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Die immer weint

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11.07.2022
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Anmerkungen zum Text

In dieser Geschichte geht es um ein junges Mädchen mit einer obszönen geistigen Störung.
Ich freue mich über jeden Leser und jede konstruktive Kritik, aber auch knallhart und ehrlich.

Die immer weint

Andere hätten vielleicht geglaubt, sie sähe nicht nach draußen, weil keiner gern den Regen betrachtete, der in unablässigen Abständen die Scheibe mit seiner Verschwommenheit bespuckte. Susie jedoch wandte sich vom Fenster ab, um das Unvermeidliche hinauszuzögern, denn das einzige, was sie wusste, war – die Tränen würden kommen, ihr Gesicht genauso zerlaufen lassen und mit Trauer füllen wie die Fensterscheiben. Der plötzliche Wetterumschwung war so verdächtig, dass Susie bereits die Jalousien nach unten gezogen hatte, als sich am Himmel die ersten grauen Decken gebildet und sich ausgebreitet hatten. Doch jetzt pochten die Tropfen mit einem solchen Tempo auf das Dachfenster ihres Zimmers, dass sie meinte, die Scheibe könne jeden Moment zersplittern.
Susie Garitonov hatte das Zimmer vor drei Jahren nicht freiwillig bezogen – ihre hirnverbrannten Eltern hatten es ihr eingerichtet und mit allen Möbeln ausgestattet, die sie sich wünschte, kurz nachdem sie 2019 ihren großen Anfall bekommen hatte, wie sie es ausdrückten. Sie meinten, dort oben könne Susie sich von ihren bösen Visionen befreien, die sie letztendlich zu dem brachten, was sie immer tat, wenn ihr etwas gehörig gegen den Strich ging. Mit ihren vierzehn Jahren besuchte sie eine Privatschule – die ADHS-Förderschule für Geistesförderung – für schwererziehbare Kinder in der Nähe von Schlemen, ihrem Heimatort. Sie selbst bezeichnete dieses Haus als eine Klapsmühle für Jugendliche, die gehörig einen an der Klatsche hatten, und deshalb gehörte sie nicht dorthin. Das Problem war nicht sie selbst oder ihre vermeintliche (und ihrer Meinung nach nicht existierende) Krankheit, sondern die Menschen, die sie Tag für Tag traurig machten, und das waren fast alle Menschen. Erst vor kurzem hatte Torben es geschafft, den sie auf einem Schulfest aufgeschnappt hatte, wenngleich es erstaunlich genug war, dass ihre Eltern sie hatten teilnehmen lassen. Auch an diesem Abend hatte sie geweint – diesmal aber vor Freude.
Heute war es keine Freude, die ihr die Tränen aus den sichtlich leeren Augenhöhlen trieb, in denen kein Wunsch nach Leben stand, wenn sie es auch nicht sehen konnte (sie sah sich nicht gern im Spiegel, weil sie beim Anblick ihres anschwellenden Körperumfangs weinerlich wurde, ganz zu schweigen von den angehenden Pigmentierungen im Gesicht).
Sie schwang ihre dunklen Haare auf die andere Seite ihres dicklichen Körpers, wegen dem sie noch vor zwei Jahren als Strich in der Landschaft bezeichnet wurde, und verließ das Zimmer. Neben der Tür erstreckte sich ein kleiner Gang, der auf den Dachboden führte; dort war es meistens kalt. Kälte, hatte Susie gemerkt, stimmte sie traurig. Ebenso die zerlaufenen Wasserperlen an all den Fensterscheiben im oberen Flur. Dadurch wirkte es, als würde das gesamte Haus weinen. Es war deprimierend, wenn sich alle Wände um sie herum zu verflüssigen schienen.
Ihr fiel auf, dass sie noch ihren Ranzen packen musste, schließlich begann am nächsten Tag wieder die Schule. Wie sie diese Sonntage hasste, mehr als die Montage, denn da hatte das Übel bereits begonnen, und es gab Aussicht auf ein Ende.
Nun konnte sie es nicht mehr aufhalten. Verspannt hatte sie es hinter ihren Augen halten wollen, doch jetzt strömte es an ihren Augäpfeln vorbei, drückte gegen die zugekniffenen Lider.
»Susie-Liebling? ist alles in Ordnung mit dir?« Das war Mama, die sich aus der Küche nach Susies Wohlbefinden erkundigte. Sie hatte wohl winselnde Laute von sich gegeben, in der Hoffnung, die Tränen zurückzuhalten, was ihr noch nie gelungen war.
Sie gab einen knurrenden Laut von sich. Sollte sie sich doch mit dieser Antwort zufriedengeben. Irgendwann musste sie lernen, dass es ihr nicht half, vor ihrer Tochter herumzuschleimen und so zu tun, als wäre sie ganz normal, denn das war sie nicht, wie sie selbst wusste, doch in diese Schule gehörte sie trotzdem nicht. Sie hatte ihre Probleme, war jedoch überzeugt, daran könne sie arbeiten. Schlimm genug, dass Torben an ihrem Geburtstag letzte Woche eine solche Scheiße fabriziert hatte. Der Junge war doch tatsächlich mit einer Sweatjacke vor ihrer Tür erschienen und hatte geklingelt. Sie hatte als erstes die Tür geöffnet und ihn daraufhin entsetzt angestarrt – zwar konnte sie sich selbst nicht sehen, doch sie konnte sich denken, wie sie wirken musste.
»Hey, mein Bärchen«, hatte er gesagt und dabei ein Grinsen über sein Gesicht huschen lassen, das sie bloß noch aggressiver werden ließ. Zu diesem Zeitpunkt konnte sie die Tränen noch einigermaßen unter Kontrolle halten.
Erst als sie den Blumenstrauß sah, den er wie ein triebhafter Teenager in der rechten Hand hielt, setzte es aus. Sie erkannte es auf den ersten Blick. Wie kannst du nur?, formten ihre Lippen, doch sie brachte keinen Laut zustande. Sie hatte das Problem bereits erkannt. Torben jedoch nicht.
Sie verfinsterte ihren Blick unter den dicken Tränen, in der Hoffnung, er würde es merken … was nicht passierte. »Es sind vierzehn«, sagte er. »Weil du vierzehn geworden bist, dachte ich.«
»Vierzehn Rosen also?« Es waren strahlend rote, die Stacheln an den Stängeln drückten zärtlich durch das weiße Tuch, in dem er den Strauß hielt; anscheinend hatten die Blumen noch nicht viele Tage der Blüte erlebt. Doch das war nicht das Problem. Es war auch nicht das Problem, dass der Junge sich an ihrem Geburtstag nicht hatte dazu hinreißen lassen können, sich mehr über seinen Körper zu ziehen als eine markenlose Jacke und Arbeitsschuhe, an denen sich vorne Löcher zu bilden begannen; es war auch nicht das Problem, dass er kurze Hosen von ADIDAS trug, obwohl sie auf Nike stand; es war auch nicht das Problem, dass er sie zur Begrüßung nicht geküsst hatte; und es war auch nicht das Problem, dass er sie vor seinem Eintreffen nicht angerufen hatte. Was sie am meisten in Rage brachte, war die verfluchte Anzahl der Rosen in seiner schmutzigen Hand, die er sich scheinbar auch nicht gewaschen hatte, bevor er auf seiner Simson in den Hof gerast war und den Kies weggefegt hatte. Wie oft hatte sie ihm schon gesagt …
»Was … siehst du mich denn so an?«, sagte er. »Susie, alles in Ordnung? Hat jemand dir wehgetan?«
Sie konnte einfach nicht fassen, dass er das wirklich fragte. »Und ob mir jemand wehgetan hat. Du hast mir verflucht noch mal wehgetan und tust es immer noch, und weißt du auch, warum?«
Er schüttelte den Kopf. Er war sichtlich schockiert.
