Die Heimfahrt
Anmerkungen des Autors: Diese Geschichte ist ebenfalls über ein Jahr alt und alle Denkweisen die darin vorkommen oder Tatsachen entsprechen nicht unbedingt mehr der Realität.
DIE HEIMFAHRT
Es war ein Freitag abend.
Ein Freitag abend wie es ihn tausende male vorher gegeben hatte.
Es war der Beginn des Frühlings etwa Ende März als sich acht Freunde wie schon so oft vorher zusammentaten, zwei leidtragende Fahrer auserkoren und in einen Erlanger Jugendclub fuhren um dort ein wenig Spaß zu haben, vielleicht etwas zu moshen und mit Sicherheit um etwas zu trinken.
Bis auf die Fahrer versteht sich.
Das Wetter war wunderbar prächtig den Tag über gewesen und eigentlich hatte niemand Grund gehabt sich zu beschweren.
Man hatte sich in Rothenburg verabredet, getroffen und beschlossen, was heute abend zu tun sei, wie man seine Zeit am besten nutzen konnte. Nachdem Sandra, Bianca und ich standhaft darauf bestanden ins Force zu fahren, gab der Rest schließlich nach und fügte sich dem bitteren Flehen von uns.
Ironischerweise mußte einer von uns fahren und da Bianca noch keinen Führerschein hatte und Sandra meine Freundin war blieb das besonders üble Amt an mir hängen, sehr zu meiner Freude.
Es gab nichts schöneres auf dieser Welt, was ich mir vorstellen konnte.
Fahren! Wie ich’s hasse! Wie die PEST, verdammt!
Aber als alle zusammensaßen und "gemeinsam" beschlossen, daß ich zu fahren habe, brummte ich nur irgend etwas in meinen nicht vorhandenen Bart.
Ich war 19 und wurde im August 20, doch mein Bartwuchs war der eines 16-jährigen, wenn man überhaupt von Bartwuchs reden konnte, aber das störte mich nicht.
Mich störte vieles nicht, nur eines... wenn ich fahren mußte.
Jedenfalls war dieses Thema über kurz oder lang endlich geklärt worden, ich fuhr, nahm Sandra Bianca und Holger mit, im zweiten Auto fuhr Robert und dieser nahm seine Freundin Melanie mit, sowie Sabine und deren Freund Eddie.
Wir waren um 8:00 Uhr losgefahren und ganz knapp nach 9:00 Uhr im Force angekommen, was vor allem mich wieder ärgerte, denn da immer ich derjenige war, der am wenigsten Geld besaß, traf es mich am meisten, wenn man Eintritt bezahlen mußte, denn wenn man vor 9:00 Uhr auftauchte, kam man noch umsonst in den Jugendclub.
Also grummelte ich wieder irgendwas vor mich hin und zahlte murrend den Eintritt, der allerdings wirklich nicht teurer war. Es war eigentlichen ja auch nur das Prinzip, daß mich störte. Man könnte früher da sein, aber man schaffte es dann doch nie.
Nunja, der Abend selbst war an sich sehr lustig, es wurde viel gelacht und viel scheiß gemacht, ich unterhielt sich sehr gut mit einem Klassenkameraden, den ich getroffen hatte, Sandra kurvte mal hier mal da durch die Gegend, gut angeheitert natürlich.
Bianca schob wieder mal eine Krise, weil sie sich immer noch nicht entscheiden konnte, ob sie ihren Holger noch liebt, oder ob sie fremdgehen soll, wenn sie die Möglichkeit hat.
Die Krise löste eben jene Möglichkeit aus.
Robert war auch halbwegs guter Laune, er saß sein Wasser trinkend am Tisch der Rothenburger Metaler und unterhielt sich mit jedem, der bei ihm vorbeischaute.
Seine Freundin Melanie war an diesem Abend am meisten mit einer ihrer Freundinnen unterwegs, die Claudia hieß. Beide waren wieder ganz verfahren darauf herauszufinden wer jetzt wen am schnellsten unter den Tisch trinken kann und so lieferten sie sich den ganzen Abend eine einzige "Saufschlacht", wie sie es nannten.
Eddie leistete die meiste Zeit Robert Gesellschaft und betrank sich still und leise. Manchmal, so kam es mir vor, konnte man meinen, daß Eddie sich heimlich betrank. Wobei ich diesen Gedanken schnell wieder verwarf, denn Eddie war ein lustiger und geselliger Junge, den jeder gern hatte, warum also sollte er sich heimlich betrinken?
Seine Freundin Sabine traf wie immer viele Leute die sie kannte und ebenso viele, die sie nicht kannte, aber das machte bei ihr keinen Unterschied. Leicht angedüdelt traf man sie hier und da und überall und nirgends. Anders als meine Freundin Sandra hatte man bei Sabine wenig Chancen sie wiederzufinden, sollte man sie mal suchen. Sandra achtete mehr darauf in Reichweite zu bleiben als Sabine, aber irgendwie nahm davon heute abend keiner Notiz.
Holger hatte heute meines Erachtens einen ganz besonders guten Tag, denn nachdem er mehrere Bombermaß getrunken hatte, torkelte er zur Tanzfläche hinüber und moshte sich mit aller Kraft die Seele aus dem Leib. Es kam sogar soweit, daß ich mich trotz meiner Nüchternheit dazu hinreißen ließ ebenfalls ein wenig zu moshen.
