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Die Hummer von Nova Scotia
Eine jetzt angebotene Zigarette würde ich annehmen und den Qualm tief einsaugen, obwohl ich mit Rauchen aufgehört habe.
Doch mit Lungenzug oder ohne – meine Nerven flattern. Ein einziger Griff versaut oder versüßt mir die nächsten Wochen. Eine Leprakolonie im südindischen Meer oder ein Edel-Gestüt in Vermont?
Ich fingere mein Los aus der Wundertüte. ‚Mit zitternden Händen’ ist Quatsch, trotzdem stimmt es.
Erhabenes wie Sein oder Nichtsein wird nicht verlost, aber es ist unvorstellbar, an welchen von Gott verlassenen oder verhätschelten Orten die Handlungen irgendwelcher Bücher stattfinden.
Dorthin muss der „Lotterieteilnehmer“ reisen, das jeweilige Buch lesen und seine Eindrücke zu einer eigenen Story verarbeiten. Mit geschlossenen Augen rolle ich das Papierröllchen auseinander.
Geht die Reise in die Arbeiterviertel von Bratislava, zu einem toskanischen Adelssitz, zu den Salpeter-Mineros in die Atacama?
Wie auch immer – ich öffne die Augen und halte mein Los ins Licht: „Karges Land, reiches Meer“, Roman von P. C. Virkoff.
Aha, meine Reise geht nach Neuschottland. Na Mahlzeit. Ich greife mir hinters Ohr, wo früher stets eine Zigarette klemmte.
Neuschottland unabänderlich! Auch wenn Nova Scotia besser klingt.
Dieser Nova-Scotia-Sturmwind ist ein Rüpel; er reißt an mir, packt mich von allen Seiten und beutelt mich kräftig.
Es lohnte nicht, den Leuchtturm zu besteigen. Die Aussicht ist nicht besser, als wenn ich unten auf den Klippen stünde.
Grauweißes Felsgestein - allgegenwärtiges Gesprengsel auf kümmerlichem Grün, Fundament der bunten Holzhäuser, über den Strand verstreut, wild durcheinander; je nach Tide überflutet, umschäumt von Gischt und weißlichen Blasen oder mit Tang behangen. Ein sehr unterkühltes Panorama.
Die Gehetztheit, die Unrast des Windes überträgt sich aufs Meer. Es randaliert – gegen wen oder was auch immer, vielleicht sogar gegen seinen Schöpfer. Dann überschlägt es sich, frisst an der Küste, ohne je satt zu werden, zieht sich zurück, um neuen Zorn aufzuladen. Wer diesen grollenden Bergen und Tälern die Schätze entreißen will, muss ein ganz Mutiger sein, oder eine Familie haben. Oh Lord, beschütze ihn!
Ich blicke auf ein feindliches Gebrodel, das in der Ferne immer undeutlicher wird. Dort könnten sie sein, die Dinosaurier der Ozeane. Da blasen sie ab – eine majestätische Säule steigt hoch, vermischt mit den Nebeln des Golfstroms und tiefhängenden Wolkenfetzen. Ich vermute Robben und Seevögel, aber wirklich erkennen kann ich nichts. Ich hätt’s mir gewünscht - auch Seeelefanten und Walrosse.
Ich suche eine Kuhle, in der mich die nordisch strenge Atlantikluft nicht so brutal attackiert.
Was für ein himmelgottverdammter Kurzschluss war diese Loszieherei bei ‚Splendid Journeys’?
Selbstgespräche sind hilfreich beim Ordnen der Gedanken.
Rachels Korb ist schuld. Statt sich mit mir an den Gestaden des Mittelmeers zu amüsieren, Cannes, St. Tropez, läuft sie mit diesem gelackten Affen davon, besser gesagt fliegt davon, in seiner blöden Cessna. Wir hätten uns ein schickes Sportcoupé geliehen und wären ständig den Glitzerboulevard hoch- und runtergefahren – unter Palmen!
Stattdessen hocke ich hier in Kälte und Sturm, richte mein Opernglas auf Dinge, die mich nicht interessieren. Auf Kutter und Hafentristesse, auf Schroffes und einfältige Leute.
‚Splendid Journeys’ – dass ich nicht lache! Aber vielleicht habe ich so wenigstens mein Leben gerettet.