»Rate mal.«
»Ich … keine Ahnung«, stammelte er. »Susie, wenn irgendetwas ist, ich …«
»Verschone mich mit deinen gespielten Fürsorglichkeiten, wenn du schon Unheil über mich bringen willst.«
»Unheil? Was redest du denn da? Susie, sag mir doch bitte …«
»Okay, ich sage es dir, wenn es von allein nicht in deinen dussligen Kopf reingeht. Mein Problem ist, dass du mir einfach nicht zuhören kannst. Aber anscheinend kann das kein Junge. Habe ich dir nicht letztes Jahr erklärt, eine gerade Zahl an Blumen in einem Strauß bringt Unglück? Habe ich das nicht getan?«
»Ich …«
»Und was ist die Vierzehn wohl für eine Zahl? Bist du wenigstens dafür gerissen genug?«
»Es ist eine gerade Zahl, aber ich dachte mir …«
»Aha, und was sagte ich über gerade Zahlen in Blumensträußen?«
»Du sagtest, sie brächten Unheil, aber …«
»Na siehst du? Und trotzdem tauchst du hier auf, mit diesem Ding in der Hand, und verlangst, dass ich sie dir abnehme, weil du glaubst, ich könnte nicht zählen, hä?«
»Das glaube ich nicht, mein Liebling.«
»Ha! Und doch traust du dich hier aufzutauchen.« Sie weinte nun aus vollem Fluss, aber ihre Stimme klang wie die eines normal Redenden, der einfach nur seine Wut aus sich herauspresst – eine ihrer großen Künste, die sie an sich selbst bewunderte, denn jedem Menschen, den sie kannte, hörte man es an der Stimme an, wenn er weinte.
»Susie, vielleicht kannst du mir noch ein letztes Mal …«
»Einen Teufel werde ich! Zu spät gekommen bist du nämlich auch noch.«
»Susie, hör zu, es war Stau. Du weißt doch, die A4 …«
»Oh, bitte verschone mich damit.« Immer diese Lügen über den Stau. Langsam konnte er sich wirklich mal etwas Kreativeres einfallen lassen. Sie fasste sich, atmete tief durch, während die letzten versiegenden Tränen an Stirn und Wangen hinunterrollten. Dann wurde ihre Stimme ruhiger. »Du solltest mit deinem Moped ohnehin nicht auf der Autobahn fahren, stimmt’s? Torben, wenn dir was passiert …« Sie trat an ihn, tätschelte liebevoll seine Wange und spürte, wie die Tränen erneut zu drängeln begannen. Sie küsste ihn sanft, aber flüchtig auf den Mund. »Aber du hörst ja nicht auf mich. Du weißt, was es für Auswirkungen auf unsere Beziehung haben kann, wenn du nicht auf mich hörst, richtig?«
»Das weiß ich, Susielein. Aber jetzt bin ich hier, und es wäre doch wirklich schön, wenn wir beide ein bisschen Zeit miteinander verbringen könnten.«
Susie dachte darüber nach und kam zu einem Schluss. Nein, dachte sie, so gern sie es gewollt hätte, er war ihr Freund, er war ihr LOVER, und er hatte sie zum Weinen gebracht, und sie konnte ihn nicht ungestraft davonkommen lassen.
»Ich gebe dir noch eine Chance«, sagte sie.
»Ach, Susie, du bist einfach die Beste.«
»Aber nur, wenn du nächste Woche Donnerstag pünktlich kommst und mir einen ordentlichen Strauß Blumen mitbringst.«
»Das werde ich, das werde ich, verspochen. Darf ich jetzt reinkommen? Ich werde vorher natürlich die Schuhe ausziehen.«
»Das ist nicht nötig …«
»Ach komm, Susie, ich weiß doch, wie deine Eltern …«
»… weil du für heute umsonst gekommen bist. Und was dein Unkraut hier angeht« – sie deutete auf den Strauß in seiner Hand – »hinter der Ecke am Schuppen an der linken Wand ist die Biotonne.«
Er starrte sie mit offenem Mund an, als könne er es nicht glauben. »Susie, bitte, das kann doch nicht dein –«
Sie schloss langsam die Tür vor seiner Nase und drehte den Riegel. »Ha!«, sagte sie noch einmal.
»Ha«, rutschte es ihr auf den mit bemustertem Teppich bedeckten Stufen heraus, als sie daran dachte. Ihr Geburtstag war nun vier Tage her, und heute war wieder einmal der Stichtag – es war nicht das erste Mal, dass sie ihren geliebten Torben hatte abdampfen lassen, doch der Junge sollte bloß nicht denken, es wäre ihr gleichgültig. Natürlich war es das nicht. Es tat ihr sogar in der Seele weh; sie liebte ihn von ganzem Herzen, doch wenn er sich nicht benehmen konnte und ihr das antat, was sie nun mal traurig machte, musste sie ihn einfach bestrafen, und diese Strafe bestand darin, ihn wegzuschicken und ihm Bedenkzeit für das zu geben, was er falsch gemacht hatte. Er musste es beim nächsten Mal einfach richtig machen, das war die effektivste Lösung, um aus seinen Fehlern zu lernen … nur hatte er an ihrem Geburtstag versagt; das mit den Blumen hatte sie ihm schon einmal erzählt, und scheinbar war er doch nicht so eine helle Birne, wie ihn seine Klassenkameraden der Oberschule in Norwitz immer bezeichneten. Aber heute, wenn er es heute wieder falsch machte, würde sie nicht bloß in Tränen ausbrechen.
»Susie, möchtest du noch ein Stück Baumkuchen? Es ist noch etwas übrig.«
Diese erbärmliche Frau konnte wohl ihre Klappe nicht halten. In so einem Fall wäre es günstig, dachte Susie, man würde sie ihr polieren, damit sie wieder ordnungsgemäß funktionierte und sich nur um die Dinge kümmerte, die ihr zugeteilt wurden. Nein, sie wollte keinen Baumkuchen, und nein, es war nicht alles in Ordnung, sie hatte seit Tagen keinen richtigen Hunger mehr, und jetzt fragte ihre Mutter sie allen Ernstes, ob sie sich ein Stück Baumkuchen unter ihr Speck schaufeln wolle. Zumal sie mit diesem Fraß schon schlechte Erfahrungen gemacht hatte, doch das wussten ihre Eltern nicht. Damals war sie mit ihrer Freundin (die jetzt nicht mehr ihre Freundin war, weil sie »die Schnauze voll von ihrem sinnlosen Gejammer« hatte, wie sie sich auszudrücken pflegte) unterwegs gewesen, und auf der Wanderung im Elbsandsteingebirge hatten sie auf einer Bank unmittelbar neben einem gut gepflegten Wanderweg eine Pause eingelegt, und da hatte Helena einen Kuchen aus dem Rucksack gezaubert und ihr hingehalten. »Tada!«
»Was ist denn das?«, hatte sich Susie erkundigt und vor Verwunderung die Augenbrauen verzogen.
