Was ist neu

Die Junghexe

Mitglied
Beitritt
12.04.2003
Beiträge
8

Die Junghexe

Das Paket kam mit der Morgenpost. Es unterschied sich in nichts von den Tausenden anderer Pakete, wie sie die Postboten tagtäglich austragen. Mit diesem aber hatte es eine besondere Bewandtnis – eine ganz besondere.

Als Absender war schlicht der Name eines Verlages aufgedruckt. Zufrieden, dass weitere Angaben fehlten und niemand ahnen konnte, von welcher Art der Inhalt war, ließ sich Sara in die blaue Ledercouch ihres Wohnzimmers sinken. Vor ihr auf einem gläsernen Tischchen lag ein Messer. Genau genommen handelte es sich um einen Dolch, mit einer Klinge aus Edelstahl und einem Griff aus Elfenbein, dessen Ende zu einem kleinen Drachenkopf ausgeformt war. Sara balancierte das Paket auf ihren Knien und als sie sich vorbeugte, um nach dem Dolch zu greifen, fielen lange dunkle Haare in ihr Gesicht. Der gelbe Morgenmantel, den sie nach einem heißen Bad nur lässig über die Schultern geworfen hatte, öffnete sich einen Spalt breit. Sara achtete nicht darauf. Sie war allein und genoss die erfrischende Kühle der Morgenluft auf der erhitzten Haut. Ihr Interesse galt einzig dem Paket, das sie nun begann auszupacken.

Nach und nach förderte sie Kerzen und Räucherwerk, Öle und Amulette zu Tage und breitete alles fein säuberlich auf dem Tischchen neben dem Dolch aus. Endlich fand sie am Boden der Schachtel das Buch. Sie hob es mit einer zärtlichen Bewegung heraus, strich andächtig mit den Fingern über den harten, geriffelten Einband und begann darin zu blättern.

„Blessed be!“ stand in Zierschrift auf der ersten Seite. In ihren Ohren hallten jene Worte wieder, mit denen sie zwei Wochen zuvor von den anderen Frauen verabschiedet worden war.

Mit einer heftigen Kopfbewegung schüttelte Sara ihr Haar in den Nacken. Sie legte das Buch für einen Moment auf ihren Knien ab und griff nach einem Säckchen mit getrockneten Kräutern. Kaum hatte sie begonnen am Inhalt zu schnuppern, als ihr scharf der Duft nach Minze in die Nase stieg; jener würzige Duft, der damals den kleinen Raum erfüllt hatte, als sie in einer Wanne ein heißes Vollbad mit Kräuteressenzen nahm, um sich auf das große Ritual vorzubereiten. Mit einem Mal vermeinte sie auch, wieder den feurigen Geschmack des dunklen Gebräus zu schmecken, das ihr Carrie gereicht hatte. Und sie erinnerte sich wieder an das weiche Licht, das ein fünfarmiger Kerzenleuchter im Bad verströmt hatte.

Saras Gedanken begannen abzuschweifen. Bilder tauchten auf, wie sie in jener Vollmondnacht im Juni von Carrie in den Hof eines alten, verlassenen Bauernhauses geführt und dort allein gelassen worden war. Nur das Zirpen der Grillen und das Raunen der umgebenden Wälder war zu hören. Ein warmer Südwind spielte mit dem Saum des knielangen, weißen Seidenkleidchens, das von dünnen Spagettiträgern auf Saras Schultern festgehalten worden war. Während die Minuten quälend langsam verstrichen, beobachtete sie den Tanz der Schatten, die vom flackernden Licht der an den Mauern befestigten Kienspäne über die Wände geworfen wurden.

Es sollte eine Viertelstunde dauern bis endlich die kleine Firstglocke mit zartem Klang zur Geisterstunde rief. Gleich darauf trat eine großgewachsene Frau, bekleidet mit einer schweren, goldbestickten Robe, aus einer Tür des gegenüber liegenden Gebäudes und schritt bedächtig auf das genau in der Mitte des Hofes mit Granitplatten ausgelegte Pentagramm zu. Sara beobachtete gespannt, wie die Frau ihre Robe ablegte und sich in der Mitte des Symbols aufstellte. Sogar das Zirpen der Grillen verstummte, als die Frau ihren „Athame“, den schwarz gefärbten Dolch aus Elfenbein in die Höhe streckte und ruhig verharrte; eine schlanke Gestalt, die sich im silbrigen Mondlicht deutlich gegen das Dunkel des gegenüberliegenden Gebäudes abgehoben hatte.

Oft und gern hatte Sara in den vergangenen Tagen an diese Momente zurückgedacht. Mit einem leisen Seufzer legte sie das Säckchen mit den Kräutern wieder zur Seite und begann im Buch weiter zu blättern.

„Eko; eko; Azarak, Eko; eko; Zomelak ...“ Worte sprangen Sara ins Gesicht. Genau jene Worte mit denen die geheimnisvolle Frau ihr Ritual eingeleitet hatte um kurz darauf, dem Lauf der Sonne folgend, im Kreis zu tanzen; zunächst verhalten, elegant und grazil, dann immer wilder, immer heftiger, immer leidenschaftlicher. Und plötzlich hatte die Frau in ihrer Bewegung innegehalten, Sara mit festen Blick fixiert und ihr mit einer Handbewegung bedeutet, in den Kreis zu treten.

Bei der Erinnerung, wie sie sich ohne zu zögern den Regeln des Rituals gebeugt und die Spagettiträger von ihren Schultern gestreift hatte, vermeinte Sara noch einmal das Rascheln der weichen Seide zu hören, als damals das Kleid an ihrem Körper entlang zu Boden geglitten war. Zarte Röte war in ihrem Gesicht aufgeflammt, während sie sich in vollkommener Nacktheit der geheimnisvollen Frau näherte, um demütig wie ein Opferlamm alle rituellen Handlungen vornehmen zu lassen...

