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Die ideale Frau
Die ideale Frau
Genau in dem Moment als Carlos Santana mit "Black Magic Woman" einen letzten Versuch unternahm, den hartnäckigen Nieselregen, welcher wie ein nebliger Schleier auf die Konzertbesucher des Stadtparks niederging, zu verleugnen, fasste Klaus einen folgenschweren Entschluss für sein künftiges Leben:
'Ich will nicht mehr allein sein', befahl er sich als gäbe es in seinem Körper eine Stelle, die über Kräfte verfügte, diesen Wunsch zu erfüllen.
Mit verstohlenen Blicken beobachtete Klaus die um ihn herum unter ihren Regenschirmen aneinandergeschmiegten Paare und ihn überfiel ein Ziehen, welches er als Sehnsucht deutete.
'Eine Frau, die ich jetzt an mich drücken und umarmen könnte, braune Augen, in deren Sanftmut und Güte ich versinken könnte, duftendes wallendes Haar', träumte er verwegen, wobei er seinen noch mit schalem Bier halbgefüllten Plastikbecher so heftig ansich presste, dass dieser knackte.
Wie dickflüssiger Sirup mischte sich ein Gefühl von Einsamkeit dazu und Klaus kam sich so unbehaglich vor als trüge er ein schreiendes Schild vor seiner Brust: 'Seht alle her! Ich bin ein einsamer Single!'
Verhalten blickte er sich um, ob irgendjemand etwas bemerkt haben könnte, aber niemand beachtete ihn.
Wie seine zukünftige Partnerin aussehen sollte, da hatte Klaus klare Vorstellungen, auch wusste er aus Erfahrung, dass sich so eine fnden würde. Nicht umsonst hatten ihm seine One-Night-Stands bewiesen, dass es für ihn einfach war, einer Frau zu begegnen, die seinem optischen Geschmack entsprach.
'Aber welche Charaktereigenschaften sind für eine gute und tragfähige Partnerschaft unerlässlich? ' grübelte Klaus.
Er nahm sich vor, zu Hause angekommen, eine genaue Liste seiner Vorstellungen von der idealen Frau anzufertigen.
'Die Suche nach der Richtigen kann ich erst dann beginnen, wenn ich zuvor exakt weiß, was ich mir vorstelle', dachte er, ' denn für den Fall, dass ich mich verliebe, vergess ich es womöglich noch. Kühlt die erste Glut der Zuneigung dann ab, möchte ich nicht, dass nur noch die graue Asche der Ernüchterung zurückbleibt, doch nicht die Richtige gefunden zu haben' , gemahnte er sich, 'und ausserdem habe ich weder für eine lange Suche, noch für eine lange Prüfung und Erprobung die Zeit. Ich muss also effektiv vorgehen', fasste er zusammen und für eine Sekunde glaubte Klaus, dass der jubelnde Beifall, welcher unter den Regenschirmen hervorquoll seinen zutreffenden Gedanken galt, ehe er, vor sich selbst verlegen, bemerkte, dass er ja immer noch im Stadtpark war. Er klatschte energisch Beifall, nachdem er zuvor den letzten Schluck Bier heruntergespült und den Plastikbecher vor sich fallen gelassen hatte.
Nun freute er sich, 'schnell nach Hause' ,dort wartete eine Aufgabe auf ihn.
Vorfreudig dachte er, 'wenn ich es richtig anstelle, dann hab ich bald das Vergnügen mich jeden Tag auf das Nachhausekommen zu freuen.'
In seiner Wohnung angekommen, zögerte Klaus zunächst, ob er sich mit einem Glas Rotwein an seinen Schreibtisch setzten durfte, 'denn', so fand er, 'es ist nicht gut, wenn ich diese Liste schreibe, während mir der Alkohol in den Kopf steigt.'
Aber ein Glas Rotwein benebelt mich noch nicht', erlaubte er sich und goss sich ein.
Als das Blatt Papier vor ihm lag, kam es ihm so vor,als würde er gleich mit jedem Tintenstrich auf dem jungfräulichen Weiß einen Kontrakt für's Leben schließen und ihm war feierlich zumute.
Das Rotweinglas in der Hand und bequem zurückgelehnt, begann er nachzudenken.
'Dumm darf sie nicht sein', überlegte er, 'ja, das ist ganz wichtig, schließlich soll sie mich ja verstehen und meine Gedanken teilen können.'
