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Die Katze

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19.03.2003
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Die Katze

Die Katze


Dick und fett liegt die Katze vor dem warmen Ofen. Ihre Augen sind halbgeschlossen. Sie rührt sich nicht. Nicht einmal die Barthaare zittern. Man könnte glauben, die Katze sei tot.
Nichts an ihr verrät, ob sie lebt. Kein Lauschen der Ohren, kein behagliches Knurren, kein neugieriges Blinzeln. Wie in Stein gemeißelt erscheint sie dem Betrachter, der schon beharrlich sein muss, um eine Regung der Katze wahrzunehmen. Also versucht der ungeduldige Zuschauer die Katze zu locken. Wie bloß kann man dieses träge Tier aus seiner Starre locken? Mit der Zunge schnalzen? Es klappt nicht. Komm Miez Miez! Es klappt wieder nicht.
Feines Fresschen, komm! Es klappt einfach nicht. Diese Katze ist besonders träge, glaubt nun auch der Beobachter und denkt sich noch mehr aus, um sie aus der Reserve zu locken. Er nimmt einen kleinen Stein und wirft ihn. Plopp! Nichts. Er nimmt einen größeren Stein, zielt und trifft die Katze am Bauch. Endlich eine Reaktion, die Katze öffnet ihre Augen, den Störenfried fixierend. Dann hebt sich einmal kurz der Schwanz. Das war’s. Die Katze ist wieder still und starr vor dem ach so warmen Ofen. Jetzt kann sich der Betrachter entscheiden. Soll er stehen bleiben und weitermachen? Oder soll er lieber weitergehen und diese Katze einfach vergessen. Der Gleichgültige hebt die Schultern und geht weiter. Der Beharrliche bleibt stehen und sieht sie weiter an. Er wartet. Warum wartet er? Warum geht er nicht weiter wie all die anderen? Was denkt er, wenn er dieses so fette träge Tier anschaut.
Er denkt vielleicht, das diese Katze anders ist. Katzen sind doch von Natur aus neugierig, weiß er. Sie sind Jäger in der Nacht und können von einem zum nächsten Moment friedlich oder auch gefährlich wirken. Aber diese Katze wirkt nur faul und träge. Es ist schwer vorstellbar, dass diese Katze auch was anderes kann, als fett vor dem warmen Ofen zu liegen.
Mit diesen Gedanken beschäftigt, versucht der Beharrliche die Katze wieder zu locken. Diesmal wartet er nicht, dass die Katze zu ihm kommt. Er geht zu ihr und streichelt sie. Er weiß nicht, was sie machen wird. Wird sie mich kratzen? Wird sie mich beißen? Die Katze tut nichts von dem. Sie lässt sich kraulen. Irgendwann vernimmt der Beharrliche ein Schnurren oder ist es mehr ein Knurren? Vorsichtig zieht er sich zurück.
Nachdem der Beharrliche gegangen ist, kommt Leben in die Katze. Sie öffnet die Augen, blickt ihm nach. Ihre Glieder zucken kaum merklich. Dann endlich streckt sie sich. Vielleicht erinnert sie sich gerade daran, dass sie eine Katze ist und dass Katzen durch ein Revier stromern, dass sie auf Artgenossen treffen, sich mit denen balgen, kugeln und sogar paaren können. Diese Katze jedoch spürt den warmen Ofen, die Sicherheit ihres Platzes in der Obhut ihres Herrchens.
Was soll sie denn da draußen mit den anderen. Einmal hat sie beim Rumstromern eine Maus erwischt. Stolz hatte sie die Maus Herrchen und Frauchen auf die Fußmatte gelegt. „Igitt!“ hatte Frauchen gerufen und für heftige Unruhe gesorgt bis Herrchen die Maus in die Mülltonne warf. Dann hatte Herrchen mit ihr geschimpft. Es gab am Abend kein Leckerli mehr.
Einmal hatte die Katze einen Kater im Garten getroffen. Er miaute sie an, umschlich sie. Das war ihr unheimlich. Als er sie dann von hinten ansprang und niederdrückte, versuchte sie sich mit aller Kraft gegen ihn zu wehren. Schnell entwand sie sich und flüchtete durch ihre Katzentür ins Innere. Aufgeregt umstrich sie Herrchens Beine. Der liebkoste sie bis sie sich beruhigt hatte.
Ein andres Mal, als Frauchen und Herrchen im Urlaub waren, musste sie in einer Katzenpension untergebracht werden. Dort wurden natürlich auch andere Katzen beherbergt. Es kam wie es kommen musste. Eine Getigerte kam an ihren Fressnapf und drängte sie weg. Sie wunderte sich und wollte zurück an den Napf. Plötzlich schlug die Getigerte mit ausgestreckten Krallen nach ihr. Autsch! Das tat weh. Es blutete. O Je, was für ein Schmerz. Keiner kam zum trösten. Die Katze konnte nicht mal selbst ihre Wunde lecken, weil diese für sie unerreichbar am Ohr war. Es war die grauenvollste Erfahrung ihres Katzenlebens.
So schön am Ofen, da kann nichts passieren. Ab und zu kommt einer, ein Besucher von Herrchen und Frauchen, bleibt stehen und neckt sie. Aber meistens gehen sie schnell wieder fort.
Der Beharrliche kommt ein Mal in der Woche vorbei. Er bleibt bei dem monströsen Tier stehen und schaut es an. Er spricht sie an. Er hat eine nette wohltönende Stimme. Diese Stimme ist so schön, dass die Katze sich freut, wenn er mit ihr spricht. Sie hört ihm gerne zu. Er sieht es daran, dass die Katze die Ohren aufstellt.
Nach einigen Wochen, ist die Katze so an den Beharrlichen gewöhnt, das sie auf ihn wartet, dass er vorbeikommt. Er bleibt stehen, spricht mit netten Worten auf sie ein. Die Katze blinzelt mit den Augen und schlägt mit dem Schwanz um sich. Der Beharrliche ist klug genug, jetzt nicht auf die Katze zuzugehen.
Nachdem er gegangen ist, springt die Katze auf und will ihm nach. Doch am Zaun, der Grenze ihrs Reviers macht sie halt. Sie besinnt sich auf die Gefahren und kehrt um. Sie geht zu ihrem gut gefüllten Fressnapf, schlingt ihre Portion hinunter und legt sich wieder vor den Ofen.
Faul und träge liegt sie da, scheinbar. Denn ihr innerstes Katzenwesen rumort in ihr. Sie zittert. Sie zittert so sehr, dass Frauchen sie zum Tierarzt bringt. Die Katze sei zu dick! Er appelliert an Frauchens Tierliebe. Ein Diätplan wird aufgestellt. Die Katze muss raus! Bewegung braucht ein gesundes Tier!
Der Katze wird Angst und Bange. Sie spürt, etwas Ungewohntes wird ihr bisheriges Leben umkrempeln. Sie sträubt sich! Sie fährt ihre Krallen aus! Sie beißt zu! Den Tierarzt erschüttert das nicht.
Zuhause angekommen, sucht die Katze ihren Napf. Der ist leer! Miauend umstreicht sie Frauchens Beine. Umsonst. Nur Wasser wird ihr gereicht. Zum ersten Mal in ihren Katzenleben spürt das fette Vieh Wut! Frauchens Sofa wird zerrissen und das Tier ist so in Rage, dass es schon die Vasen umschmeißt. In der Küche wird Essbares aufgestöbert und verschlungen. Dann versteckt sie sich, das Luder. Herrchen ist böse. Seine Stimme klingt furchtbar. Er sucht sie, packt sie roh am Kragen als er sie gefunden hat und schmeißt sie hinaus in die Finsternis. Miau jault sie, unverstanden, und ungeliebt.
Heute kommt wieder der Beharrliche erinnert sie sich in ihrer Not. Als er endlich da ist, geht sie auf ihn zu, miaut klagend ihr Leid und erwartet hochgehoben und liebkost zu werden.
Der Beharrliche denkt jedoch nicht daran. Er umschmeichelt sie eine Weile mit seinen liebkosenden Worten. Die Katze umstreicht seine Beine miauend und begehrlich. Der Beharrliche lacht, weicht einen Schritt zurück, holt mit dem Bein weit aus, um sie dann einem heftigen Fußtritt in den Bach zu schleudern.
Überrascht von diesem Moment der Gewalt kann die Katze keinen rettenden Halt mehr finden. Das Letzte woran die Katze noch denkt, bevor sie in der Flut versinkt, ist: „Hätte ich ihm doch nie zugehört.“