»Sag bloß, du hast noch nie Baumkuchen gegessen.«
»Baumkuchen? Das hat doch nichts mit Kuchen zu tun. Aber okay … ich koste gern ein Stück.«
Daraufhin schnitt Helena ihr ein Stück ab und reichte es ihr. Sie nahm es entgegen, brach die Rinde auseinander, hielt ihre Nase daran, nahm einen kräftigen Zug von dem trockenen Teig und schnupfte die Krümel wie Koks.
»Mein Gott, Susie, was machst du denn da? Geht es dir gut?« Panik funkelte in Helenas Augen, und sie sprang von der Bank, um ihr den Kuchen aus der Hand zu reißen, von dem nun einzelne Krümel an und um ihre Nase herum hingen. Einige baumelten, von Sekret umschlungen, aus ihren Nasenlöchern.
»Oh ja, mir geht es ausgezeichnet, und gleich wird es mir noch besser gehen, gleich bin ich nämlich high, siehst du?« Sie hüpfte auf der Bank auf und ab, kümmerte sich nicht um den entsetzten Blick ihrer Freundin, bis diese ihr das geschundene Stück aus der Hand riss und ins Gebüsch warf.
Susie war entsetzt.
Helena hatte gerade Scheiße gebaut. Große Scheiße.
Niemand nahm ihr ungestraft ihr Essen weg und warf es dann ungeachtet in einen Busch. So ging man mit Essen einfach nicht um. Dieses verfluchte Weib hatte wohl keine Erziehung genossen. Sie sollte sich eine Strafe für sie überlegen. Ohne sich lange den Kopf darüber zu zerbrechen – wer so mit Lebensmitteln um sich warf, hatte es nicht verdient, dass man allzu viel Zeit für ihn opferte – griff sie nach der Tüte in Helenas Hand, wo noch der halbe Kuchen steckte, schleuderte sie auf den Boden, während die ersten Tränen ihr Gesicht hinabliefen, sprang von der Bank und holte zu einem Sprung aus, mit dem sie das ganze Stück in Stücke trat. Große und kleine Krümel bröckelten voneinander ab und hinterließen auf dem Kiesweg eine Futterstelle für Waldvögel. »Das hast du nun davon«, sagte sie in ruhigem Ton, ohne eine Spur von Weinerlichkeit in der Stimme, das Gesicht jedoch voller Tränen.
»Susie, verdammt, was soll das?«
»Der Ausgleich, mehr nicht. Du hast mein Essen zerstört, also zerstöre ich dein Essen. Oder pflege ich da irgendeine abgedrehte Einstellung?«
»Du … du bist doch völlig verrückt. Du hast das Zeug mit einer Wucht in deine Nase gesogen, du hättest daran ersticken können.«
»Das ist der Kick bei der Sache. Helena, hör zu. Die meisten Menschen betrachten Essen als etwas völlig Normales, weil man es tun muss, um zu überleben. Die eigentliche Gefahr aber, die entstehen kann, wenn man es nicht tut, realisieren die meisten gar nicht mehr. Sie sitzen an ihren Tischen, labern, quaken, lachen, sind fröhlich. Und jetzt komme ich, weine und zeige, dass man beim Essen auch in Gefahr geraten kann, wenn man nicht aufpasst. Wenn man das Essen missbraucht, so wie du.«
Und damit war das Gespräch beendet.
Wenig später sprach sich der Fall in der Schule rum – in Helenas Schule, denn in ihrer eigenen hatte sie keine Freunde, weshalb sie häufig weinte –, und daraufhin wollte niemand mehr etwas mit ihr zu tun haben. Jetzt hatte sie nur noch Torben, den traurigen Vogel. Im vergangenen Jahr hatten sie sich auf dem Schulfest der Norwitzer Oberschule kennengelernt, auf das sie sich klammheimlich und gegen den Willen ihrer Eltern geschlichen hatte, weil sie der Meinung waren, sie sei »momentan zu sensibel für große Festlichkeiten«. Woraufhin sie in Tränen ausgebrochen war. Aber sollten die doch nur denken; sie war alt genug, konnte selbst entscheiden, wohin sie ging und wann sie zurückkam.
Torben Kieslich hatte inmitten einer Schülermasse gestanden, die sich gerade für ein Foto aufgestellt hatte, als sie ihn von hinten anstupste. »Hey, Süßer«, hatte sie gesagt. »Du bist doch süß, oder?«
»Oh, findest du? … Oh … danke.«
Beim Anblick seiner zitternden Miene hätte sie am liebsten losgeheult, aber sie musste sich zusammenreißen; hier ging es darum, einen Jungen aufzureißen, wahrscheinlich der einzige, den sie je aufreißen würde, weil er einfach zu naiv für die Welt schien, wie er da stand, die Hände in den Taschen vergraben, aber die Ellbogen weit ausgestreckt, als wäre er für alles und jeden offen. Er besuchte die zehnte Klasse dieser Schule und wohnte hier in der Gegend. Jedenfalls besaß er ein Moped, mit dem er die lange Strecke wettmachen konnte. Er schien ein halbwegs anständiger Junge zu sein, der – ebenso halbwegs – ihre Ansprüche erfüllte. Sie tauschten Namen, Anschrift und Handynummer aus (ihr Handydisplay war mit einer besonderen Panzerfolie versehen, da sie es in ihren Traueranfällen manchmal auf den Boden schmiss) und verabredeten sich drei Tage später in ihrer Wohnung, als ihre Eltern eine Messe in Dresden besuchen, bei der es um Reiseartikel ging, die Susie eine feuchte Kacke interessierten, weil sie das Reisen genauso traurig machte wie fast alles andere. Für diesen Tag aber waren es die optimalen Bedingungen, denn sie glaubte nicht, dass sie Torben in ihr Bett bekommen hätte, hätten sie die Anwesenheit der Bevormundeten genossen. Es hatte sie so schon Bäche an Tränen gekostet, bis er sich dazu hatte hinreißen lassen, sie zu küssen und dabei seine Zunge spielen zu lassen. Danach hatten sie sich geliebt, und dabei hatte er Laute von sich gegeben, die sie gleichzeitig fröhlich und traurig stimmten. Wahrscheinlich hatte er nicht einmal Spaß dabei, konnte aber nicht verantworten, dass auch sie keinen hatte.
Während des Beischlafs war sie zu dem Schluss gelangt, Torben wäre genau der Richtige für sie – so richtig, wie ein Junge für sie eben sein konnte –, denn er entsprach genau ihrer Vorstellung von Typ: Er stellte keine dummen Fragen, gab sich einfach ihren Wünschen hin, und seien sie noch so abstrakt und einfältig; er würde alles tun, um sie nicht traurig zu machen. Andere Mädchen in ihrem Alter mochten Jungen dieser Art eher meiden, doch Susie war, und das wusste sie selbst, ein spezieller Fall.
Es läutete an der Tür. Ein schrillender, ohrenbetäubender Ton, der in Susies andauernde Traurigkeit auch noch Wut mischte. Ein Klingeln kündigte Besuch an, der wiederum Unheil bedeutete.
Sie wollte nicht mehr wütend sein. Sie wollte nicht mehr traurig sein. Sie wollte Torben in die Arme fallen, ihn abknutschen und …
Hoffentlich hat er den richtigen Blumenstrauß. Wehe, wenn er nicht den richtigen Blumenstrauß hat.
