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Die Halle

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08.03.2016
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Die Halle

Knarrend öffnet sich die Tür. Ich werfe einen ersten Blick durch den Spalt. Licht des Mondes fällt auf den Marmorboden und zeichnet wundersam schöne Spiegelungen. Ich öffne die Tür ganz und trete ein paar Schritte vor. Meinem Blickfeld erscheint ein langer, hoher Gang mit großen Fenstern auf beiden Seiten, die eine gute Aussicht auf malerische Parkanlagen preisgeben. Leicht wankend nähere ich mich dem Glas. Die Bäume tragen kein Laub, es geht kein Wind der ihre dürren Äste hätte umherwiegen können. Das alles stimmt mich melancholisch.

"Das alles war einmal ganz anders," erinnere ich mich. Ich hebe meinen Blick. Die Sterne funkeln am Himmel und nehmen der Nacht etwas ihrer Einsmkeit. "Der Tag kann doch viel schöner sein," denke ich und schließe meine Augen. In meinem Kopf malt sich ein Bild aus. Vögel auf einem Ast. Sie zwitschern. Ihr Gesang dringt tief in mein Ohr.

Ich öffne meine Augen. Und erschrecke beinahe bei dem vielem Licht. Heftig blinzelnd und verwirrt versuche ich mich zu orientieren. Das Fenster ist geöffnet. Vor mir breitet sich eine Wiese voller Bäume, Blumen und Sträucher aus. Alles grünt und blüht. Auf den Kieswegen gehen Menschen, die meisten jung, einige älter mit Bärten und Brillen. Ein warmer Wind bläst mir ins Gesicht. Die Sonne strahlt Wärme wie im Sommer aus. Verwundert über all das drehe ich mich um. Der Gang ist nicht mehr dunkel und leer wie vorhin. Er ist gefüllt mit Menschentrauben die herumstehen und plaudern, lachen, streiten oder diskutieren. Kurz: Es ist alles voller Leben.

Ich wandere den Gang entlang, schaue mich um und höre zu. Hier und da erblicke ich bekannte Gesichter, von Freunden und Feinden. Doch ich bleibe nicht stehen um sie zu grüßen, um ihnen einen Witz zu erzählen, ich streiche weiter.

Schließlich, als ich mich gerade durch eine kleine Gruppe hindurchzwänge, was mit abschätzigen Blicken quittiert wird, stehe ich in einem gigantischem Torbogen. Er stellt das Ende des Ganges und den Anfang einer runden Halle dar. Drei weitere Gänge münden hier. Ich setze mich wieder in Bewegung. Immer noch von Leute umringt strebe ich direkt in die Mitte der Halle zu. Diese ist nicht schwer zu finden, ein mittelgroßer roter Stein im Boden markiert die Stelle. Dort angekommen bleibe ich erst stehen, dann blicke ich direkt in die Höhe. Ein ebenfalls roter Schlussstein ist in der Kuppel über mir eingearbeitet. Diese beiden Steine hatten mich schon immer fasziniert. Sie scheinen beide gleich zu sein. Beide rot. Beide Stein. Und dennoch ist der eine hier unten und der andere dort oben. So als ob ein und dieselbe Sache an zwei Orten gleichzeitig sein könnte. Nachdenklich fasse ich mir mit der Hand an mein glattes Kinn.

Nach einiger Zeit hatte ich mich von der Kuppel losgerissen und mich am Rand der Halle an eine der Marmorsäulen gelehnt. Jetzt sehe ich den Männern und Frauen nach und sehe mir genau an, wer aus welchem Gang kommt. Ich suche jemanden. Eine Frau. Eine sehr junge Frau. Etwa zwanzig Jahre alt. Aufmerksam lasse ich meinen Blick schweifen. Dann sehe ich sie. Braunes Haar, blaugraue Augen und einen selbstbewussten Gang. Ich löse mich von der Säule und suche mir meinen Weg. Mein Schritt wird schneller. Ich will zu ihr. Ich will sie umarmen!