Ganz klar: es ist ein Notprogramm. Hier sammeln wir uns, die Unverstandenen, Verlassenen und Einsamen. Das muss fetzen, muss vereinnahmen, muss atemlos machen; wir dürfen nicht an unsere Probleme denken, sonst müssten wir uns aufhängen.
Ob Rachel so unersetzlich ist, wie es mir die ersten Tage und besonders Nächte nach ihrem Abflug schien – und ich allen Ernstes an Selbstmord dachte – glaube ich jetzt nicht mehr. Diese unangenehme Seeluft macht den Kopf frei.
Ich weiß gar nicht mehr, ob ich sie wirklich geliebt habe – so mit allen Sinnen und Fasern meines Körpers. Einerlei, es ist vorbei.
So strande ich hier, an Avalons Küste.
Virkoffs Buch beschreibt das Leben in dieser rauen Welt, die Abhängigkeit vom großen Ozean, weil das Land zu gar nichts taugt.
Dorsch war der Ernährer. Durch die meist prallvollen Netze entstand eine gewisse Unabhängigkeit; die dauerhafte Nachfrage nach Stockfisch sicherte den Lebensunterhalt. Der Verfasser holt allerdings weit aus und erzählt auch von einer Zeit, in der riesige Hummer und der Mensch beinahe befreundet waren. Das – nehme ich an – werden meine Recherchen vor Ort nicht bestätigen.
Jedoch wenn ich einen Knüller zutage förderte - die beste Story der Saison sozusagen - dann erwarteten mich Geld und Ruhm. In nüchternen Worten: Ein Reisekostenzuschuss und, nach der Überarbeitung durch einen Lektor, die Veröffentlichung meiner Geschichte in Reader’s Digest.
Ich studiere meinen neuen Heimathafen und seine Bewohner seit Tagen, doch jetzt ziehe ich fröstelnd die Mütze über die Ohren und schlage den Kragen hoch. Ich strebe einem Ort zu, an dem man um mein Wohlbefinden besorgt ist.
Der zum Hotel gehörende Salon ist ein behagliches, rötlichbraun getäfeltes Refugium gegen alle Unbill des Wetters, aber auch des Lebens - es werden hundert tröstende Getränke serviert. Ich entscheide mich für Tee und einen noblen Rum, greife nach meinem Virkoff und blättere unentschlossen hin und her. Der Autor hat längere Zeit hier gelebt, im ständigen Zwiespalt, die gewaltige Natur zu bewundern oder als menschenfeindlich zu empfinden.
Zu den Menschen fand er noch weniger Zugang. Er sah ihre Unsicherheit, ihre Furcht, aber auch ihre Dünkel und ihr Bemühen, all das Unausgesprochene zu überspielen. Männer unterlagen im Kampf mit dem Meer, verloren gegen die ständigen Anfechtungen des Alkohols.
Familien waren sich spinnefeind, Neid zerstörte Freundschaften; das allgegenwärtige Schicksal schien hier besonders oft und exzessiv zuzuschlagen. Fischerboote, auch Trawler verschwanden samt Besatzung, die Selbstmordrate war hoch – und wenn ein Unglück geschah wie anderswo auch, dann wurde das gedeutet als kosmische Verschwörung gegen Nova Scotia und seine Bewohner.
Virkoff beschrieb, was er an einem Nachmittag erlebt hatte:
„Stell Dir vor, Du stehst am Ufer eines zugefrorenen Teiches, die nachmittägliche Wintersonne lässt Dich die Wollmütze abnehmen, die kleinen Schlittschuhläufer haben das schon längst getan und drehen ihre Pirouetten.
Herrlicher Übermut! Lachen wie ein überschwänglischer Dauerton schallt über das Eis, die bunten Schals wehen fast waagerecht vor Vergnügen, die hellen Stimmen werden immer aufgekratzter und urplötzlich nimmt der Große Regisseur die Schere – Cut!
Du glaubst nicht, was Du siehst.
Das kann an diesem wundervollen Nachmittag einfach nicht sein! Das ist irre, das ist krank. Ein Kind ist eingebrochen, die anderen flüchten ans Ufer. Du und die Umstehenden begreifen
schnell den tödlichen Ernst der Situation. Von Leitern zu sprechen, die man jetzt dringendst benötigte, jedoch nicht hat, hilft nicht weiter und das eigene Gewicht würde jeden Rettungsversuch zum Selbstmord werden lassen. Das unglückliche Kind hört auf zu schreien und versinkt ganz langsam wie ein kleines Boot aus zu nassem Holz. Die lebenserfahrenen Erwachsenen wissen, dass sie ihrer selbst zuliebe wegschauen müssten und sehen doch wie gebannt zu.
