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Die Jagd

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08.07.2012
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Die Jagd

Åke hatte das Gewehr entsichert, und nun schlug er an. Während er zielte, wagte ich nicht, das Fernglas zu heben, ja nicht einmal zu atmen. Mein Blick heftete sich auf den Hirsch, der etwa achtzig Meter entfernt auf einem sanft ansteigenden Hang zwischen kleinwüchsigen Hemlocktannen äste. Als der Schuss krachte, sah ich, wie ein Ruck das Tier durchzuckte. In einer blitzartigen Bewegung krümmte der Hirsch den Rücken, schlug mit den Hinterläufen aus und sprang davon.
"Getroffen!" Åke warf Jon über den Schaft des Gewehrs hinweg einen triumphierenden Blick zu, doch unser Jagdführer musterte ihn mit ernstem Gesicht. Obwohl ich ein ebensolcher Jagdanfänger wie mein Freund war, wusste ich, dass Åke einen Fehler begangen hatte.
"Nicht gut", sagte Jon.
Wir kannten den jungen Indianer, der zum Volk der Tutchonen gehörte, erst seit ein paar Tagen. Trotzdem glaubte ich zu spüren, was in Jon vorging - Åke schien einer dieser typischen Jagdtouristen zu sein, denen bei ihrem ersten Schuss die Nerven durchgingen, weil es ihnen an Praxis und Erfahrung mangelte.
Während des einwöchigen Kurses, den wir gerade absolviert hatten, um die Lizenz für das Jagen in British Columbia zu erwerben, war der Ausbilder mehrere Male auf den Clean Kill zu sprechen gekommen. Eine Grundregel beim Antragen eines sauberen Schusses bestand darin, seitlich an das Wild heranzugehen oder darauf zu warten, dass es sich von selbst breit stellte. Nur so konnte ein sicherer Schuss auf die Kammer, die Brusthöhle, abgegeben werden, der das Herz und beide Lungenflügel durchschlug.
"Keine Ahnung, wie die Jäger in Schweden schießen", sagte Jon, "aber hier feuern wir niemals spitz von hinten auf ein Tier."
Åke sicherte das Gewehr. Sein Blick sagte mir, dass er die Einschätzung unseres Guides nicht teilte.
"Klar, war ein Risiko. Aber ich hatte ihn sauber im Visier."
"Hast du den Kugelschlag gehört?", fuhr Jon unbeirrt fort.
Åke schulterte das Gewehr und rieb sich den Nacken. "Nein, ich …"
"War ein dumpfes Geräusch", sagte Jon. "Glaube, die Kugel hat die Eingeweide getroffen."
Ich wusste, was das bedeutete. Es stellte das Äquivalent zum berüchtigten Bauchschuss dar, von dem Kriegsveteranen so oft sprachen. Bei einem Treffer im Bereich der Eingeweide gelangte Darminhalt in die Bauchhöhle, was Infektionen und einen langsamen, qualvollen Tod nach sich zog.
"Wenn wir dieses Tier nicht finden", sagte Jon, "wird es sehr leiden."
Åke schien nicht gewillt, klein beizugeben. "Aber er stand ja ganz ruhig. War sicher ein tödlicher Schuss." Er machte eine Geste hinüber zum Hügel. "Bestimmt liegt er dort schon irgendwo zwischen den Tannen."
Mir fiel ein, dass ich vergessen hatte, ein Foto von unserer ersten Pirsch zu schießen. Nachdem Jon den Weißwedelhirsch entdeckt hatte, war alles so schnell gegangen. Natürlich konnte ich noch immer eine Aufnahme von Åke und dem erlegten Tier machen, sobald wir es endgültig zur Strecke gebracht hätten, aber eigentlich plante ich, eine ganze Serie von packenden Jagdfotos anzufertigen.
Ohne auf Åkes Einwand zu reagieren, sagte Jon: "Noch etwas. Du darfst niemals auf ein Tier feuern, das den Kopf gesenkt hält. Hast du doch im Kurs gelernt oder nicht."
Ich staunte über Jon. Er war anders, als ich mir einen Indianer vorstellte. Gemäß meiner romantischen Projektionen erwartete ich einen wortkargen Einzelgänger, einen verschlossenen Waldläufer und Schamanen, jemanden in dessen Äußerungen man nach der tieferen Bedeutung suchen musste. Doch Jon sprach ganz klar aus, was gesagt werden musste.
"Wenn der Hirsch beim Treffer den Kopf hochreißt, schiebt sich die Haut über die Schussöffnung und verschließt sie. Bei einem Kammerschuss verzögert sich dann das Kollabieren der Lungen, und es verringert den Blutaustritt. Das angeschossene Tier lebt länger, flüchtet, und die Nachsuche wird schwierig."
Obwohl Åke gleichgültig tat, sah ich, wie hart ihn Jons Zurechtweisung traf.
Wir kannten uns seit der Kindheit, waren in Stockholm zusammen auf die Schule gegangen und hatten, jeder auf seine Weise, mit den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens gekämpft. Während ich mich damit herumschlug, den Erwartungen meiner Mutter gerecht zu werden, die meine Schulleistungen und auch meine außercurricularen Aktivitäten streng überwachte, setzte Åke alles daran, den Draufgänger zu spielen.
Er war der erste Achtklässler unserer Schule, der einem Jungen aus der Zehnten die Nase blutig schlug. Egal, ob es ums Masturbieren, Rauchen oder Mädchenküssen ging, Åke hatte es schon gemacht, bevor ich oder ein anderer Junge unserer Klasse auf die Idee kam. Und so, wie ich die Liebe und Anerkennung meiner Mutter durch Fügsamkeit und Anpassung zu gewinnen suchte, so warf sich Åke in die rebellische Pose, um von der ganzen Schule bewundert zu werden.
Doch wir waren keine Jungen mehr. Jons Autorität hatte Åke nicht viel entgegenzusetzen. "Gehen wir ihn suchen?", fragte er schließlich kleinlaut.
"Ja, aber noch nicht jetzt", erwiderte Jon. "Wir werden ein paar Stunden warten."
Die Nachsuche verlief in gedrückter Stimmung. Obwohl wir auf dem Hügel sofort den Anschuss fanden – einen Spritzer schwarzen Blutes, der tatsächlich auf einen Eingeweidetreffer schließen ließ – ging es danach nur langsam voran. Jon zeigte uns die Fährte des Hirsches. Die dunklen Abdrücke der aufgespreizten Klauen erzählten von einer panikartigen Flucht mit wilden Sprüngen, und der Gedanke an die Qualen des Tieres machte mich traurig.

Obwohl ich nicht auf dem Land, sondern in Stockholm aufgewachsen war, kannte ich viele Jäger. Einige von ihnen waren Freunde meiner Eltern, andere gehörten zu unserer Verwandtschaft. Ich hatte Notwendigkeit und Nutzen der Jagd niemals in Frage gestellt, und deshalb nahm ich nach kurzem Zögern auch Åkes Einladung an, der mich an einem Sommerabend aus London anrief und mit dieser abenteuerlichen Idee verblüffte.
"Ich schufte jetzt seit zwei Jahren ohne Unterbrechung", sagte er. "Wird Zeit, mal aus dem CBD rauszukommen. Lass uns im September für drei Wochen nach Kanada fahren."
Für mich stellte das Leben in Londons Central Business District eine ferne und fremde Welt dar. Ich wusste zwar, wie hart Åke dafür gearbeitet hatte, in der Finanzmetropole als Broker Fuß zu fassen, aber ich verstand nicht, was mein Freund in seinem Job tat. Unsere Wege hatten sich an dem Tag getrennt, als Jenny meine Frau wurde. Obwohl sie niemals schlecht von Åke sprach, bestand für mich kein Zweifel darin, dass sie ihn verachtete. In ihren Augen war er ein egoistisches, monomanisches Monster, das sich einen Teufel um andere Menschen scherte und nicht zögerte, ein paar Tausend Anleger über die Klinge springen zu lassen, wenn ihm das am Jahresende einen hübschen Bonus sicherte.
Während ich durch die herbstliche Taiga trottete, wurde mir klar, wie wenig ich mittlerweile von dem Menschen wusste, der fünfundzwanzig Jahre zuvor meine Freundschaft durch einen Akt persönlichen Verzichts gewonnen hatte. Lena, ein Mädchen mit lustigen Sommersprossen und spitzen Brüsten, dem selbst die Jungen aus den höheren Jahrgängen hinterher gafften, teilte uns beiden damals mit, sie würde sich für einen von uns entscheiden, wenn wir uns einigten. Zunächst stritten wir uns, aber nach kurzem Hin und Her zuckte Åke schließlich mit den Schultern und sagte: "Wenn es so wichtig für dich ist, dann nimm sie." Die Großzügigkeit dieser Geste beeindruckte mich ungeheuer.
Ich blieb stehen, um einen Schluck aus meiner Feldflasche zu nehmen, und mir wurde die tiefe Stille bewusst, die uns umgab. Ein Blick auf die Uhr sagte mir, dass wir dem verletzten Hirsch bereits seit zwei Stunden folgten. Wir waren an diesem Morgen früh zur Jagd aufgebrochen, doch jetzt stand die verhangene Sonnenscheibe schon im Süden. Ich verstaute die Flasche, zog meine Kamera aus der Seitentasche und machte ein paar Aufnahmen von der sumpfigen Landschaft, deren Konturen sich in der Ferne im Dunst verloren. Dann schloss ich zu den beiden anderen auf, die vor einer verkrüppelten Rot-Zeder knieten und den Boden untersuchten.
Als ich näher kam, sah ich Blut, das von den bemoosten Zweigen der Zeder dunkelrot und sämig auf die feuchte Erde tropfte. Jon wandte sich uns zu, legte zwei Finger auf die Lippen und machte eine Geste, die besagte, dass das Tier in der Nähe sein musste. Wir setzten die Rucksäcke auf den Boden. Jon hob seinen Feldstecher vor die Augen und suchte die Umgebung ab.
Das mit Papier-Birken, Fichten und Zedern bestandene Gelände verlief einige hundert Meter eben und wirkte mit seinem staunassen Boden und dem verrottenden Totholz verlassen und trostlos. Über uns zogen Wolkenschleier niedrig dahin. Ich schloss die Augen. Hin und wieder rauschte der Wind in meinen Ohren, aber sonst war es still. Es roch nach feuchter Erde und nach Kiefernharz.
Als ich hörte, dass Jon eine Bewegung machte, sah ich zu ihm. Er wies, noch immer das Fernglas vor den Augen, mit einer Hand in nordwestliche Richtung. Ich folgte seiner Geste und bemerkte eine Baumgruppe, die etwa einhundert Meter entfernt dunkel hinter einer wassergefüllten Senke aufragte. Åke und ich schauten durch unsere Ferngläser.
"Verdammt noch mal", sagte Åke neben mir mit heiserer Stimme, und dann sah ich den Hirsch. Das Tier schleppte sich am Rande der Wasserstelle durch das Unterholz. Ein Teil seiner Eingeweide war herausgeplatzt und hatte sich in den Hinterläufen verfangen. Es war ein grausames Bild, und nur der Gedanke, dass wir dem Leiden des Tieres jetzt ein Ende setzen könnten, half mir über den Schock dieses Moments hinweg.
"Ragnar", sagte Jon leise zu mir, "behalte den Hirsch im Blick." Er setzte das Glas ab, hockte sich bei unserem Gepäck auf die Erde und öffnete das Lederfutteral seines Jagdbogens. "Åke, du wirst mich begleiten." Während Jon die Waffe mit wenigen Handgriffen zusammensetzte, die Sehne aufspannte und seine Pfeile bereit machte, starrte ich durch meinen Feldstecher und beobachtete das verletzte Tier.
Ich sah, wie der Hirsch strauchelte, und für einen Moment schien es, als wären seine Kräfte endgültig erschöpft. Doch er raffte sich wieder auf und bahnte sich seinen Weg durch Tannendickicht und Brombeergestrüpp. Mich schauderte.
Nachdem Jon seine Vorbereitungen abgeschlossen hatte, zeigte ich ihm, wohin sich der Hirsch bewegt hatte. "Du bleibst bei den Rucksäcken", sagte er dann zu mir, gab Åke ein Zeichen, und die beiden gingen los, langsam und tiefgeduckt. Ich beobachtete fasziniert, wie Jon die natürlichen Gegebenheiten der Landschaft nutzte, hinter Büschen und Totholzstämmen Deckung suchte. Immer wieder hielt er inne, um sich zu orientieren und die Windrichtung zu prüfen. Er schien der geborene Pirscher zu sein. Die Gewandtheit seiner Bewegungen, die Besonnenheit und Ruhe, die Jon ausstrahlte, konnte ich nur bewundern. Åke hingegen wirkte so unsicher, dass ich bald befürchtete, er würde den Hirsch aufscheuchen.
Jon machte sich für den Schuss bereit, als sie sich dem Tier auf etwa vierzig Meter genähert hatten. Durch das Fernglas konnte ich beobachten, wie er sich mit Åke durch Gesten verständigte, offenbar, um ihn auf eine bestimmte Jagdtechnik aufmerksam zu machen. Der Hirsch überquerte jetzt ungedecktes Gelände. Er hielt den Kopf tief gesenkt, und man spürte, dass ihn jeder Schritt viel Kraft kostete.
Als Jon den Bogen spannte, stockte mir der Atem, und es geschah etwas Merkwürdiges. Ich hatte die Empfindung, Zeuge eines Geschehens zu sein, dem eine besondere Bedeutung innewohnte. Die Stille dieser abgelegenen und unwirtlichen Gegend, die stumme Qual des Hirsches, Jon, der im Gras verborgen seiner Beute auflauerte – das alles verband sich zu einer einzigartigen und intensiven Erfahrung, in deren Licht mein bisheriges Leben unwirklich und trivial erschien.
Ich hörte einen schrillen Pfiff und sah, wie der Hirsch erschrocken den Kopf hob. In diesem Moment schnellte Jons Pfeil von der Sehne. Der Hirsch machte einen Sprung, taumelte und kippte seitlich ins Gras. Es war vorbei.

An diesem Abend saßen wir am Fuß einer mächtigen Sitka-Fichte vor dem Feuer. Jon hatte die windgeschützte Stelle für unser Nachtlager gewählt. In meine Iso-Decke gewickelt, lauschte ich den Geräuschen des Waldes. Ich war satt und schläfrig; eine gewaltige Portion Ragout aus dem Rückenfleisch des erlegten Weißwedelhirsches lag mir schwer im Magen.
"Wenn du dich entschließt, ein Tier zu töten", sagte Jon plötzlich in das Knistern der Flammen hinein, "übernimmst du eine große Verantwortung." Ich war froh, dass Jon die vergangene Jagd ansprach, denn nachdem er sich beim Aufbrechen des Hirsches und auch Stunden danach strikt geweigert hatte, über die Geschehnisse des Tages zu sprechen, befürchtete ich, die Fragen, die mir im Kopf herumgingen, würden unbeantwortet bleiben.
Die Jäger in Schweden sprachen während hitziger Debatten mit Tierschützern oft über Verantwortung und über etwas, das sie als Respekt vor der Kreatur bezeichneten, aber ich hatte den Eindruck, dass es Jon um etwas anderes ging.
"Die Verantwortung dafür, das Tier nicht leiden zu lassen, ja? Meinst du das, Jon?", fragte ich.
Er antwortete nicht sofort. Offenbar suchte er nach den richtigen Worten.
"Jemand, der sich dazu entschließt, auf die Jagd zu gehen, ist wie einer, der in den Krieg zieht", sagte er schließlich. "Er muss alles zurücklassen, was ihn behindert. Er muss frei und leicht sein. Jede seiner Handlungen ist reine Konzentration."
"Herrgott nochmal, Jon", sagte Åke und scharrte mit dem Absatz seines Stiefels mürrisch in der Erde. "Ich weiß ja, dass ich Mist gebaut habe. Wie lange willst du mir das vorhalten?"
Jon schwieg, doch ich wollte die Chance etwas zu lernen, nicht ungenutzt verstreichen lassen.
"Was meinst du damit, Jon? Was bedeutet es, frei und leicht zu sein?"
"Es bedeutet, sich ganz auf die Jagd einzulassen. Ihr beide seid mit euren Gedanken ständig woanders. Lauft den ganzen Tag durch den Wald, aber bekommt nicht viel mit, von dem, was um euch herum passiert."
Nun war es an mir, zu protestieren. Ich entgegnete, dass ich bereits Dutzende von Fotoaufnahmen gemacht hätte und stets auf der Suche nach ausdrucksstarken Motiven sei. Ich redete mich richtig in Fahrt, doch dann, in einer Art Eingebung, erkannte ich, worüber Jon gesprochen hatte und verstummte. Es ging ihm nicht darum, uns auf die Schönheit der Landschaft aufmerksam zu machen. Es war die Halbherzigkeit unseres Tuns, die er kritisierte.
Verglichen mit Jon waren wir Kinder. Wir hielten es nicht aus, längere Zeit schweigend zu marschieren. Beim Lagerbau schusselten wir herum, bei der Holzsuche waren wir kilometerweit zu hören, weil wir uns nicht die Mühe machten, auf unsere Schritte zu achten. Während Jons Handlungen eine besondere Art von Präzision und Eleganz eignete, tapsten wir wie junge Hunde durch die Wildnis.
Ich wechselte das Thema. "Heute bei der Nachsuche ist mir aufgefallen, dass du einmal nach rechts abgebogen bist, obwohl die Spur geradeaus führte."
Jon sah mich an. Im Schein der Flammen glänzten seine dunklen Augen.
"Ein bisschen hast du also doch bemerkt", sagte er anerkennend. Dann erklärte er, die Fährte, der wir gefolgt waren, hätte ihm gezeigt, dass unser Hirsch rechtsdominant gewesen sei. Wie wir Menschen besäßen auch Hirsche eine stärkere Körperseite, und während einer Verfolgung konnte man den Weg abkürzen, wenn man wusste, in welche Richtung das flüchtende Tier einen Bogen schlug.
Mir wurde bewusst, welcher außergewöhnlichen Fähigkeiten es bedurfte, ein guter Jäger zu sein. Es war lächerlich, das Handwerk in einem einwöchigen Kurs erlernen zu wollen. Åke und mir ging es einzig um das Abenteuer, um das Erlebnis, um eine kurzfristige Rückkehr zu den archaischen Wurzeln des Menschen als Jäger und Sammler. Für Jon war das Jagen und das Leben in der Wildnis offenbar weit mehr.
"Hast du das alles bei deinen Leuten gelernt?", fragte ich.
"Du meinst bei meinem Volk?"
"Ja, bei den Tutchonen", sagte ich.
Jon lächelte, offenbar wegen des Klischees, das hinter meiner Frage steckte, aber er dachte einige Zeit nach, bevor er antwortete.
"Ich habe es bei meinem Großvater gelernt", sagte er schließlich. "Über mein Volk weiß ich nicht viel."
Bevor wir nach British Columbia aufgebrochen waren, hatte ich mich ein wenig mit der Geschichte der kanadischen Indianer beschäftigt und auch mit ihrer aktuellen Situation. Deshalb kannte ich einige der Statistiken, die besagten, dass es in den Gemeinschaften der First Nations viele Probleme gab - Alkohol, harte Drogen, Arbeitslosigkeit und Gewalt. Die rücksichtslosen Machenschaften multinationaler Forstkonzerne, die nicht vor Betrug und Korruption zurückschreckten, um die Rechte der Ureinwohner zu schleifen, verschärften überall in der Provinz den Überlebenskampf der Indianer. Der kriminelle Handel mit den begehrten Holzeinschlagslizenzen hatte solche Größenordnungen erreicht, dass die vermeintlich unberührten Paradiese Kanadas besonders in Küstennähe bereits flächendeckend dem Kahlschlag zum Opfer gefallen waren.
"Dein Großvater war also Jäger?", fragte ich.
Jon nickte und versank erneut in Gedanken.
"Ich finde es großartig, wie du mit dem Bogen umgehst", sagte ich schließlich. "Das würde ich gern lernen."
Jon reagierte auf meine Bemerkung nicht. Er starrte in die Flammen, und ich fragte mich, was in ihm vorgehen mochte. Ich versuchte an diesem Abend noch ein oder zwei Mal, eine Unterhaltung in Gang zu bringen, aber weder Åke noch Jon waren in gesprächiger Stimmung. Also löschten wir bald darauf das Feuer und krochen in unsere Schlafsäcke.

Am nächsten Tag lag eine Wanderstrecke von etwa fünfzehn Kilometern vor uns. Es war der dritte Tag unserer Jagdreise, in deren Verlauf wir hundertfünfzig Kilometer zurücklegen wollten, die verschiedenen Pirschausflüge nicht mitgerechnet. Die Idee, Wandern und Jagen in einem einzigen Abenteuer miteinander zu verbinden, mochte romantisch klingen, aber einmal von der Tatsache abgesehen, dass mir vom Marsch unseres ersten Tages noch die Oberschenkel schmerzten, hatte die Geschichte einen Haken, der erst am Tag zuvor deutlich geworden war. Was geschah mit unserer Jagdbeute?
Jon hatte gestern die besten Stücke des erlegten Hirsches ausgelöst, um uns für die nächsten Tage zu versorgen. Den größten Teil des Fleisches mussten wir jedoch zurücklassen. Åke wollte auf die Trophäe seines ersten Kills nicht verzichten. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Geweih auf seinen Rucksack zu schnallen.
Als ich Jon auf das Problem ansprach, sagte er nach kurzem Zögern: "So zu jagen, ist nicht so gut. Schade um das Fleisch. Aber auch wenn wir den Kadaver zurücklassen, ist es keine Verschwendung. In den nächsten Tagen werden viele Tiere von dem toten Hirsch fressen."
Åke schien sich darüber keine Gedanken zu machen. Er lief an der Spitze unserer kleinen Gruppe, das GPS-Gerät in der Hand. Trotz des Geweihs, das ihn während des Marsches behinderte, schritt er so schnell aus, dass mir allmählich die Luft wegblieb. Ich verstand nicht, was Åke mit seinem mörderischen Tempo beweisen wollte, aber ich verkniff mir zunächst einen Kommentar.
Erst als wir gegen Mittag eine Rast einlegten, bemerkte ich gereizt: "Ich habe das Gehetze satt. Entweder gehen wir jetzt langsamer oder wir trennen uns. Von mir aus könnt ihr ja vorlaufen."
An diesem Tag bemühte ich mich, aufmerksam zu bleiben und mich, so wie Jon es wahrscheinlich meinte, ganz auf das Erlebnis und die Natur einzulassen. Wir durchwanderten eine Landschaft, deren Stille und Schönheit mich faszinierte, aber letztlich konnte ich das Rauschen meiner Gedanken nicht abschalten. Immer wieder kehrte ich zu meinem Leben in Stockholm zurück, zu ungelösten Fragen, zu kleineren und größeren Konflikten in meiner Familie und in meiner Ehe mit Jenny.
Alles zurücklassen, so wie Jon sagte, frei und leicht zu werden, das schien eine besondere Mentalität oder langwierige Übung vorauszusetzen. Ich wusste jedenfalls nicht, wie ich meinen Kopf leer bekommen sollte.
Wir erreichten unseren Zielpunkt bereits am Nachmittag. Nachdem wir unser Lager aufgeschlagen hatten, bot Jon mir eine Unterrichtsstunde im Bogenschießen an. Den größten Eindruck machte mir anfangs die Stärke des Bogens. Ich war kaum in der Lage, ihn zu spannen. Mein Arm zitterte so stark, dass Jon vor Vergnügen auf seine Schenkel schlug und mir lachend empfahl, es lieber mit einer Steinschleuder als Jagdwaffe zu versuchen. Obwohl ich bei dieser ersten Lektion noch nicht dazu kam, einen Pfeil abzuschießen, lernte ich einige wichtige Grundlagen, wie das Einnehmen der richtigen Körperhaltung und das Greifen, Heben und Spannen des Bogens.
Am Abend vor dem Feuer planten wir die Pirsch des nächsten Tages. Da wir bei unserer ersten Jagd viel Zeit durch die Nachsuche verloren hatten, war ich nicht zum Schuss gekommen.
"Ragnar wird morgen beginnen", sagte Jon zu Åke gewandt. "Falls wir am Vormittag Glück haben, kriegst du am Nachmittag deine zweite Chance."
Åke schwieg einen Moment. Ich sah, dass er nicht einverstanden war. Schließlich spuckte er ins Feuer und sagte: "Es gibt noch eine andere Möglichkeit."
Jon und ich sahen ihn verblüfft an.
"Ich schlage vor, wir jagen getrennt", sagte Åke zu Jon. "Du kannst Ragnar begleiten. Ich gehe in die andere Richtung. Wir haben ja GPS. Treffen uns dann am Abend beim Lager wieder."
Jon schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, zu riskant."
"Warum? Glaubst du, ich finde nicht wieder zurück?"
"Du kennst dich hier nicht aus", erwiderte Jon. "Dir könnte ein Schwarzbär über den Weg laufen oder sogar ein Grizzly."
So ging es eine Weile hin und her. Ich verfolgte den Streit der beiden, aber ich wusste, wie er enden würde. Wenn Åke sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ er nicht locker. Gewöhnlich bekam er, was er wollte.

Als ich Åke am nächsten Morgen in nördlicher Richtung davon stapfen sah, erfasste mich eine Unruhe, die ich mir zunächst nicht erklären konnte. Sicher, es lag ein gewisses Risiko in dem Vorhaben. Åke spielte mal wieder mit dem Feuer, denn er kannte sich in dem Gebiet nicht aus, und die Begegnung mit einem Bären konnte durchaus gefährlich werden. Andererseits würden wir nur fünf oder sechs Stunden getrennt sein, und Åke hatte mehr als einmal in seinem Leben bewiesen, dass er sich in heiklen Situationen zurecht zu finden wusste.
Jon und ich schlugen uns östlich des Lagers einige Zeit durch dichtes Unterholz und gelangten schließlich zu einer Ebene, von der Jon behauptete, dass dies ideales Terrain für die Elchjagd sei.
"Aber es gibt hier wenig Deckung", wandte ich ein. "Kaum ein Baum. Werden uns die Tiere nicht bemerken?"
"Wir müssen nur ein wenig Geduld haben", sagte Jon. "Dann kommen die Elche zu uns."
Er hob sein Glas vor die Augen und suchte den Waldrand ab.
"Da hinten", sagte er schließlich. "Das ist eine gute Stelle zum Warten."
Während wir im Schatten von Meerkirschen und Balsam-Pappeln ausharrten und schweigend hinaus auf die im Vormittagslicht flirrende Ebene blickten, kehrten meine Gedanken zu Åke zurück. Ich bewunderte die Energie, mit der er die Dinge anpackte, und je mehr ich über unsere Freundschaft nachdachte, desto klarer wurde mir, wie stark mich dieser Persönlichkeitszug bei ihm seit jeher fasziniert und auch ein wenig mit Neid erfüllt hatte. Im Gegensatz zu Åke zögerte ich häufig, machte mir meine Entscheidungen schwerer als nötig, und dort, wo mein Freund vorwärtsstürmte, plagten mich Ängste vor Veränderung, Risiko und Verlust.
Doch es gab auch eine zweite Wahrheit, die sich mir in den vergangenen Tagen enthüllt hatte, und ich fragte mich, weshalb ich erst jetzt erkannte, was Jenny offenbar seit langer Zeit wusste. Åkes Tatendrang, seine energische, systematische Art, an das Leben heranzugehen, war nicht mehr und nicht weniger, als die Form, in der sich eine erschreckende Gewissenlosigkeit ausdrückte. Das wurde insbesondere deutlich, wenn man ihn mit Jon verglich, der die Welt mit einer besonderen Zurückhaltung zu berühren schien.
Unwillkürlich blickte ich hinüber zu dem jungen Indianer und betrachtete eine Weile sein beschattetes Profil, das sich dunkel und kantig vor der schimmernden Ebene absetzte. Als er sich kurz darauf mir zuwandte und die Augenbrauen hob, dachte ich einen Moment lang, er hätte meine Gedanken erraten, doch dann sagte er leise: "Worauf wartest du? Sie sind da."
Der Schießtrainer des Ausbildungszentrums hatte mir eingeschärft, dass ein Jäger mit seinem Auge stets das Absehen, das Fadenkreuz, scharfstellen musste, nicht etwa das Ziel. Doch ich konnte nicht aufhören, die beiden Elche zu betrachten. Ich lag auf dem Bauch, starrte durch das Glas meines Jagdgewehrs und verfolgte, wie sich die mächtigen Tiere in gemächlichem Tempo durch das Sumpfgras bewegten. Sie waren weniger als einhundert Meter entfernt.
"Zwei Bullen", hörte ich Jons Stimme. "Such dir einen aus."
Der Logik der Trophäenjagd folgend, richtete ich das Fadenkreuz auf den größeren Bullen aus. Es war ein sehr dunkles Tier mit ausgefranstem Kinnbart und einem herrlichen Schaufelgeweih. Obwohl die beiden Elche die Ebene nur langsam überquerten, stellte sich mir die Frage, ob ich vorhalten oder direkt schießen sollte. Ich sprach Jon darauf an.
"Warte, bis der Bulle stehenbleibt", riet er mir. "Ziele auf das Blatt. Lass dir Zeit."
Ich presste den Schaft des Gewehrs gegen meine Schulter und beobachtete, wie der Elch einen Moment lang innehielt, den gewaltigen Schädel schüttelte und dann seinen Weg durch das Gras fortsetzte.
"Verdammt", flüsterte ich. Diese Gelegenheit hatte ich verpasst.
"Entspann dich, bleib aufmerksam", sagte Jon mit ruhiger Stimme.
Im Zielfernrohr tanzte das Fadenkreuz im Takt meines Herzschlags. Ich wusste, dass ich ausatmen musste, um im Moment der geringsten vom Körper verursachten Eigenbewegung zu schießen. Ein geübter Schütze feuert aus einem Zustand tiefen inneren Schweigens heraus, doch ich konnte die Gedanken, die sich in meinem Kopf überschlugen, nicht abstellen. Nach dem Schuss würde es kein Zurück geben. Ich hatte nie zuvor ein Tier getötet, das größer gewesen war, als eine Ratte. Wollte ich das hier wirklich tun?
Während sich der Elch sanft schaukelnd über die sumpfige Ebene bewegte, suchte ich den Druckpunkt des Abzugs. Als das Tier stehen blieb, schob sich mein Fadenkreuz über das Schulterblatt des Bullen. Ich atmete aus, und dann fiel alles von mir ab. Es war, als schaute ich durch das Glas meines Gewehrs in das Herz aller Dinge. Schießen oder nicht, Tod oder Leben, das machte keinen Unterschied mehr.
Ich zuckte zusammen. Vier oder fünf Schüsse peitschten in schneller Folge durch die Stille. Ich sah, wie der Elch eine abrupte Drehung vollführte und blickte über mein Gewehr auf die Ebene. Die beiden Bullen stürmten zurück in den Wald.
Ich schaute zu Jon hinüber. "Was, zum Teufel ..."
Jons Blick bohrte sich in die baumbestandene Landschaft nordwestlich unserer Position.
"Åke", sagte er schließlich und presste verbittert die Lippen zusammen.

Ich schulterte mein Gewehr. Bei dem Gedanken daran, dass dieser Idiot hier wie ein Wahnsinniger herumballerte, damit gegen alle Regeln der Jagd verstieß und so Jon zweifellos veranlassen würde, unseren gesamten Trip abzubrechen, war mir die Lust auf die Elchpirsch vergangen. Und auch Jon drängte mich, sofort nachzuschauen, was Åke trieb.
Etwa eine Stunde später hatten wir Åkes Fährte aufgespürt. Jon betrachtete sie lange. Allmählich fiel mir auf, wie angespannt er wirkte.
"Was ist los?", fragte ich. "Stimmt was nicht?"
In diesem Augenblick wurde mir die eigenartige Stimmung bewusst, die um uns herum herrschte. Wir standen im Dämmerlicht unter gewaltigen Riesen-Thujas und Douglasien. Ihre Äste hingen schwer herab, und ich fühlte feindselige Schwingungen, die scheinbar von den Bäumen ausgingen. Zwar lag das warme, harzige Zedernaroma in der Luft, das ich so sehr liebte, aber in diesem Moment, schien es mir vergiftet. Die tödliche Stille hier im Wald ließ mich frösteln.
Jon brütete noch immer über Åkes Stiefelabdrücken im weichen Boden. Er kniff die Augen zusammen, seine Nasenflügel bebten.
"Ich glaube", sagte er schließlich, "er ist in Schwierigkeiten."
Wir folgten der Fährte bis zu einer kleinen Lichtung. Jon hielt inne, hob die Hand, und wir starrten hinüber zu Åke, der hinter dem Stamm einer umgestürzten Tanne kauerte und mit seinem Gewehr zum gegenüberliegenden Waldrand zielte. Dort, etwa dreißig Meter von unserer Position entfernt, lag der Kadaver eines Tiers, von dem ich annahm, dass es sich um einen Wolf handelte.
Jon stieß einen leisen Pfiff aus. Doch Åke reagierte nicht. Also näherten wir uns langsam, und ich spürte bei jedem Schritt, dass unsere Jagdreise eine dramatische Wendung genommen hatte. Jede Faser meines Körpers bebte im Alarmzustand.
Als Jon Åke sanft an der Schulter fasste, fuhr dieser herum und blickte uns mit einem Ausdruck an, den ich bei ihm niemals zuvor gesehen hatte. Furcht und Entsetzen spiegelten sich in seinen Augen. Åkes Lippen zitterten und mit Bestürzung bemerkte ich die Totenblässe, die auf dem Gesicht meines Freundes schimmerte.
"Was ist passiert?", fragte Jon, doch Åke antwortete nicht. Sein gehetzter Blick heftete sich auf Jon, und ich sah, wie verzweifelt er nach Worten suchte.
"In Ordnung", sagte Jon schließlich. "Beruhige dich, atme durch."
Er machte eine Geste zu dem Kadaver hin. "Ich schau mir das da vorn mal an."
Doch Åke packte ihn und stieß heiser hervor: "Nein, lass uns verschwinden!"
Das Bizarre der Situation war unerträglich. Ich spürte, wie sich mir die Nackenhaare aufstellten. Eisige Schauer zitterten über meinen Rücken.
Jon hatte sich sanft aus Åkes Griff befreit. "Beruhige dich", wiederholte er, drehte sich um und schritt über die Lichtung auf das am Boden liegende Tier zu. Ich verfolgte seine Bewegungen ohne zu atmen. Dann stand Jon wie versteinert vor dem Kadaver. Obwohl ich sein Gesicht nicht sah, glaubte ich, das Grauen zu spüren, das Jon beim Anblick der Kreatur erfasste. Ruckartig wandte er sich um und kehrte zu uns zurück.
Er packte Åke am Arm, zerrte ihn hoch und sagte mit gepresster Stimme: "Wir müssen sofort weg von hier."
Jons Reaktion versetzte mich in Panik. In meinem Bauch zog sich etwas zu einem harten Knoten zusammen und Schweiß schoss mir überall am Körper aus den Poren.
"Was ist los, Jon?" Ich versuchte, meiner Stimme eine Festigkeit zu verleihen, die ich längst verloren hatte. "Was ist das für ein Tier da vorn?"
"Ein Wolf", erwiderte Jon und versuchte, Åke und mich von der Lichtung wegzuziehen. Ich sah, dass er log.
Unser Rückmarsch glich einer Flucht. Jon trieb uns durch den Wald, Åke und ich stolperten nebeneinanderher, wir hatten die Orientierung verloren und liefen, ohne zu verstehen, was hier mit uns geschah.
Als wir etwa zwei Stunden später unser Camp erreichten, brannten meine Lungen wie Feuer.
"Ihr werdet euch jetzt ein wenig ausruhen", sagte Jon. "Trinkt etwas Wasser und legt euch in eure Schlafsäcke. Ich kümmere mich um das Essen."
Offenbar hatte Jon sich wieder in der Gewalt. Er wirkte gefasst und ich nahm an, dass er während unseres Eilmarsches einen Plan entwickelt hatte.
"Jon", sagte ich. "Wir müssen darüber reden, was da ..."
"Nicht jetzt", erwiderte er und bedachte mich mit einem Blick, der keinen Widerspruch duldete.

An diesem Abend steckte uns noch immer der Schrecken in den Knochen, als wir vor den Flammen des Lagerfeuers unsere Mahlzeit einnahmen. Während Åke in Apathie versunken war, hüllte sich Jon in grimmiges Schweigen. Nur hin und wieder richtete er sich mit einer aufmunternden Bemerkung an Åke. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Was geschah hier?
Nach dem Essen kroch Åke in der Nähe des Feuers in seinen Schlafsack und schlief sofort ein.
Ich setzte mich näher zu Jon und sagte: "Du schuldest mir eine Erklärung."
Jon sah mich an und nickte.
"Also, was ist da heute passiert?"
"Das ist keine gute Jagd", sagte Jon leise. "Der Wald hat uns heute gezeigt, dass wir nicht willkommen sind. Wir müssen die Jagd abbrechen."
"Aber was ist mit Åke? Scheinbar steht er unter Schock. Was hat er gesehen?"
Jon dachte einen Moment lang nach und sagte schließlich: "Das spielt keine Rolle. Mach dir darüber keine Gedanken."
"Aber ..."
"Wichtig ist nur, dass wir so schnell wir möglich von hier wegkommen."
"Jon ..."
"Nein, jetzt hör mir zu", sagte er und sah mich an. Sein Blick war eindringlich, aber ich entdeckte darin auch etwas Flehendes, die Bitte, ihm zu vertrauen. "Wir sind in Gefahr. Morgen früh brechen wir auf. Hilf mir mit Åke, er wird sehr schwach sein."
"Okay", sagte ich. Ich verstand immer noch nicht, weshalb Jon ein solches Geheimnis um die Sache machte, aber es hatte keinen Zweck, weiter in ihn zu dringen.
"Ich weiß, was hier läuft", sagte Åke plötzlich mit schriller Stimme. Jon und ich blickten überrascht hinüber zu ihm und sahen, dass er sich in seinem Schlafsack aufgerichtet hatte und in die Flammen starrte. "Es geht um mich, Jon."
Jon schwieg. Ich sah, wie er auf seiner Lippe kaute, und in diesem Moment begriff ich, dass Åkes Geständnis ihn nicht überraschte.
"Was meinst du damit?", fragte ich.
Åke blickte noch immer in die Flammen.
"Diese Jagd hier ... der Einfall ist mir vor ein paar Wochen gekommen ... wir finanzieren gerade ein Projekt für Weston International Limited ..."
In diesem Moment fuhr ein glühender Schauer meine Wirbelsäule empor. Ich kannte den Namen des Forstkonzerns von meinen Reiserecherchen.
"Irgendjemand machte den Witz, man müsste sich diesen Wald noch einmal anschauen, bevor ... und da kam mir die Idee ..."
"Ich habe vom ersten Tag an geahnt, dass es ein Fehler war, euch hier her zu bringen", sagte Jon leise. Es schien, als ob er noch etwas erklären wollte, aber dann sagte er nur: "Ich übernehme die erste Wache." Es waren die letzten Worte, die ich von ihm hören sollte.
Åke wirkte wie versteinert. Ich sprach ihn ein paar Mal an, aber er reagierte nicht. Als ich mich kurz darauf mit klopfendem Herzen in meinem Schlafsack zusammenrollte, saß er noch immer vor dem Feuer und starrte in die Glut.

Schreie, Grunzen und ein Geräusch, das wie das Bersten von Knochen klang, rissen mich aus einem widerlichen Traum, in dem ich, eingeschlossen in einem Sarg, tief unter der Erde zu ersticken glaubte. Ich fuhr hoch und sah Jon, der sich im flackernden Schein des Feuers mit einer schrecklichen Kreatur am Boden wälzte. Doch bevor ich ihm zu Hilfe eilen konnte, packte mich ein eiserner Griff an der Kehle. Die Schatten, die um die Feuerstätte tanzten, zuckten hoch auf und explodierten in eine ungeheure Schwärze hinein. Ich taumelte ihnen hinterher - es war das Gefühl, in das nächtliche Firmament zu stürzen. Mir drehte sich der Magen um.
Noch immer presste mir etwas die Kehle zu, und in dem Moment, als ich glaubte, aus schierem Entsetzen das Bewusstsein zu verlieren, registrierte ich, dass ich beobachtet wurde. In der sich über mich wölbenden Finsternis starrten Augen auf mich herab, ihr zornvoller Blick bohrte sich wie ein Nagel in meine Stirn. Verwesungsatem versengte mir das Gesicht. Ich spürte, wie sich die Haut von meinen Wangen schälte. In Flocken wirbelte sie davon.
Ein Stoß, der die Luft aus meinen Lungen trieb, schmetterte mich gegen den Stamm einer Fichte und meinen Körper durchzuckte ein Schmerz, als würde eine Klinge zwischen meine Nackenwirbel getrieben. Ich sackte zu Boden.
Unfähig, mich zu bewegen, verfolgte ich aus einer sonderbar verdrehten Perspektive eine abscheuliche Szene.
Åke hing mit dem Kopf nach unten irgendwo über mir. Das Blut ließ seine Halsarterien dick und dunkel hervortreten, und ich sah, wie er mich aus aufgedunsenen Zügen voller Angst anblickte. Von einem Zischen begleitet raste etwas aus der Dunkelheit heran und schlug hart in Åkes Leib. Ich hörte einen grauenvollen Schrei, und dann klatschten Åkes Eingeweide schwer und heiß auf mich herab. Als Åke zu Boden stürzte, brach etwas in meinem linken Arm, und ich spürte erneut, wie sich die Erde unter mir wegdrehte. Kurz bevor die Finsternis den letzten Rest meines Bewusstsein aufsog, beobachtete ich meinen Freund, der, seine in Fetzen gerissenen Därme hinter sich her schleifend, dem verlöschenden Licht des Feuers entgegen kroch.

Im grauen Schein der Dämmerung kam ich zu mir. Obwohl sich mein Körper anfühlte, als wäre darin jeder Knochen zerschlagen, gelang es mir, aufzustehen. Unser Camp bot ein Bild der Verwüstung. Zwischen wild verstreuten Ausrüstungsteilen fand ich die Überreste von Jon und Åke.
Die Ranger, die mich zwei Tage später retteten, und das Lager gründlich untersuchten, behaupteten, ein Wolfsrudel müsse über uns hergefallen sein, und all die schrecklichen Szenen, die ich angeblich mit angesehen hatte, seien nichts weiter als Hirngespinste, hervorgerufen durch ein Stresstrauma.
Noch heute besitze ich Jons Bogen, und noch immer habe ich keinen einzigen Pfeil damit verschossen. Gelegentlich hole ich ihn hervor, wickle die Wurfarme und das Mittelstück aus dem Lederfutteral und stecke sie zusammen. Ich spanne die Sehne auf und denke an Jon, Åke und unsere Jagd, und ich frage mich, ob ich jemals verstehen werde, was damals geschah.

 
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Lieber Achillus,

deine Geschichte hat mich von Anfang an gefesselt, obwohl das Thema so gar nicht meins ist. Aber dir gelingt eine sehr gut durchdachte Handlung und eine sehr eindringliche Charakteristik Ǻkes, die den Leser auch begreifen lässt, warum geschieht, was letztendlich geschieht: die Natur rächt sich, schlägt zurück. Zwar erfährt der Leser nicht, was genau geschehen ist, was während des Alleingangs Ǻkes passiert und was er eigentlich als Broker macht, aber es ist anzunehmen, dass seine Skrupellosigkeit und die fehlende Anteilnahme an dem, was er tut, der Schlüssel zum Geschehen ist.

"Diese Jagd hier ... der Einfall ist mir vor ein paar Wochen gekommen ... wir finanzieren gerade ein Projekt für Weston International Limited ..."
In diesem Moment fuhr ein glühender Schauer meine Wirbelsäule empor. Ich kannte den Namen des Forstkonzerns von meinen Reiserecherchen.
"Irgendjemand machte den Witz, man müsste sich diesen Wald noch einmal anschauen, bevor ... und da kam mir die Idee ..."

Wenn ich überhaupt einen Kritikpunkt habe, so ist es der, dass du die Vorgeschichte zu allgemein fasst, klare Aussagen über das Projekt, an dem Ǻke beteiligt ist, finden sich mMn nicht.
Du gibt dem Leser zwar Hinweise
Deshalb kannte ich einige der Statistiken, die besagten, dass es in den Gemeinschaften der First Nations viele Probleme gab - Alkohol, harte Drogen, Arbeitslosigkeit und Gewalt. Die rücksichtslosen Machenschaften multinationaler Forstkonzerne, die nicht vor Betrug und Korruption zurückschreckten, um die Rechte der Ureinwohner zu schleifen, verschärften überall in der Provinz den Überlebenskampf der Indianer. Der kriminelle Handel mit den begehrten Holzeinschlagslizenzen hatte solche Größenordnungen erreicht, dass die vermeintlich unberührten Paradise Kanadas besonders in Küstennähe bereits flächendeckend dem Kahlschlag zum Opfer gefallen waren.
lässt die Umwelt-Problematik aber in dieser Allgemeinheit.

Der kausale Zusammenhang des Geschehens am Ende bleibt im Vagen, beinahe im Übernatürlichen. Warum geschieht, was geschieht? Die Frage muss sich der Leser selber beantworten. Ist es das konkrete gedankenlose Fehlverhalten Ǻkes während der beiden Jagdgänge oder ist es seine Skrupellosigkeit als Banker, was die Rache der Natur auslöst. Oder ist das eine nur die Konkretisierung des anderen? Du nimmst mich als Leser mit in diese Ungeklärtheit, aber ich kann sie so akzeptieren. Nicht zuletzt, weil du Ǻke sehr gut charakterisierst und ihm Jon egenüberstellst, besonders in ihrer Haltung zur Welt, zur Natur:

Åkes Tatendrang, seine energische, systematische Art, an das Leben heranzugehen, war nicht mehr und nicht weniger, als die Form, in der sich eine erschreckende Gewissenlosigkeit ausdrückte. Das wurde insbesondere deutlich, wenn man ihn mit Jon verglich, der die Welt mit einer besonderen Zurückhaltung zu berühren schien.

Als ein wenig störend fand ich die Erwähnung von Jenny, der Ehefrau des Ich-Erzählers. Sie erklärt zwar auch Ǻkes Charakter
In ihren Augen war er ein egoistisches, monomanisches Monster, das sich einen Teufel um andere Menschen scherte und nicht zögerte, ein paar Tausend Anleger über die Klinge springen zu lassen, wenn ihm das am Jahresende einen hübschen Bonus sicherte.
aber das machst du an anderer Stelle ja schon so gut, dass es ihrer nach meinem Empfinden nicht bedurft hätte. Die übrigen Stellen über seine Ehe führen nirgendwohin und sind deshalb mE nicht unbedingt nötig. Zeitweise hatte ich das Gefühl, dass sich da ein weiterer Konflikt zwischen den beiden zeigen würde, was dann aber nicht der Fall war.

Unterm Strich habe ich deine Geschichte sehr gerne gelesen. Die Souveränität deines Schreibstils macht sie für mich zu einer der besten der letzten Zeit.

Noch ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind:

Åke schien nicht gewillt, kleinbeizugeben.
getrennt

Jons Autorität hatte Åke nicht viel entgegen zu setzen.
zusammen

und es geschah etwas merkwürdiges.
groß

Lieber Achillus, ich wünsche dir einen schönen Tag.
barnhelm

Edit:
Zu deiner Geschichte ist mir noch ein anderer Gedanke gekommen:
Die Charaktereigenschaften Åkes lassen ihn wie eine Personifizierung des Raubtierkapitalismus erscheinen. Und damit läuft deine Geschichte auf einer Metaebene letztlich auf die Rache der Natur an der Skrupellosigkeit des Kapitalismus hinaus.

 

Lieber Achillus,
das ist eine großartige, sehr spannende Geschichte. Sie ist sehr klassisch mit dem Naturmotiv. Mir gefällt wirklich verdammt viel daran und entsprechend hab ich sie sehr sehr gerne gelesen und werd sie auch so schnell nicht vergessen. Da ist natürlich viel dabei, was ich gänzlich anders machen oder betonen würde, zum Beispiel der Schwerpunkt auf die Jagd mit dem entsprechenden Sprachgebrauch oder sowas hier, das wird mir auf ewig verschlossen bleiben, das kann ich einfach nicht nachvollziehen udn werd ich auch nie:

Während sich der Elch sanft schaukelnd über die sumpfige Ebene bewegte, suchte ich den Druckpunkt des Abzugs. Als das Tier stehen blieb, schob sich mein Fadenkreuz über das Schulterblatt des Bullen. Ich atmete aus, und dann fiel alles von mir ab. Es war, als schaute ich durch das Glas meines Gewehrs in das Herz aller Dinge. Schießen oder nicht, Tod oder Leben, das machte keinen Unterschied mehr.
Anbei eine Frage: Was zum Beispiel ist dieses Anschlagen im Unterschied zum direkt schießen?
Also deine weltanschauliche Sicht, die schimmert hier natürlich durch, so empfinde ich es zumindest. Und vieles davon teile ich einfach nicht, aber das ist egal, das soll überhaupt nicht gegen die Geschichte sprechen, sondern ich will nur sagen, dass mir das auffällt. Umso mehr empfinde ich es als Leistung der Geschichte, dass sie so spannend ist.

Zu einem Thema möchte ich dir heute Abend noch genauer schreiben, denn ich hätte noch bisschen was Konstruktives beizutragen, (jenseits von Geschmacksunterscheiden hoffe ich) das betrifft die Charakterisierung von Ake und das Verhältnis von Ragnar zu Ake. Da könntest du noch eine Schippe drauflegen, in aller Schnelle dahingesagt: mehr in die Tiefe gehen und die Sicht auf Ake nicht einfach dahererzähglen, sondern sich entwickeln lassen.
Das genauer zu schreiben schaff ich grad aus Zeitgründen nicht, ich will aus Ffm grad raus und die Staus mehren sich wegen der vielen Sperrungen.

Vorerst schon mal so viel zu anderem Zeug: Lass die übernatürlichen Wesen, diese Naturmonster keine Gestalt annehmen. Mothman ich weiß nicht, ob du ihn noch kennst, ein exzellenter Autor und Horroliebhaber, der schon lange nicht mehr hier war, (aber vielleicht schaff ichs ja mal wieder, dich auf die Seite zu locken, Mothman) hat mal gesagt, zeig niemals die Monster, das nimmt ihnen das Grauen. Und ja, ich finde, er hat Recht, kaum sieht man im Film so ein blödes Monster, fang ich zum Beispiel das Lachen an. Das ist bei Orks was anderes, aber das ist auch ein anderes Genre. In Büchern und Geschichten geht mir das ähnlich. Du müsstest hier nur die eine Stelle (ganz kurz ist die nur) streichen, wo du schreibst, dass die halb Wolf und halb Bär sind. Du brauchst das auch gar nicht, denn wenn die gar nicht zu sehen sind, und trotzdem mit dieser gewwaltigen, erbramungslosen Kraft auf ihre Opfer eindreschen, dann finde ich das viel grausamer.

Was die Ehefrau Jenny betrifft, gebe ich Barnhelm Recht. Die eine Charaktersierung durch Jenny ist so ein bisschen dahergeholpert, schöner hätte ich es gefunden, dass der Erzähler seinen Freund durch andere Beobachtungen in neuem Licht sieht. Und später (ich find grad die Stelle nicht) spielst du darauf an, dass der Erzähler an sein Leben zuhause denken muss, z. B. an Konflikte, z. B. an sein Leben mit Jenny oder so ähnlich, ich musste da aa auch sofort denken, da kommt noch was, und dann kam nix. Diese letzte Bemerkung, die würde ich ev. weglassen. Kannst ja mal prüfen für dich und schauen.

Dann hat Barnhelm gemeint, du solltest mal genauer auf das Projekt eingehen. Und ja, ganz unbedingt. Da muss schon noch irgendeine Andeutung hin, worin das besteht. Gebraucht hättest du das Projekt allerdings nicht, denn Akes blödes Verhalten reicht ja auch schon, um die Natur gegen sich aufzubringen. Ich frag mich nur, woher der Wald von dem Projekt weiß? Spione im kanadischen Katasteramt?

Ansonsten hab ich nix außer ein paar Kleinigkeiten, die im Prinzip auch ziemlich wurscht sind.

Das mit Papier-Birken, Fichten und Zedern bestandene Gelände verlief einige hundert Meter eben und wirkte mit seinem staunassen Boden und dem verrottenden Totholz verlassen und trostlos.
Den Satz finde ich in seiner Übergenauigkeit nicht gut. Ich finde es richtig, das Gelände zu beschreiben, um die Atmosphäre spürbar zu machen, aber durch die Übergenauigkeit und das Hineinstopfen von zu vielen Infos kommt für mich Trostlosigkeit eben nicht an. Ich warte beim Lesen zu lange auf das, worauf es dir ankommt, muss mich durch zu viele Attribute und andere Seitinformationen durcharbeiten. Vorschlag: Streich entweder die Baumarten aus dem Satz raus oder pfriemel das in zwei oder gar drei Sätze auf, denn dir Landschaft in ihrer Stille und Verlassenheit zu beschreiben. Wie gesagt, das brauchts schon. Denn ein weiterer Mitspieler dieser Geschichte ist ja die Natur.

Das Tier schleppte sich Rande der Wasserstelle durch das Unterholz.
am fehlt.

Als Jon den Bogen spannte, stockte mir der Atem, und es geschah etwas merkwürdiges.
Tippfehler: Merkwürdiges

Die Stille dieser abgelegenen und unwirtlichen Gegend, die stumme Qual des Hirsches, Jon, der im Gras verborgen seiner Beute auflauerte – das alles verband sich zu einer einzigartigen und intensiven Erfahrung, in deren Licht mein bisheriges Leben unwirklich und trivial erschien.
Das, hmm, das ist an einem Beispiel das, was ich ganz oben mit den Unterschieden zwischen deiner und meiner Sicht meinte. Ich weiß nur, wovon du redest oder hab eine Ahnung davon, weil ich dich durch das Forum kenne und schätze und mich deine Meinung interessiert. Aber würde ich das zum ersten Mal lesen, tät ich sagen: So what. Ich könnte das hier nicht nachvollziehen, es scheint mir sehr sterotyp formuliert. Du musst einfach davon ausgehen, dass du Leser hast, die dich ja nicht kennen, also solltest du hier schon ein greifbareres Bild nutzen, um dem Leser diese ja existenzielle Erfahrung zu beschreiben. Dass das eigene Leben im Vergleich dazu trivial wirkt, na gut, aber das hab ich auch schon sonstwo gelesen. Das ist mir viel zu allgemein formuliert. Und schließlichj, Achillus, ist das hier eine entscheidende Stelle, denn der Erzähler ird ja durch Zufall verschont, für mich als Leserin ergibt sich aber auch eine Folgerichtigkeit. Die Natur straft den Frevler, den Kundigen, der den Frevler gebracht hat und es hätte besser wissen müssen, ebenso. Den neuen "Jünger" verschont sie als harmlosen Zeugen. Von daher würd ich da noch ein paar Worte oder eine eindrückliche Sicht nachlegen.

Anbei noch: Was ist denn nun nach Akes Tod mit dem Wald passiert? Wo der sich doch so gegen den räuberischen Ake gewehrt hat?

Liebe Grüße und Kompliment für die spannende Geschichte.
Novak

 
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Klingt vielleicht blöd jetzt, Achillus, aber für mich ist das vor allem eine „sehr schöne“ Geschichte. Schön in dem Sinn, dass sie mir ein ungemein eindrückliches, schönes Naturerlebnis vermitteln konnte. Also es gelingt dir wirklich, in meinem Kopf eine wunderbare Landschaft entstehen zu lassen. Und dass du z.B. die Baumarten dieser Landschaft explizit bei ihrem Namen nennst, empfinde ich (anders als z.B. Novak) weniger als Übergenauigkeit, sondern vielmehr machen diese detaillierten Beschreibungen das Bild für mich erst so richtig echt und vorstellbar. (Auch wenn ich natürlich keine Ahnung habe, wie diese verdammten Helmlocktannen oder die Papierpappeln überhaupt aussehen.) T.C. Boyle, den ich früher sehr gerne gelesen habe, ist oft ähnlich präzise in seinen Naturbeschreibungen. So mancher hat Boyle ja auch übers Ziel hinausschießende Geschwätzigkeit unterstellt, aber ich mag so einen detailierten Stil einfach.

Ja, dieses Gefühl, das einen in der unberührten Natur überkommen kann, die Atmosphäre dieser archaischen Wildnis hast du wirklich gut eingefangen, und das ist es vermutlich auch, was mir von dieser Geschichte länger im Gedächtnis bleiben wird. Also eher der Umstand, wo diese Typen unterwegs sind, und weniger, warum sie dort sind und was sie dort treiben.
Ich selber betrachte das Thema Jagd nämlich eher leidenschaftslos. (Möglicherweise finden sich in meiner persönlichen Ahnenreihe einfach mehr Sammler als Jäger.) Ich kann die Faszination nicht nachvollziehen, die das Jagen und Töten von Tieren aus quasi sportlichen Motiven auf viele Menschen ausübt. Vor allem, weil mir dieser vermeintliche Kampf “Mensch versus Tier“ aufgrund der so augenscheinlichen Ungleichheit der Bewaffnung nicht gerade sportlich-fair erscheint. (Cool fände ich z.B., würde sich der Mensch ein Geweih an den Kopf dübeln und dann den Hirsch zu einem fairen Duell herausfordern. Und der Gewinner dürfte dann mit der Hirschkuh turteln.)
Wie auch immer. Auf eine gewisse Art thematisierst du diesen Anachronismus ja auch: Auf der eine Seite die beiden zivilisationsgestörten Wohlstandsbürger, für die das Jagen nicht mehr als ein Freizeitvergnügen darstellt. (Wobei Åke natürlich der weitaus Perfidere der beiden ist, immerhin läuft er mit dem Bewußtsein durch dieses Naturparadies, an dessen baldiger Zerstörung mitzuwirken.) Auf der anderen Seite ihr indianischer Führer, der zwar auch nicht unbedingt seines täglichen Frühstücks wegen auf die Jagd angewiesen ist, aber trotzdem noch eine viel seelenvollere und intuitivere Beziehung zu dieser Form des Nahrungserwerbes hat. Und darüber hinaus auch zu den Tieren und überhaupt zur ganzen Natur. (Okay, zugegeben, ich strapaziere da jetzt ein bisschen das Klischee des „edlen Wilden“, der in friedvollem, ehrfürchtigen Einklang mit der Natur lebt …)
Dass die Natur - bzw. ihre Manifestation in was auch immer für abscheulichen Kreaturen - letztlich auch auf Jon scheißt, null Rücksicht darauf nimmt, dass er, der Indianer, ja eigentlich zu den Guten gehört, ja, das hat mich mit dem Geschichtenende irgendwie versöhnt, das fand ich einfach herrlich böse und, ja, auch verstörend. Einfach deshalb, weil es die ganz simple Botschaft vermittelt, dass es für "die Natur" so was wie Moral nicht gibt.
Warum musste ich überhaupt mit dem Ende versöhnt werden? Nun ja, so wirklich zufrieden war ich natürlich nicht damit. Was ich allerdings nicht dir, dem Autor anlasten kann, sondern nur mir selber, bzw. der Tatsache, dass ich mit so was - ich nenn‘s mal paranormalen Monsterkram - nicht wirklich viel anfangen kann. („Und was ist mit deinen zwei Storys, in denen der Teufel vorkommt?“, kannst du jetzt natürlich zurecht fragen und ich sag dir drauf, äh … hm. Na egal.)

Willst du wissen, Achillus, was für mich die spannendste Stelle in der Geschichte war? Nein, nicht das nächtliche Gemetzel, und auch nicht das Nichtwissen um das Wesen dieser Rachegeister, sondern diese Stelle war es:

"Ich schlage vor, wir jagen getrennt", sagte Åke zu Jon.
Da dachte ich nämlich tatsächlich, dass dieser Åke möglicherweise auf einem ganz üblen Trip ist, die Hirschjagd Hirschjagd sein lässt und sich stattdessen als nächstes lebendes Ziel den Indianer auserkoren hat. Hab ich zu dem Zeitpunkt wirklich geglaubt, kein Witz.

Aber wie auch immer, Achillus, auch wenn ich für den Plot einfach der falsche Leser war, konnte mich die Geschichte schon alleine deiner so wunderbar bildhaften Sprache wegen begeistern, ja, irgendwie ein wirklich schöne Geschichte, auch wenn das in Anbetracht des gruseligen Endes ziemlich blöd klingt.


Noch was quasi Technisches:

"War ein dumpfes Geräusch", sagte Jon. "Glaube, die Kugel hat die Eingeweide getroffen."
Also ich muss sagen, bei dieser Stelle hoben sich meine Augenbrauen, um nicht zu sagen, ich kratzte mich ungläubig am Kopf, um nicht zu sagen, ich dachte laut: "Hä?", um nicht zu sagen: "What the Fuck?"
Weil, kann man das Einschlaggeräusch einer Gewehrkugel aus 80 Meter Entfernung tatsächlich hören? Es würde ja nur ca. eine Drittel Sekunde nach dem Mündungsknall beim Ohr des Schützen eintreffen. (ca. 0,08 Sekunden braucht die Kugel vom Gewehr zum Ziel, und der Schall des Einschlaggeräusches braucht für die 80 Meter zurück ca. 0.25 Sekunden.) Also das wäre ja beinahe zeitgleich mit dem Knall und hallt einem der da nicht noch gewaltig in den Ohren nach? Mal ganz abgesehen vom Lärm durch den Schuss aufgeschreckter und herumflatternder Vögel, usw.
Und dann soll man anhand des Geräusches auch noch beurteilen können, in welchen Körperteil das Tier getroffen wurde? Hm. Also da bin ich echt auf deine Erläuterung gespannt, Achillus.

Ach ja, und noch eine sprachliche Winzigkeit hat mich gestört:

Mein Blick heftete sich auf den Hirsch, der etwa achtzig Meter entfernt auf einem sanft ansteigenden Hügel zwischen kleinwüchsigen Hemlocktannen äste.

Hier würde ich schreiben: ... auf einem sanft ansteigenden Hang.
(In deiner Variante steht der Hrsch sozusagen oben auf einem Hügel. Und dass der sanft ansteigend ist, hat dann eigentlich keine Relevanz.)

Und noch was:

Also löschten wir bald darauf das Feuer und kletterten in unsere Schlafsäcke.
Hehe. Und zu Hause erklimmen sie das Bett?
Was hältst du z.B. von krochen oder schlüpften?


offshore

 
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[mention=1553]offshore[/mention] und natürlich Achillus,

Und dass du z.B. die Baumarten dieser Landschaft explizit bei ihrem Namen nennst, empfinde ich (anders als z.B. Novak) weniger als Übergenauigkeit, sondern vielmehr machen diese detaillierten Beschreibungen das Bild für mich erst so richtig echt und vorstellbar.
Dann hab ich mich unpräzise ausgedrückt, mir ging es mit "Übergenauigkeit" nicht um die Nennung der Baumnamen, sondern darum, dass alles in einen Satz hineingestopft wurde, und der Satz dadurch holprig und ja, eben übergenau gebaut wirkt, ohne die Atmosphäre rüberzubringen. Schöne atmosphärische Beschreibungen brauchst du, denn die Natur ist in dieser Geschichte eine weitere handelnde Figur.

Und noch als Ergänzung zu dem Verhärnis zwischen Ragnar und Ake:
Ich finde es ein kleines Manko des Textes, dass du die Entwicklung in Ragnars Sicht nicht stärker betonst oder deutlicher ausgearbeitet, und auch die Gründe in Akes Verhalten, die diese Sichtveränderung bewirken. Also den inneren Konflikt zwischen den beiden Freunden, der ja die ganze Zeit mitschwelt, der ist überhuapt nicht richtig ausgearbeitet.

Ganz am Anfang beschreibst du, wie der Erzähler sich an Ake aus der Schule erinnert. Fand ich gut. Du zeigst auch Akes Trotz, als er nicht einsehen will, dass er beim Schießen auf den Weißwedel falsch gehandelt hat. Fand ich auch gut. Aber es ist mehr Uneinsichtigkeit oder Trotz, die ihn sich hier blöd verhalten lassen.
Die nächste Charaktersierung erfolgt über Jennys Sicht. Es ist eine Behauptung der Ehefrau, die so dahingesagt ist, die aber ziemlich massiv ist und die die (so mein Verdacht) du als Autor und Geburtshelfer von Ake ja ein wenig teilst, denn sonst hättest du dir den Cluou mit dem Wald nicht einfallen lassen.
Man kann das ja so machen, dass man durch die Rede einer anderen Person charaktersiert, aber ich finde es 1. stärker, wenn es durch den Icherzähler geschieht, und bei dem wird mir die Sichtveränderung zu wenig gezeigt. Sie wird ebenso wie bei der Ehefrau eher nur benannt. Und 2. kommt mir das wirklich Zynische von Ake, zu wenig raus. Seine Skrupellosigkeit wird mir zu wenig gezeigt aus den Augen von Ragnar. Es ist eher wieder Trotz, Beharren darauf, dass er unbedingt Erfolg haben muss. Ich will gar nicht leugnen, dass das Opfern von Bedürfnissen anderer in seinem schnellen Laufen zum Ausdruck kommt, oder die Infragestellung der gesamten Jagd, wenn er dann beim zweiten Mal alleine loszieht und ballert, aber die Veränderung von Ragnars Sicht auf Ake wird insgesamt nur sehr oberflächlich abgehandelt. Es gibt nie eine Szene, wo Ragnar sich mal innerlich oder auch äußerlich mit ihm auseinandersetzt und wo das wirklich mehr in die Tiefe geht, nicht nur so dahingesagt ist. Es wirkt auf mich oft zu formell.

Was den Prot an dem Ake festhalten lässt, das sind zwei Sachen. Einmal einfach, weil Ake Ragnars Gegenpol ist, A. verkörpert alles, was Ragnar gerne wäre und sich nicht zu sein traut als Jugendlicher. Da kam für mich sehr gut raus. Und dann natürlich die Sache mit dem Mädchen. Eine tolle Idee, die du da hast, das fand ich strak, weil es so doppelbödig ist. Aber leider wird es nur angetippt in dieser Szene und löst sich gar nicht auf.
Vielleicht wolltest du den Ake dadurch nur viellschichtiger machen, ist ja auch gut, durch die Sache mit dem Mädchen, aber ich fand das ein bisschen verschenkt, dass dieser Akt des persönlichen Verzichts für Ragnar vielleicht auch in einem ganz anderen Bild gesehen wird. Vielleicht lag dem Ake an dem Mädchen eh nie was, dann kann man auch leicht großzügig sein und wirken. Kostet einen ja nichts. In diesem eigenartigen Verzichtsakt steckt aber auch was Selbstherrliches. Vielleicht könnte man da sogar an der Stelle einfach an dem inneren Freundeskonflikt rumbasteln.

Die Stellen noch mal im Einzelnen:

In ihren Augen war er ein egoistisches, monomanisches Monster, das sich einen Teufel um andere Menschen scherte und nicht zögerte, ein paar Tausend Anleger über die Klinge springen zu lassen, wenn ihm das am Jahresende einen hübschen Bonus sicherte.
Während ich durch die herbstliche Taiga trottete, wurde mir klar, wie wenig ich mittlerweile von dem Menschen wusste, der fünfundzwanzig Jahre zuvor meine Freundschaft durch einen Akt persönlichen Verzichts gewonnen hatte. Lena, ein Mädchen mit lustigen Sommersprossen und spitzen Brüsten, dem selbst die Jungen aus den höheren Jahrgängen hinterher gafften, teilte uns beiden damals mit, sie würde sich für einen von uns entscheiden, wenn wir uns einigten. Zunächst stritten wir uns, aber nach kurzem Hin und Her zuckte Åke schließlich mit den Schultern und sagte: "Wenn es so wichtig für dich ist, dann nimm sie." Die Großzügigkeit dieser Geste beeindruckte mich ungeheuer.
Ja, das ist die Stelle, und ich finde es halt schwach, dass beides, also die doch sehr heftige Rede der Ehefrau und der Gegenpart, der persönliche Verzicht, der Ragnar an ihn fesselt, nicht stärker später aufgegriffen werden. Ich fänds einfach gut, wenn dieses massive Urteil der Gattin, das der Erzähler ja später teilt, auch "bewiesen" würde. Das aber wirds nicht, weil die Handlungenvon Ake blöd sind, kindisch, gefährlich und selbstherrlich narzisstisch, aber sie opfern nicht andere von seinen Motiven her, oder lassen sie über die Klinge springen. Daher frage ich mich, wieso der Erzähler dann später so eins zu eins die Einschätzung seiner Ehefrau übnernimmt.

"Verdammt noch mal", sagte Åke neben mir mit heiserer Stimme, und dann sah ich den Hirsch. Das Tier schleppte sich Rande der Wasserstelle durch das Unterholz.
Hier zum Beispiel schimmert Selbstkritik durch. Gefällt mir.

Åke hingegen wirkte so unsicher, dass ich bald befürchtete, er würde den Hirsch aufscheuchen.
Find ich auch gut.

"Herrgott nochmal, Jon", sagte Åke und scharrte mit dem Absatz seines Stiefels mürrisch in der Erde. "Ich weiß ja, dass ich Mist gebaut habe. Wie lange willst du mir das vorhalten?"
Ja, passt auch, aber es ist Trotz, Unfähigkeit, Kritik anzunehmen. Sowas.


Jon hatte gestern die besten Stücke des erlegten Hirsches ausgelöst, um uns für die nächsten Tage zu versorgen. Den größten Teil des Fleisches mussten wir jedoch zurücklassen. Åke wollte auf die Trophäe seines ersten Kills nicht verzichten. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als das Geweih auf seinen Rucksack zu schnallen.
Auch hier zeigst du Teile von Akes Persönlichkeit. Ich finds gut, ihn das Hirschgeweih aufschnallen zu lassen, aber es ist halt protzig, kindisch wieder. Nicht mehr.

Åke schien sich darüber keine Gedanken zu machen. Er lief an der Spitze unserer kleinen Gruppe, das GPS-Gerät in der Hand. Trotz des Geweihs, das ihn während des Marsches behinderte, schritt er so schnell aus, dass mir allmählich die Luft wegblieb. Ich verstand nicht, was Åke mit seinem mörderischen Tempo beweisen wollte, aber ich verkniff mir zunächst einen Kommentar.
Auch das hier, gut gezeigt, aber das geht auch wieder in dieselbe Richtung wie oben. Der verträgt keine Kritik, irgendwas trägt er mit sich rum, sonst würd er nicht so davongalloppieren.

Erst als wir gegen Mittag eine Rast einlegten, bemerkte ich gereizt: "Ich habe das Gehetze satt. Entweder gehen wir jetzt langsamer oder wir trennen uns. Von mir aus könnt ihr ja vorlaufen."
Das ist das einzige Mal, dass R. und A offen in ein kleines Wortgefecht gehen. Finde ich gut.

Åke schwieg einen Moment. Ich sah, dass er nicht einverstanden war. Schließlich spuckte er ins Feuer und sagte: "Es gibt noch eine andere Möglichkeit."
Jon und ich sahen ihn verblüfft an.
"Ich schlage vor, wir jagen getrennt", sagte Åke zu Jon. "Du kannst Ragnar begleiten. Ich gehe in die andere Richtung. Wir haben ja GPS. Treffen uns dann am Abend beim Lager wieder."
Jon schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, zu riskant."
"Warum? Glaubst du, ich finde nicht wieder zurück?"
"Du kennst dich hier nicht aus", erwiderte Jon. "Dir könnte ein Schwarzbär über den Weg laufen oder sogar ein Grizzly."
So ging es eine Weile hin und her. Ich verfolgte den Streit der beiden, aber ich wusste, wie er enden würde. Wenn Åke sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann ließ er nicht locker. Gewöhnlich bekam er, was er wollte.
Das ist also Akes Entschluss. Der erscheint mir immer noch viel zu kindisch. Hättest du an der Stelle mal deutlicher gezeigt, wie er denn gewöhnlich kriegt, was er will, aber eben festgemacht an dieser Situation. Das muss ja mit einigem Druck, vielleicht Erpressung mit seiner Position was weiß ich ablaufen, Jon ist immerhin der Führer mit einer entsprechenden Verantwortung. Von den Wanderungen in Namibia oder Südafrika, die ich oder auch Freunde gemacht haben, weiß ich, dass so ein Führer sich einen Teufel drum schert, ob da ein trotziger blöder Tourist irgendeine Sonderrolle will. Die wird nur in Maßen zugestanden. Da muss dann schon noch was anderes kommen. Der Wink mit dem Geld, das überlass ich jetzt deiner Phantasie, das Pochen auf die unterschiedlichen Machtverhältnisse. Aber du machst an der Stelle nichts aus dem Gespräch. Das wäre eine Gelegenheit gewesen, Ake wirklich gewissenlos oder skrupellos zu zeigen. Bisher bleibt Ake nur naja, ich wiederhole mich, blöd, kindisch, selbstherrlich, trotzig.
Eine Möglichkeit wäre es noch gewesen, dass er durch seine Schüsse auf die Elche sowohl Jon als auch den Freund echt gefährdet, aber so klang die Stelle für mich nicht. Aber ich kenn mich mit Jagd auch überhaupt nicht aus und hab was überlesen, dann würd ich die Stelle vielleicht deutlicher machen für Jagddödels wie mich. Und auch dann wäre die Änderung in Ragnars Urteil über Ake dann zu schnell erfolgt, denn diese Stelle hier kommt ja gleich danach:
Während wir im Schatten von Meerkirschen und Balsam-Pappeln ausharrten und schweigend hinaus auf die im Vormittagslicht flirrende Ebene blickten, kehrten meine Gedanken zu Åke zurück. Ich bewunderte die Energie, mit der er die Dinge anpackte, und je mehr ich über unsere Freundschaft nachdachte, desto klarer wurde mir, wie stark mich dieser Persönlichkeitszug bei ihm seit jeher fasziniert und auch ein wenig mit Neid erfüllte hatte. Im Gegensatz zu Åke zögerte ich häufig, machte mir meine Entscheidungen schwerer als nötig, und dort wo mein Freund vorwärtsstürmte, plagten mich Ängste vor Veränderung, Risiko und Verlust.
Doch es gab auch eine zweite Wahrheit, die sich mir in den vergangenen Tagen enthüllt hatte, und ich fragte mich, weshalb ich erst jetzt erkannte, was Jenny offenbar seit langer Zeit wusste. Åkes Tatendrang, seine energische, systematische Art, an das Leben heranzugehen, war nicht mehr und nicht weniger, als die Form, in der sich eine erschreckende Gewissenlosigkeit ausdrückte. Das wurde insbesondere deutlich, wenn man ihn mit Jon verglich, der die Welt mit einer besonderen Zurückhaltung zu berühren schien.
Siehst du, das, was ich fett markiert habe, das hast du eben nicht durch die Handlungen von Ake gezeigt. Das erscheint mir als Urteil viel zu übertrieben. Wieso hat Jenny mit ihrem massiven Urteil denn jetzt auf einmal Recht? Nur weil Ake gegen Jon abstinkt? Dann sind so ziemlich alle Leute, die beim Einkauf über die Zeil laufen gewissen- und skrupellos, denn die haben alle mit einem hehren naturverbundenen Indianer so viel zu tun wie ein dicker Kanarienvogel mit einem
Adler.

Ich schulterte mein Gewehr. Bei dem Gedanken daran, dass dieser Idiot hier wie ein Wahnsinniger herumballerte, damit gegen alle Regeln der Jagd verstieß und so Jon zweifellos veranlassen würde, unseren gesamten Trip abzubrechen, war mir die Lust auf die Elchpirsch vergangen. Und auch Jon drängte mich, sofort nachzuschauen, was Åke trieb.
Das ist die Stelle. Von echter Gefährdung für die Menschen kann ich da nichts lesen. Aber das war ja auch nur eine Idee von mir.

Lieber Achillus, nimm mir die Genauigkeit nicht übel, das war wirklich, um meinen diffusen Eindruck zu verdeutlichen, manchmal, das kenne ich von mir selbst, kann man mit ganz allgemeinen feedbacks halt überhaupt nichts anfangen. Und da wollte ich dir einfach Material für meine doch sehr deutlich Kritik an diesem Punkt zur Verfügung stellen, damit du verstehen kannst, was ich überhaupt will.

Liebe Grüße von Novak

 
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Hola Achillus,

bitte nimm nur das zur Kenntnis: DAS IST EIN GROSSARTIGER TEXT!!

Das Nachfolgende hat nicht viel zu sagen:

... dass wir dem verletzten Hirsch bereits seit zwei Stunden folgten. Wir waren an diesem Morgen früh zur Jagd aufgebrochen, ...
Sehr früh + zwei Std. = ca. 9 Uhr...
... doch jetzt stand die verhangene Sonnenscheibe schon im Süden.
Kann das stimmen?

Ein Teil seiner Eingeweide war herausgeplatzt und hatte sich in den Hinterläufen verfangen.

Ich verstehe nichts von der Jagd, doch habe ich in meinem Kochleben schon einige Hirsche aus der äußerst stabilen Decke gestoßen – und die gibt wegen eines kleinen Einschusslochs nicht plötzlich einen Teil der Eingeweide preis, weil sie (wodurch ist unerklärlich) aufplatzt. Schließlich sind Dum-Dum-Geschosse verboten und Jon hätte es eh nicht erlaubt.

... beobachtete ich meinen Freund, der, seine in Fetzen gerissenen Därme hinter sich her schleifend, ...
Wie du mir, so ich dir ...
Deshalb?
Starker Tobak.

... und blickte über meinem Gewehr auf die Ebene.
... über mein Gewehr ... oder erblickte über meinem Gewehr die Ebene

... von dem ich zunächst annahm, dass es sich dabei um einen Wolf handelte.

... euch hier her zu bringen ...
hierher

Ja, bis hierher. Ist nichts Konstruktives. Fasziniert war ich auf jeden Fall von Deiner Art zu schreiben. Diesen Text hätte man mir als Leseprobe aus dem Buch eines großen Schriftstellers anbieten können – ich hätte es gekauft! (Aber Du bist schon ein großer Schriftsteller und ich weiß es nur nicht?)

Zum Plot selbst ließe sich zaghaft, beherzt oder wild spekulieren, doch das hab ich nicht im Sinn. Ich las Deine Geschichte in einem Rutsch und – des besseren Verständnisses wegen – ein zweites Mal.
Ich bin unschlüssig, sehe einen Autor im seidenen Esoterik-Pyjama, der den Wald- und Weltuntergang beschwört, oder einen gütigen Lehrer, der mich zum Nachdenken bringen will, oder einen Schreibprofi, der es sich ein bisschen einfach macht und das Austüfteln mir überlässt.

... und ich frage mich, ob ich jemals verstehen werde, was damals geschah.

Für mich kein Problem – ich hab’s auch nicht verstanden. Deine Geschichte ist auf jeden Fall lesenswert – und wie in meinem Fall, auch mehrmals.

Achillus, ich habe die Ehre, bis demnächst!

José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Barnhelm, vielen Dank für Deine Hinweise. Ja, ich habe den gesamten Plot um Åke herum gebaut, und ich stimme Dir zu, wenn Du sagst:

... es ist anzunehmen, dass seine Skrupellosigkeit und die fehlende Anteilnahme an dem, was er tut, der Schlüssel zum Geschehen ist.

Es ging mir dabei um einen besonderen Menschentypus, den ich deshalb für so gefährlich halte, weil er nicht auf den ersten Blick der klassische Bösewicht ist, sondern von seinen Mitmenschen als Macher wahrgenommen wird.

Wenn ich überhaupt einen Kritikpunkt habe, so ist es der, dass du die Vorgeschichte zu allgemein fasst, klare Aussagen über das Projekt, an dem Ǻke beteiligt ist, finden sich mMn nicht.

Ich hatte gehofft, dass sich der Leser eine Verbindung zwischen den skrupellosen Machenschaften der Forstkonzerne einerseits und dem Job von Åke andererseits zusammenreimt, denn es fällt ja die Bemerkung, dass Åke bzw. die Firma, für die er arbeitet, ein Projekt für einen Forstkonzern finanziert, der dann eben in diesem Gebiet Kanadas tätig wird.

Der kausale Zusammenhang des Geschehens am Ende bleibt im Vagen, beinahe im Übernatürlichen.

Ja, genaue Informationen erhält der Leser nicht. Man könnte es einerseits als Zufall abtun, dass dieses Unglück bei der Jagd passiert, aber der Text suggeriert eben genau den Zusammenhang, den Du ja auch wahrgenommen hast – die Natur schlägt zurück.

Als ein wenig störend fand ich die Erwähnung von Jenny, der Ehefrau des Ich-Erzählers. Zeitweise hatte ich das Gefühl, dass sich da ein weiterer Konflikt zwischen den beiden zeigen würde, was dann aber nicht der Fall war.

Ja, da warst Du mit dem Gefühl ganz richtig und ich sehe Deine Kritik als berechtigt an. Ich hatte den Plot ursprünglich so geplant, dass Jenny irgendwann einmal etwas mit Åke zu laufen hatte, eine Affäre, die einerseits erklärt, woher sie eigentlich so genau über ihn Bescheid weiß und anderseits Åke und Ragnar in einen sehr persönlichen Konflikt bringt. Ich habe mir vorgestellt, wie diese Affäre bei der Jagd aufgedeckt wird und dass es dann richtig knallt zwischen den beiden Männern.

Und dann ist mir bewusst geworden, dass ich diesen Plot kenne und zwar aus dem Film Auf Messers Schneide – Rivalen am Abgrund (The Edge). Damit war das Ganze hinfällig, und ich habe mich dann auf Åkes Charakterisierung als zerstörerischer Machertypus konzentriert. Die Erwähnung von Jenny wird deshalb vielleicht überflüssig, aber so ganz möchte ich nicht auf sie verzichten, weil sie Ragnar eben als Familien/ Beziehungsmenschen zeichnet, im Gegensatz zu Åke, der nur für sich allein zu kämpfen scheint.

Unterm Strich habe ich deine Geschichte sehr gerne gelesen. Die Souveränität deines Schreibstils macht sie für mich zu einer der besten der letzten Zeit.

Vielen Dank für das Lob, ich freu mich sehr darüber. Vielen Dank auch für die Fehlersuche.

Die Charaktereigenschaften Åkes lassen ihn wie eine Personifizierung des Raubtierkapitalismus erscheinen. Und damit läuft deine Geschichte auf einer Metaebene letztlich auf die Rache der Natur an der Skrupellosigkeit des Kapitalismus hinaus.

So kann man das auf jeden Fall sehen. Menschen dieses destruktiven Macher-Typus sind andererseits sicher nicht auf eine bestimmte Gesellschafts- bzw. Wirtschaftsordnung beschränkt, die gab es wahrscheinlich auch schon zu Zeiten der Pharaonen ...

Beste Grüße
Achillus

Hallo Novak, vielen Dank für Deinen Kommentar. Toll, dass Du so ausführlich geantwortet hast. Ich konnte Deinen Gedanken eine Menge Hilfreiches für mich entnehmen.

... sowas hier, das wird mir auf ewig verschlossen bleiben ...

Während sich der Elch sanft schaukelnd über die sumpfige Ebene bewegte, suchte ich den Druckpunkt des Abzugs. Als das Tier stehen blieb, schob sich mein Fadenkreuz über das Schulterblatt des Bullen. Ich atmete aus, und dann fiel alles von mir ab. Es war, als schaute ich durch das Glas meines Gewehrs in das Herz aller Dinge. Schießen oder nicht, Tod oder Leben, das machte keinen Unterschied mehr.

Ja, ich kann das dahinterstehende Gefühl auch nur schwer vermitteln, denn ich glaube – Du schreibst das ja auch –, dass sich darin eine ganze Weltsicht bzw. Weltempfindung verbirgt. Umschreiben könnte man es mit den Worten, dass es einen Bewusstseinszustand oder eine Bewusstseinsebene gibt, in dem (in der) keine bösen oder guten Taten mehr existieren. Von der Außenwelt mögen sie immer noch so oder so wahrgenommen werden, nicht aber von innen. Dazu würde beispielsweise auch die tief empfundene Einstellung gehören, dass der Elch, sollte der Schütze daneben schießen, jedes "Recht" der Welt besitzt, den Jäger zu töten. Na, ich merke, das wäre eine längere, erklärungsbedürftige Angelegenheit ...

Anbei eine Frage: Was zum Beispiel ist dieses Anschlagen im Unterschied zum direkt schießen?

Du meinst sicher diese Passage?

Obwohl die beiden Elche die Ebene nur langsam überquerten, stellte sich mir die Frage, ob ich vorhalten oder direkt schießen sollte.

Das Anschlagen bezieht auf das Heben und Ausrichten der Waffe, das Vorhalten ist eine Technik, die man bei sich bewegenden Zielen einsetzt. Je schneller sich das Ziel bewegt, desto weiter muss man vorhalten, denn der Schütze muss ja dorthin schießen, wo das Ziel sich nach Ablauf der Geschossflugzeit befinden wird.

Vorerst schon mal so viel zu anderem Zeug: Lass die übernatürlichen Wesen, diese Naturmonster keine Gestalt annehmen.

Vielen Dank für den Hinweis. Habe ich geändert.

Die eine Charaktersierung durch Jenny ist so ein bisschen dahergeholpert, schöner hätte ich es gefunden, dass der Erzähler seinen Freund durch andere Beobachtungen in neuem Licht sieht. Und später (ich find grad die Stelle nicht) spielst du darauf an, dass der Erzähler an sein Leben zuhause denken muss, z. B. an Konflikte, z. B. an sein Leben mit Jenny oder so ähnlich, ich musste da aa auch sofort denken, da kommt noch was, und dann kam nix.

Ja, das kann man kaum bestreiten. Jenny wird erwähnt, aber dann kommt nicht mehr viel dazu. Ich denke, da werde ich kürzen.

Dann hat Barnhelm gemeint, du solltest mal genauer auf das Projekt eingehen. Und ja, ganz unbedingt. Da muss schon noch irgendeine Andeutung hin, worin das besteht. Gebraucht hättest du das Projekt allerdings nicht, denn Akes blödes Verhalten reicht ja auch schon, um die Natur gegen sich aufzubringen. Ich frag mich nur, woher der Wald von dem Projekt weiß? Spione im kanadischen Katasteramt?

Dazu möchte ich gern noch ein paar Statements abwarten. Auf der einen Seite stimmt es schon, dass die Verbindung zwischen Åkes Job und den Vorkommnissen im Wald nicht detailliert erläutert werden. Auf der anderen Seite würde es vielleicht auch einiges kaputt machen, es so ganz gerade heraus zu sagen, so nach dem Motto "weil Åke einen Forstkonzern supportet, der den Wald abholzen lassen will, bringt ihn der Wald nun aus vorweggenommener Rache um".

Das mit Papier-Birken, Fichten und Zedern bestandene Gelände verlief einige hundert Meter eben und wirkte mit seinem staunassen Boden und dem verrottenden Totholz verlassen und trostlos.

Den Satz finde ich in seiner Übergenauigkeit nicht gut.

Und wenn man die Bäume komplett weglassen würde: Das Gelände verlief einige hundert Meter eben und wirkte mit seinem staunassen Boden und dem verrottenden Totholz verlassen und trostlos.

Wäre das besser?

Danke für die Rechtschreibfehler-Hinweise.

Das, hmm, das ist an einem Beispiel das, was ich ganz oben mit den Unterschieden zwischen deiner und meiner Sicht meinte ... Ich könnte das hier nicht nachvollziehen, es scheint mir sehr stereotyp formuliert.

Die Stille dieser abgelegenen und unwirtlichen Gegend, die stumme Qual des Hirsches, Jon, der im Gras verborgen seiner Beute auflauerte – das alles verband sich zu einer einzigartigen und intensiven Erfahrung, in deren Licht mein bisheriges Leben unwirklich und trivial erschien.

Ich glaube, ich verstehe, was Du meinst. Meine Idee war, dass die Jagd dem Protagonisten einen Eindruck von der Zeit vermittelte, in der Menschsein immer auch den physischen Kampf, physisches Leiden, Gewalt und Tod miteinschloss, im Gegensatz zum modernen Leben des Großstädters, dessen existenziellen Routinen stark virtualisiert ablaufen.

Anbei noch: Was ist denn nun nach Akes Tod mit dem Wald passiert? Wo der sich doch so gegen den räuberischen Ake gewehrt hat?

Eine gute Frage. Ganz rational betrachtet kann die Zerstörung (des Waldes) natürlich nicht aufgehalten oder verhindert werden, indem eine einzelne Person getötet wird. Andererseits ist das aber vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass sich das destruktive Potenzial bestimmter Menschen oder Institutionen früher oder später gegen sie selbst wenden wird.

Bei der ganzen Thematisierung schwingt so einiges an Wunschdenken mit. Ich hatte das in meinem Kommentar zu Und ihre Herzen waren mit Schrecken erfüllt schon angesprochen, wo ja auch auf quasi magische Weise ein paar Übeltäter zur Rechenschaft gezogen werden. In der Realität können eben skrupellose Menschen eine ganze Menge schlimmer Dinge tun, ohne dafür von Bestien zerfetzt zu werden.

Ich finde es ein kleines Manko des Textes, dass du die Entwicklung in Ragnars Sicht nicht stärker betonst oder deutlicher ausgearbeitet, und auch die Gründe in Akes Verhalten, die diese Sichtveränderung bewirken. Also den inneren Konflikt zwischen den beiden Freunden, der ja die ganze Zeit mitschwelt, der ist überhuapt nicht richtig ausgearbeitet.

Das ist ein interessanter Punkt. Åke und Ragnar beginnen die Jagd als Freunde, doch während dieses Trips verändert sich die Sichtweise von Ragnar auf Åke. Die Gründe dafür sind einerseits das selbstsüchtige Verhalten von Åke und andererseits so etwas, wie eine geläuterte Reflexion: Ragnar fragt sich zum ersten Mal, was das eigentlich für ein Mensch ist. Du hast völlig recht. Die Dinge, die Åke während der Jagd macht, sind eigentlich nicht sonderlich schlimm. Ich hatte es mir so vorgestellt, dass Ragnar durch den Vergleich mit Jon und seine Reflexion zu neuen Einsichten über seinen Freund kommt.

Du sprichst außerdem die Stelle an, in der Åke sich seinem Freund gegenüber so großzügig verhält, ihm quasi "ein Mädchen schenkt". Großzügigkeit ist meiner Beobachtung nach ein charakteristischer Zug dieses Macher-Typus, den der Text aufs Korn nimmt. Bei diesen kleinen, raffgierigen Egoisten, von denen es mehr also genug gibt, weiß man gleich woran man ist. Aber dann gibt es eben auch die Sorte, die Dir einen Palast schenken und Du begreift erst Jahre später, dass diese Geste nur wenig mit wahrer Freundschaft zu tun hatte. Sondern viel mehr mit Selbstherrlichkeit beispielsweise, so wie Du es beschreibst.

Ich fänds einfach gut, wenn dieses massive Urteil der Gattin, das der Erzähler ja später teilt, auch "bewiesen" würde. Das aber wirds nicht, weil die Handlungen von Ake blöd sind, kindisch, gefährlich und selbstherrlich narzisstisch, aber sie opfern nicht andere von seinen Motiven her, oder lassen sie über die Klinge springen. Daher frage ich mich, wieso der Erzähler dann später so eins zu eins die Einschätzung seiner Ehefrau übernimmt.

Ich sehe es so, dass die Erfahrungen der Jagd im Kleinen den Egoismus von Åke nachzeichnen, den er auch in allen anderen Bereichen seines Handelns an den Tag legt. Er ist kein Mörder, aber nimmt auch keinerlei Rücksicht. Und wenn so ein Mensch mit Millionen spekuliert, kann man sich vorstellen, was dabei herauskommt.

Auf der anderen Seite kann man fragen, ob man von einem Broker verlangen sollte, sich besonders umsichtig und verantwortungsbewusst zu verhalten, damit die Gelder, mit denen er zockt, nicht eines Tages Existenzen ruinieren.

In jedem Fall werde ich den Text auf diesen Kritikpunkt hin noch mal checken und sehen, ob ich da etwas ändern kann. Vielen Dank für diesen wichtigen Hinweis.

Die Szene mit der schnellen Schussfolge ist vielleicht nicht so leicht nachzuvollziehen, da gebe ich Dir auch Recht. Grundsätzlich versucht ein Jäger, ein Tier mit einem einzigen, tödlichen Treffer, notfalls einem Nachschuss niederzustrecken. Eine Jagd soll kein wildes Geballere sein. (Insbesondere bei der Drückjagd läuft es allerdings wohl häufig darauf hinaus.)

In der Szene, in der Åke wie irre rumballert, zeigt sich erst einmal wieder nur sein unethisches Verhalten gegenüber dem Wild – statt den richtigen Moment für einen sicheren Treffer abzuwarten, riskiert er unsichere Schüsse und schießt dem verwundeten Tier hinterher. Zumindest soll beim Leser dieser Eindruck geweckt werden, basierend auf der Anfangsszene. Dass die Gründe für das Geballer dann andere sind, ist ein Teil des Twistes in der Geschichte.

Novak, noch einmal herzlichen Dank. Du hast mir viel Stoff zum Nachdenken gegeben.

Gruß Achillus

Wird fortgesetzt ...

 
Zuletzt bearbeitet:

"Jemand, der sich dazu entschließt, auf die Jagd zu gehen, ist wie einer, der in den Krieg zieht", sagte er schließlich. "Er muss alles zurücklassen, was ihn behindert. Er muss frei und leicht sein. Jede seiner Handlungen ist reine Konzentration."

Wa lakota,

ein zwotes Mal, dass ich Dich besuche,

lieber Achill,

wenn auch nicht mit einem Gruß athapaskischer Zunge, und ein zwotes Mal, dass ich daran zweifle, dass von Wölfen auf Rachefeldzug die Rede sei (wenn Bernhard vorbeischaut, was nicht unwahrscheinlich ist, wird er sich erinnern), denn eher von Werwölfen (womit ich nicht den Morgenstern'schen Kampf mit der Grammatik – Wes-, Wem- und Wenwolf meine, da ist so weit alles okay), sondern den des Aberglaubens. Insofern werden hier Horror und Fantasy vereint ...

Da werden wir von Hubertusjüngern, unterstützt durch einen jungen kanadischen Indianer, der – siehe oben – richtigerweise die Nähe der Jagd mit dem Krieg anspricht, dem unsauberen, unpräzisen Bauchschuss (wahrscheinlich auch dem Schuss aufs Scheunentor)

Es stellte das Äquivalent zum berüchtigten Bauchschuss dar, von dem Kriegsveteranen so oft sprachen. Bei einem Treffer im Bereich der Eingeweide gelangte Darminhalt in die Bauchhöhle, was Infektionen und einen langsamen, qualvollen Tod nach sich zog
ein
Clean Kill
gegenüberstellt, das uns die künstliche Intelligenz mit Entscheidungsfähiger Kriegsmaschinerie und dem sauberen Tod ggfs. liefern wird, als wäre das Gebot, nicht zu morden (üblicherweise fälschlich als "töten" übersetzt) durch sauberes Handwerk außer Kraft gesetzt.

Die Jagd war für Jäger und Sammler lebensnotwendig, für Bauern ist es eher ein Luxus, bis es Privilegierten vorenthalten blieb.

Die Jagd war und ist für die oberen Zehntausend Privileg, Training und Manöver zugleich, deren Trophäen nicht vergewaltigte Frauen (nebst deren Bastarden), erbeutete Waffen und Reichtümer nebst Land- und Machtgewinn, sondern das Fell, das Geweih und ein wenig Nahrung war, aber auch das Ansehen, ein toller Hecht zu sein, es mit einem geilen Keiler oder dem ausröhrenden Hirsch aufgenommen zu haben, wenn auch auf Distanz. Nun haben die native people und first nations sicherlich eher im Einklang mit der Natur gelebt als wir, hatten aber auch schon – bevor Leif Ericson oder ein Conquistador auch nur einen Schritt an Land getan hatte, das Tier ausgerottet, das nachmals den östlichen Bauernvölkern - etwa an den Großen Seen - innerhalb einer Generation einen, wenn man so will, Rückschritt zum Nomadentum in den großen Ebenen ermöglichte und die massenweise Jagd auf den Bison. Dabei waren die Hochkulturen (die es auch in Nordamerika gab) erst in der Kupferzeit angekommen, wenn man denn Geschichte vom alten zum moderneren in Stufen ablaufen lässt. Die Bewohner der großen Ebenen zeigen, das es nicht nur in eine Richtung „vorwärts“ gehen kann, sondern auch der Rückschritt Vorteile haben mag.

Nun prallen in dieser Geschichte drei Charaktere aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Åke, Raubtier, ob in der Geschäftswelt oder der Tundra, dem nichts erfolgreicher ist als der Erfolg, kurz: Der alles an sich reißen will (insofern drängelt sich der Bezug zum deregulierten Raubtierkapitalismus auf). Sein Symbol könnte der Reißwolf im Büro sein.

Da ist Jon, der Eingeborene, der einen Hauch von Tradition lebt in Erinnerung an den Großvater, der den beiden anderen „Jagen“ beibringen soll, pardon, „sauberes“ Jagen beibringen will, ohne Rückfrage, ob die alte Kultur der Jagd nicht ein an sich entbehrlicher Luxus sei, der nix mit Naturpflege zu tun hat, die gerne zur Begründung des Jagdunwesens herhalten muss. Oder glaubt einer ernsthaft, dass da Natur gepflegt würde? Im Hinterkopf trag ich den Gedanken: Jon ist der Jagdkurs zugleich Broterwerb und Geschäft ... Aber: Vielleicht ist der Wolf im Clan Jons Totem und ohne anschließende Rituale zur Befriedung der Natur – quasi als Entschuldigung für den Mord müsste es ja so kommen, wie's kommt …

Und Rangar, eher teilnehmender Beobachter als Aktivist und Icherzähler, der Überlebende und Nutznießer des Jagdausfluges, der Jon beerbt und den Konkurrenten um eine Frau endlich los ist. Vor allem dürfen wir nicht übersehen: Er weiß nun eine short story ausgezeichnet zu erzählen!

Was nun dieParallelen zwischen den unterschiedlichen Wirtschaftszweigen Finanzen und Forsten und allem, was an Kapitalismus dazwischen liegt, betrifft, so hatte Heine nicht nur vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr zu sehen vermeint, aber bereits in der Harzreise auf die allgemeine Haltung hingewiesen, den Nutzen des Waldes als Kubikmeter Nutzholz zu definieren, dem ja selbst die Grünen im Nachhaltigkeitswahn anhängen. Übrigens gab es immer Phasen in unserer Geschichte, dass die großen Wälder wieder neu aufgeforstet werden mussten nach Raubbau. Wie sonst wäre zu begreifen, dass Bäume i. d. R. hierzulande - mit Ausnahmen einiger "Urwälder", natürlich, in Reih und Glied stehen?

Die Geschichte will mir als gelungenes Abenteuer in der Sparte Fantasy erscheinen.

Hier musstu mal schau'n, da drängelt sich eins vor

Wir kannten den jungen Indianer, der zum Volk der Tutchonen gehörte, erst ein seit paar Tagen.

Egal[,] ob es ums Masturbieren, Rauchen oder Mädchenküssen ging, Åke hatte es schon gemacht, bevor …
die vermeintlich unberührten Paradi[e]se Kanadas
noch ein oder zwei mal,
entweder "noch ein- oder zweimal" oder "ein oder zwei Mal"

... und dort[,] wo mein Freund vorwärtsstürmte, plagten mich Ängste vor Veränderung, Risiko und Verlust.

Mir wurde bewusst, welcher außergewöhnlichen Fähigkeiten es bedurfte, ein guter Jäger zu sein. Es war lächerlich, das Handwerk in einem einwöchigen Kurs erlernen zu wollen. Åke und mir ging es einzig um das Abenteuer, um das Erlebnis, um eine kurzfristige Rückkehr zu den archaischen Wurzeln des Menschen als Jäger und Sammler. Für Jon war das Jagen und das Leben in der Wildnis offenbar weit mehr.
Ist ein schöner Schluss: Leben wie in der Steinzeit mit automatischen Gewehren ...

Gleichwohl ein Lesevergnügen, wenn man sich nicht einlullen lässt von Naturbeschreibung und nicht nur Unterhaltung sucht, findet der

Friedel,
der noch'n schönen Restsonntag wünscht!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Ernst, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich habe mich sehr darüber gefreut und musste auch ein bisschen an Deine Lou-Geschichten denken, in denen sich ja ebenfalls magische Elemente finden lassen.

Klingt vielleicht blöd jetzt, Achillus, aber für mich ist das vor allem eine „sehr schöne“ Geschichte. Schön in dem Sinn, dass sie mir ein ungemein eindrückliches, schönes Naturerlebnis vermitteln konnte.

Na, klingt nicht blöd. Wie in der Tauchergeschichte schwingt da sicher auch etwas von dieser Sehnsucht nach Natur, nach dem Wilden, Unzivilisierten mit. Ich hatte beim Schreiben meine Freude daran, meine Gedanken aus der Großstadt in die Taiga wandern zu lassen.

Und dass du z.B. die Baumarten dieser Landschaft explizit bei ihrem Namen nennst, empfinde ich (anders als z.B. Novak) weniger als Übergenauigkeit, sondern vielmehr machen diese detaillierten Beschreibungen das Bild für mich erst so richtig echt und vorstellbar.

Wenn ich für eine Geschichte viel Recherchearbeit leiste, finde ich manchmal nicht so ganz die Balance zwischen den Dingen, die unbedingt in den Text gehören und Nebensächlichem. Aber mir ist auch bewusst, dass Leser das sehr unterschiedlich wahrnehmen.

Ich kann die Faszination nicht nachvollziehen, die das Jagen und Töten von Tieren aus quasi sportlichen Motiven auf viele Menschen ausübt. Vor allem, weil mir dieser vermeintliche Kampf “Mensch versus Tier“ aufgrund der so augenscheinlichen Ungleichheit der Bewaffnung nicht gerade sportlich-fair erscheint.

Das Fairness-Gebot beim Jagen besagt einerseits, dass die Kreatur niemals unnötig gequält werden darf. Im Zweifelsfall sollte ein Jäger also eher auf die Jagdbeute verzichten, beispielsweise, wenn er befürchten muss, dass er das Tier nicht sauber trifft, sondern nur verletzt (krank schießt). Dieser Aspekt hängt also mit dem Vermeiden von Tierquälerei zusammen und stellt insofern ein ethisches Gebot dar. Leider ist das oft nur Theorie, denn in der Praxis werden eben doch vergleichsweise viele Tiere (dazu gibt es unterschiedliche Statistiken) krank geschossen, die dann verwundet durch den Wald laufen.

Andererseits scheint diese Fairness-Regel auch Aspekte aufzuweisen, die etwas mit Chancenausgleich zu tun haben. Ein Jäger darf beispielsweise nicht mit vollautomatischen Waffen schießen, obwohl das seine Chancen sicher erhöhen würde. Trotzdem hast Du natürlich recht. Der Jäger tritt waffentechnisch hochgerüstet an und genießt viele taktisch-strategische Vorteile, wie befestigte Hochstände, Sitzheizungen, (mitunter) Nachtsichtgerät, Lockfütterungen usw.

Wie auch immer. Auf eine gewisse Art thematisierst du diesen Anachronismus ja auch: Auf der eine Seite die beiden zivilisationsgestörten Wohlstandsbürger, für die das Jagen nicht mehr als ein Freizeitvergnügen darstellt. Auf der anderen Seite ihr indianischer Führer, der zwar auch nicht unbedingt seines täglichen Frühstücks wegen auf die Jagd angewiesen ist, aber trotzdem noch eine viel seelenvollere und intuitivere Beziehung zu dieser Form des Nahrungserwerbes hat.

Das ist eben ein Aspekt, der mir beim Schreiben wichtig war. Ich glaube, dass Jäger sehr unterschiedlich sind. Es gibt die Sorte von Åkes Kaliber und es gibt Jäger wie Jon.


Warum musste ich überhaupt mit dem Ende versöhnt werden? Nun ja, so wirklich zufrieden war ich natürlich nicht damit. Was ich allerdings nicht dir, dem Autor anlasten kann, sondern nur mir selber, bzw. der Tatsache, dass ich mit so was - ich nenn‘s mal paranormalen Monsterkram - nicht wirklich viel anfangen kann.

Das verstehe ich sehr gut. Die Geschichte war eine Übung für mich, in der ich mich auf das Gebiet des Paranormalen vorgewagt habe. Das liegt wirklich nicht so ganz auf meiner Linie, aber ich hatte Lust, das mal auszuprobieren. Wenn Monster in einer Geschichte vorkommen, wird es schnell albern. Ich habe deshalb versucht, das Übernatürliche ein wenig zu bändigen.

Da dachte ich nämlich tatsächlich, dass dieser Åke möglicherweise auf einem ganz üblen Trip ist, die Hirschjagd Hirschjagd sein lässt und sich stattdessen als nächstes lebendes Ziel den Indianer auserkoren hat. Hab ich zu dem Zeitpunkt wirklich geglaubt, kein Witz.

Das finde ich überraschend. Offenbar habe ich ihn so negativ gezeichnet, dass Du ihm sogar den Mörder zutraust.

Aber wie auch immer, Achillus, auch wenn ich für den Plot einfach der falsche Leser war, konnte mich die Geschichte schon alleine deiner so wunderbar bildhaften Sprache wegen begeistern ...

Vielen Dank für das Lob, Ernst.

Weil, kann man das Einschlaggeräusch einer Gewehrkugel aus 80 Meter Entfernung tatsächlich hören?

Da ich kein Jäger bin, kann ich nur wiedergeben, was ich durch Recherche und von meinem Training im Gewehrschießen her weiß. Man geht davon aus, dass der Kugelschlag für den Schützen (Jäger) selbst ab Distanzen von 100 Meter hörbar wird. Der Schütze hört den Mündungsknall am deutlichsten, dann gibt es den Geschossknall und schließlich den Kugelschlag. Bei Distanzen unter 100 Meter scheint das Gehör – genau wie Du vermutet hast – dem Mündungsknall "nachzuschwingen" und kann deshalb den Kugelschlag nicht zweifelsfrei identifizieren. Es gibt aber auch Jäger, die behaupten, den Kugelschlag bei optimalen Bedingungen ab 80 Meter zu hören.

Eine andere Sache ist anscheinend das Hören des Kugelschlages durch einen Beobachter, der nicht in gerader Linie Schütze-Ziel steht, sondern in einem Winkel. Angeblich hört er den Kugelschlag deutlicher bzw. besser. Ich habe bei Jon ein paar Sonderfähigkeiten angelegt, er ist ein hochbegabter Jäger, und kann den Kugelschlag auch hinsichtlich des Treffers identifizieren. In der Realität ist das kaum möglich. Selbst erfahrene Jäger sehen den Kugelschlag nur als Indiz an. Bei einem Blattschuss hört man ein helles Krachen, beim Eingeweidetreffer einem dumpfen Schlag.

Beim Schießtraining auf 50 Meter zerlegen wir hin und wieder die Pfosten, an denen die Scheiben angebracht sind. Ich bilde mir gelgentlich ein, splitterndes Holz zu hören, aber das mag Täuschung sein.

Hier würde ich schreiben: ... auf einem sanft ansteigenden Hang.

Danke für den Tipp, habe ich gemacht.

Was hältst du z.B. von krochen oder schlüpften?

Ich habe das "krochen"genommen.

Vielen Dank, Ernst!

Gruß Achillus

Wird fortgesetzt.

 

Hallo Feuerwanze,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Schön, dass ich bei Dir ein paar Kindheitserinnerungen wecken konnte.

Die Erwähnung von Jenny in meinem Text ist auf jeden Fall überdenkenswert. Ich bin da noch nicht ganz sicher, wie ich das lösen werde. Vielen Dank für Deine Rückmeldung dazu.

Die Monsterbeschreibung habe ich verändert.

Beste Grüße
Achillus


Hallo José,

bitte nimm nur das zur Kenntnis: DAS IST EIN GROSSARTIGER TEXT!!

Vielen Dank für das Lob, freut mich sehr, das zu hören, José.

Sehr früh + zwei Std. = ca. 9 Uhr...
... doch jetzt stand die verhangene Sonnenscheibe schon im Süden.
Kann das stimmen?

"Gehen wir ihn suchen?", fragte er schließlich kleinlaut.
"Ja, aber noch nicht jetzt", erwiderte Jon. "Wir werden ein paar Stunden warten."

Ich hatte etwa so gerechnet: Aufbruch zur Jagd gegen 0500, Åkes Abschuss gegen 0700, Warten bis 1000, Nachsuche zwei Stunden, Sonne steht im Süden 1200. Habe ich was übersehen?

Das ist so eine Jagdregel. Ein angeschossenes Tier wird nicht sofort verfolgt, sondern man wartet, damit es sich hinlegen und sterben kann. Bei sofortiger Nachsuche flüchtet das Tier sonst weiter.

Ich verstehe nichts von der Jagd, doch habe ich in meinem Kochleben schon einige Hirsche aus der äußerst stabilen Decke gestoßen – und die gibt wegen eines kleinen Einschusslochs nicht plötzlich einen Teil der Eingeweide preis, weil sie (wodurch ist unerklärlich) aufplatzt. Schließlich sind Dum-Dum-Geschosse verboten und Jon hätte es eh nicht erlaubt.

Ich habe vor einiger Zeit ein grausames Video gefunden: https://www.youtube.com/watch?v=gM-VEDyIrv0

Natürlich lassen sich die Umstände dieser Situation nicht zweifelfrei ermitteln. Aber insbesondere die Beschreibung herausgeschossener Eingeweide kommt in kritischen Analaysen der Jagd ziemlich häufig vor. Beispielsweise hier: "Mit zerschossenen Knochen und heraushängenden Innereien flüchten die Tiere, leiden oftmals tagelang unerträgliche Schmerzen und sterben einen qualvollen Tod." Quelle: http://www.peta.de/jagdirrtuemer#.VhJAgis0-W0 (Das gilt vornehmlich für Drückjagden, bei denen die Schützen auf flüchtende Tiere schießen und selten sauber treffen.)

Ich stimme Dir natürlich zu, dass man sich kaum vorstellen kann, wie ein einzelner Treffer zu solch einer Verletzung führt. Dazu kann man von der Wundballistik her spekulieren, dass bei einer ungünstigen Geschossflugbahn das Projektil im Zielkörper taumelt, sich zerlegt und unter Umständen große Wunden reißt. Ein anderer Punkt ist der, dass die Tiere sich bei ihrer panikartigen Flucht noch stärker verletzen, eine Schusswunde aufweiten, weil sie sie im Unterholz aufreißen.

Wie du mir, so ich dir ...
Deshalb?
Starker Tobak.

Ja, die Parallele fand ich passend.

Danke auch für die gefundenen Fehler. Habe ich korrigiert.

Fasziniert war ich auf jeden Fall von Deiner Art zu schreiben. Diesen Text hätte man mir als Leseprobe aus dem Buch eines großen Schriftstellers anbieten können – ich hätte es gekauft! (Aber Du bist schon ein großer Schriftsteller und ich weiß es nur nicht?)

Vielen Dank für das Kompliment, José.

Ich bin unschlüssig, sehe einen Autor im seidenen Esoterik-Pyjama, der den Wald- und Weltuntergang beschwört, oder einen gütigen Lehrer, der mich zum Nachdenken bringen will, oder einen Schreibprofi, der es sich ein bisschen einfach macht und das Austüfteln mir überlässt.

Über den Seiden-Pyjama musste ich lachen :) Tatsächlich habe ich es mir mit dem Text nicht leicht gemacht. Ich schreibe daran, seit Jimmy seine Jägergeschichte rausgebracht hat, habe im Januar damit begonnen. Dann fehlte mir immer wieder der Faden, weil ich es schwer fand, eine halbwegs plausible Grusel- Horrorgeschichte zu bauen. Ich bin mit dem Ergebnis nicht 100%ig zufrieden, aber das mag auch daran liegen, dass Horror und Übersinnliches nicht so mein Gebiet sind.

Für mich kein Problem – ich hab’s auch nicht verstanden. Deine Geschichte ist auf jeden Fall lesenswert – und wie in meinem Fall, auch mehrmals.

Achillus, ich habe die Ehre, bis demnächst!


Wunderbar, ich freu mich drauf!

Beste Grüße
Achillus

Wird fortgesetzt.

 

Hallo Friedrichard,

vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text. Ich habe Deinen Kommentar mit Spannung und Freude gelesen.


... ein zwotes Mal, dass ich daran zweifle, dass von Wölfen auf Rachefeldzug die Rede sei (wenn @Bernhard vorbeischaut, was nicht unwahrscheinlich ist, wird er sich erinnern), denn eher von Werwölfen ...

In der Tat. Wölfe sind den Menschen in gewisser Hinsicht so ähnlich, dass der Mythos des Werwolfs beinahe natürlich und folgerichtig erscheint. Auch ich habe mich da ein bisschen bedient.

Da werden wir von Hubertusjüngern, unterstützt durch einen jungen kanadischen Indianer, der ... die Nähe der Jagd mit dem Krieg anspricht, dem unsauberen, unpräzisen Bauchschuss ... ein Clean Kill ... gegenüberstellt, das uns die künstliche Intelligenz mit Entscheidungsfähiger Kriegsmaschinerie und dem sauberen Tod ggfs. liefern wird, als wäre das Gebot, nicht zu morden (üblicherweise fälschlich als "töten" übersetzt) durch sauberes Handwerk außer Kraft gesetzt.

Das ist ein interessanter Punkt. Das Gerede vom handwerklich sauberen Töten klingt zynisch und ist es wahrscheinlich auch. Trotzdem kann man kaum abstreiten, dass – wenn schon gejagt und das heißt getötet werden soll oder muss – es einen Unterschied macht, ob das Tier gequält wird oder nicht.

Tiere jagen häufig auf sehr grausame Art, sie nehmen keine Rücksicht auf das Leiden des Beutetiers. Und auch steinzeitliche Jäger, wie beispielsweise die San (Pygmäen) Namibias hetzen das Wild stunden- oder tagelang, bis es vor Erschöpfung zusammenbricht. Die Ethik des Clean Kill ist in der Natur nicht vorgesehen und für Jäger mit beschränkten Technologien meist nicht praktisch umsetzbar, selbst wenn sie die Jagdbeute nicht vorsätzlich quälen.

Insofern ist das saubere Töten sicher ein Vorteil, das mit dem guten Equipment zusammenhängt. Jagdgegner kritisieren ja häufig die Chancenungleichheit wegen der modernen Waffen (Ernst hat das Thema ja ebenfalls angesprochen). Dabei muss man aber eben bedenken, dass eine Ausbalancierung der Chancen in der Praxis wahrscheinlich eine noch grausamere Jagd bedeuten würde. Die San schießen beispielsweise eine Antilope mit einem Giftpfeil an und hetzen das Tier dann ein oder zwei Tage durch die Wüste. Das Leiden des Tiers dauert in diesem Fall sicher länger, als das bei moderner Jagd der Fall ist. Andererseits kann man aber bezweifeln, dass die moderne Jagd überhaupt notwendig ist. Für die San ist sie überlebenswichtig.

Die Jagd war und ist für die oberen Zehntausend Privileg, Training und Manöver zugleich, deren Trophäen nicht vergewaltigte Frauen (nebst deren Bastarden), erbeutete Waffen und Reichtümer nebst Land- und Machtgewinn, sondern das Fell, das Geweih und ein wenig Nahrung war, aber auch das Ansehen, ein toller Hecht zu sein, es mit einem geilen Keiler oder dem ausröhrenden Hirsch aufgenommen zu haben, wenn auch auf Distanz.

Der Aspekt des Trainings gilt nicht nur für die oberen Zehntausend. Ich weiß, dass Ausbilder im Bereich der militärischen Scharfschützen und polizeilichen Präzisionsschützen gern Schüler aufnehmen, die Jagderfahrung besitzen. Ein Jäger sollte es aushalten, mehrere Stunden im Regen zu sitzen und Geduld entwickelt haben. Er sollte die Fähigkeit besitzen, zu beobachten und auf den richtigen Moment zu warten. Darüber hinaus ist es natürlich etwas anderes, auf einen Wildkörper (also ein dreidimensionales Ziel) zu schießen, als auf eine Papierscheibe.

Nun haben die native people und first nations sicherlich eher im Einklang mit der Natur gelebt als wir, hatten aber auch schon – bevor Leif Ericson oder ein Conquistador auch nur einen Schritt an Land getan hatte, das Tier ausgerottet, das nachmals den östlichen Bauernvölkern - etwa an den Großen Seen - innerhalb einer Generation einen, wenn man so will, Rückschritt zum Nomadentum in den großen Ebenen ermöglichte und die massenweise Jagd auf den Bison.

Ja, wenn man sich einmal genau anschaut, wie das so mit Verhältnis der frühen Menschen zu ihrer Umgebung aussah, fallen da nicht nur positive Dinge auf. Die Ureinwohner der Osterinseln haben die Ökologie ihrer Heimat bekanntermaßen ruiniert, und damit stehen sie nicht allein. Auch Tierarten rotten sich untereinander aus, wenn die Umstände ungünstig sind.

Nun prallen in dieser Geschichte drei Charaktere aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein können: Åke, Raubtier, ob in der Geschäftswelt oder der Tundra, dem nichts erfolgreicher ist als der Erfolg, kurz: Der alles an sich reißen will (insofern drängelt sich der Bezug zum deregulierten Raubtierkapitalismus auf). Sein Symbol könnte der Reißwolf im Büro sein.

Treffend formuliert.

Da ist Jon, der Eingeborene, der einen Hauch von Tradition lebt in Erinnerung an den Großvater, der den beiden anderen „Jagen“ beibringen soll, pardon, „sauberes“ Jagen beibringen will, ohne Rückfrage, ob die alte Kultur der Jagd nicht ein an sich entbehrlicher Luxus sei, der nix mit Naturpflege zu tun hat, die gerne zur Begründung des Jagdunwesens herhalten muss. Oder glaubt einer ernsthaft, dass da Natur gepflegt würde?

Ich nehme an, viele Leute glauben das. Sicher sehen das auch eine Menge Jäger so. Dass Jagd und Naturschutz in Wirklichkeit nicht viel miteinander zu tun haben, erkennt man erst, wenn man sich etwas intensiver mit den natürlichen Prozessen und Kreisläufen befasst. Die schlichte Wahrheit hinter der Jagd ist, dass hier Wildfleisch "erwirtschaftet" bzw. produziert wird. Alle anderen Gründe sind vorgeschoben, denke ich.

Im Hinterkopf trag ich den Gedanken: Jon ist der Jagdkurs zugleich Broterwerb und Geschäft ... Aber: Vielleicht ist der Wolf im Clan Jons Totem und ohne anschließende Rituale zur Befriedung der Natur – quasi als Entschuldigung für den Mord müsste es ja so kommen, wie's kommt …

Das ist auf jeden Fall ein spannender Gedanke. Totem und Tabu sind ein riesiges Thema in diesem Kontext.

Und Rangar, eher teilnehmender Beobachter als Aktivist und Icherzähler, der Überlebende und Nutznießer des Jagdausfluges, der Jon beerbt und den Konkurrenten um eine Frau endlich los ist. Vor allem dürfen wir nicht übersehen: Er weiß nun eine short story ausgezeichnet zu erzählen!

Absolut – das ist ja so ein paradoxer Aspekt von Abenteuern: Schrecklich, wenn man sie erlebt, aber ideal, um eine spannende Geschichte daraus zu machen.

Vielen Dank auch für die Fehlersuche. Habe alles korrigiert.


Gleichwohl ein Lesevergnügen, wenn man sich nicht einlullen lässt von Naturbeschreibung und nicht nur Unterhaltung sucht

Das ist ein tolles Kompliment, Friedel, vielen Dank dafür!

Beste Grüße
Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Schon San nicht wie üblich abwertend Buschmänner zu nennen, zeigt Deine Haltung,

lieber Achill,

die gewisslich auch von der Deines (nachmalig vergötterten) Namensspender abweicht, dessen irdisches Leben ja kurz und umso heftiger war. Was mich aber fragen lässt nach der (von mir unterschlagenen) Endung, die doch üblicherweise ...eus ist ...

Aber ich weiß, dass - zumindest einige San - ein Doppelleben führen mit der traditionellen, nun folkloristischen Lebensweise und der modernen. Sie halten aber auch so die Tradition hoch und können durchaus noch Fährten lesen.

Nun, als Allesfresser wie unsere armen Vettern am Kongo wird das Töten anderer Lebewesen grausam zu nennen sein, dass die Entwicklung der Waffentechnik (wie auch die Hinrichtungsmethoden ob öffentlich oder im geschlossenen Schlachthof) eine Art von auf den Kopf gestelltem Humanismus aufzeigt und nach der industriellen Euthanasie (der "schöne Tod") mit der kommerziellen Sterbehilfe kein gutes Gefühl hinterlässt.

Gruß aus'm Pott vom

Friedel

 

Hallo Friedrichard, schön, dass Du noch einmal reingeschaut hast.

Schon San nicht wie üblich abwertend Buschmänner zu nennen, zeigt Deine Haltung,

lieber Achill,

die gewisslich auch von der Deines (nachmalig vergötterten) Namensspender abweicht, dessen irdisches Leben ja kurz und umso heftiger war. Was mich aber fragen lässt nach der (von mir unterschlagenen) Endung, die doch üblicherweise ...eus ist ...


Stimmt, eigentlich sollte es Achilleus, Achill oder Achilles heißen. Und so sehr ich den Typen bewundere, finde ich es aber auch passend, mit meiner Variante ein bisschen auf Abstand zu gehen. (Am meisten fasziniert mich in diesem Zusammenhang die Achilleus–Odysseus-Relation. Es ist verrückt, wie unterschiedlich dieses Paar im Laufe der Jahrhunderte gelesen wurde. War A. tapfer, sah man O. als feige an. War O. wiederum weise, hielt man A. für grausam und brutal. In meiner Wahrnehmung sind sie aber eine einzige Person.)

Aber ich weiß, dass - zumindest einige San - ein Doppelleben führen mit der traditionellen, nun folkloristischen Lebensweise und der modernen. Sie halten aber auch so die Tradition hoch und können durchaus noch Fährten lesen.

Ja, das habe ich auch gehört. Die wenigsten Naturvölker können sich der modernen Zivilisation völlig verschließen.

Nun, als Allesfresser wie unsere armen Vettern am Kongo wird das Töten anderer Lebewesen grausam zu nennen sein, dass die Entwicklung der Waffentechnik (wie auch die Hinrichtungsmethoden ob öffentlich oder im geschlossenen Schlachthof) eine Art von auf den Kopf gestelltem Humanismus aufzeigt und nach der industriellen Euthanasie (der "schöne Tod") mit der kommerziellen Sterbehilfe kein gutes Gefühl hinterlässt.

Ich glaube, das ist ein Problem, bei dem wir niemals bis zur völligen Lösung gelangen werden. Leben heißt töten. Daran kommt nichts, was existiert, vorbei. Allein unser Körper, unsere Immunabwehr, vernichtet Tag für Tag Myriaden von Mikroben. Trotzdem denke ich, dass wir die Spaltung, die aus diesem Konflikt erwächst, überwinden können. Der erste Schritt auf diesem Weg scheint mir Kenntnisnahme zu sein, beispielsweise die Kenntnisnahme der Mechanismen (Schlachthof, Waffentechnik, Hinrichtung), die Du benannt hast.

Vielen Dank, Friedel, für Deinen Kommentar.

Beste Grüße
Achillus

 

Hallo Achillus,

mir hat deine Geschichte gut gefallen, doch ich finde sie schwächer als die letzten, die ich von dir in Erinnerung habe. Dazu gleich.
Gelungen finde ich wieder, dass du dir eine Nische ausgesucht hast, von der der Normalleser wohl keine sonderlich große Ahnung hat. Die Jagd. Bringst hier wieder viel (recherchiertes?) Wissen unter, ohne an einer Stelle belehrend zu wirken. Mit waren die Feinheiten der Jagd zumindest nicht bewusst. Und letztlich unterstreicht dieses perfide Wissen um die Nuancen des "Kills" deine Botschaft. Ist also mehr als bloßes Geklotze.
(Die Jagd scheint dich ja zu interessieren, ich erinnere mich an die kg mit dem äh ... Mit der Raubkatze. )
Was ich auf die Dauer als etwas lähmend fand, sind die vielen Tell-Aspekte. Also immer, wenn dein Ragner in die Vergangenheit sinniert. Das war etwas kraftlos und wirkte eben wie der Teil, der dazuerzählt werden muss, damit der Ake greifbarer wird.
Ich denk, es würde dem Text gut tun, wenn einiges davon szenisch als "echter" Ausschnitt der Vergangenheit dargeboten wird. Noch alles, aber so die eine oder andere Szene. In dieser Form war es etwas blutarm.
Dennoch war das ein toller Ausflug in eine spannendes Metier. Und die Message gefällt mir sehr.

Grüßlichst
Weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Du wieder reingeschaut hast.

Gelungen finde ich wieder, dass du dir eine Nische ausgesucht hast, von der der Normalleser wohl keine sonderlich große Ahnung hat. Die Jagd. Bringst hier wieder viel (recherchiertes?) Wissen unter, ohne an einer Stelle belehrend zu wirken.

Freut mich sehr, dass das so bei Dir ankommt. Ich lese selbst unheimlich gern Geschichten, die von Berufen oder Lebensbereichen berichten, die mir unbekannt sind. Das hat nicht so sehr was mit dem Wunsch nach Bildung zu tun, als vielmehr mit Neugier aufmögliche Lebenserfahrungen und –erkenntnisse, die solche Geschichten vermitteln können.

Obwohl ich selbst kein Jäger bin, mit Jägern jedoch Kontakt habe und durch mein Schießtraining einiges über den Umgang mit Waffen weiß, konnte ich mich in das Thema schnell reinarbeiten.


(Die Jagd scheint dich ja zu interessieren, ich erinnere mich an die kg mit dem äh ... Mit der Raubkatze. )

Das ist wahr. Wenn wir den Beginn des Ackerbaus auf etwa 10.000 bis 5.000 v.u.Z. ansetzen, sieht man, dass der Mensch 190.000 Jahre lang als Jäger und Sammler lebte, also weit mehr als 90 Prozent seiner Entwicklungszeit. Wenn wir die frühen Menschenformen dazu nehmen, wird noch klarer, weshalb Anlage und Hang zum Jagen so tief in uns verankert sind. Den Menschen verstehen, heißt auch, ihn als Jäger zu verstehen, zumindest glaube ich das.

Und, hey, übrigens, wolltest Du zur Jaguargeschichte nicht noch was schreiben? ;)

Was ich auf die Dauer als etwas lähmend fand, sind die vielen Tell-Aspekte. Also immer, wenn dein Ragner in die Vergangenheit sinniert. Das war etwas kraftlos und wirkte eben wie der Teil, der dazuerzählt werden muss, damit der Ake greifbarer wird.

Ja, das lässt sich schwer abstreiten. Bei diesen Erinnerungssequenzen geht Tempo aus der Story. Das kann nerven. Ich weiß noch, dass mich Rückblicke und der Schwenk auf Nebenschauplätze beim Herrn der Ringe immer ein bisschen aus der Fassung gebracht haben. Es wurde gerade spannend – und da kommt dann ein Break. Verstehe also, was Du meinst. Ich glaube, das braucht einfach ein bisschen mehr Feinjustierung. Mal sehen, ob ich das zukünftig besser lösen kann.

Ich denk, es würde dem Text gut tun, wenn einiges davon szenisch als "echter" Ausschnitt der Vergangenheit dargeboten wird. Noch alles, aber so die eine oder andere Szene. In dieser Form war es etwas blutarm.

Ja, das war mein Ansatz in meiner dystopischen Geschichte (Der Klang des Meeres). Da bin ich richtig szenisch zurückgegangen. Vielleicht hast Du recht, und ich sollte mal einen Mix ausprobieren.

Dennoch war das ein toller Ausflug in eine spannendes Metier. Und die Message gefällt mir sehr.

Vielen Dank, Weltenläufer!

Gruß Achillus

 

He Achillus,

Den Menschen verstehen, heißt auch, ihn als Jäger zu verstehen, zumindest glaube ich das.
das ist ja mal eine These. Habe ich noch nie drüber nachgedacht

Ich weiß noch, dass mich Rückblicke und der Schwenk auf Nebenschauplätze beim Herrn der Ringe immer ein bisschen aus der Fassung gebracht haben. Es wurde gerade spannend – und da kommt dann ein Break.
da musste ich lachen, denn es ging mir genauso. War da aber auch noch was jünger, und von überall immer diese Stimmen: Musste lesen! Musste lesen, wahnsinn, nonplusultra ... Und ich hab mich dann ganz schön schwer getan mit.

Und, hey, übrigens, wolltest Du zur Jaguargeschichte nicht noch was schreiben?
hehe, was ich nicht so alles will. ABer dieser Tag mit seinen mickrigen 24 Studnen, das ist schon eine Zumutung :D
Habe noch mal nachgeguckt, war sicher, dir geschrieben zu haben. Anscheinend nicht. Puh. Setze ich auf die Liste. :shy:

grüßlichst
weltenläufer

 

Hey Weltenläufer,

das ist ja mal eine These. Habe ich noch nie drüber nachgedacht

Vielleicht bin ich ja schwer auf dem Holzweg, aber ich betrachte viele Aspekte des Lebens vor dem evolutionären Hintergrund. Warum reagieren Menschen oft aggressiv? Warum gibt es in unserem Gefühlspektrum mehr Raum für negative Gefühle, als für positive? Weshalb dauern Glücksmomente nie lange an? Unabhängig von unserer individuellen Veranlagung gibt es auf all diese Fragen eben Antworten, die etwas mit unserer Herkunft zu tun haben. Ich finde, dass dieser Blick in unsere kollektive Vergangenheit eben auch einige Mysterien der Gegenwart erhellt.

Habe noch mal nachgeguckt, war sicher, dir geschrieben zu haben. Anscheinend nicht. Puh. Setze ich auf die Liste. :shy:

Ich freu mich drauf.

Gruß Achillus

 

Hi Achillus,
Eine sehr gute Geschichte hast du hier abgeliefert. Besonders das Setting der Jagd wirkt auf mich gut recherchiert. Besonders den Anfang fand ich gut gelungen, doch dann war spannungstechnisch ein leichter Durchhänger und zum Schluss hing ging es mir zu schnell. Falls du Horrorelemente bewußt einbauen wolltest, hast du für mich zu viel ausgelassen. Ich fand es auch unverständlich, dass Jon, wenn er weiß, dass es sich um Werwölfe handelt, nicht sofort weitermarschiert. Er müsste doch wissen, dass sie ihn aufspüren werden. Weiters fand ich Ragnars überleben "insziniert". In der Geschichte fand ich keinen logischen Grund, warum sie ihn nicht ebenfalls fressen sollten und diesen Schnitzer solltest du noch ausbessern. Wie wäre es wenn er davonläuft und mit knapper Not entkommt?

Trotzdem gern gelesen, besonders auch wegen deinem klaren Schreibstil.
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Schön, dass Du wieder reingeschaut hast. Ich kann sowohl das Argument mit dem Durchhänger als auch den Vorwurf, das Ende ginge zu schnell, nachvollziehen. Wenn ich eine Story beginne, kenne ich das Ende meist nicht genau und brauche dann so einige Zeit um die Sache ins Laufen zu bringen. Das ist wahrscheinlich der Grund, weshalb Du mittendrin ein wenig Spannung vermisst. Vielleicht sollte ich da kürzen.

Mit dem Ende habe ich auch gekämpft. Meine erste Version war wesentlich expliziter in Richtung Horror geschrieben, aber ich war damit nicht zufrieden. Aus diesem Grund habe ich vieles wieder rausgenommen.

Was die Werwölfe betrifft, so ist das für mein Empfinden hier einfach die Form, in der sich die Natur, der Wald in seinem Vergeltungswillen materialisiert. Jon weiß nichts Genaues, aber er spürt, dass sie in Gefahr sind.

Zu Ragnars Überleben habe ich mir vorgestellt, dass er einerseits nicht die Skrupellosigkeit von Åke besitzt. Jon könnte man zum Vorwurf machen, dass er sich mit den weißen Jagdtouristen arrangiert hat. Er gehört zwar zum alten Volk, zu den Natives, aber er kennt seine Wurzeln nicht, das kann man als Kollaboration lesen.

Ich verstehe aber, wenn sich an dieser Interpretation die Geister scheiden.

Bernhard, vielen Dank für Deine Hinweise.

Gruß Achillus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Flammbert,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Hab mich gefreut, dass Du mal wieder bei einem Text von mir reinschaust. (Von Dir gab es in diesem Jahr keine Geschichte oder irre ich mich? Schreib mal wieder was.)

Jons Verhalten ist teilweise sehr nebulös. Warum interveniert er zum Beispiel nicht, als Åke zu Beginn den Hirsch schießt? Er hat ja scheinbar bemerkt, dass der Schusswinkel nicht stimmt.

Die Aufgaben, Rechte und Pflichten eines Guides werden je nach Land, Gesetzgebungen und Jagdveranstalter sehr unterschiedlich gehandhabt. Meinem Eindruck nach "liberalisieren" sich die Verhältnisse, was bedeutet, die Jäger machen mehr und mehr, was sie wollen. Der Grund dafür ist – wie so oft – das Geld. Dort, wo Jägern, mehr Freiheiten gelassen werden, ist die Nachfrage höher. Ich kann mich täuschen, aber diese Ansicht gewinnt man, wenn ein bisschen recherchiert und staunt, was da so alles erlaubt ist (z.B. mit Armbrust oder Pfeil und Bogen auf Flusspferde schießen, was in den meisten Fällen, nicht beim ersten Treffer tödlich ist ...)

Aus diesem Grund kann man nicht pauschal sagen: "Ein Jagdguide würde das nicht erlauben." Aber nun ist Jon ja offensichtlich ein Mann mit Grundsätzen. Warum interveniert er nicht beim ersten Schuss von Åke? Weil er nicht weiß, wann Åke schießen wird. Es kann durchaus sein, dass der Schütze in den Anschlag geht und das Tier durch sein Glas eine Weile beobachtet, auf den richtigen Moment wartet, vielleicht sogar mit Finger am Abzug.

Jon geht zunächst davon aus, dass Åke und Ragnar, die ja ihre Jagdlizenz gemacht haben, wissen, was zu tun ist. Darüber hinaus ist das Spitz-Schießen auch nicht verboten, es ist einfach riskant und deshalb im weiteren Sinne unethisch. In Deutschland gibt es sicher auch eine Menge Jäger, die eher in einem spitzen Winkel schießen würden, als eine fette Beute davonkommen zu lassen.

Wenn Jon sagt "... hier feuern wir niemals spitz von hinten auf ein Tier ..." dann bedeutet das eben, "... wir wissen, dass wir das nicht tun sollten ..."

Auch war ich überrascht, dass Åke relativ ungehindert alleine loszieht. Egal welche Argumente er vorbringt, Jon trägt ja letztendlich die Verantwortung für alle.

Das stimmt. Jon ist ein sehr junger Guide und im Grunde eher ein zurückhaltender Mann. Er hätte intervenieren können, hat es aber nicht getan oder es zwar getan, sich aber nicht durchgesetzt. Das ist aber eben auch ein Grund, weshalb ihn am Ende die Wucht der Vergeltung eben so trifft, wie Åke.

Man darf nicht vergessen, dass Åke und Ragnar hier im Grunde die Geldgeber sind. Der Kunde ist König, heißt es ja so bezeichnend. Natürlich kann man das von außen kritisieren, aber aus der Logik der Situation heraus gesehen finde ich es nicht unglaubwürdig, dass Jon zunächst versucht, es seinen Kunden recht zu machen.

Was das Lesen aus den Fußabdrücken betrifft, da ist Jon schon ein richtiger Fährtenleser. Das wird ja auch in der ersten Jagd gezeigt, in der Jon den verletzten Hirsch aufstöbert.

Was Ragnar betrifft, kann ich Bernhard nur zustimmen. Dass Ragnar überlebt, scheint nicht plausibel. Möglicherweise würde seine "gute" Rolle und damit der Grund für ein Verschonen zur Geltung kommen, wenn er im Wald, keine Ahnung, ein Blümchen nicht zertritt? Oder eine andere Handlung, die der Natur zu Gute kommt, ihn nicht als Opfer prädestiniert.

Ich finde, dass man Ragnars Charakter recht gut aus den Reflexionen herauslesen kann, die er während der Wanderung anstellt. Es wird beispielsweise deutlich, dass er mit dem verletzten Tier fühlt, dass ihn die Qualen des Hirsches traurig machen. Auch sieht man, dass er nicht leichtfertig, aus Vergnügen oder sadistischer Freude heraus ein Tier schießen will. Er hat einen Konflikt zu bewältigen, als er auf den Elch anlegt. In diesem Sinne ist er schon ein Gegenbeispiel zu Åke.

Insgesamt habe ich deine Geschichte wirklich gern gelesen. Nicht nur, weil Naturbeschreibungen, Spannungsaufbau etc. gepasst haben, sondern auch, weil mich die Geschichte mit Åke, Ragnar und Lena an eine persönliche Geschichte erinnert, und ich mich so mit Ragnar in gewisser Weise identifizieren konnte.

Freut mich, dass Dir die Geschichte gefallen hat und dass die Lena-Episode Erinnerungen bei Dir wachgerufen hat. Über den Horror-Tag habe ich ein bisschen nachgedacht. Werde ich noch machen. Vielen Dank auch für diesen Hinweis.

Gruß Achillus

 

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