Ich hatte nur immer das Problem, daß mir schwindlig wurde, wenn ich nüchtern moshte und so wurde der Akt auf der Tanzfläche zu einem verbissenen Kampf gegen die Schwerkraft.
Nun wie gesagt, der Abend an sich war schon in Ordnung.
Das Problem war nur, ich war nüchtern, mußte fahren und wußte aus Erfahrung, daß ich gegen 1:00 Uhr etwa langsam müde wurde, was dann wiederum bedeutete, daß es höchste Zeit wurde zu fahren, denn müde zu fahren, war fast genauso gefährlich wie besoffen zu fahren.
Und das Problem hierbei war, daß wenn alle den Abend lustig fanden, natürlich niemand um 1:00 Uhr gehen wollte, verständlicherweise.
Wahrscheinlich hätten es meine Freunde doch noch eingesehen, wenn ich etwas energischer darauf hingewiesen hätte, daß ich sehr sehr müde sei, doch naiv wie ich nun manchmal war, dachte ich mir, ich reiß mich halt zusammen.
Also stand ich, nachdem ich frustriert mein Wasser angestarrt hatte, im Durchgang zur Tanzfläche, zauberte mühsam ein unechtes Lächeln auf mein Gesicht und gähnte vor mich hin.
Man konnte richtig sehen, wie sich die Müdigkeit in meine Knochen schlich, als ich mühsam meinen Tabak zückte und mir eine Zigarette drehte.
Das NewForce machte um 3:00 Uhr zu, und das war auch für alle, die sich darin befanden das endgültige Abmarschsignal. Diesmal konnte keiner sagen: "Ach Guido, ich find das scheiße, wenn wir jetzt schon fahren. Wenn du nicht fährst bleiben wir auch immer bis drei." Blabla...
Nein, ich war erleichtert, daß alle endlich ihre Hintern in Richtung Ausgang bewegten. Dann legte ich erschöpft meinen Arm um meine Freundin, als alle mehr oder weniger nach draußen torkelten.
Die Luft war angenehm kühl und wenn man nach oben blickte, sah man trotz der Lichter der Stadt ein paar Sterne am Himmel leuchten, bei denen man sofort den Wunsch verspürt sich in irgendein Bett zu legen und zu schlafen.
"He, ich glaub ich kann jetzt moshen, Guido." ,meinte Sandra, wobei sie fast über ihre eigenen Füße stolperte.
"Ja, wie ich gesagt hab, es kommt nur auf die Hingabe an. Ich glaub das hast du jetzt geschnallt.", war meine Antwort und damit hob ich meinen Arm wieder hoch und begann mir noch eine von meinem schwarzen Tabak zu drehen.
Nun stapften alle konzentriert den Weg entlang zu den parkenden Autos. Mein Corsa stand friedlich am Gehsteig und schien nur darauf zu warten gestartet zu werden.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, daß mein Wagen etwas vorhatte, aber das war natürlich lächerlich.
Ein Auto personifizieren. Naja, kommt vielleicht von der Müdigkeit, egal.
Mit einem tiefen Zug aus der Zigarette rauchte ich sie auf und zückte gekonnt meinen Schlüssel.
Der Rest, daß heißt Robert, Melanie, Eddie und Sabine, bewegten sich unter größter Mühe nicht umzufallen, b.z.w. alle außer Robert, auf sein Auto zu und stiegen der Reihe nach ein. Es gab kein Wort des Abschieds oder so, dazu waren alle zu müde und zu fertig.
Holger liebäugelte noch kurz mit Bianca, gab ihr einen Kuß und dann setzten sich alle ins Auto.
"Bist du noch fit Guido? Soll ich fahren?" meinte Sandra nachdem sie auf dem Beifahrersitz platzgenommen hatte. Sie sah etwas besorgt aus, als ich mich schwerfällig in den Fahrersitz plumpsen ließ.
Ich drehte den Kopf zu ihr und grinste sie müde an: "Neenee, geht schon, außerdem bist du besoffen und auch wenn du jetzt deinen Führerschein endlich geschafft hast, besoffen laß ich dich nicht fahren."
Ich legte müde den ersten Gang ein und fuhr los.
Sandra hatte ihren Führerschein vor einem Monat endlich geschafft nach mehreren erfolglosen Versuchen die Prüfung zu bestehen, was alle mit einem leichten Grinsen zur Kenntnis genommen hatten, aber schließlich und endlich packte sie es doch.
Ein kurzer Blick in den Rückspiegel verriet mir, daß Robert wohl noch etwas brauchen würde, bis er losfuhr, denn seine Freundin stand etwas gebückt ein paar Schritt von Auto entfernt.
Man brauchte nicht viel Vorstellungskraft um sich zu denken was sie dort tat, also beschloß ich ohne die anderen vier loszufahren. Schließlich kannten sie den Weg.
Ruhig brummte der Motor, als ich meinen Wagen auf 30 km/h beschleunigte und vorsichtig aus der 30-Zone Richtung Hauptstraße fuhr. Vorsichtig ließ ich ein anderes Auto, das von rechts kam vorbei und tuckerte langsam weiter. In der Dunkelheit erkannte ich kaum was für ein Typ es war, aber es war mir auch egal. Auf jeden Fall war es rot.
Dunkelrot.
Wie Wein.
Der Rest meiner Besatzung war noch wach und guter Laune, Holger verlangte lautstark Blutjungs während Bianca aus Leibeskräften nach Gravedigger - Shadowmaker brüllte. Sandra lachte und versuchte beide Wünsche gleichzeitig zu erfüllen, was ihr aber natürlich nicht gelang.