Also schrieb Klaus an die erste Stelle auf das Blatt:
intelligent.
'Gut, eine intelligente Frau wird mir zuhören und Verständnis aufbringen, aber nicht jede intelligente Frau ist verständnisvoll', und so schrieb Klaus eine Zeile tiefer auf das Blatt:
verständnisvoll.
'Da fehlt noch etwas', grübelte Klaus, nahm einen Schluck Rotwein und erspürte, wie der samtigfruchtige Geschmack seine Zunge benetzte und im Gaumen eine feinherbe Note hinterließ.
'Es fehlt noch die Herzlichkeit, die Herzenswärme, ich wünsche mir eine Zuhörerin, die mich liebevoll mit klugem Verständnis umfängt', und so fügte Klaus
herzlich,
verständnisvoll
in je eine Zeile.
'Das ist aber noch nicht alles', Klaus setzte sein Glas ab, denn ihm fielen plötzlich gleichzeitig mehrere Eigenschaften ein, die er rasch zu Papier gab.
Humorvoll,
optimistisch und
selbstbewußt
schrieb er untereinander.
'Lachen, ich will mit ihr lachen, überhaupt ist Lachen dasjenige, was mir am meisten fehlt', empfand Klaus mit einer Intensität, dass er über diesen Mangel, den er in seinem Leben soeben entdeckt hatte, betroffen war.
'Zum Lachen benötigt man Optimismus und Selbstbewußtsein. Das Selbstbewußtsein taugt wiederum für einige andere Eigenschaften', sinnierte Klaus, ' zum Beispiel soll sie nicht von mir finanziell abhängig sein und klammern sollte sie schon gar nicht, nein, bloß nicht eine, die keine Freiräume lassen kann.'
So folgte unter "selbstbewußt" noch "unabhängig".
'So eine Beziehung auf Augenhöhe mit der gesunden Portion von Nähe und Distanz zueinander', genau das wollte er.
Andächtig las Klaus seine bisherige Aufstellung und sann darüber nach, ob ihm noch weitere Eigenschaften in den Sinn kamen.
Die Worte "nett", "freundlich" und "sympathisch" fielen ihm ein.
'Nett? Nein, zu unbestimmt, so wie auch freundlich und sympathisch doch gar nichts aussagten. Die kommen nicht auf die Liste, ' entschied Klaus.
'Was ist mit natürlich, verlässlich, aufrichtig und treu'?,
die Worte schoben sich Klaus in den Sinn.
'Zu unbestimmt sind diese Eigenschaften nicht, aber letztendlich...', er blickte nochmals auf seine Liste, 'kann ich mir nicht vorstellen, dass eine intelligente, verständnisvolle, herzliche, liebevolle, humorvolle, optimistische, selbstbewußte und unabhängige Frau nicht gleichzeitig auch natürlich, aufrichtig, verlässlich und treu ist.
Das eine beeinhaltet das andere', befand Klaus und trank zufrieden einen kräftigen Schluck Rotwein.
'Genussvoll', schoss es ihm durch den Kopf, 'eine Frau, die nicht genießen kann, wäre mir schwer erträglich. Ich möchte zusammen mit ihr mit allen Sinnen genießen, das halte ich für unerlässlich. Gemeinsamer Genuss ist doppelter'. Klaus schlürfte einen weiteren Schluck Rotwein und sah dabei das verzückte Gesicht seiner zukünftigen Frau vor sich, während das samtige Traubenaroma über seine Zunge floß, die Kehle herunter im Magen eine alkoholische Wärme ausbreitete.
So folgte
genussvoll
den anderen Eigenschaften auf das Papier.
'Wenn ich schon genussvoll dazunehme, dann gehören aber auch lustvoll und zärtlich dazu', forderte Klaus bei sich ein und setzte diese Worte dazu.
Er lehnte sich nun mit Genugtuung zurück.
Vor seinen Augen spielte sich eine Liebesszene ab , in der seine anschmiegsame Partnerin unter seinen Zärtlichkeiten zerschmilzt, sich ihm in bewunderndem Begehren an ihn drängt, um sich hemmungslos unter seinen Händen und Lippen zu wilder Zügellosigkeit zu steigern. Ein prickelnder Gedanke, der ihm gefiel und Klaus betrachtete mit sattem Wohlwollen seine Aufstellung und befand sie für gut durchdacht.
Er konnte also mit der Suche beginnen.