Susie rechnete schon damit, Mama würde in den Flur gehechtet kommen, um die Tür zu öffnen, weil sie eines von ihren Stofftieren erwartete, die sie sich ständig als »Raumdekoration«, wie sie es bezeichnete, an die Decke hang, dass es bald ungemütlich und peinlich wurde, wenn Gäste kamen, doch sie blieb stumm in ihrem Sessel sitzen und strickte einen Winterhandschuh, da der Herbst bereits seinem frostigen Ende entgegenging. Wieso sie sich nicht auch die blöden Stofftiere selbst basteln konnte.
Sie öffnete die Tür, und der Junge hüpfte zitternd vor der Tür herum, den Blumenstrauß diesmal in der linken Hand. Er legte ihn kurz vor sich auf die Wiese, weil ihm wohl aufgefallen war, dass er noch seinen Helm trug. Er riss ihn sich vom Kopf und ließ ihn achtlos auf die Verandafliesen plumpsen. »Du siehst toll aus«, sagte er.
»Es macht mich glücklich, wenn du das sagst.«
Er grinste übers ganze Gesicht. Da stand er, zerzauste Haare vom Helm, eine schwarze Bomberjacke und eine löchrige Arbeitshose von Engelbert Strauss. Wahrscheinlich fühlte er sich damit cool. Sein Gesicht war so rot, als hätte er es gerade über einen Feuerhaufen gehalten, Schweiß rann ihm in dünnen Bächen von der Stirn.
»Aber weißt du, was mich noch viel glücklicher machen würde?«, sagte Susie und deutete auf das Bündel Blumen auf der feuchten Wiese hinter ihm.
Sofort schwang er herum, wobei er fast über eine Erhebung vor dem Rasen gestolpert wäre – was für ein Trottel! Er übergab ihr die Rosen, doch sie zählte zuerst. Elf Stück. Alle rot. Gut. Das war gut und akzeptabel. Er hatte ihr also wenigstens einmal zugehört. Wäre er mit dreizehn hier aufgekreuzt … Dreizehn war eine Unglückszahl und somit nicht besser als die Vierzehn. Dann hätte der Ärmste erneut abdampfen können.
»Komm doch rein, mein Lieber«, sagte sie, und er tat wie geheißen, wobei man ihm deutlich seine Lust auf sie ansah. »Und küss mich.«
Auch das erledigte er, ohne zu zögern, indem er seinen Mund einen Spalt öffnete, damit sie ihre Zunge hindurchschieben konnte. Sie meinte, den Duft von Benzin aus seinem Atem herauszuschmecken.
»Mmmmhh …«, machte er, als sie sich von ihm löste und ihn am Wohnzimmer vorbei die Treppe hinaufzog.
»Willst du, dass uns meine Eltern so zugucken?«
»Nein nein, natürlich nicht«, flüsterte er. »Was schlägst du vor?«
»Das weißt du ganz genau, Schnuckelbär. Du konntest die ganze Fahrt an nichts anderes denken, das brauchst du gar nicht zu leugnen; ich sehe es dir nämlich an den Augen an. Aber vorher musst du noch etwas für mich erledigen. Mir aus meiner Trauer heraushelfen, sozusagen. Bist du dafür bereit?«
Er leugnete nicht. Er sah sie aus blassen Augen heraus an. Ein gelber Pickel, kurz vorm Platzen, spross über der Wange aus seiner Haut. Wie verkümmert er doch aussah! »Für alles, Liebling. Alles. Was muss ich denn tun?«
»Etwas, das zu zweit mehr Spaß macht als allein. Aber es ist nicht dieses Eine. Das gibt es nachher als Belohnung, wenn du das andere ordentlich gemacht hast.«
Hand in Hand stolperten sie die Stufen hinauf, verspielt, unachtsam, erregt. In gerader Richtung lag ihr Zimmer. Torben betrachtete interessiert das Blatt Papier, auf dem eine graue, Regen spuckende Wolke abgebildet war, die ihr, nachdem sie sie gezeichnet hatte, sofort einen Schwall Tränen entlockt hatte. Sie öffnete die Tür. Die beiden traten ins Innere, und Susie erkannte aus dem Augenwinkel Torbens entsetzten Blick, als er ihren Fußboden und den Schreibtisch sah. Beides wirkte nicht gerade ordentlich; auf dem regenbogenfarbenen Teppich stapelten sich wüste Haufen Kleidungsstücke, ringsherum von Barbys und Filly Pferden umgeben, die sie sich gekauft hatte, als Mama sie ein kleines Mädchen geneckt hatte, weil sie beim Essen einen Löffel Lauchsuppe verkleckert hatte. Der Schreibtisch bot etliche Stapel Blätter, die sich allesamt aus Klassenarbeiten und Leistungskontrollen der letzten Schuljahre zusammensetzte, darunter auch die Geistigen Entwicklungstests der Integrationsstunden, die jede Woche im Obergeschoss der Schule stattfanden. Einzelne Krümel färbten Teile des Teppichs braun.
Sie schubste ihn sanft auf das Bett, und er ließ sich ohne Protest auf die schmutzige Decke fallen. Sie sank sich neben ihn auf die feuchte Fläche. Sie nahm eine seiner Hände und betastete prüfend seine Finger. Ja, dachte sie, das reicht. Nicht perfekt, aber wenigstens zeigte es, dass der Junge sein Äußeres nicht vollständig vernachlässigte. Er ließ sie über seine Finger streichen, sie sanft auseinanderspreizen. »Hier drauf«, sagte sie und legte die Fingerspitzen seiner Rechten auf ihren Unterarm, der bereits flache Kratzspuren aufwies.
»Susie, was hast du vor?«
»Pschscht. Ich möchte, dass es du deine Belohnung nachher genießen kannst. Leg sie drauf und lass sie liegen.«
Er gehorchte, wieder ohne Einwände. Weil er sie nicht traurig machen wollte.
»Und nun rein«, flüsterte sie ihm ins Ohr, welches daraufhin leicht erzitterte.
»Was –«
»Scht, habe ich gesagt. Torben, liebst du mich? Die Frage ist ernst, also antworte auch ernsthaft.«
»Ich … natürlich liebe ich dich.«
»Also gut. Und jetzt drück.«
Er senkte die Fingerspitzen, dass nur die Nägel ihre Haut berührten, und begann, sie nach unten zu drücken. »Susie, tut das nicht weh?«, erkundigte er sich, ohne Anstalten, sich seiner Handlung zu weigern.
»Im Körper vielleicht, aber meiner Seele tut es gut.« Am liebsten hätte sie ihm gesagt, er solle seine verdammte Klappe halten und ihren Anweisungen folgen, doch auch sie liebte ihn, und schließlich hatte er keine Ahnung, was für ein wohles Gefühl es war, das sie gleich verspüren würde.