"He Guido..." begann Holger.
Ich wartete kurz und meinte: "Ja?" , wobei ich auf eine weitere Reaktion seitens Holger noch etwas länger warten mußte. Wenn er besoffen war, dann war Holger irgendwie... langsamer. Er redete langsamer, bewegte sich langsamer und hatte immer so ein bedächtiges Verhalten.
Seltsamerweise war er am Telefon genauso, auch wenn er stocknüchtern war.
"...ähm...ich hab doch jetzt diese Mega...Mäztger...Axt gefunden..." fuhr er fort und setzte sogleich eine weitere Künstlerpause hintennach.
"Ja." Sagte ich nur, sah nach links, dann nach rechts und bog nach links auf die Hauptstraße von Erlangen. Der Verkehr war um diese Uhrzeit logischerweise nicht besonders stark, aber es kommt vor, daß ab und zu ein paar Spinner mir 80 km/h durch die Ortschaften oder Städte fahren.
Ich hab keine Lust ein paar von denen in meinem Auto hängen zu haben, dachte ich mir, fuhr mir mit meiner Rechten durchs Gesicht und rieb mir die Augen.
"...K’nn ich die jetzt net magisch machen?", beendete er gekonnt sein Meisterstück.
Damit lenkte er meine Gedanken kurz von der Straße ab, als ich überlegte, ob das möglich sei, was er vorgeschlagen hatte.
"Ja schon, du gibt’s ihr einen Namen und vollbringst irgendeine große Tat mit der Axt.", teile ich ihm mit und beschleunigte locker auf 70 km/h, nachdem wir Erlangen verlassen hatten.
Hinter uns sah ich kurz darauf ein neues Paar Scheinwerfer aufleuchten und fünf Minuten später sollte ich feststellen, daß dieses Auto von jemanden gefahren wurde, der es ganz besonders eilig hatte.
Geduldig wartete ich, ob Holger sich noch einmal melden würde, doch nach weiteren fünf Minuten kam ich zu dem Schluß, daß er die Unterhaltung als beendet ansah. Mit einem Blick nach rechts und in den Rückspiegel vergewisserte ich mich, daß die Mannschaft noch wach war. Das war sie auch, bis auf Bianca, die bereits jetzt einen etwas glasigen Blick bekam.
Dann stellte ich erfreut fest, daß Sandra ihre Schachtel Zigaretten zückte und bat sie auch gleich um eine. "Danke!", sagte ich und kurbelte mein Autodach auf und schob das kleine Verdeck zurück. Ein Druck auf den Zigarettenanzünder vervollständigte das Ritual, daß ich jedesmal ausübte, wenn ich in meinem Auto eine Zigarette rauchte.
Endlich kamen wir aus der lästigen 70-Begrenzung heraus, so daß ich nun auf meine gewohnten 110 km/h beschleunigen konnte. Naja, gewohnte 110 km/h ist gut, dachte ich, es kommt halt immer darauf an, ob wir den Berg hoch oder runter fahren. Irgendwie fand ich diese Überlegung witzig.
Mein Auto war sowieso ein Phänomen für mich gewesen. Als ich es bekam, wohlgemerkt umsonst von meiner Oma, wofür ich ihr natürlich sehr dankbar war, fragte ich wieviel PS der Corsa hatte und welches Benzin ich tanken muß.
Auf die erste Frage sagte man mir, jaja, mein Kind, der hat schon 65 PS.
Auf die zweite Frage sagte mir erst ein Angestellter ich müsse Super tanken, und fünf Minuten später kommt der nächste und sagt zu mir, hey, ich den Corsa kommt nur unverbleit rein, Herr Schmidt, alla viel Spaß.
Das beste daran aber waren meine Aktionsweisen darauf. Ich beschloß Super zu tanken, auch wenn es teurer war, doch mit Super konnte man bekanntlich nichts falsch machen.
Und was die PS anging, war ich ein ganzes Jahr der Ansicht, daß es 65 waren, bis Steffen aus dem Force mal meinen Fahrzeugschein sehen wollte.
Freudig teilte er mir dann mit, hey Guido, hier steht, er hat nur 45 PS.
Das Grinsen auf den Gesichtern der anderen werde ich nie vergessen, ich fand es ja auch lustig.
Während ich darüber nachdachte, mußte ich schmunzeln.
Ich blickte noch mal in den Rückspiegel und sah, daß Bianca eingeschlafen war, Holger hingegen sah noch wach aus dem Fenster und Sandra sah ab und zu zu mir herüber, lächelte dann und blickte wieder nach vorn.
Sie war ja auch meine Freundin, deswegen nahm sie jedesmal, wenn sie mit mir fuhr ihren "Freundinnen-Bonus" wahr und setzte sich vorne ins Auto.
Die Straße hier in der Gegend war kurvig und gefährlich, aber nicht ermüdend, denn es war immer wieder eine Herausforderung nachts um drei auf diesen Irrwegen zu fahren.
Während ich so vor mich hinfuhr versuchte ich mich zu erinnern, was mein Gedankengang gewesen war, bevor ich über Sandra nachdachte.
Man sagte mir immer wieder, daß ich zuviel denke.
Das denke ich nicht, ich finde nur, daß der Rest der Welt einfach immer zu wenig nachdenkt. Aber ich will mich jetzt nicht als großer Weltverbesserer aufspielen.
Man würde mich sowieso nicht ernst nehmen, und falls doch, würden hunderttausende von Leuten kommen, die alle lauthals behaupten würden, sie wüßten alles besser.
