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Die Hausdurchsuchung

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18.08.2002
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Die Hausdurchsuchung

Als Timo es sich mit Paprikachips und Dosenbier gerade vor dem Fernseher gemütlich machen wollte, um die Terrorschau zu sehen, hielt er abrupt inne, denn durch das Fenster pulsierte blaues Licht. Timo hatte sogleich eine vage Ahnung, wer an der Tür stand, die Klingel betätigte, dreimal kräftig gegen das Holz pochte und in respektablem Bariton rief:
»Aufmachen, hier ist die Polizei!«
Aufgeregt stellte Timo Chips und Bier irgendwo ab und eilte zur Tür.
»G... -«
»Abmd, heißen Sie Kraty und sind Besitzer dieses Hauses?«
»J-ja, so heiße ich, was ...«
»Hausdurchsuchungsbefehl. Lassen Sie uns rein. Alles, was sie jetzt sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden.«
Damit stürmten der Kommissar und zwölf weitere Beamte Kratys traute fünfunddreißig Quadratmeter Lebensraum. Das heißt, nicht ganz fünfunddreißig --
»Schließen Sie diese Tür auf!« Der Beamte zeigte auf die Kellertür.
»Ähm, nein«, sagte Timo zögernd.
»Nein?!«
»Ich möchte, ich, ich möchte erst wissen, warum.«
Der Beamte schaute ihn ungläubig an, sah dann bedächtig seufzend zur Decke und begann langsam und betont deutlich: »Sie stehen unter dem Verdacht, regelmäßig tatsächliche, mutmaßliche und potenzielle Terroristen, Kinderschänder, Rechtsextreme, organisierte Kriminelle, Raubkopierer, Gewalttäter, Stalker, Sozialbetrüger, Anarchisten, Nichtchristen; insbesondere Kleptomanen und Taschendiebe, sowie Personen, die ihren Stinkefinger in Überwachungskameras zeigen, Personen, die öffentlich den Bundesinnenminister diffamieren, öffentliche Plätze verunreinigen, Behinderte beleidigen, Werbeflächen beschmieren; Individuen, die den ungeheuren Fortschritt der dummokratischen Gesellschaft in puncto öffentlicher Sicherheit verachten; und aber ganz an erster Stelle«, der Atem des Kommissars beschleunigte sich, seine Augen waren plötzlich nur noch Schlitze dicht vor Timos erschrockenen: »unerzogene Rotzlöffel, die Beamtenkindern ihr Lieblingsförmchen stehlen ... allen Genannten Unterschlupf zu bieten, und sogar die Rechtschaffenheit von Politikern auszunutzen und diese vor dem Parlament peinlich zu entblößen, indem Sie Ihren Namen lächerlich verschleiert in deren Reden schmuggeln.« In seiner Verbitterung hatte er Timo beim Kragen gepackt, den er nun angeekelt von sich stieß.
»Oh«, sagte Timo und überreichte ihm den Kellerschlüssel, während er sich fragte, ob sein Keller nicht doch etwas zu klein für so viele Verbrecher war.
»Los Kollegen, schauen wir dem Fisch ins Maul.«
Timo hinterdrein. Unten angekommen, standen die Polizisten bereits um eine Menge größerer Fässer herum.
»Herr Kraty, nun sagen sie uns doch mal, was wir hier vorfinden.« Wieder langsam und deutlich, die Mühe der Selbstkontrolle quoll offensichtlich zwischen den Wörtern hervor, sagte dies der Kommissar und deutete auf die Behältnisse.
Etwas verwirrt zuckte Timo mit den Schultern. »Meine Herren, d-d-das steht doch groß drauf: "Redefreiheit", "Datenschutz", "Unverletzlichkeit der Wohnung", "Würde" ...«
Der Kommissar wischte sich, kreidebleich geworden, die Schweißperlen von der Stirn und zückte hektisch sein Mobiltelefon.
»Tach, SEK-81-L hier. Schickt uns bitte schnellstens Spezialisten der Bombenentschärfung. Wir haben hier circa zwanzig Fässer Demokrat, ja, ihr habt richtig gehört. Unverzüglich Evakuierung einleiten!«
»Hören Sie, ich wusste echt nicht, dass die hier alle noch rumstehen. Die hab ich längst vergessen, wirklich, glauben Sie mir doch!«
»So, wir überwältigen Sie eben kurz ... und - schmerzlos - und ... machen Ihnen Handschellen, sehen Sie hier diese Metalldinger, um die Handgelenke, ist gar nicht schlimm, aber bitte machen Sie mir jetzt keine Probleme. So alles klar? Alles nur zu Ihrer eigenen Sicherheit, bitte kommen Sie.« Über den gutväterlichen Ton vergisst Timo zu protestieren -- er weiß selbstverständlich, was Handschellen sind.