Sie schloss die Augen, und in den nächsten Sekunden traf sie der süße Schmerz reißender Haut, als die Nägel ins Fleisch stachen und tiefer vordrangen, während sich Torbens Gesicht zu einer Grimasse des Abscheus verzog und er sich selbst zu hassen schien. Sie nahm sein Handgelenk und führte es in langsamen Zügen ihren Arm ein paar Zentimeter auf und ab, hin und her. Nun wandte Torben den Kopf ein Stück von ihr ab, doch sie drehte ihn sachte zu sich zurück, während das beste Gefühl, das sie je verspürt hatte, ihren Körper beschlich, und das gemeinsam mit Torben, dem Jungen an ihrer Seite. Blut rann von der Innenseite ihres Armes, tropfte auf den Fußboden, sackte ins Lila des Regenbogens.
Torben sah sie gequält an, und sie meinte, ein Winseln aus seiner Stimme zu hören. »Mein… meinst du nicht, das reicht?«, sagte er, während weiteres Blut ihren Arm rot färbte.
»Noch ein kleines bisschen«, beharrte sie.
Er beschleunigte seine Bewegungen und schabte und kratzte und schändete die blutige Haut. Sie stöhnte und keuchte und weinte. Doch sie weinte vor Freude. Was für ein tolles Gefühl, einfach klasse. Aber alles musste mal ein Ende haben; sie würde noch verbluten.
»Ich denke, es ist genug«, sagte sie, und Torben seufzte auf vor Erleichterung. »Für heute.« Sie ließ sich aufs Bett fallen und zog ihn zu sich herunter. »Das hast du gut gemacht. Jetzt zu deiner Belohnung. Ich weiß, was du dir gern wünschst.« Natürlich wusste sie das, es war nicht schwer zu erraten. Er wollte das, was alle Jungs an seiner Stelle gewollt hätten.
Er legte sich auf sie, und selbst durch seine robuste Arbeitshose spürte sie sein erigiertes Glied, was ihren Verdacht bestätigte. Mama hatte einmal gesagt, Jungs seien »schwanzgesteuert«. Anscheinend war Torben keine Ausnahme. Leider. Aber das war okay, vielleicht machte es sie glücklich.
Während sie miteinander schliefen, drehte Susie sich auf ihn herum und ließ weiche Tränen auf sein entsetzt-erfreutes Gesicht regnen. Sie hörte erst zu weinen auf, als er seinen Samen in sie entließ.

Die Tage an der ADHS-Förderschule zeigten alle das gleiche Muster von Ablauf, bis auf die Tage, an denen Nachmittag die Schülerintegration stattfand, zu deren Teilnahme Susie gegen ihren Willen verdonnert wurde, nachdem sie ihren großen Anfall erlitten hatte. Sie hatte einen seltsamen Druck im Unterleib verspürt und sich gefragt, ob sich so Wehen anfühlten. Doch es stellte sich heraus, dass das, was sie als Nächstes traf, jede weibliche Person zu durchleiden hatte. Die ganze Sache wäre auch halb so schlimm gewesen, hätte sie sich nicht mitten im Unterricht gemeldet. Sie war von ihrem Platz aufgestanden (wobei sie nicht bemerkt hatte, dass sie weinte), ohne sich beim Lehrer zu melden – er konnte sich ohnehin denken, was vor sich ging, spätestens, wenn es sich bei den anderen Mädchen herumsprach, weil jedes Mädchen früher oder später darüber sprach.
Als sie vom Platz sprang, bemerkte sie im Augenwinkel den verdutzten Blick des Lehrers, der vermutlich auch die Ursache ihres Sprunges erahnte. Sie huschte durch etliche Gänge, die von Klassenzimmern gesäumt waren, und stürzte sich in eine Kabine der Mädchentoilette, und als sie den Deckel herunternahm und sich hinhockte, sah sie bereits die von Blut getränkte Unterhose, die sich durch den Stoff ihrer Jeans drückte.
Susie weinte.
Susie schrie. Sie schrie, weil der Augenblick eingetroffen war, von dem Mama ihr berichtet hatte, als sie ein böses Wort gebraucht hatte, und dieses Wort lautete PERIODE. Es war grauenvoll, denn der Einbruch der PERIODE war der Zeitpunkt, an dem sie sich körperlich von ihrer Jugend verabschiedete. Sie schrie, weil sie erwachsen wurde, ja schlimmer noch, sie wurde eine FRAU. Eine erwachsene FRAU zu sein, so wusste sie von Mama (und von einigen Freundinnen ihrer Mama), bedeutete, von nun an Verantwortung zu tragen, die volle Kontrolle über seine Handlungen zu gewinnen, es bedeutete, mit sinnlosem Geflenne aufzuhören. Wie sollte sie das nur anstellen? Und weil sie keinen Ausweg wusste, schrie sie, schrie in die Stille des Unterrichts hinein, den die meisten Schüler gelangweilt verfolgten und sich freuen würden, etwas Tumult ins Gebäude zu bekommen. Aus ihrer Kabine hörte sie einen Ansturm von Schülern, sie hörte ihre Rufe wie »Darf ich nachsehen, was los ist?« und die Antwort einer Lehrerin, die sagte: »Oh nein, ihr bleibt alle hier und wartet, bis ich zurück bin.«
Inzwischen hatte Susie sich auf die Klobrille gesetzt, die Hände gegen das Gesicht gestützt, und fragte sich, wohin sie mit ihrer Verzweiflung nun solle, während das Blut in immer größer werdenden Bächen aus ihrer Vagina tropfte und teilweise an ihrem Bein hinablief. Vor dem Moment, eine FRAU zu sein, fürchtete sie sich bereits seit Ewigkeiten, seit dem Tag an, als ihre Mutter sie über die Phänomene des weiblichen Geschlechts am Frühstückstisch aufgeklärt hatte. »Tut es weh?«, hatte Susie gefragt und die Tränen gespürt, die sich durch ihre Lider drückten.
»Nun, mein Liebes, höchstens am Anfang ein kleines bisschen, aber wenn du es erst mal hinter dir hast, wirst du dich ganz schnell daran gewöhnen, und dann wirst du eine FRAU.«
Frau Bienert hatte gegen ihre Kabine geklopft und auf Einlass gewartet, den Susie ihr gewährt hatte, nachdem alle rote Flüssigkeit verschwunden schien. Die ganze Schule musste wohl gedacht haben, sie litte unter einem hysterischen Anfall, doch das interessierte sie in diesem Augenblick wenig. Sie hatte einen Anfall, klar, und es war ein ziemlich großer Anfall. Die Lehrerin lieferte sie im Sekretariat ab – wahrscheinlich wusste sie nicht, was sie sonst hätte mit ihr anfangen sollen. Die Sekretärin, eine breit gewachsene Frau, mit zusammengebundenem Pferdeschwanz und einem rosa Blümchentop, rief bei Susie zu Hause an und erzählte ihnen, ihre Tochter habe soeben einen »großen Anfall« erlitten, was Susie noch trauriger und aggressiver machte.
Es dauerte ungefähr eine Stunde, dann fuhr der A4 der Garitonovs in den Schulhof und blockierte die Einfahrt; die Anweisungen der Sekretärin, sie sollen ihr »Automobilgerät bitte auf schnellstem Weg aus der Einfahrt befördern«, interessierte sie nicht. Sie waren eher besorgt um ihre Tochter, und das völlig zurecht, denn kurze Zeit später empfahl ihnen Susies Klassenlehrerin die Suche eines Psychiaters für ihre Tochter. Susie erinnerte sich, es hatte ihnen schon vorher jemand geraten, Kontakt mit einer solchen Person aufzunehmen, nämlich der Doktor bei ihrer Einschulungsuntersuchung kurz vor der ersten Klasse, doch Mama und Papa schienen diese Empfehlung ignoriert zu haben, und wahrscheinlich hätte Susie genauso gehandelt. Es reichte doch, wenn man der ausdrücklichen Bitte des Arztes nachging, Susie Garitonov in eine Förderschule für Kinder mit ADHS-Symptomen zu stecken und deshalb nach Schlemen zu ziehen.