Bis zu ihrem letzten Tag werden sie diesen Schreckensfilm vor Augen haben, der durch die erbärmliche Tatsache, nicht helfen zu können, in eine furchtbare Potenz gerät. Sie schauen sich wissend und verschwörerisch an und jedem ist klar, dass so etwas Schreckliches nur bei ihnen passieren kann.“
Virkoff schreibt, dass hier neben tiefer Religiosität viel Spökenkiekerei und Geisterglaube im Spiel sind. Das glaub’ ich ihm aufs Wort – in diesem Milieu wäre ich auch ein anderer.
Ich nehme noch Tee mit Rum und lese im Kapitel über das damalige Zusammenleben von Hummer und Mensch:
„Frauen und Kinder wechselten oft auf den anderen Gehweg, wenn ihnen einer dieser Riesenhummer entgegen kam. Die waren im aufrechten Gang fast einen Meter groß! Die Männer waren beherzter – sie taten so, als ob sie ohnehin ein paar Schritte auf der Straße tun wollten und so wurde ein möglicher Zusammenprall vermieden. Dabei wusste jeder, dass diese Gäste aus dem Meer friedvolle, beinahe liebenswerte Gesellen sind. Es war wohl eher die Angst vor diesen schrecklichen Scheren, die eine Kutsche samt Rädern und Achsen wie Papier zerschnippeln konnten.
Mittlerweile sind sie wohl ausgestorben – infolge einer rätselhaften Krankheit.
Das ist die offizielle Version.
In Wahrheit sind sie umgebracht worden – ausgetrickst und ermordet.
Die Intelligentesten haben sich zurückgezogen und werden noch das Ende der Welt erleben.“
Demnach sind hier die Hummer nach Belieben herummarschiert und haben sich etwas gegönnt. Denn Virkoff berichtet, dass sie nicht einen Arzt konsultieren wollten, sondern die Kneipen ansteuerten. Und er beklagt, dass seit ihrem Fernbleiben dem Straßenbild von St. Juniper das Unverwechselbare fehle.
Sir David jedoch schließt diese Lücke mit großem persönlichen Einsatz. Zweimal am Tag schlendert er über die Queen Margot Lane, nein – viermal: vormittags gegen zehn, ohne Eile, hinunter zum „Pinky Shrimpy“, fast am Wasser. Frühschoppen mit den alten Haudegen. Sie sind gern unter sich, damit ihr Standpunkt, es gäbe weltweit keinen, der ihnen das Wasser reichen könnte, unwidersprochen bleibt.
Die alten Herren trinken eh etwas anderes. Gegen zwölf ist er dann zurück. Molly’s Küche ist es wert.
Und dann so gegen vier der zweite Ausflug. Diesmal zu „Crown & Lobster“ – mitten hinein in den Touristenrummel. Während der Saison ist diese Stunde am Nachmittag eine gut gewählte Zeit, denn jetzt wird fotografiert auf Teufel komm raus und Sir David schlendert nicht wie am Vormittag, sondern flaniert; er hat einen beeindruckenden Gang entwickelt, und ihn über die Zeit vervollkommnet.
Unberührt von all dem, was um ihn herum geschieht, schreitet er mit durchgedrücktem Rücken wie ein Würdenträger die Lane hinab, registriert geschmeichelt jede auf ihn gerichtete Kamera und bewahrt die Contenance. Ein Käpt’n wie aus dem Märchen. Der dekorative Vollbart in reinem Silber, die immer noch vollen Locken, die etwas zerknautschte, umso verwegener wirkende Kapitänsmütze, kombiniert mit einer Art blauschwarzem Gehrock - das schönste Urlaubsfoto aller Zeiten.
Ich muss ihn kennenlernen.
Das Lokal ist gut besucht und bei besetzter Bar findet man am Free Board am ehesten einen freien Platz.
„Erlauben Sie?“, spreche ich ihn an und bin verwundert über die servile Einfärbung meiner Frage. Das muss an seiner beeindruckenden Erscheinung liegen.