Offenbar habe ich Aufmerksamkeit erregt. Es ist still geworden. Das Einzige was noch zu hören ist sind meine und ihre, unsere, Schritte. "Starrt mich nicht so an," will ich rufen, doch die Worte bleiben in meinem Kopf gefangen. Ich befehle mir die Menschen zu vergessen, ihre Blicke zu ignorieren. Mein Ziel ist sie. Sie geht am anderen Ende der Halle, geradewegs auf einen anderen Gang zu. Plötzlich bekomme ich Angst sie zu verpassen, vielleicht sogar zu verlieren. Ich beschleunige. Panik steift in mir auf und macht sich in meinem Kopf breit. Sie drängt alle Geräusche in den Hintergrund, das Geräusch meiner Schritte wird dumpfer, mir wird schwummrig.

Da bleibe ich abrupt stehen. Nicht freiwillig. Drei Männer versperren mir den Weg. Wild entschlossen weiter zu gehen mache ich einen Schritt vor. Keine Reaktion des Trios. Schnell werfe ich einen Blick am Kopf des mittleren vorbei, um sicherzugehen, dass sie noch da ist. Sie ist es nicht. Statt Panik kocht Wut in mir hoch. Ich merke förmlich wie das Blut durch meine Adern pocht. "Lasst mich durch!"
Mein Schrei bleibt ein Gedanke.

Ich stürze vor und stoße gegen den Ersten. Ein dumpfes Geräusch sagt mir, dass ich in umgeworfen habe. Ich kann mit ein Gefühl der Befriedigung nicht verkneifen. Schnell raffe ich mich auf und werfe einen Blick in die Runde. Alle Mensche in der Halle stehen um mich, wie bei einem Hexenkreis. Ihre Blicke treffen den meinen. Da packt mich jemand bei der Schulter. Ich werde brutal umgedreht. Zwei Augen. Braun. Große Nase. Befriedigendes Lächeln. Kein Zweifel. Das ist der Kerl den ich umgeworfen habe.

Ich will meine Faust zum Schlag ausholen lassen, da wird sie von einem weiteren Mann aufgehalten. Selbes passiert mit meiner zweiten Hand und meinen Beinen. Ich werde hochgehoben. Mein Wut schlägt in Angst um. Was passiert jetzt? Diese Frage brennt sich in mein inneres Auge. Dann werde ich losgelassen. Schwerelosigkeit. Der Fall. Dann, der Aufschlag.

Verwirrt drehe ich mich in alle Richtungen. "Was ist los, was ist passiert," schießt es mir durch den Kopf. Dann fällt schwummriges Licht auf den Boden. Er ist immer noch aus Marmor, weist aber Brüche auf und ist an manchen Stellen leicht ausgehöhlt. Die Fenster sind zumeist zerbrochen, die Pflanzen wieder ohne Grün. Die Wände und die Säulen bröckeln, Risse ziehen sich quer durch den Stein. Ich blicke nach oben. Die Kuppel ist weg. Statt ihr sieht man dunkle Wolken am Himmel. Der Mond lugt durch ein kleines Loch hervor. Wird aber schlussendlich wieder verdeckt. Schlagartig ist es erneut stockdunkel.

Ich trotte umher. Es regnet. Mein Haar klebt mir im Gesicht. Den Blick habe ich auf den Boden gesenkt. Nicht wissend wo ich hin soll, wandle ich umher. Da fällt mein Blick auf einen roten Stein. Ich bleibe stehen. Direkt neben dem Stein ist der Boden schwer beschädigt. Ich staune nicht schlecht. Inmitten einer großen Pfütze liegt ein Brocken von gut vier Metern Durchmesser. Es ist der Schlussstein. Fast stolz liegt er hier neben seinem kleineren Äquivalent. "Auch wenn es so scheint können zwei Dinge nicht dasselbe sein," denke ich mir. Langsam knie ich mich neben das Wasser. Die Oberfläche wird von den Wellen der auftreffenden Regentropfen gebrochen. Ich konzentriere mich. Zwischen dem Marmor entdecke ich ein Gesicht. Mein Gesicht. Langes, ungepflegtes Haar, braune Augen. Aber vor allem, einen großen, grauen Bart.

