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Die Heimatstrasse

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28.03.2003
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Die Heimatstrasse

Die Reifen meines Auto rumpelten über das Kopfsteinpflaster meiner Heimatstraße. Hier bin ich aufgewachsen, hier wohnte ich 19 Jahre lang in der alten Arbeiterwohnung meiner Eltern. In dieser Wohnung gab es damals 9 m² die mein Reich bildeten, mein Zimmer. Nicht viel Platz, aber da meine spärliche Einrichtung Raum sparte, konnten wir oft genug wilde Abende dort verbringen. Die meisten meiner alten Freunde hatte ich aus den Augen verloren. Einige kannte ich noch über Internet, wenige von uns trafen uns manchmal in einer der Kneipen in Hannover, das kam aber höchstens ein oder zwei Mal im Jahr vor. Ich bremste ab, schaltete den Motor ab und stieg aus. Da stand ich nun, auf der alten Straße auf der ich damals Fußball gespielt hatte oder auf der wir damals zu unserer Jugendzeit hinter den Büschen versteckt Zigaretten rauchten, immer darauf bedacht danach Blätter zu kauen, damit unsere Eltern den Rauch nicht riechen konnten.
Nicht viel hatte sich verändert, die Backsteinhäuser hatten neuen Putz bekommen und erstrahlten nun im politischkorrekten weis der neunziger Jahre. Ein paar Bäume waren dazu gekommen und ein paar alte Schlaglöcher waren ausbessertet. Schade eigentlich, da man im bei Regen damals immer in die matschigen Pfützen springen konnte, damals als Kind. Ich drehte mich um und richtete mein Gesicht frontal Richtung Treppenhaustür, die jetzt mit Irgendwelchen Namen von unbekannten Jugendlichen beschmiert waren, die einfach nur auf sich aufmerksam machen wollten. Ich ging zur Tür, zweiter Stock links, dritte Klingel von unten auf der linken Seite. Langsam bewegte ich meinen Zeigefinger zur Klingel, das Namensschild daneben war abgerissen worden, aus reiner Willkür oder gezielt.
Ich klingelte, nicht lange, aber auch nicht zu kurz, um sicher zu gehen, dass mich die neuen Einwohner auch hören würden. Dann wartete ich. Wippte unsicher auf meinen Füßen hin und her, von Zehenspitze zu Ferse und wieder zurück. Nach circa einer Minute war ich versucht noch mal zu klingeln, aber entschloss mich dann doch umzudrehen und fahren. Gerade in dem Moment hörte ich eine Stimme aus der Gegensprechanlage. „Hallo? Wer ist da?“, sagte eine Frau, deren Stimme vom Alter schon ein wenig zittrig geworden war. „Ähm, das mag für sie zwar ungewöhnlich klingen, aber ich habe als Kind in ihrer Wohnung gewohnt... ich... wollte sie mir noch einmal ansehen. Ich bin... Es dauert nicht lange,“ antwortete ich. Stille, dann nach einigen Sekunden, die mir wie die Ewigkeit erschien hörte ich das berühmte, surrende Signal, das ertönt, wenn einem die Tür aufgesperrt wurde. Ich trat schnell ein. Und stieg das Treppenhaus hoch, langsam, um die alte Dame nicht zu erschrecken.
Da stand sie, der neue Bewohner meiner alten Wohnung. Alt und zerbrechlich stand sie da, gestützt auf einen alten Holzstock. „Eigentlich mache ich so etwas nicht, aber sie klangen vertrauenswürdig,“ sagte sie mit einem Ton, einer alten Dame, die alles gesehen hatte und die nichts mehr erschrecken konnte. Ich begrüßte sie, bedankte mich und trat ein. Die erste Diele des Flures knarrte immer noch, wie früher. Ich vergas die alte Dame und überhörte alles was sie mir noch sagte und ging erstaunt durch die alte Wohnung. Ich musste Kinderaugen gehabt haben, wie hypnotisiert ging auf die Tür zu, die zu meinen alten Zimmer führte. Ich stand davor: „Das ist mein altes Zimmer,“ sagte ich eher zu mir selbst, als zu der alten Dame. „Sie dürfen gerne eintreten, wenn sie wollen.“ Kaum als sie das gesagt hatte, öffnete ich die Tür und trat ein. Ich lies die Tür hinter mir offen. Das Zimmer in dem ich stand war wohl das Schlafzimmer der alten Frau, hier hatte sich alles verändert. Keines meiner alten Möbelstücke stand hier, keine Erinnerungsstücke, eine andere Tapete, selbst der Geruch hatte sich verändert. Als ich realisierte, das ich nicht in meinem alten Zimmer stand, drehte ich mich um und schloss die Augen. Mir wurde plötzlich alles klar. Es war einer dieser Momente, in denen einem alles klar wird. Mir wurde klar, wie alt ich plötzlich geworden bin, wie die Zeit voranschritt und vor allem, dass ich jetzt nicht mehr umdrehen konnte. Ich konnte nicht zurück in die Zeit, in der ich mit meinen Schulkameraden die Schule schwänzte um Eis essen zu gehen, zurück in die Zeit des Kindseins. Ich verabschiedete mich schnell bei der alten Dame, bedankte mich noch einmal und verschwand schnell, lief die Treppe herunter. Gehetzt von meiner Vergangenheit stieg ich in mein Auto und atmete erst mal kräftig durch. Mit Tränen in den Augen lies ich den Motor an. Die Reifen meines Auto rumpelten wieder über das Kopfsteinpflaster meiner Heimatstraße.

 

Hi, großartige Idee, die du geschickt und kurz auf den Punkt bringst. Die Geschichte macht mich schon traurig, können wir uns nicht alle in diese Situation versetzen? Aufgefallen sind mir einige wenige Rechtschreibfehler, die ich jetzt nicht benennen will.
Eine Formulierung erscheint mir aber unglücklich:
"Einige kannte ich noch über Internet,..."
Das wirkt aufgesetzt, er kennt sie ja noch, kannte sie schon immer. Besser wäre vielleicht, daß er noch Kontakt zu einigen Freunden via Internet hält, oder so.
Wie auch immer, schöne Geschichte.
Gruß

 

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