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Die Katastrophe
Die Katastrophe
Der Januar des Jahres 3004 war angebrochen.
Endlich hatten sich die Menschen zur Vernunft durchringen können und eingesehen, dass angezettelte Kriege nichts mehr bewirken konnten, da fast alle Staaten im Besitz von Bomben waren, gegen deren ungeheure Wirkung sich die noch in alten Geschichtsbüchern manchmal erwähnte "Hiroshima"- Bombe wie eine Knallerbse ausnahm.
Zwar hatte es in den vergangenen Jahrhunderten noch kleinere Gefechte gegeben, die auch mehrere Millionen Tote gefordert hatten, aber zum Untergang der Erde hatten diese nicht geführt.
Die Weltstaat-Regierung hatte auch das Problem der Übervölkerung in den Griff bekommen, weil schon seit etwa 600 Jahren jeder neugeborene Junge sofort mit einem Medikament behandelt wurde, welches dafür sorgte,
dass er nur dann später zeugungsfähig werden konnte, wenn ihm ein Gegenmedikament zum Zeitpunkt der
Geschlechtsreife injiziert wurde.
Dieses Gegenmedikament wurde ihm aber staatlich kontrolliert nur dann verordnet, wenn ein naher Verwandter verstorben war - und sobald ihm die Vaterschaft glückte, wurde er zwangsweise wieder gegen weitere Vaterschaft geimpft - so konnte man dafür sorgen, dass die Verzehnfachung der Menschheit seit dem Jahre 2400 wenigstens stabil gehalten werden konnte.
Man hatte die Namensgebung für Menschen aus Gründen der besseren weltweiten Transparenz schon seit 2300 abgeschafft und es war genau an diesem Morgen, wo der Wissenschaftler Nr. 30 502 615 734, der von seinen Freunden nur "734" genannt wurde, eine gewaltige Entdeckung machte.
Eine von ihm entwickelte brennbare Flüssigkeit in Wasser gegossen bewirkte nämlich, dass sich das Wasser in eine ebenfalls brennbare Flüssigkeit verwandelte und zwar entstand genausoviel brennbare Flüssigkeit
wie Wasser zur Verfügung stand.
734 war ausser sich vor Freude, denn bei der Verbrennung des umgewandelten Wassers zeigten sich keinerlei
schädliche Gase, kein Geruch, keine giftigen Rückstände - es war leicht entflammbar und damit ideal geeignet
für Brennstoffzellen in Klimaanlagen, die die riesigen Bürostädte im Sommer kühlen sollten, denn die Außentemperaturen waren im Schnitt weltweit weitere 2 Grad angestiegen.
Natürlich war er verpflichtet, diese Entdeckung sofort zu melden, aber er wollte noch einmal genau überlegen,
welche Folgen seine Entdeckung wohl haben könnte.
Deshalb füllte er seine neu entdeckte Lösung in ein winziges Fläschchen und steckte sie in seine Manteltasche, weil er zuhause noch etwas damit experimentieren wollte, sprach in den Abmeldecomputer noch einen Code für die Gewährung eines halben Tages Urlaubes und fuhr mit der führerlosen Bahn nachhause.
Die Bahn war wie üblich total überfüllt und irgendeine üble Gestalt rempelte ihn beim Aussteigen an einer Haltestelle unsanft an.....
Als sich die führerlose Bahn wieder in Bewegung setzte, griff 734 noch einmal in seine Manteltasche und wurde kreidebleich.
Die Tasche war leer.
*
Einige Stationen zurück griff ein zerlumpter Mann in seine Tasche um die Beute zu betrachten, die er noch kurz vor dem Aussteigen in einer der führerlosen Bahnen gemacht hatte.
Immerhin schien ihm ja wohl mit dem Griff in die Tasche eines Fahrgastes die Erbeutung eines Drinks gelungen zu sein - aber bevor er einen Schluck nahm, roch er an der Flasche.
Mist - auf jeden Fall war es kein Alkohol, denn es roch überhaupt nicht - es fehlt ausserdem ein Etikett auf dem
Fläschen.
Schlecht gelaunt warf er das seltsame Ding durch einen Gullydeckel in einen Abwasserkanal.
Nur ein leichtes Klirren war zu hören.
Einige Straßen weiter direkt am Hafen stand der Arbeiter 211 502 687 am Beckenrand der Kläranlage und
gönnte sich eine Zigarette zur Mittagspause.
Als die Fabriksirene für die Nachmittagsschicht heulte, sorgte er mit einem Knopfdruck auf seinem tragbaren Computer dafür, das sich das grosse Schleusentor zum Hafenbecken öffnete, damit der Inhalt des geklärten Beckens ins Meer laufe konnte.
Dann warf er seine brennende Zigarettenkippe in das auslaufende Wasser.
© K. Briesemeister Lingen, 04.03.2003 02:07:35