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Die Katze
Die Katze
Warum immer ich? Habe ich nicht schon genug Streß? Erst die Radarfalle und jetzt das! Gleich 16.00 Uhr. Den Termin um 16.10 Uhr werde ich verpassen. Warum muss ich denn gerade jetzt, wo ich kurz vor dem großen Durchbruch mit meinem Kunden stehe, eine Katze überfahren? Soll ich einfach Gas geben und weiterfahren? Dann wäre ich noch rechtzeitig bei meinem Meeting. Nein, dahinten steht jemand, der wahrscheinlich alles gesehen hat. Also aussteigen, Katze mitnehmen und versuchen dem Besitzer sein totes Haustier zurückzubringen. Ich kann an dem verrenkten Katzenkörper ein Halsband ausfindig machen. „Morle, Ginsterweg 6“ ist auf dem daran befestigten Anhänger zu lesen. Einen Namen hat sie also auch. Verflucht, warum muss immer mir so etwas passieren? Da bin ich so kurz davor, das Geschäft meines Lebens zu machen, da muss so etwas geschehen. Jedes mal das gleiche und immer ich. Hoffentlich keine Kratzer im Lack, das Auto ist neu.
Drei mal geschellt und keiner macht auf. Ich will gerade gehen, da öffnet sich die Tür. Eine alte Frau steckt den Kopf heraus. Sie hat graues, langes Haar, viele Falten im Gesicht und schaut mich fragend an. Warum immer ich? Warum ausgerechnet immer ich? Ich hatte sie doch nicht mit Absicht tot gefahren. Was musste mir das blöde Vieh auch vor das Auto rennen? „Hier, ist das ihre Katze?“ stammele ich. „Ich konnte nichts dafür. Sie hätten besser auf sie aufpassen müssen. Wegen ihrer Katze verpasse ich das wahrscheinlich wichtigste Treffen meiner Karriere.“ Sie nahm die Katze, schaute mich eine endlos scheinende Sekunde lang mit tief traurigen Augen an und schloss dann ohne ein Wort zu sagen die Tür. Puh, geschafft. Dummes Mistvieh. Wieviel Uhr? 16.15 Uhr. Wenn ich schnell fahre, könnte ich den Kunden noch antreffen.
Autor: Der arme Poet
Anlass für die Kurzgeschichte: Hausaufgabe mit den Pflichtkriterien „Alte Frau, tote Katze und jemand der die Katze getötet hat (wie auch immer)“