Timo befand sich zwölf Tage und circa fünfzig Monate in Haft. Zwei Wochen vor seiner Entlassung fiel ihm plötzlich auf, dass die Wärter alle in weiß gekleidet und sehr freundlich waren. Er genoss diese Zeit und ließ die eine und andere Träne vom Kinn tropfen, als sich das große Stahltor von innen schloss. Allein wegen der Anwesenheit gleich mehrerer Bodyguards nahm Timo Abschied von seinem Plan, in der ihm zugeteilten psychologischen Betreuerin eine Nordosterweiterung vorzunehmen, und damit auch von seinen lässigen Kumpeln jenseits der Mauer. »Entleerte Fässer hinter Glas«, »dummokratisches Desinformationszentrum«, »Umbauten an Ihrem Haus«, ach, wie entzückend süß die Blauäugige palavern kann!

[highlight]Lizenz: CC BY-SA 3.0 DE (s. Profil)[/highlight]​

 

Hallo Kollege,

Mann, hast du lange Sätze drauf. Beeindruckend.

Durchaus gelungene Satire. Eine von der böseren Art. Sehr nett.
Bisschen Textzeug:

»Ich möchte, ich, ich möchte erst wissen, warum Hausdurchsuchung.«
Ich glaube zu verstehen: Zögerliches Sprechen oder so. Liest sich aber in dieser Form eher unangenehm. Gedankenstriche, drei Punkte oder ähnliches würde das klarer machen.

indem Sie Ihren Namen schwach
ihren

Pseudemokrat, ja ihr
Noch ein Komma nach "ja"

»So, ich nein wir überwältigen Sie eben kurz und schmerzlos und machen Ihnen Handschellen sehen Sie hier diese Metalldinger um die Handgelenke ist nicht schlimm aber bitte machen Sie mir jetzt keine Probleme.
What!? Nichts verstanden, sorry.

ließ die ein und andere Träne auf dem steinharten Sandboden zerplatzen
Warum auf einmal so poetisch?

Nur die Anwesenheit mehrerer Bodyguards verhinderte, dass Timo aus der Phantasie, die ihm zugeteilte, entsprechend gut aussehende psychologische Betreuerin gebührlich zu bespaßen, die Rückkehr zu seinen lässigen Freunden erwartend handfeste Tatsachen machte.
Diesen Satz habe ich leider auch nicht wirklich verstanden.

lg
lev

 

Zitat:
indem Sie Ihren Namen schwach
ihren
Ihren stimmt, es handelt sich ja um den Namen des Protagonisten, der vom Kommissar angesprochen wird.

 

Das war eine nette Vorspeise heute Mittag ;)

Zu den beiden Sätzen, die Lev nicht verstanden hat:
Also den mit den Handschellen konnte ich für mich entschlüsseln. Glaube ich. Aber ab "Nur die Anwesenheit mehrerer Bodyguards ..." ähm. Nein. Magst du das Ende nicht nochmal decodieren?

Timo war eigentlich ein recht mutiger Kerl.
Wie gehört der Satz darein? Mutig, weil er es wagt, zunächst zu widersprechen? Eigentlich kann man auf den Einschub verzichten, finde ich.

Gemocht hab ich den hier:

»Oh«, sagte Timo und überreichte ihm den Kellerschlüssel, während er sich fragte, ob sein Keller nicht doch etwas zu klein für so viele Verbrecher war.

 
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Hallo ihr,

lieben Dank für eure Beiträge und grundsätzliches Gutfinden der Geschichte. :)

Habe meine Geschichte korrigiert und überarbeitet, vor allem Längen rausgenommen. Jetzt dürfte sie sich wohl leichter lesen lassen.

Lev schrieb:
Geschichte schrieb:
Nur die Anwesenheit mehrerer Bodyguards verhinderte, dass Timo aus der Phantasie, die ihm zugeteilte, entsprechend gut aussehende psychologische Betreuerin gebührlich zu bespaßen, die Rückkehr zu seinen lässigen Freunden erwartend handfeste Tatsachen machte.
Diesen Satz habe ich leider auch nicht wirklich verstanden.
Möchtegern schrieb:
Aber ab "Nur die Anwesenheit mehrerer Bodyguards ..." ähm. Nein. Magst du das Ende nicht nochmal decodieren?
Okay, habe den Satz geschliffen, mal sehen, ob es jetzt klarer wird.

Würde mich über weitere Beiträge freuen,


-- floritiv.

 

Hallo, floritiv!

