihm übel, er hatte Fieber. Nervös hatte sie ihren Mann angerufen, ob er nicht nach Hause kommen und ihn zum Arzt bringen könne. Der Herr Ferrington sei bereits gegangen, um diese Zeit arbeite er doch nie, hatte ihr seine Sekretärin geantwortet. Sie hatte verwirrt aufgelegt, und ihren Mann schliesslich zur Rede gestellt, als er Stunden darauf nach Hause gekommen war. Er... er habe keine Ahnung... Seine Sekretärin arbeite ja nicht mal im selben Büro wie... A-aber trotzdem hätte sie das wissen müssen... Er war puterrot im Gesicht gewesen. Ob es eine Andere gebe, hatte sie gefragt. Als er blinzelte, wusste sie, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
Heute morgen, nachdem er zur Arbeit gegangen war, stand ihr Entschluss fest; als er schliesslich am Abend nach Hause kam, bat sie ihn, sie auf einen Spaziergang auf den Klippen zu begleiten. Heiss war es draussen, sie schwitzten, als sie auf den Klippen liefen. Heute Abend würde es ein Gewitter geben. Das Gewitter in ihrem Innern war bereits gestern losgebrochen. Wie konnte er es wagen, er, der einzige Mann, den sie je geliebt hatte? Er, der Mann, der ihr Leben ausfüllte, der Mann, für den sie gestorben wäre, der Mann, der das Licht in der Dunkelheit ihres Lebens war – ihre Kerze eben?