„Selbstverständlich, nur zu, junger Mann, einen besseren Platz können Sie gar nicht finden als neben mir“, sagt er aufgeräumt.
„Danke, sehr liebenswürdig.“
„Schließlich bin ich einer der letzten Ureinwohner“, fährt er fort „und wenn Ihnen einer etwas über diese Gegend und die Pfütze davor erzählen kann, dann werde wohl ich das sein.“
„Oh ja, ich hab’ Ihre Kapitänsmütze gesehen und mir gleich gedacht: Das wäre toll, wenn ich so einen echten Seemann kennenlernen würde. Sir, ich bin sehr erfreut.“
„Nicht soviel der Ehre! Hören sich verdammt nach einem Europäer an, schätze schwedisch – deutsch, so die Ecke.“
„Fast. Ich bin Belgier. Zur Zeit studiere ich in England.“
„Na, sag ich doch. Hab einen Riecher für so was. Und jetzt woll’n Sie mal schauen, was wir hier im letzten Paradies auf Erden so treiben, oder?“
„Genau, Sir. So ist es.“ In meinem Kopf rattert es: Lass’ ich ihn ratschen oder übernehme ich die Gesprächsführung?
„Ich bin mir sicher, dass es sich lohnt, Ihnen zuzuhören“, sagt mein Mund, vom Bauch gesteuert.
Der Käpt’n ist gewohnt, auf großes Interesse zu stoßen, wenn er seine Paraderolle spielt. Die damit verbundenen guten Gefühle gönne ich ihm von Herzen. Er hat ja nicht mehr viel, ist sicher um die achtzig. Mit dem Rest seines Biers befeuchtet er die Lippen und ich zeige dem Keeper zwei Finger.
„Und jetzt erwarten Sie, dass ich Ihnen von den alten Zeiten erzähle?“, fragt er fast ein bisschen aggressiv. Aber ich weiß ihn zu nehmen:
„Ja, das würde mich wirklich interessieren. In jedem Souvenirladen sehe ich angetüdelte Hummer mit der Flasche unterm Arm. Und es gibt dieses schrille Poster, das Mensch und Hummer beim Armdrücken zeigt.“
Ich schaue ihn über mein erhobenes Glas unwiderstehlich an, er greift zu seinem und knurrt: „Verstehe“. Durch den Bierschaum gewinnt sein Bart an Volumen.
„Mein lieber schwedischer Freund – Sie müssen wissen, dass damals die Hummer an Land gingen, wie das auch fremde Matrosen taten und tun. Kein Mensch drehte sich nach ihnen um – sie gehörten einfach zum Straßenbild. Ich selbst hab sie leider nie gesehen, doch mein Großvater hatte mit ihnen noch gepokert und getrunken.“
Ich werde extrem hellhörig.
Käpt’n David ist im Fluss: „Nicht umsonst heißt so manches Hafenlokal ‚Drunken Lobster’ oder wie dieses hier ‚Crown & Lobster’. In der Regel zahlten sie mit Goldstücken, die jedem Bisstest standhielten – oder mit Perlmutt und kostbarem Schmuck. Und da drüben, rechts vom Keeper, hängt noch das Schild ‚Jewellery accepted’.“
Hehe – ich bin ganz Ohr!
Komme ich doch mit der Siegerstory ins RD? Kindergroße Hummer beim Landgang mit den Taschen voller Geld! Die kannten die unterseeischen Orte, wo die geborstenen Rümpfe der „Atlantic“, der „Princess Mary“ und deren Schwestern ihren gleißenden Inhalt darboten.
So mancher Spelunkengast versuchte, sich die Freundschaft eines Hummers zu erschleichen und einigen gelang das auch. Ohne Arg nahmen die ihre neuen Freunde auf deren Bitten und Drängen mit ins Unterwasserreich und kein Mensch hat sie jemals wiedergesehen.
David meint, die hätten sich die Taschen zu voll gestopft. Da schafft man es nicht mehr nach oben, zur Luft, der wunderbaren Luft, gratis, köstlich, in jeder Menge verfügbar.
Die eigentliche Tragik läge allerdings darin, dass die an Land Gebliebenen den Hummern Schlechtes andichteten. Sie würden ihre menschlichen Besucher unter Wasser locken und dann aussaugen.