Wieder versuchte ich meine Gedanken darauf zu konzentrieren, was ich vorhin gedacht hatte, aber es wollte mir nicht so recht gelingen.
Schließlich sah ich vor mir ein weiters Auto, daß mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit fuhr. Man konnte schon beim ersten Hinsehen erkennen, daß in dem Auto ein alter Knacker saß, wobei ich mich fragte, was alte Knacker um diese Uhrzeit auf der Straße verloren haben.
Auf jeden Fall kam ich an ihn heran und tuckerte mit enervierenden 60 km/h durch die Nacht. Mit der für das Schicksal typischen Gehässigkeit bot sich natürlich keine günstige Gelegenheit zum überholen.
Der Knacker fuhr auch einen Corsa, einen grünen, soweit ich sehen konnte. Irgendwie war heute abend mein Blickfeld etwas eingeschränkt. Ich hatte das Gefühl meinen Kopf weiter als normal drehen zu müssen um nach links oder rechts zu blicken.
Aber diese Vorstellung war natürlich lächerlich, ich bildete mir das nur irgendwie ein. Kam wahrscheinlich auch von der Müdigkeit. Also blinzelte ich einmal kraftvoll und schüttelte meinen Kopf, fuhr mit der Hand über mein Gesicht und rieb mir die Augen.
Na also, geht schon viel besser.
Moment... Corsa, Corsa, der Knacker fährt einen Corsa. Ich hab über meinen Corsa nachgedacht. PS, Benzin, ja genau, ich wußte über ein Jahr nicht daß mein Corsa mit Normalbenzin fährt.
Hätte ich mir in dieser Zeit nur ein einziges mal die Mühe gemacht auf den Tankdeckel zu schauen, hätte ich mir ein ganzes Jahr Superbenzin sparen können.
Naja, Dummheit muß bestraft werden, vor allem meine eigene und vor allem solch dumme Dummheit. Ich hätte mir in dem Moment am liebsten selbst in den Arsch gebissen. So blieb mir nur ein Kopfschütteln.
So, nun wußte ich wieder worüber ich nachgedacht hatte.
Und das ganze erinnerte mich sogleich wieder an etwas anderes, wobei ich diesen Gedankengang unterbrach, denn ich mußte hier links abbiegen.
Also bremste ich und meine laut: "Fahr weiter, du Idiot, bitte!", blinkte links und seufzte erleichtert, als der Knacker geradeaus weiterfuhr. Er soll ja ab und zu geschehen, daß ich auch mal Glück habe.
Mit 30 fuhr ich die scharfe S-Kurve entlang, und hielt am Vorfahrt-gewähren-Schild an um einen Mercedes vorbeizulassen. Schwarz oder dunkelblau, konnte ich nicht genau sagen. Fahrer mit Hut, oh man, ist das heute nacht eine Altenheimversammlung auf den Straßen oder was?!
Das war mir so klar, dachte ich als ich in die Straße einbog und hinter dem Mercedes herbeschleunigte, so klar, verdammt, wenn du ein Arschloch weg hast kommt sofort, SOFORT, ohne zeitliche Verzögerung, ohne ein Wimpernzucken, GLEICH, auf der Stelle ein neues Arschloch!
Grimmig würgte ich den dritten ein und gab Gas.
"Die ganze Macht der 45 PS, spüre sie!" grummelte ich etwas sarkastisch.
Mit locker-flockigen 70 km/h fuhr der Corsa gehorsam den Berg nach oben, obwohl ich mit dem ganzen Fuß auf dem Gaspedal stand, was mich aber noch viel mehr ärgerte, war der Mercedes, der auch nicht schneller als 70 fuhr.
Schließlich waren wir oben auf dem Berg und ich konnte, nein ich mußte vom Gas heruntergehen, weil ich sonst den Benz gerammt hätte. Worauf ich aber schon Lust gehabt hätte.
"Seid ihr eigentlich noch wach?" fragte ich ganz pauschal mal in die Runde.
Ich bemerkte aus den Augenwinkeln wie Sandra zusammenzuckte: "...mjah, ich bin noch wach.", meinte sie und drehte sich im Sitz herum um nach hinten auf die Rückbank sehen zu können.
Kurz darauf drehte sie sich wieder um und sagte mir, daß die anderen beiden schliefen. "Geht’s eigentlich noch?", fragte sie.
Nein, zum Teufel, ich bin todmüde und fahr gleich gegen einen Baum, wenn ich nicht sofort schlafen kann! Mir fallen schon die Augen beim fahren zu! Ich halt’s nicht mehr aus!
"Naja... ich versuch mich halt zusammenzureißen."
"Soll ich fahren?" "Nein, du bist besoffen." "Ich bin schon wieder fast nüchtern!" "Ja klar."
Schweigen.
Gas geben, blinken, links lenken, mehr Gas, mehr Gas.
Ich versuchte den verfluchten Mercedes zu überholen, was mir dann auch gelang und irgendwie kam mir die Vorstellung lächerlich vor, ein Corsa, der einen Mercedes Benz überholt, aber ganz locker.
Im Vorbeifahren blickte ich in die Fahrerkabine des Mercedes und sah, was ich mir dachte, einen alten, reichen Idioten, der auf einer freien Landstraße 70 km/h fuhr.
Es regnete ja nicht einmal, dann hätte ich es ja noch verstanden.