 
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Hallo eccehomo,

und Herzlich Willkommen im Forum!

Deine Geschichte ist ungewöhnlich. Ich hab sie eigentlich gern gelesen, aber gleichzeitig fehlt mir etwas. Oft geht es mir so, dass ich den Inhalt einer Geschichte besser finde als die Form - also dass z.B. die Idee gut ist und ich die Figuren interessant finde, aber die Art, wie die Geschichte geschrieben ist, nicht so gelungen ist. Hier ist es quasi umgekehrt. Mir gefällt, wie die Geschichte geschrieben ist. Du formulierst sorgfältig und hast ein ziemlich sicheres Sprachgefühl (ein paar Kleinigkeiten sind trotzdem verbesserungswürdig, dazu komme ich später). Man merkt der Geschichte an, dass du eine gewisse Stimmung erzeugen möchtest, und das ist dir auch gelungen.

Aber inhaltlich ist es mir zu dünn, und ich finde es zu vage, worauf das Ganze hinauswill. Damit will ich nicht sagen, dass eine Geschichte nicht unspektakulär und ruhig daherkommen kann und trotzdem gut sein kann, oder dass ich grundsätzlich etwas gegen Geschichten hätte, die unterschiedliche Interpretationen zulassen.
Aber diese Geschichte erinnert mich sehr stark daran, dass jemand einen Traum erzählt. In Träumen geschehen oft sehr seltsame Dinge, und für denjenigen, der sie träumt, können sie eine sehr intensive Erfahrung sein und sich sehr bedeutend anfühlen bzw. für ihn persönlich auch tatsächlich bedeutend sein. Aber wenn du jemand anderem einen Traum erzählst, ist es sehr schwierig, dieses Gefühl begreiflich zu machen, und in den meisten Fällen wird dir derjenige nur aus Höflichkeit zuhören.

In der Geschichte wandert ein Mann durch ein Gebäude und gleichzeitig offenbar durch die Zeit. In einem Moment ist es ein warmer sonniger Tag, er ist jung und es ist alles voller Menschen, im nächsten ist es plötzlich Nacht, er ist allein, das Gebäude ist verfallen und er selbst ist stark gealtert. Ich bin sicher, dass das für ihn eine sehr beunruhigende Erfahrung ist, und für den Leser ist es eine Art Reflexion über Vergänglichkeit, denke ich. Und wie gesagt, es ist schön geschrieben. Aber ... ehrlich gesagt, habe ich nur aus Höflichkeit zugehört. :)

Ich habe nicht wirklich einen Bezug zu dem, was in der Geschichte passiert. Du beschreibst das Gebäude und den Park sehr detailliert, dadurch habe ich ein gutes Bild davon. Aber emotional passiert da bei mir nicht viel.

Vielleicht ist das auch gar nicht dein Ziel. Bei so einer kurzen Geschichte ist es durchaus zulässig, denke ich, wenn sie ähnlich funktioniert wie ein Videoclip - also hauptsächlich Bilder vorführt und eine Stimmung erzeugt, während Handlung und Figuren nur angedeutet werden.

Aber aus meiner Sicht wäre es schon noch eine Stufe besser, wenn du diese stimmungsvollen Bilder UND eine richtig ausgearbeitete Handlung kombinieren könntest.

Es gibt eine alte Schauergeschichte - ich meine von H.P. Lovecraft, aber es könnte auch Poe oder Arthur Machen gewesen sein* - an die erinnert mich deine Geschichte ein bisschen. Auch mit einem Ich-Erzähler, der durch ein verfallendes Gebäude wandert und sich an vergangene Zeiten erinnert. Und irgendwann hört und sieht er feiernde Menschen und geht dort hin, aber alle geraten in Panik und rennen davon. Und kurz darauf sieht er eine untote Monstrosität und will selber fliehen ... stellt dann aber fest, dass er vor einem Spiegel steht. Er ist nämlich länger durch das alte Gemäuer gewandert, als ihm bewusst war, das arme Ding. :)

Und so etwas fehlt mir ein bisschen in deiner Geschichte. Nicht der Horror-Aspekt, aber ... ein bisschen mehr Idee, ein bisschen mehr Handlung als das, was da ist.