An jenem Tag aber kamen sie nicht mehr um den bösen Besuch herum, und sie suchten einen Fachmann in der Nähe von Dresden auf, der ihnen erzählte, Susie sei für ihr Alter etwas hyperaktiv und könne in bestimmten Situationen ihre eigene Gefühlslage nicht optimal einschätzen.
Sie erinnerte sich noch genau, wie sie diesen Idioten von Mister Doktor abserviert hatte. »Die Anzeichen auf eine Borderline-Persönlichkeitsstörung sollte man nicht ignorieren, Frau Garitonov«, hatte der Psychiater – Dr. Brosel – ihnen vermittelt.
»Jetzt werde ich ihnen mal was erzählen, Herr Dr. Brosel«, warf Susie ein. »Wir leben hier in einem freien Land, das hat Demokratie nun mal so an sich. Das sollten Sie eigentlich wissen, wenn ich mir Ihre Titel so ansehe, und so ein alter Sack scheinen Sie mir nicht zu sein.«
»Susie!«, ermahnte Mama sie.
»Ihr seid jetzt alle ruhig, bis ich ausgeredet habe. Schließlich geht es hier um meine angebliche Krankheit, oder etwa nicht?« Sie war jetzt wütend und hätte am liebsten losgeheult. »Schön. Nun, Dr. Brosel, Sie werden sicher verstehen, dass mir die Anwesenheit von irgendwelchen Irren in meiner Klasse keine Freude bereitet, ebenso wie der wöchentliche Besuch der Integrationsstunde. Mir fällt das Lernen so schon schwer genug, und es ist mir absolut zuwider, mich nun auch noch mit so einem Scheiß zu plagen. Es ist meine Entscheidung, ich bin völlig gesund, ich bin nicht wie die anderen Bekloppten in meiner Unterrichtsimmobilie, und außerdem bin ich jetzt groß und reif und erwachsen und kann selbst über mein Tun und Lassen entscheiden.« Sie rang sich ein Lächeln ab, das erste Mal bei diesem Gedanken. »Ich bin jetzt nämlich eine FRAU.«
Mit diesen Worten verließ sie das Behandlungszimmer. Sie hatte keine Ahnung, was ihre Eltern mit dem wichtigtuerischen Einfaltspinsel noch abgesprochen hatten, doch sie vermutete, es war nicht viel mehr als »Sie sollten die Sache auf jeden Fall beobachten« und ein »Hmm« als Bestätigung.
Dem hatte sie aber es gezeigt.
»Ha«, sagte sie wieder in der Stille des Zimmers.
Dann, erinnerte sie sich, war der Augenblick gekommen, an dem sie sich zum ersten Mal selbst verletzt hatte; sie hatte geglaubt, ihre Tränen bändigen zu können – sie dachte, sie könne die Trauer damit unterdrücken, und für eine Weile war es ihr sogar gelungen. Was war sie froh gewesen, ihre Fingernägel nicht geschnitten zu haben. Dass sie spitz genug waren, in ihre Haut zu stechen. Und was für ein gutes Gefühl es war: Schmerz, keine Trauer, das Gefühl, sich auf wirklich ernste Dinge zu konzentrieren. Andere bewältigten solche Situationen, indem sie sich Unmengen von Alkohol in ihre hohlen Schädel kippten, doch sie wollte ihren Körper spüren, sie wollte sich selbst spüren, wollte ihren Verstand zappeln sehen, wenn sie sich etwas antat, anstatt es mit irgendwelchen Rauschmitteln zu verdrängen.
Irgendwann war es ihr dann zu eintönig geworden, deshalb hatte sie Torben um Hilfe gebeten, der, wie er selbst behauptete, alles tun würde, um sie glücklich zu machen. Selbst schuld, dachte sie, er hatte es ihr versprochen. Und es war gut gewesen, hatte ihr ein neues Gefühl verliehen, ein Gefühl der Freiheit, der Aufregung, und sie glaubte, in Torbens Augen eine gewisse Spur von Verlangen gesehen zu haben, als er ihr die Arme aufgekratzt hatte. Nachdem sie sich geliebt hatten, hatten sie die Wunde gemeinsam verbunden, und Mama erzählte sie später, sie hätte sich den Arm am Ofen verbrannt, was eine praktische Ausrede war, da sie an diesem Tag einen Apfelkuchen auf der Backfläche hatte.
Susie ging in die Küche und schaute auf den Kalender. Es war der einundzwanzigste November. Ein Donnerstag. Sechsundzwanzig Tage ist es nun her, da Torben ihr den Arm aufgeschlitzt hatte.
Der sechsunddreißigste Tag ohne PERIODE.
Es wurde wieder Zeit; Zeit für eine kleine Steigerung ihrer adrenalinreichen Aktivitäten. Und Torben würde sie dabei unterstützen. Sie lief in der Küche auf und ab, und ihr wurde übel bei dem Gedanken, und zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie etwas wie ein schlechtes Gewissen. Das war neu. So vieles war neu, aber das würde nicht reichen, so wie ihr früher oder später die kranken Aktionen mit Torben zu langatmig würden.
Sie ging zum Telefon, nahm es von der Gabel, bereit, sich den letzten Kick ihres Lebens zu verpassen.
Sie weinte, während sie telefonierte.

Susie öffnete die Tür, bevor er klingeln konnte. Es musste schnell gehen, und sie hatten keine Zeit zu verlieren.
Sie begrüßte oder küsste ihn nicht, nahm nur seinen Arm und zog ihn in den Flur, wo er hastig seine Schuhe auszog.
»Du hast es ja eilig«, sagte er. »Gibt es heute wieder eine Belohnung, nachdem ich meine Arbeit erledigt habe?«
»Oh ja, die gibt es, aber es gibt auch eine schlechte Nachricht.« Sie sah, wie seine Mundwinkel langsam nach unten sanken. »Diesmal gibt es die Belohnung nur für mich.«
»Schade. Ich würde so gern daran teilhaben.«
»Das weiß ich doch. Weil du mich glücklich machen willst, richtig? Aber weißt du was? Nachdem du deine Aufgabe erledigt hast, werde ich sehr glücklich sein, und du kannst verdammt stolz auf dich sein.«
»Weil ich dich glücklich gemacht habe?«
»Weil du mich glücklich gemacht hast.« Sie ging die Treppe nach oben, und Torben folgte ihr mit entschlossenem Schritt; keine Spur von Unsicherheit war darin zu sehen. »Du tust es aus Liebe zu mir, glaub mir.« Auf der vorletzten Stufe drehte sie sich um und sah ihm ins Gesicht, das durch einen Tränenschleier verschwamm. »Du liebst mich doch, oder, Torbilein?«
»Was – natürlich. Natürlich liebe ich dich mehr als alles andere auf der Welt.«
Sie spürte, wie sich ihre Mundwinkel nach oben zogen, während die Tränen zu trocknen begannen. »Schön. Das ist schön.«
Sie betraten ihr Zimmer, welches immer noch wüst war. Filly Pferde auf Boden und Fensterbrettern. Eine graue Pfütze in der Mitte des Teppichs, vermutlich Tränen. Ein zertrümmertes Legohaus.
