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Die Hand II
Meine Sekretärin stellte mir den ermittelnden Kommissar durch. Herr Kaschnikov – der Name ist irrelevant genauso wie seine Nachricht. Es gäbe noch keine Fortschritte, doch sie werden weiter Nachforschen, sie hätten die Theorie, dass die Mafia eine Botschaft senden wolle. Ich gebe zu, dass das nicht mal so unwahrscheinlich sein könnte. Doch was soll das für eine Botschaft sein? „Pass auf sonst hacken wir deine Hand ab!“, „Drei Hände sind besser als zwei.“, „Nimm dein Leben in die (buchstäbliche) Hand!“. Während ich darüber nachgedacht habe, hat der Kommissar schon lange aufgelegt.
Ich gebe zu, dass mich die Hand vielleicht doch etwas aus der Band geworfen hat. Drohbriefe sowie Drohanrufe selbst Konfrontationen waren normal, aber das überschritt dann doch irgendwo eine Grenze in mir. Jemand will meine Hand. Das ist die einzig wahre Botschaft dahinter und wenn ich dabei drauf gehe, wäre es demjenigen bestimmt auch recht. Also ließ ich mich krankschreiben, ging zurück in die kalte Wohnung namens Heim, machte alle Jalousien runter und sammelte scharfe Gegenstände auf dem Küchentisch. Was zur Hölle mache ich hier? Genau das sollte niemals passieren, das war exakt, der Moment der nie Wirklichkeit werden sollte. Ich wollte nie zusammenzucken, wenn ich im Dunkeln ein eigenartiges Geräusch höre, nie wollte ich Herzrasen bekommen, wenn ich mir einbilde jemanden in der Dunkelheit lauern sehen. Deswegen habe ich Personenschutz soweit es geht ging immer abgelehnt. Die Angst ist der Feind, nicht der Mensch. Ein Vorsatz den ich in gerade mal einer Stunde mit diesem Vorgehen in den Boden gestampft habe. Finde endlich zu dir zurück und sei ein Mann! Ein Jurist von hohem Kaliber. Ich öffnete eine Flasche Wein und trank einen kräftigen Schluck daraus. „Du musst ihn atmen lassen!“, höre ich meine Ex-Frau in meinem Hinterkopf sagen. Nie war diese Frau zufrieden zu stellen.
Zwei große Schlucke später fand ich den Entschluss die alte Furie mal anzurufen, um zu fragen wie es ihren Rotzgören in den hässlichen Pullundern und dem Sklaven-Ehemann geht. Der Mann tut mir von Herzen leid – und das mein ich ausnahmsweise mal nicht sarkastisch. Er dachte, er hat sich da eine hübsche Frau geangelt, aber wenn sie ihre wahren Charakterzüge preisgibt, ist es vorbei mit der Romantik und man fühlt sich wie ein Sklave beim Pyramidenbau in Ägypten mit dem Unterschied, dass es nur eine metaphorische Peitsche gibt.
Marie ging nach dem zweiten Klingeln ran.
„Hallo Marie.“
„Erik? Was willst du verdammt noch mal?!“
Im Hintergrund hörte ich //, fragen wer denn am Telefon sei.
„Wie geht’s denn meiner Lieblings-Exfrau? Hab gehört dein Ehemann hat dir den zweiten Braten in die Röhre geschoben. Leidet da nicht der Körper sehr darunter? Ich mein, so eine Geburt und…“
„Bist du etwa betrunken? Erik, leg dich hin und bekomme dein Leben auf die Reihe, denn es ist ein einziger Scherbenhaufen. Auf Wiedersehen.“
Sie hat einfach auf gelegt. Ok, sie könnte Recht haben, die Flasche ist nämlich leer – müssen ganz schon große Schlucke gewesen sein. Ich torkelte zu meinem Bett und ließ mich darauf fallen, stülpte die italienischen Lederschuhe von meinen Füßen und starrte die Decke an.
Ich werde alleine sterben. Das war der einzige sinnvolle Gedanke, den mein Gehirn noch zustande bekam. Das bizarre ist nur, es macht mir nichts aus. Jemanden aufbürden zu müssen sich Tag und Nacht, um das senile etwas, dass nicht mehr auf Klo gehen kann, zu kümmern, ist unmenschlich und die Kosten für Heime sind wirklich immens. Aber in so einem werde ich wohl landen. Was wäre die Alternative. Alleine zu sterben, keine Beerdigung, keine Trauerfeier oder trauernde Angehörige. Für 99,9% unvorstellbar und sehr traurig, für mich die Zukunft. Damit habe ich schon lange abgefunden und dennoch denke ich daran, während ich betrunken auf meinem Bett liege. Das Gehirn ist schon ein komisches Ding.
Ich schloss die Augen nur für einen kurzen Moment, doch aus diesem Moment wurden Stunden des schwarzen und traumlosen Schlafes, denn nicht einmal Schlaftabletten herbeiführen konnten. Ein Klingeln weckte mich.
Die Arbeit.