 

Hallo Goldene Dame,

eine schöne Fabel, in einem angenehm lesbaren Stil ist Dir da gelungen. Die Bequemlichkeit gibt Sicherheit, aber beinhaltet auch das Risiko des (auch geistigen) Verfettens, und der Reduzierung von Möglichkeiten. Wenn man dann aus einer falsch interpretierten Situation heraus dem beharrlichen Verführer folgt...
(Wobei man eine ganze Reihe von Verführern ausmachen könnte, die in Deine Geschichte einsetzbar wären).

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

vielen Dank für deine Interpretation meiner Fabel, die mir zeigt, dass meine Intension aus der Geschichte herauszulesen ist.
Da dies meine erste Fabel ist, freue ich mich besonders, dass sie bei dir gut an gekommen ist.

Nochmals Danke

Goldene Dame

 

Hallo Petra,

ich habe nun endlich die Zeit gefunden, Deine kleine Fabel zu lesen. Deine Geschichte liest sich sehr flüssig und man kann sich gut vorstellen, wie die träge Katze am Ofen liegt und in Faulheit und Bequemlichkeit versinkt. Woltochinon hat schon darauf hingewiesen, wie wir alle in der Gefahr des "geistigen Verfettens" leben. Diese Parallele hast Du gut aufgezeigt.

Dass mir die Geschichte trotzdem nicht so besonders gefallen hat, liegt wahrscheinlich hauptsächlich an meiner Katzenabneigung. Ich hätte sie wahrscheinlich schon wegen des Titels nicht gelesen, wenn nicht unsere Lesung bevorstehen würde und Du dort diese Fabel lesen würdest.

Ein paar Kleinigkeiten sind mir aufgefallen:

1. Zu Beginn verwendest Du sehr oft die Wörter "diese / dieser / dieses". Ich glaube, es täte der Geschichte gut, wenn Du ein paar dieser Stellen umformulieren würdest.

2. "Ein andres Mal, als Frauchen und Herrchen im Urlaub waren, musste sie zu anderen Menschen." Das ist mir zu umgangssprachlich, ich würde lieber schreiben: sie mußte zu anderen Menschen ziehen, bei anderen Menschen wohnen oder etwas in der Art.

3. "Sie spürt (Komma) etwas Ungewohntes wird ihr bisheriges Leben umkrempeln."

4. "Das letzte (Letzte groß)woran die Katze noch denkt, bevor "

Liebe Grüße
Barbara

 

Hallo Barbara,
Ich freue mich, dass du dich mit meiner Geschichte auseinandergesetzt hast. Ich muss gestehen, ich bin auch keine Katzenliebhaberin. Vielleicht habe ich auch deshalb dieses Tier gewählt, um es mit unliebsamen Charakterzügen auszustatten.

Die von dir aufgezeigeten Fehler im Text, werde ich natürlich ändern;)

Liebe Grüße
Petra:)

 

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