Etwas drückte gegen ihre Hüfte, drohte sie zu schneiden. Verdammt, fast hätte sie das Filetiermesser vergessen, das sie kurz vor Torbens Eintreffen aus dem Küchenschub gefischt hatte. Sie zog es unter ihrer Bluse hervor. Torben betrachtete es mit Entsetzen, und ein Zittern, das eine mögliche Ohnmacht ankündigte, stahl sich auf sein Äußeres. Susie konnte die Eingeweide in seinem Inneren sich verkrampfen spüren.
Sie trat an ihren Freund heran und legte einen Finger auf seine bebenden Lippen. »Keine Angst, Torbilein. Du wirst es nicht spüren.«
»Er zuckte zurück, als wäre er plötzlich aus seiner Trance erwacht. »O nein, Susie, bitte nicht«, keuchte er. Verzweiflung und nackte Angst stand in seinem Gesicht. »Bitte … ich … ich gehe, und deine Eltern werden es nie erfahren, und du wirst mich nie wiedersehen. Du bist doch alleine zu Hause.«
Der Trottel glaubte doch allen Ernstes, sie wollte ihre Trauer mithilfe des Messers an ihm ausleben. Aber sollte er ruhig ein paar weiche Knie bekommen. »Du wirst mich nie wiedersehen, vollkommen richtig, aber zuerst die Arbeit.«
»Bitte.« Er flehte.
Sie streckte das Messer aus, die Klinge auf ihn gerichtet. »Es tut mir leid, Torben. Ich liebe dich wirklich. Aber es geht nicht anders.« Sie drehte das Messer, sodass der Stiel auf ihn und die Klinge auf sie zeigte. »Halt mal kurz, ich muss dir was zeigen. Glaub mir, dann wirst du es verstehen.«
Seine Angst verwandelte sich augenblicklich in pure Verwunderung.
Susie streifte ihre Bluse vom Körper und entblößte ihre Brüste, die noch im Wachstum waren. Sie deutete auf ihren glatten Bauch. »Man sieht es nicht auf den ersten Blick, aber bei genauerem Hinsehen kann man etwas erkennen.«
Er beugte sich vorsichtig zu ihr, das Messer fest umklammert in der linken Hand, jedoch nicht zum Angriff erhoben. Er runzelte die Stirn. »Du glaubst doch nicht etwa … glaubst du …«
»Ich weiß es, Torben. Ich glaube nicht, ich weiß es. Du hast dir kein Kondom übergestreift, nicht wahr?«
»Ich … dachte, du hättest die Pille genommen.«
»Ach, Torben, Süßer, das hätte ich dir doch gesagt.« Glaubte er tatsächlich, sie würde ein solches Gift schlucken, das sie deprimierte und zum Heulen brachte? Schade, dass sie nicht mehr miterleben würde, wie er die Pille für Männer einnahm, sollte sie eines Tages auf den Markt kommen. Dann käme er ihr bestimmt mit seinen Nebenwirkungen, die einfach nicht auszuhalten waren und bla, bla, bla.
Sie ließ sich auf die Bettkante nieder. »Du solltest das Messer besser im Griff haben. So wird es dir wegrutschen.«
»Was meinst du damit?«
»Küss mich, Torben.«
»Susie, was ist …«
»Ich sagte, du sollst mich küssen. Du musst erstmal etwas ruhiger werden.«
Er ließ das Messer in Zeitlupentempo auf den Teppich sinken – in der Nähe der Tränenpfütze – und schritt ebenso langsam aufs Bett zu. Er beugte sein Gesicht über das ihre, und ihre Blicke trafen sich. Er war wirklich süß. Dafür hatte er einen letzten Bonus verdient. Sie hob die Hände, packte seinen Kopf, wobei ihm ein Stöhnen entfuhr, und drückte ihre Lippen auf seine, schob ihre Zunge in seinen Mund, der ebenfalls geöffnet war, und biss sanft hinein. Seinen Geräuschen nach zu urteilen fand er es zwar schmerzhaft, aber auch angenehm. Dann löste sie sich wieder von ihm. »Zuerst das Baby«, sagte sie, und die Verwunderung in seinem Gesicht, gepaart mit Lust, verwandelte sich zurück in Entsetzen. »Das andere erkläre ich dir nachher. Aber jetzt kümmere dich erstmal um unser Kind.«
»Susie, das kann ich nicht. Bitte, geh ins Krankenhaus und treibe ab.«
Sie konnte nicht umhin, ein dumpfes Lächeln aufzusetzen, in das sich augenblicklich Tränen mischten. »Dort bringen sie das Baby um – aber nicht mich. Nimm das Messer. Und halte es gerade und fest.«
»Nein, auf gar keinen Fall!«
»Liebst du mich, Torben?«
»Sicher, deshalb würde ich dir niemals so etwas antun können … oder deinem – unserem Baby. Wir finden eine Lösung, vertrau mir, bitte.«
»Nein, Torben, du musst mir vertrauen. Ich weiß, dass du mich liebst – du hast nicht gelogen –, und glaube mir, wenn ich dir sage, dass du es mir damit beweist. Du würdest mich damit glücklich machen. Ich weiß, es ist verrückt. Aber manchmal muss man verrückte Dinge tun, um nicht selbst verrückt zu werden. Ich würde traurig sein, wenn mein Leben weiterginge, und ich mag nicht mehr traurig sein. Ich hasse es, traurig zu sein. Und mit einem toten Kind könnte ich auch niemals leben, genauso wenig wie mit dem Kind. Wenn du es nicht tust, muss ich es selbst tun, aber dann müsste ich dich vorher umbringen, und das wäre sinnlos. Wieso sollten drei Menschen sterben, wenn wenigstens einer überleben kann?
Und jetzt nimm das verdammte Messer!«, schrie sie ihn an. Nun konnte sie den Weinkrampf nicht mehr stoppen.
Durch einen Tränenschleier hindurch beobachtete sie, wie er sich langsam bückte, nach dem hölzernen Stiel des Messers griff und auf ihr Bett zuging. Sie sah, wie sich zwei Klingen auf sie richteten, und sie zwinkerte, wodurch sie zu einer Klinge verschmolzen. Die silberne Spitze auf dem Bauch, hielt er inne. Auch in seinem Gesicht glänzten Tränen. »Du musst es alleine tun. Ich kann dir nicht helfen. Tut mir leid.«
Daraufhin entfuhr ihm ein Winseln, was ihr weitere Tränen entlockte und den Schmerz linderte, der sich in ihren Bauch bohrte, als er die Spitze in die kleine Wölbung drückte, bis Blut sich in breiten Bächen über ihre Beine, seine Hände und den Stiel des Messers ergoss, der nun fast die Oberfläche ihrer Haut berührte. Sie wollte atmen und schreien, aber nichts davon gelang ihr. Sie konnte nur weinen. Weinen und weinen und weinen.