Mir wollte einfach nicht in den Kopf, warum alte Leute immer so langsam fuhren. Die meisten zumindest, aber auf jeden Fall immer die, welche vor MIR fuhren.
Ich merkte schon wieder, wie meine Stimmung rapide abnahm. Das tat sie immer, wenn ich übermüdet Auto fuhr, vor allem wenn mir dann solche Dinge passieren. Eine ereignislose Autofahrt nach Rothenburg war zwar langweilig, aber lange nicht so stimmungstötend wie diese Fahrt heute Nacht.
Wieder rieb ich mir die Augen und konzentrierte mich auf die Straße, denn irgendwann jetzt müßte das Schild kommen, auf dem steht, Rothenburg 43 km.
Oh Gott, noch 43 Kilometer, ich glaube das schaffe ich nicht mehr.
Ach was, ich fahr die Strecke doch nicht zum ersten mal um die Uhrzeit. Einmal bin ich sogar erst um 5:00 Uhr aus dem Force gefahren, wann war das bloß?
Das Force hat doch immer nur bis 3:00 Uhr offen, wie kann ich dann also um 5:00 Uhr losgefahren sein? Keine Ahnung, irgendwie sind meine Gedankengänge komisch, dachte ich mir, aber dann überlegte ich, daß das doch normal sei, zumindest bei mir.
Dann überlegte ich, daß wenn jemand meine Gedanken lesen könnte, er wahrscheinlich entweder über mich lachen würde, oder verrückt wird. Wahrscheinlich sogar beides.
Ich mußte grinsen, bei dieser Vorstellung.
Die Bäume am Straßenrand zogen vorbei, Dunkelheit links und rechts von mir, ich haßte autofahren um diese Uhrzeit, aber ich konnte es so oft verfluchen wie ich wollte, helfen würde mir das nichts.
Ich konnte dieses nervende gleichbleibende Motorgeräusch nicht ertragen, ich konnte den ewig gleichbleibenden weißen Seitenstreifen nicht leiden, ich würde die immer wiederkehrenden Mittelstreifen am liebsten von jeder Straße fegen und den gleichgültigen schwarzen Teer der Fahrbahn, den würde ich am liebsten mit irgendwas in die Luft jagen. Große häßliche Löcher, gezackt und tief, hineinsprengen! Alles kaputtmachen, ja das würde mich jetzt beruhigen und danach in mein Bett. Nachdem ich die Straße vernichtet hätte, ja, das wär’s jetzt. Genau das.
Daraufhin mußte ich tief durchatmen. Mein Blick wanderte zu Sandra, welche nun auch das Reich der Träume besuchte. Holger und Bianca schliefen auch, was ich durch einen Blick in meinen Rückspiegel feststellte.
Ein leichtes Grinsen schlich sich in mein Gesicht, Leute, dachte ich, wenn ihr wüßtet was ich manchmal denke... Das Ganze ist doch alles nur ein großes Spiel. Ich denke und das was ich denke bin wirklich ich. Der Rest ist gespielt, meistens zumindest.
Man, das heißt, jeder spielt doch irgendwie mit, jeder hält sich an bestimmte Regeln. Manche Leute brauche ich bloß einmal kurz ansehen und schon weiß ich, wie sie sich im allgemeinen verhalten. Das nennt man gemeinhin Menschenkenntnis, belehrte ich mich selbst.
Nein, ja, aber ist doch so und die meisten Leute wissen gar nicht, daß sie den Regeln folgen. Erst vor einem Monat hatte ich eine Unterhaltung mit einem Kumpel über dieses Thema.
Naja, oder zumindest ein ähnliches Thema, unser "Opfer" sozusagen, war auch ein Klassenkamerad von uns, über den wir dann diskutierten.
Nein, wir diskutierten nicht über ihn, sondern wir hatten ihn nur als Beispiel. Er war so ein typischer Konsument, wie ihn die breite Masse zu Tausenden hervorbringt, in Metalerkreisen wird sowas als Popper bezeichnet. Was nicht böse gemeint ist, man hat ja auch nicht die Absicht das zu ändern...
Abrupt wurde ich unterbrochen, als 200 Meter vor mir ein Wagen, ich kniff die Augen zusammen, konnte aber nicht sehen, was für ein Wagen das war, in die Straße einbog und ich deswegen bremsen mußte.
Wütend verfluchte ich den Fahrer in Gedanken.
Ich hatte jetzt nur noch mehr Lust irgendwas kaputt zu schlagen. Immer diese Idioten, die mich immer aus meinen Gedankengängen werfen. Blöde Wichser! Scheiß Viecher! Verdammt noch mal!
Nach außen hin jedoch wirkte ich erstaunlich ruhig und gelassen, in meinem Gesicht war nicht die leiseste Regung zu sehen. Das glaubte ich zumindest, aber bis jetzt hatte mir noch niemand das Gegenteil bewiesen. Naja, aber auf jeden Fall mach ich jetzt mal gute Musik, dachte ich mir, als ich mir schon zum millionsten mal die Kassette anhörte, die Bianca und Sandra extra für sich zusammengestellt hatten.
Schnell wechselte ich die Kassette und erfreute mich kurze Zeit später an den sphärischen Klängen von Wizo und Nightwish. Jaaa, DAS ist wahrlich gute Musik.
Wobei ich ja eigentlich nichts gegen Gravedigger hatte... oder Rage oder so, aber ich konnte mir so ein Zeug nicht anhören, wenn ich im Auto der einzige war, der Musik hörte.
Sandra war ja auch schon eingeschlafen, naja, dann war ich wie immer alleine wach. Mir war das sogar lieber, denn dann mußte ich mich nicht mit irgend jemand unterhalten.
Und diese Überlegung erinnerte mich an meine Ex-Freundin, die ich hatte, bevor ich mit Sandra zusammenkam.
In meinem Gesicht war jetzt ein trauriges Lächeln zu sehen. Ich hab Angelika schon gemocht, sehr sogar, aber wenn ich mich... aber naja, lassen wir das.
Auf jeden Fall laberte, wenn Angelika im Auto neben mir saß, nachts, dem Fahrer, egal ob ich es war oder jemand anderes, jedesmal so die Ohren zu, daß man meinte man müsse schreien.
Das war jedoch nicht böse gemeint und auch nicht blöd oder so, nein es war sogar ganz gut, denn wenn man sich unterhielt, konnte man nicht einschlafen, das Problem bei Angelika war nur gewesen, daß man sich nicht unterhalten konnte, sondern immer nur "Ja" und "HmHm" sagen konnte.
Es war sozusagen das Anhören eines Monologs, vorgetragen von meiner Ex.
Irgendwie bekam ich Lust auf eine Zigarette, das dumme war nur, jeder, der eine besaß schlief.
Wenn ich jetzt anfange mir ein zu drehen, fahr ich bestimmt gegen einen Baum, dachte ich, als ich meinen Tabak aus meiner hinteren Gesäßtasche zog. Das geht nicht gut, dachte ich, als ich ihn öffnete und ein Paper herauszog. Schließlich lenkte ich mit den Knien und versuchte verzweifelt mir eine Kippe zu kurbeln, wie es in Rothenburg immer so schön heißt.
Was tut man nicht alles für seine Sucht, war meine weitere Überlegung. Ein Kurve kam näher, aber ich habe noch Zeit, dachte ich mir. Also drehte ich schneller, so schnell ich konnte um genau zu sein.
Meine Konzentration wich von der Straße zu meiner Zigarette und meine Gedanken zogen kleine Kreise in meinem Kopf. Die Art von Kreise, die Gedanken immer ziehen, wenn man weiß daß man an irgend etwas denken sollte, es aber irgendwie nicht tut.
Dann war die Kippe fertig und mein Blick schnellte auf die Straße zurück. Vor mir lag ein Acker, stellte ich erschrocken fest und riß das Lenkrad herum.
Mit einem harten Schwenker kam der Corsa auf die Fahrbahn zurück und fuhr weiter als wäre nichts gewesen und ich saß in ihm und dachte, wo bleibt der Adrenalinschub?
Normalerweise haben solche Aktionen immer einen Adrenalinboost zur Folge, aber heute anscheinend nicht, naja, schade. Also fuhr ich ohne Adrenalin weiter, aber dennoch zufrieden, denn jetzt hatte ich eine Kippe im Mund. Routiniert kurbelte ich das Oberdach wieder hoch und schob das Verdeck zurück.
Ein Seufzer entrang sich meiner Kehle, als ich auf den Zigarettenanzünder drückte. Irgendwie muß der Rauch ja auch aus dem Auto, überlegte ich, deswegen auch das offene Fenster.
Du bist ja genial, Guido, dachte ich. Du mußt stolz auf dich sein, macht das Fenster auf, damit der Rauch rausgeht, genial, einfach meisterhaft. Ach scheiße.
Ich hatte kein Gefühl mehr im rechten Arm, als ich den Anzünder herauszog und meine Zigarette damit anmachte, aber das war mir egal. Alles Einbildung, aber es fühlte sich schon komisch an.
Genauso hatte es sich angefühlt, als ich einmal leicht bekifft Auto fuhr. Einfach kein Gefühl mehr in den Gliedmaßen gehabt.
Ich frage mich, wie Sex wohl ist, wenn ich was gekifft habe.
Grinsen im Gesicht.
Rauchend fuhr ich weiter durch die Nacht und ließ meine Gedanken schweifen. Das ging beim autofahren immer ganz besonders gut, wie man am heutigen Beispiel ja auch sehr gut sehen konnte. Wenn man mal so überlegt, was ich mir schon alles gedacht habe.
Zum Teufel, wann kommt jetzt endlich das blöde Schild. Neustadt a. Aisch. Erst? Oh verdammt, dann haben wir ja noch nicht mal die Hälfte.
Ich bremste auf 50 km/h herunter und fuhr bei der gelb-blinkenden Ampel nach links. Auf den Straßen war weit und breit kein Auto zu sehen, die ganze Stadt wirkte, zumindest von den Straßen her gesehen, wie ausgestorben.
Also fuhr ich etwas genervt von der ganzen Heimfahrt 70 km/h durch die Stadt.
Wir kamen am McDonald’s Drive Inn vorbei und ich überlegte kurz, ob ich anhalten sollte. Ich sah auf den Rest meiner Mannschaft und beschloß, daß ich es bis nach hause auch noch aushalten könne. Ohne Kaffee. Kaffee bei McDonald’s... gibt’s da eigentlich Kaffee? Naja, egal, auf alle Fälle gibt’s im Force keinen Kaffee, oder sie wollen keinen machen. Auch egal.
Ob meinen Gedanken wohl jemals der Stoff ausgeht über den sie nachdenken können, fragte ich mich. Wahrscheinlich erst dann, wenn ich tot bin.