Die Geschichte ist witzig, und für mich flüssig lesbar, außer vielleicht die Sätze, die schon von anderen Mitgliedern angesprochen wurden.
Und der Satz vom Beamten, als der Prot die Kellertür nicht öffnen wollte ist einfach irre...

Viele neue Ideen noch!

Geert

 

Geert schrieb:
außer vielleicht die Sätze, die schon von anderen Mitgliedern angesprochen wurden.
Wie, ist es mir nicht gelungen, das zu verbessern?

Ansonsten vielen Dank. Ich hoffe, du bist keine Ausnahme, dass du das witzig findest. Ich bin nämlich noch im Zweifel, ob mir die Satire nicht etwas zu trocken geraten ist, ich meine stilistisch. Na, warte ich mal weitere Kritiken ab ...

Und der Satz vom Beamten, als der Prot die Kellertür nicht öffnen wollte ist einfach irre...
Freut mich, dass er dir gefällt. :)


Danke für deinen Beitrag,
- und übrigens: herzlich Willkommen hierzuboard!

-- floritiv.

 

Guten Abend, floritiv!

Mein Gewissen ist schlecht. Sauschlecht, denn ich fand Deine Geschichte nicht lustig.
Angelustigt haben mich der Name des Helden und ein paar Kleinigkeiten. Es ist auch flott geschrieben, trifft nur nicht meinen Humor, nehme ich an.

Ich fand es ein bißchen verzwungen, überzogen, gewissermaßen plättlich, manche moderne Fernsehkomödianten haben auf mich denselben Effekt, wenn sie Grimassen schneiden, wedeln, Wortwitze ausschlachten, das r rollen lassen oder stottern und dabei trotzdem immerzu unheimlich politisch korrekt sind.
Da merke ich aber auch oft, daß alle lachen, nur ich nicht. Von daher sollte Dich das nicht beunruhigen.

Dann hatte ich das starke Gefühl, daß Du selbst noch nie eine Hausdurchsuchung ("Haussuchung!", sagt der gemeine Beamte im Regelfall) erlebt hast, also das Terrain, das Du für Deine Geschichte gewählt hast, nicht aus praktischer Erfahrung kennst. Mir wäre es als Satire glaubhafter und treffender gewesen, wenn sich die Polizisten echt verhalten hätten, in diesem absurden Rahmen natürlich und der Handlung gemäß, aber eben wie echte Polizeibeamte bei einer echten Haussuchung.
Das wäre sehr gruselig geworden. Und sehr komisch, aber vielleicht nur für mich.

Einen schönen Abend und ein hübsches Gewitterchen ohne Hagel wünscht
Makita (nach freundlichem Winken hinter den Sessel gesprungen).

 

Hallo, floritiv!

Zitat:
Wie, ist es mir nicht gelungen, das zu verbessern?

Mist, hätte deine Geschichte noch einmal lesen sollen... :-)


mfg
Geert

 

Hallo Makita,

Mein Gewissen ist schlecht. Sauschlecht, denn ich fand Deine Geschichte nicht lustig.
Wie bitte, weil meine Geschichte dir nicht gefällt, hast du ein schlechtes Gewissen? Wie geht denn das zusammen? Als ob das ein heimliches Vergehen wär.

Danke für deine ehrliche Meinung. Mir selbst passiert es - sehr - oft, dass mir eine ihres Zeichens "lustige" Geschichte nicht gefällt, und sie mir haargenauso vorkommt, wie dir meine. Das müsste mich jetzt eigentlich maßlos ärgern, dass ich in jemandes Augen Texte zustande bring, die um keinen Deut besser sind als welche, die mir derart missfallen.

Dann hatte ich das starke Gefühl, daß Du selbst noch nie eine Hausdurchsuchung ("Haussuchung!", sagt der gemeine Beamte im Regelfall) erlebt hast, also das Terrain, das Du für Deine Geschichte gewählt hast, nicht aus praktischer Erfahrung kennst.
Interessant, bist du bei der Polizei oder bist einer "Haussuchung" zum Opfer gefallen? Okay, indiskrete Frage, brauchst hierauf keineswegs antworten.
Meine Geschichte wär mir gewiss besser gelungen, hätte ich praxisnahe Ahnung von der Polizei. Habe ich leider nicht. Dennoch kann ich sehr wohl, auch ohne je in den zweifelhaften Genuss einer Hausdurchsuchung gekommen zu sein, eine Satire zur Lage der Demokratie schreiben, in der ich mich ersatzweise auf ein etwas naiveres, meinetwegen klischeehaftes Bild der (jetzt blauen) Grünlinge stütze, auch auf die Gefahr hin, dass Polizeikundige mir die Leviten lesen. Dies hast du leider nicht sehr konstruktiv getan, aber gut.

Danke für deinen Beitrag,
-- floritiv.

 

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