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Die Kerbe

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21.03.2003
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Die Kerbe

Eine kleine Kerbe. Vor mir im Tisch. Ich sehe sie, sie sieht mich, oder nicht?
Ich weiß es nicht, aber eigentlich wäre es möglich.
Vielleicht will sie auch einfach nicht zeigen, das sie mich sieht.
Hört sie mich?
Sie ist ziemlich klein, Ohren sind nicht zu sehen, aber wer sagt denn, dass Kerben Ohren brauchen um zu hören? Na?
Irgendetwas müssen sie ja können. Bewegung unmöglich?
Ob sie so sein wollte, wie sie jetzt ist, oder ob derjenige der sie verursacht hat, sie so haben wollen?
Fragen über Fragen, wozu gibt es Fragen? Aber Stopp, das gehört nicht hierher, ich schweife ab.
Bleibe ich bei der Kerbe.
Rückwärts wäre sie Ebrek. Oder durcheinander vielleicht auch Beerk oder Kerber. Dann wäre sie keine Kerbe mehr, aber gleichzeitg trotzdem absolut das Gleiche, oder? oder nicht? Ich weiß es nicht.

Sie ist arm dran, diese Kerbe, denn wen interessiert es schon?
Nicht wirklich irgendjemanden. Oder bringe ich sie vielleicht durch diese paar Sätze, für einen winzigen Augenblick in den Mittelpunkt?
Ich würde mich freuen, sie würde sich freuen.
Oder nicht?

Da fällt mir noch eine Frage ein, sozusagen direkt vor die Kerbe, auf den Tisch.
Warum mache ich mir Gedanken über sie, die Kerbe,Keber,Ebrek?
Ein kleines unwichtiges Ding, NEIN, Ding, oder Sache ist es ja nicht einmal.
Ein NICHTS, gefüllt mit Luft und altem Staub, Bestandteil des Tisches, unwichtig, nicht von Interesse, ohne Wert?
Ein NICHTS und doch ein ETWAS.
Ich merke, sie wird unbedeutend, diese Kerbe, zugleich aber so vielfältig.
Doch meine Gedanken schweifen ab, suchen nach Anderem.
Und somit lasse ich die Kerbe Kerbe sein.

 
Zuletzt bearbeitet:

Dass eine Kerbe ein Beobachter sein könnte finde ich relativ unwahrscheinlich. Allerdings halte ich deine Zweifel - ob Realität das ist, was wir gewöhnt sind zu glauben, dass sie ist - für sehr berechtigt.
Ich würde mich übrigens auf die Postition stellen, dass Ebrek und Kerbe das gleiche ist, weil sie auf das gleiche Phänomen verweisen. Alle Sätze die für die Kerbe war sind, wären auch für das "Ebrek" wahr.
Das die Abwesenheit von Etwas, etwas ist, hat Sartre dicke Bücher gewidmet ;)

Ganz lustig, dein Text.

(Anmerkung: Mit "deine Zweifel" meine ich selbstverständlich diejenigen des lyrischen Ichs ;))

 

Hallo Batch Bota,

Hätt nicht gedacht, das sich noch jemand diesen Text durchliest:-)
Das die Kerbe ein Beobachter sein könnte, stellt der Erzähler ja schon selbst in Frage. Das aber Ebrek und Kerbe das gleiche sein sollen, dem kann man nun wirklich net zustimmen:-) Denn wer weiß was ein "Ebrek" ist? jedenfalls keine Kerbe, denn dann würde es ja Kerbe und nicht Ebrek heißen. Aus einem bestimmten Blickwinkel, könnte man vielleicht sagen, das Kerbe und Ebrek dasselbe sind, allerdings sehr fragwürdig,meiner Meinung nach:-)
Das ist schließlich nicht das gleiche wie "Anna", die wäre von hinten wie von vorne das gleiche, nämlich Anna:-)

Trotzdem danke für deine Antwort!

 

Hallo Imke,

ein kleiner, aber interessanter Text, oft übersehene Kleinigkeiten enthalten bei näherer Betrachtung manches Problem.
An sich ändert eine andere Benennung nicht die Qualität eines Objekts.
Wenn jemand die Kerbe anders benennt (ohne eine Fremdsprache zu benutzen) zeigt es, dass das Objekt für ihn keine Kerbe ist, oder Sprachkonventionen gebrochen werden (was ohne neue Regeln sehr leicht zum unsinnigem Chaos führt).
Dies ist das alte Problem, ob etwas unabhängig von Begriffen (unserer Wahrnehmung) ist.
Nach Kant besteht das Erkennen zu einem wesentlichen Teil aus eigenen Zutaten des erkennenden Subjekts.
Dein Protagonist erkennt, wovor auch Wittgenstein warnte, nämlich nicht zu sagen versuchen, was nicht sagbar ist - er `flüchtet´ sich in einen erlösenden Pragmatismus.


Noch zwei Kleinigkeiten „verursacht hat, sie so haben“ wollte.
„Bleibe ich bei der Kerbe“ - bei so einer Satzstellung würde man ein Fragezeichen erwarten (vielleicht: Ich bleibe besser bei der Kerbe).

Tschüß... Woltochinon

 

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