Oder wenn ich mich hinsetze und nichts denke. Ich kann das, obwohl mir das niemand glauben will. Jeder sagt dann immer, häh häh, das geht nicht, man denkt immer was, die ganze Zeit.
So ein Schwachsinn, die selben Leute behaupten, daß Männer überhaupt nicht denken. Aber jetzt mal ohne Blödsinn, ich halte mich für fähig nichts zu denken.
Naja, aber was soll ich damit schon anfangen.
Teenagerliebe von den Ärzten lief gerade auf meiner Kassette und es wurde die Frage gestellt: "Wie nennt man einen musikalischen Walfisch zum mitrumtragen?". Jaja... gute Musik.
Aber wo war ich? Blödsinn, ja genau.
Wir kamen zum Rand von Neustadt und ich beschleunigte auf 110 km/h, 120, 130, uh-oh, hä? Moment, dachte ich mir, wo ist mein Fuß hin?
Ich nahm ihn von Gaspedal und der Corsa ging runter auf 100. Müde rieb ich mir noch mal die Augen und versuchte gelangweilt meinen Fuß zu ignorieren, der meinte so tun zu müssen, als wäre er nicht da. Irgendwie war heute alles gegen mich. Die Nacht, mein Körper, andere Autofahrer, die Langeweile, die Müdigkeit, alles Schweine, verdammt.
Irgendwie, so überlegte ich, ist mein Gedankenmuster immer gleich. Zuerst denke ich irgendwas gutes, positives oder neutrales, danach denke ich irgendwelche dummen, bösen oder destruktiven Gedanken und darauf wiederum folgt dann meine Analyse, bei der ich mich dann wundere, daß mein Gedankenmuster immer gleich ist. Vielleicht denke ich wirklich zuviel?
Na, ich denke nicht zuviel, man kann gar nicht zuviel denken, höchstens zu wenig.
Mir kam ein Auto entgegen. Grün, helles Froschgrün, ein Ford, ja ein Ford, aber der Ford war nicht das, was mir an dem Wagen auffiel, sondern seine Fahrerin.
Sie war jung, höchstens 19 und hatte die Art von blonden Haaren, wie sie mir besonders gut gefielen, so ein richtig schönes, sattes orange-blond, kräftig und... naja einfach schön.
Sandra würde mir jetzt sicher an den Hals springen, wenn sie wüßte, was ich denke, aber ich würde schon mal wieder gerne fremdgehen. Im eigentlichen ist da ja auch gar nichts dabei.
Das ist genauso ein Punkt, bei dem die Leute nicht nachdenken, und daß macht mich immer wieder rasend.
Fremdgehen ist schlecht, fertig, mehr wird nicht gedacht.
Als, tja, als "Fremdgehender" hast du gar keine Chance dich zu rechtfertigen, weil es keiner hören will. Es heißt einfach, ja, du liebst mich nicht mehr, ich mach Schluß, heul, flenn, verflucht, so ist es doch.
Würden die Leute, und damit meine ich fast alle Menschen auf diesem Planeten, etwas, nein, nur ein ganz kleines bißchen mehr nachdenken, dann würden sie feststellen, daß fremdgehen nur deshalb so verteufelt wird, weil die Menschheit in dem Punkto ihre eigenen Regeln gemacht hat. Die Regel, das fremdgehen schlecht ist, stammt von uns Menschen. Irgend jemand, wahrscheinlich die Kirche, hat einmal gesagt, ja, du sollst nur eine Frau haben, du sollst nicht fremdgehen u.s.w. Ich frage mich immer wieder, wie man darauf so anspringen kann? Haben die Leute denn kein eigenes Urteilsvermögen? Brauchen sie denn Regeln, die ihnen ihre Handlungsweisen vorschreiben? Ich kann mir das nicht vorstellen.
Und deswegen ist fremdgehen auch so ein gutes Beispiel... oh, Wizo auf Kassette.
Da mußte ich sofort meinen Gedankengang unterbrechen und "Goodbye" mitsingen. Leise natürlich, damit ich keinen der anderen aufweckte.
Like two death-ill patients we tried to enjoy the live.
Every minute sleep, seemed like wasted time.
We tried to forget the moment that will...
Oh man, ich sollte mich lieber aufs fahren konzentrieren.
Ich sollte mich lieber auf die ewige Schwärze vor mir konzentrieren.
Ich sollte lieber wach bleiben und fahren, dachte ich.
Ein schwarzer Corsa, der einsam durch die Nacht fährt, keine Menschenseele ist in der Nähe, kein Auto auf der Straße, nur ich und die Dunkelheit. Jedesmal wieder ein Kampf aufs neue, jedesmal wieder muß ich hin gewinnen und jedesmal wird es schwieriger.
Naja, schwieriger wird es nicht, aber scheiße ist es trotzdem.
Da vorne kommt eine Kurve, ja, schön um die Kurve fahren, genau, immer auf der Straße bleiben und konstant weiterfahren, Geschwindigkeit halten, nichts anderes denken.
Gott bin ich müde.
Erneut rieb ich mir die Augen und schüttelte den Kopf, aber er wollte nicht mehr klar werden. Es gab manchmal solche Augenblicke, da fuhr ich nur mit Hilfe meiner Reflexe, unterbewußt sozusagen. In solchen Momenten wußte ich immer gar nicht, was ich tat, ich fuhr nur Auto, auf der Straße, immer weiter.
So wie jetzt.
So we took our love instead of beeing sad.
Now the day has come for us to say goodbye.
And I know when you’re gone that I will die...