„Fre-res-Jac-ques! Fre-res-Jac-ques ! » Die Türklingel. Sara schreckte aus ihren Gedanken hoch, raffte ihren Morgenmantel fest zusammen und eilte zur Tür.

„Carrie!“ rief Sara erfreut, als sie ihre neue Freundin erkannte. „Merry meet!“

„Merry meet!“ antwortete Carrie. Sekunden später umarmten sich die beiden Frauen. „Wie geht’s dir? Hast du dich in deinem neuen Leben als Hexe schon eingewöhnt?“

„Ja und jetzt geht’s richtig los. Heut’ hat mir der Postbote endlich das Buch der Schatten gebracht und einige andere Gegenstände, die mir noch gefehlt haben. Komm rein’ ich zeig dir meine Sammlung!“

Sara führte Carrie ins Wohnzimmer. Nach einer Weile begannen die beiden Frauen, den Raum für ein gemeinsames Ritual zu arrangieren – ein Ritual, das Ausgangspunkt werden sollte, für einen ersten gemeinsamen Trip in die sagenumwobene Anderwelt.

 

Hi Scritto und herzlich willkommen auf KG.de :anstoss:

Zu Deiner Geschichte kann ich leider nicht viel sagen - sie wirkt lediglich wie eine Vorgeschichte für etwas längeres, beinahe wie eine Einleitung. :confused:
Bezeichnenderweise liegt im letzten Satz erst der eigentliche Anfang:

Nach einer Weile begannen die beiden Frauen, den Raum für ein gemeinsames Ritual zu arrangieren - ein Ritual, das Ausgangspunkt werden sollte, für einen ersten gemeinsamen Trip in die sagenumwobene Anderwelt.

DAS ist es doch, was den Leser jetzt interessiert, oder nicht? Natürlich ist es auch wichtig erfahren wie Sara zu ihrem Hexendasein gekommen ist, aber nun beginnt sie doch erst damit praktisch einzusteigen in die Materie, und das willst Du dem Leser vorenthalten? :shy:

Gruß, Ginny

 

Hy Ginny

Danke für deine Kritik.

Genau so wie Sara im Hexenleben, muss ich mich beim Geschichten schreiben noch ein wenig zurecht finden.:)

Die Junghexe ist mein erster eigener Text. Und hier habe ich gleich eine Frage an Dich als Moderator:

Wie umfangreich, zeichenmäßig, dürfen Geschichten maximal sein? Ich habe nirgends eine Angabe gefunden.

Ganz sicher werde ich erzählen, wie es Sara im Hexenleben weiter ergehen wird. Aber dann möchte ich einzelne abgerundete Kurzgeschichten auf meine Seite stellen.

Gruß Scritto:)

 

Hallöchen nochmal,

eine Umfangsgrenze für Geschichten gibt es hier nicht, die Zeichen werden also nicht gezählt. ;-)
Die Seite ist zwar für Kurzgeschichten gedacht, aber hier wird der Begriff etwas weitre ausgedehnt, also zählt nicht nur die klassische Variante dazu. Du wirst hier locker Stories finden, die Dutzenden von Seiten füllen.
Unabgeschlossene Geschichten wandern normalerweise in die Rubrik "Serien".

Dafür dass es Deine erste Geschichte war hast Du sie mM nach gut geschrieben und ich guck sie mir gerne nochmal detaillierter an; wollte nur erstmal wissen ob das tatsächlich schon das Ende sein soll. ;-)
Schaff ich nur jetzt nicht mehr, weil ich gleich ins Kino fahre. :D

Liebe Grüße
Ginny

 

Hallo Scritto,
deine Gechichte war angenehm zu lesen, da du sie in einem flüssigen Stil geschrieben hast. Ich schliesse mich aber Ginnis Meinung an, dass sie eher wie eine Einleitung wirkt. Schreibe sie doch einfach noch weiter und poste sie dann in Serien. Ich würde schon gerne lesen, was deine Junghexe noch so alles erlebt.
Liebe Grüsse
Blanca

 

Hi, Scritto!

Stimmt. Eine Art Fortsetzung sollte es schon noch geben. Ansonsten ist die Geschichte wirklich in Ordnung und auch gut zu lesen (Absätze und co.) Mach weiter so! ;)

Caro

 

hallo scritto,
klasse geschichte! sollte aber wirklich noch weitergehen.
ich hoffe du veroeffentlichst hier noch ein paar mehr folgen der junghexe.
lieben gruss, tim

 

Hallo timibert

Danke für Dein Kompliment.

Es wird sicher weitere Geschichten von Sara auf kg.de geben. Doch möchte ich eine neue Art von Hexe gestalten, die sich deutlich von amerikanischen Figuren wie sie in den Fernsehserien Charmed oder so ähnlich vorkommen, unterscheiden soll. Ich bin dazu gerade beim Recherchieren.

Die Junghexe ist von mir vielleicht etwas voreilig gepostet worden. Deshalb bitte etwas Geduld.

Schöne Grüße
Klaus

 

Hi Scitto,

die Geschichte liest sich wirklich gut und ich kann mir kaum vorstellen, daß es Deine erste ist... ;) Aber ich muß mich den vorherigen Meinungen anschließen; die Geschichte hört genau da auf, wo sie eigentlich hätte anfangen sollen... Das ist etwas schade. Würde mich freuen, wenn Du sie weiterschreiben würdest!

Griasle,
stephy

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom