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Die IroniE
Es war ein fröhlicher, bedenklicher Morgen, als Martin aufgebracht seine Wohnung verliess. Mit dabei hatte er eine abgesägte Schrottflinte. Dies konnte aber niemand sehen, da er sie in seinem Hosenbein versteckt hatte. Was niemand wusste: Die Waffe war geladen! Unten beim Eingang begegnete er dem Hauswart, Willy Schwartinger. Dieser war eine Mischung aus Trägheit, Dicklichkeit, Tollpatschtentum, Durchtrainiertheit, Cleverness und Agilität. Ein völlig durchschnittlicher Typ, sozusagen. Willy stellte sich Martin in den Weg. "Guten Morgen Martin, wohin denn so eilig?", fragte er aggressiv. "Zur Arbeit", sagte Martin hastig. "Heute ist doch Sonntag, oder?", fragte Willy jetzt noch geladener. Martins Kopf wurde ganz rot und drohte, zu zerbersten. "Ich habe einen Nebenjob in einer Bibliothek, die haben auch Sonntags geöffnet", versuchte sich Martin rauszureden. Aber dann, die beiden Herren zuckten zusammen mit einem devoten Blick nach oben, kam Fräulein Wunder. Sie war es, die allen Männern über 40ig in der Nachbarschaft in den Wahnsinn trieb. Sie hatte sanftmütige Kurven, grosse Busen und war ausgesprochen gross, circa 190 cm. Sie wusste mit ihren Reizen nicht zu geizen: "Hallo Martin und Willy! Was schaut Ihr denn so verdattert? Wollt ihr mich begleiten?" Darauf Martin wie aus der Pistole geschossen: "Ähm, ich äh... Tut.., tut mir Leid, aber.., ich äh, muss noch... muss noch.., äh, zur Arbeit." "Am Sonntag? Was für eine Arbeit soll denn das sein?", erwiderte Fräulein Wunder, die zum Vornamen Hansa hiess. "Genau das habe ich ihn auch gefragt", bemerkte Willy sodann. "Das geht euch nichts an. Ich habe es ja schon gesagt, in einer Bibliothek. Jetzt lasst mich gehen.", verlangte Martin erzürnt. Er wollte weitergehen, doch zu seinem Schock stellten sich nun Willy und Hansa vor und hinter ihn. Als sei dies nicht genug, hielten sich die beiden plötzlich an den Händen, so dass Martin nun zwischen ihnen gefangen war. Vor ihm drückte Willy seinen dicken Bauch gegen Martin, und von hinten spürte er Hansas Brüste an seinem Hinterkopf, da sie ja so gross war und dazu noch eine Treppe über ihm stand. "Wa.., was soll denn das jetzt? Lasst mich frei!", rief Martin wie bestellt und nicht abgeholt.
Es kam noch dicker für den fetten Martin. Hansa und Willy, an den Händen haltend, begannen sich im Kreis um ihn zu drehen, immer schneller, und noch lauter. Dabei riefen Sie im Chor: "Martin muss arbeiten! Haha! Am Sonntag! Haha". Die Brüste trommelten in jeder Runde auf Martin nieder, bis Martin schliesslich seine Schrottflinte zog und einmal laut in die Luft ballerte. Die beiden Plaggeister Hansa und Willy zuckten zusammen und starrten Martin entsetzt an. "Das habt ihr nun davon!", schrie dieser mit erhobenem, und gleichzeitig leicht verwirrtem Haupt. Dann schwang er sich elegant über das Treppengeländer und landete auf der nächsten Treppe, von der aus er nur noch wenige Schritte bis zum Hauptausgang hatte, die er nun zu bewältigen vermochte. Hansa und Willy, noch immer im Schockzustand, sahen sich nur verdutzt an. Martin flüchtete aus dem Gebäude und rannte in Richtung Bushaltestelle.
Dort angekommen wartete ein alter, rüstiger Opa. "He Sie!", schrie dieser noch. Doch Martin reagierte nicht, er rannte weiter, bis er an die Talstation einer Gondelbahn ankam. Er löste sich ein Ticket und bestieg die Bahn in Richtung Bergspitze. Diese hiess Destiny.
Auf der Alp lernte er später seine erste grosse Liebe kennen: Sich selber. Als Hansa und Willy davon Wind bekamen, waren sie schockiert. Denn das bedeutete einerseits, dass Martin schwul war, und zweitens, er war ja mit sich hochgradig verwandt, und Beziehungen unter direkten Verwandten wurden von der Gesellschaft nicht gutgeheissen. Willy und Hansa, inzwischen ein Paar, beschlossen, Martin zu besuchen und ihn zur Vernunft zu bringen. Als sie die Hütte erreichten, in der Martin inzwischen zurückgezogen hauste, traf sie der Schlag: Martin hatte sich bereits geheiratet und 4 Kinder gezeugt. Diese machten plötzlich einen Kreis um Hansa und Willy und gaben sich sodann die Hände, so dass die beiden nun, wie einst Martin zwischen ihnen, gefangen waren. Dann begannen die Kinder, sich um die beiden im Kreis zu drehen. Sofort erkannten die zwei die Ironie des Schicksals. Sie versuchten gar nicht erst, sich zu wehren, sondern liessen es geschehen. Heute, 7 Jahre später, erinnern nur noch zwei Grabsteine an der Stelle an diese tragische, dramatische, wenn auch lehrreiche und vorbeugende Geschichte, die man sich noch heute in der Dorfkneipe erzählt um die Kinder zu mahnen: Verlasst nie, niemals mit einer geladenen Schrottflinte aufgebracht die Wohnung.
ENDE