Unter dumpfem Herzschlag nahm sie die Wucht war, mit der die triefende Klinge plötzlich aus ihr herausgezogen wurde, und ihr Blick wurde etwas klarer. Die Schmerzen gelangten an die Grenzen der Unerträglichkeit. Es musste enden. Wie von einem fremden Körper gesteuert – vielleicht ein Körper, der nie traurig war, wer weiß – nahm sie seinen Arm zwischen ihre tauben Finger und führte ihn in Richtung ihrer Kehle, ohne das Messer zu berühren. Seine Augen, von Leere gefüllt, nahm sie nur bedingt wahr.
»Nein«, hörte sie ihn sagen.
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch heraus schoss nur ein Schwall hellen Blutes und traf sein Gesicht.
Er schien das Messer fester zu umklammern; sie spürte die scharfe Spitze an ihrer Kehle und drückte sich leicht dagegen. Bald darauf spürte sie eine warme Flüssigkeit ihren Hals hinabfließen und sich über ihren gesamten Oberkörper ergießen. Sie spürte den Druck des Messers, der sich mit jedem Zentimeter verstärkte, und das hier war ein anderes Gefühl als der Penis, der sich in die Vulva eines Mädchens bohrte; das hier war größer und mächtiger.
Dann verschwamm alles zu einer Schwärze der Endgültigkeit.
Kurz darauf hörte sie Torbens Schreien und Kreischen, dann war sie weg.

»Lassen Sie es mich noch einmal versuchen«, beharrte Wenzel, der in diesem Jahr den goldenen Stern absolviert hatte und enttäuscht war, sich mit diesem Fall dennoch so schwer zu tun. Er trug eine brandneue Uniform, die auf seine breite Körpergröße ausgerichtet war, und dem angepasste Hosen.
»Herr Wenzel, spielt das denn überhaupt noch eine Rolle?«, meinte der kleinere von beiden, ein Neueinsteiger, der vor drei Jahren seine Polizeiausbildung in Görlitz vollendet hatte. »Ich meine … wir wissen doch, dass er sie umgebracht hat. Wo ist es dann bitte noch von Belang, wieso er es getan hat?«
»Hinterfragen Sie nicht meine Motive, andere nach ihren Motiven auszufragen, Herr Storch. Sie bleiben jetzt hier draußen und verhalten sich leise, bis ich wieder draußen bin.« Und damit verschwand er im Befragungsraum, ohne eine Reaktion seines Kollegen abzuwarten.
Innen war es stickig, und es roch nach abgestandenem Essen. Ein guter Ansporn, damit der Täter schneller aussagte. Der Junge auf dem Stuhl hatte ein blasses Gesicht, in dessen Augen kein Leben mehr glänzte; sein geöffneter Mund musste bereits seinen letzten Stoß Kraft ausgehaucht haben, und aus seiner Höhle tropfte Sabber auf den braunen Mahagonitisch. Es war ziemlich dunkel.
Wenzel legte eine Hand auf den Tisch, so weit nach vorn, als wollte er nach der des Jungen greifen. »Du musst ihr gefallen haben«, sagte er zu Torben Kieslich. »Wenn sie dir so etwas erlaubt hat, wie du sagst … Das hat sie doch, oder etwa nicht?«
Die Lippen des Jungen bewegten sich, und er schlürfte nach einem Speichelfaden. Seine Stimme klang schwach und gedämpft, nahezu weinerlich. »Das hat sie, in der Tat. Sonst hätte ich es niemals getan.«
»Ach Torben, mach dir nichts vor, viele haben das schon fertiggebracht, ohne die Einwilligung ihres Gegenübers. Andernfalls gäbe es überhaupt keine Morde, und ich könnte mich bei meiner Arbeit entspannt zurücklehnen.«
Torbens Augen rollten in ihren Höhlen. »Ich … habe … sie geliebt. Sie hat immer … hat geweint.«
»Was redest du da? Würdest du vielleicht auch vom Schiff springen, weil es dir jemand anderes befiehlt? Verkauf dich doch nicht für dümmer, als du aussiehst.«
»Es war … ich hatte Angst vor ihr, Herr Wenzel. Sie konnte so unheimlich sein.«
»Aha. Geht das etwas genauer?« Sein Gesicht verzerrte sich und bildete Falten an der Stirn. Er spürte Wut in sich aufkochen.
Der junge Herr Storch platzte in die Tür, und das gab Wenzel den Rest. »Herr Wenzel, meinen Sie nicht, es wäre besser, es gut sein zu lassen? Wir haben ihn, alles andere spielt keine Rolle. Woher wollen Sie denn wissen, ob es stimmt, was er sagt? Der Junge hat ohnehin nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wir werden noch Ärger …«
»Halten Sie verflucht noch mal die Klappe, wenn ich einen Täter ausfrage, ich will das heute noch vom Tisch haben, klar?« Er war vom Stuhl gesprungen und schlug mit der Faust auf den Tisch, der erzitterte. Der Junge gegenüber zuckte zusammen und sackte in seine Lehne zurück. »Also, was hat sie zu dir gesagt, Junge? Und Sie verschwinden jetzt augenblicklich, Herr Storch!«
»Ich … nun, wie Sie wollen.« Er verließ den Raum und schloss die Tür.
Wenzel wandte sich wieder an Torben. »Die Bestandsaufnahme hat gezeigt, dass Susie Garitonov zwei große Stiche erlitten hat. Kannst du mir dazu etwas sagen?«
»Es ist … kompliziert.«
»Erzähl mir was Neues. Warum hast du es gemacht? Hat sie dich erpresst? Hat sie dir wehgetan? Rede verdammt noch mal, Junge, und starr hier nicht so ausdruckslos durch die Gegend.«
»Es war … sie hat mich angerufen. Zwei Tage zuvor.«
»Und?«, fragte Wenzel. »Mein Gott, was wollte sie von dir?«
Die Tür schwang auf, und eine aufgeregte Stimme plärrte herein. »Herr Offizier«, gluckste sie. »Herr Offizier, so was haben Sie noch nie …«
»Sagte ich nicht, Sie sollen draußen bleiben, Storch, bis –« Er starrte auf die beiden Männer, die ein Abzeichen der Leichenbeschauung trugen, und verstummte. Was könnten sie wohl Wichtiges wollen? Er räusperte sich. »Nennen Sie mich einfach Herr Wenzel, meine Herren«, sagte Wenzel genervt.
»Nun, wie auch immer, wir haben die Blutproben von Susann Garitonov untersucht.«
»Und? Was ist damit? Spannen Sie mich nicht auf die Folter, meine Zeit ist knapp und kostbar.«
»Im Blut wurden Spuren von verschiedenen Proteinen gefunden. Eine Mischung aus Albumin und Globulin.«
Wenzel runzelte die Stirn. Allmählich langweilte ihn der Fall. »Was wollen Sie mir damit sagen?«
Der Mann an der Tür hüpfte aufgeregt auf den Fußspitzen, bis er sagte: »Aus diesen beiden Proteinen setzt sich unter anderem Tränenflüssigkeit zusammen.«

 

Hallo Rob,
vielen Dank für dein Feedback. Ich werde mir die genannten Dinge mal anschauen und zusehen, wo die eine oder andere Änderung angebracht wäre.
Ich habe auch schon überlegt, die Geschichte aus Torbens Sicht zu schreiben, sodass man Susies Charakter auf ihn einstrahlen sieht. Aber das mit der Ich-Perspektive wäre hier natürlich auch eine Möglichkeit, wenn man den Leser die Geschichte aus Susies Sicht erleben lassen möchte.

Grüße
Bastian

 

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