Die Kassette lief weiter und das Lied endete. Als nächstes kam noch ein Lied von Wizo, welches "Gute Freunde" hieß.
Auch eines meiner Lieblingslieder, ich weiß noch, als meine alten Freunde sagten, Guido, das ist dein Lied. Jaja, das waren noch Zeiten, damals mit 16 Jahren.
Ich mußte grinsen, damals hatte ich keine Freundin und war schon fast verzweifelt. Ich fragte mich immer wieder, will mich denn keine, oder was?
Es gibt so unendlich viele 16-jährige, die genau das gleiche Problem haben. Und das genau in diesem Augenblick, dachte ich mit grimmiger Zufriedenheit.
Ich habe dieses Problem nicht mehr, aber ich habe dafür ein anderes Problem und das nennt man normalerweise autofahren. Autofahren in übermüdetem Zustand, naja, aber es gibt ja auch Tausende LKW-Fahrer, die diesem Problem jeden Tag gegenüberstehen und die meistern es auch.
Meistens zumindest.
Was ist denn mit der Straße los? Wo ist die hin?
Ach da, ich dachte schon die Straße wäre weg, so ein Blödsinn, ich sitze ja schließlich hier im Corsa und fahre drauf. Kann doch gar nicht weg sein, scheiß Müdigkeit.
Sie schaute mich aus ihren großen Augen an...
Und wurde dann auf einmal ziemlich ernst.
Sraße... ist... schwarz.
Und dann kam das weshalb ich sie jetzt hasse.
Ich hasse sie und hab sie trotzdem gern.
Fuß... ist...
Mit ein paar miesen Phrasen stach sie Löcher in mein Hirn.
Ich konnte es nicht fassen, denn ich wollt‘ sie nicht verlieren.
Arm... ist...
Du wir können doch gute Freunde bleiben, hat sie zu mir gesagt.
Darauf hätt ich ihr am liebsten eine Kugel durch den Kopf gejagt.
Wo...?
Du wir können doch gute Freunde bleiben, war ihr Angebot
Und ich frage mich noch heute, warum schlug ich sie nicht tot?
Ich fahre immernoch auf der Straße, ich fahre noch auf der Straße.
Ich sitze in meinem Corsa und fahre. Neben mir sitzt Sandra und auf der Rückbank sitzen Holger und Bianca.
Oh man, wann sind wir endlich da?
Wo ist nur mein Auto hin? Und mein Arm?
Mir kommt es fast so vor, als wäre mein Auto nicht mehr da. Oder mein Arm. Mein Fuß.
Was ist hier nur los?
Wahrscheinlich gar nix, du Idiot, du fährst immernoch in deinem Corsa nach Rothenburg und checkst gerade gar nichts mehr. Vielleicht solltest du mal anhalten und dich ein bißchen ausruhen?
Ausruhen? Augen zumachen und schlafen? Ja, das ist keine schlechte Idee, ich muß nur anhalten. Irgendwo am Straßenrand. Nur... ich seh nichts mehr, wo ist der Straßenrand? Wo ist die Straße? Zum Teufel, dann fahr ich eben weiter!
Ich höre Wizo.
Die Zeit verging und sie heilte alle Wunden.
Ich glaube heute hab ich es geschafft.
Die dunklen Zeiten hab ich überwunden.
Und tanke in der Zukunft neue Kraft.
Der Motor brummt nicht mehr. Der Motor ist aus.
Das kann nicht sein, der Motor brummt schon noch, ich merke es bloß irgendwie nicht mehr.
Bett?
Mein Lenkrad ist auf jeden Fall noch da, na das ist doch schon mal was. Ohne Lenkrad zu fahren, wäre schon etwas blöd.
Ohne Auto, Arm, Fuß und Straße ja klar, kein Problem, aber ohne Lenkrad wäre es echt scheiße.
Wieder mußte ich grinsen. Oder habe ich gegrinst?
Ich weiß es nicht so genau.
Mein linker Arm läßt mich nicht im Stich, er ist da und hält das Lenkrad fest. Und er lenkt. Lenkt. Geradeaus, immer weiter um die Kurve, geradeaus, links, linker Arm, ist da, jaja, alles kein Problem.
Decke?
Ich frage mich nur...
Ich frage mich...
Weich?
Warum ist mein Sitz so weich, das war er doch sonst nicht.
Oh nein, da kommt mir einer entgegen. Naja, ist noch ganz weit weg.
Da ist meine Mutter. Bin ich jetzt ganz bescheuert?
Ich bin doch im Auto? Oder?
Oder?!
Das hier fühlt sich nicht mehr nach Auto an. Das...
Das...das... ist... kein... Auto... mehr.
Weich. Es ist weich.... und weiß?
Mutter?
Wo bin ich zum Teufel, ich spüre nichts mehr.
Der Idiot blendet aber auch nicht ab, ist das überhaupt ein Auto? Ich liege in einem Bett, da kann kein Auto sein.
Ein Licht?! Ich glaube ich gehe.
Ich habe kein Lust mehr, ich gehe jetzt, leckt mich doch alle am Arsch.
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Tage später in den lokalen Nachrichten :
Autounfall in der Nähe von Neustadt a. Aisch.
Schwarzer Corsa prallte mit 100 km/h gegen einen Baum, wahrscheinlich wegen Übermüdung des Fahrers.
Drei der vier Insassen waren sofort tot. Der Fahrer verstarb kurze Zeit darauf im Rothenburger Krankenhaus aufgrund schweren Blutverlustes.