Eine böse Bezichtigung. Das Klima war vergiftet, die Landbesuche der Hummer wurden weniger, dann blieben sie gänzlich aus. Die witzigen Kaschemmenabende mit den blinkenden Goldtalern, der Rausch im Hummerkopf waren Vergangenheit, werden es immer sein.
Der Käpt’n ist ein großartiger Erzähler, schafft es, sich selbst mit einzubringen in sein Seemannsgarn und dabei immer gut dazustehen.
Unterstelle ich ihm mit ‚Seemannsgarn’, dass er’s mit der Wahrheit nicht so genau nimmt? Aber Gott behüte – das will ich doch gar nicht!
Warum sollte ich seinen Bericht in Frage stellen? Weiß ich es besser, war ich hier– zu dieser Zeit? Es behauptet ja keiner, dass die Hummer Matrosenanzüge trugen oder dass einige im Bordell gesichtet wurden. Außerdem brauche ich meine Geschichte – warum also sollte ich zweifeln?
Zur Abrundung des Abends ordere ich zwei schöne Whiskeys und mache noch ein Selfie mit meinem Capitano.
In bester Stimmung verabschieden wir uns und ich gehe, ohne bei den lüsternen Mädchen vorbeizuschauen, direkten Wegs ins Hotel.
Etwas unkonzentriert mache ich mich nachtschön, könnte in diesem Prachtpyjama sogar an einem Staatsempfang teilnehmen. Aufgedreht inspiziere ich die Hausbar.
Ich mische mir einen Schlaftrunk und greife noch einmal zum Virkoff:
„Mit den Menschen sind sie seitdem uneins, dieses ehemals für beide Seiten einträgliche Verhältnis ist für alle Zeiten zerrüttet. Irreparabel.“
Tja, das verdammte Geld. Mein Autor philosophiert noch ein wenig und kann’s auch nicht ändern. Sein Buch geht mit einem Fest zu Ende. Man trinkt hundertfünfzig Jahre alten Cognac, probiert uralte Bordeaux und Burgunder - über Wasser unbezahlbar - man legt exquisiten Schmuck an, dass alles nur so spiegelt und blitzt. Die letzte Szene beschreibt das Goldhochstapeln.
„Marga, die Wahrsagerin, prophezeit neunundneunzig Goldmünzen übereinander würden den Sieg bedeuten – und sie weiß auch schon, dass Bertalan, ihr heimlicher Schwarm trotz seines Alters, das Rennen machen wird.
Diesmal jedoch hat sie sich verguckt in ihrer Kristallkugel, denn Bertalan ist schon beim hundertunddritten Goldstück. Eine makellose Säule hat er aufgetürmt. Wie bei den Menschen muss er die höchste und goldglänzendste haben.
Die Jury beginnt, etwas umständlich die Münzen nachzuzählen, als ein gigantischer Manta die Szenerie verdunkelt und mit seinen Turbulenzen die funkelnden Säulen Bertalans und all seiner Konkurrenten zum Einsturz bringt, bevor er in den glitzernden Weiten des Ozeans verschwindet.“
Ha, ha, lache ich vor mich hin. So ist das mit dem Scheißgeld! Die einen können nichts Gescheites damit anfangen, obwohl sie drin waten – und wir anderen kommen nicht ran. Ich ziehe mir das weichere Kopfkissen von beiden heran und sage ‚Gute Nacht’ auf japanisch. Nein, nein – ich schlafe heute ohne Japanerin, bin nur ein bisschen besoffen. Ich lasse diesen anspruchsvollen Gute-Nacht-Wunsch im Raume stehen und schaue noch mal Sir David prüfend in die Augen.
Die erscheinen mir jetzt klein und schwarz, typische Hummeraugen. Mich schaudert’s. Diese hässlichen Stecknadelköpfe sehen mich unverwandt an. Des Käpt’ns Mund verzieht sich grotesk, wird einem Hummermaul immer ähnlicher, rötlich wie ein Messerschnitt und schnarrt „Prost!“. Ich erschrecke mich und gehorche. Indem ich mein Glas seinem entgegenstrecke, erhebt er seine Schere ebenfalls und wir stoßen herzlich an. Dann bleibt mir die Luft weg. Will er mir tatsächlich seine Schätze zeigen, unten im Meer? Ich rudere und strample mich an die Oberfläche, die Kissen fliegen, die Leselampe fällt runter, brennt aber noch.
Ein Segen, denn nachts unter Wasser muss es schrecklich sein.