Noch ein paar Detailanmerkungen zum Text:

Knarrend öffnet sich die Tür. Ich werfe einen vorsichtigen Blick durch den Spalt. Sanftes Licht des Mondes fällt auf den Marmorboden und zeichnet wundersam schöne Spiegelungen. Langsam öffne ich die Tür ganz und trete ein paar Schritte vor. Vor mir erscheint ein langer, hoher Gang mit großen Fenstern auf beiden Seiten, die den Blick auf malerische Parkanlagen preisgeben.
Schreibratgeber sagen immer: Adjektive und Adverbien sparsam verwenden. Natürlich ist es subjektiv, wann es "zu viele" sind und welche Menge in Ordnung geht. Aber bei dir ist mir schon aufgefallen, dass es recht viele sind, du könntest noch mal drüber schauen, ob du nicht auf einige davon verzichten kannst.

Die Bäume tragen kein Laub, weder geht ein Wind der ihre dürren Äste hätte umherwiegen können.
Das geht so nicht, das "weder" will immer ein "noch" dabei haben. Du könntest schreiben: Weder tragen die Bäume Laub, noch weht ein Wind ... Aber ich finde, das würde seltsam klingen, denn es besteht ja kein Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein von Laub und dem Wind. Ich wäre für: Die Bäume tragen kein Laub, und es weht kein Wind ...

"Das alles war einmal ganz anders," Erinnere ich mich.
erinnere klein, das gehört hier noch zu dem Satz mit der wörtlichen Rede (auch wenn es nur ein Gedanke ist).

Die Sterne funkeln gemeinsam wie eine Gruppe glücklicher Schulkinder wenn es Eis gibt. "Komischer Vergleich," denke ich
Vielleicht ist das nur meine Interpretation, aber für mich zeugt das von Unsicherheit. Als hättest du den ungewöhnlichen Vergleich geschrieben und dann hätte dich der Mut verlassen, und dann hättest du schnell diesen kleinen selbstironischen Kommentar vom Erzähler hinterher geschoben, damit keiner sagt: Was ist das denn für ein Vergleich?
Das würde ich nicht machen. Entweder du willst die Sterne mit glücklichen eisessenden Kindern vergleichen - dann mach das und steh dazu. Oder du wählst eine prosaischere Beschreibung und entgehst der Gefahr, dass jemand fragend die Stirn runzelt. :)

Auf den Kieswegen gehen Menschen, die meisten jung einige älter mit Bärten und Brillen.
Komma nach jung

Drei weiter Gänge münden hier.
weitere

Mittlerweile weiß ich was die Tupfer waren.
Das ist schön für den Erzähler, ich weiß das nämlich nicht. :p
Nach "ich" gehört noch ein Komma.

Nicht wissend wo ich hin soll wandle ich umher.
Komma nach soll

Grüße von Perdita

*Es war tatsächlich H.P.Lovecraft - war mir nicht sicher, weil er normalerweise nicht soviel Empathie für "Monster" aufbringt. :) Die Geschichte heißt "The Outsider".

 

Liebe Perdita,

Eingangs bedanke ich mich für deine sehr sinnvollen Kritikpunkte, ich werde mich so bald wie möglich daran machen die Geschichte zu überarbeiten.

Zum Thema des Inhaltes meiner Geschichte: Ja es stimmt die Erzählung kommt wie ein Traum rüber denn man selbst erleben aber nicht weitergeben kann. In gewisser Weise war das auch beabsichtigt, ich habe es in der Tat verpasst eine wirkliche Handlung einzubauen. Ich danke dir in dieser Hinsicht für die ehrlichen Worte und gelobe Besserung. :)

Mittlerweile weiß ich was die Tupfer waren.

Das ist schön für den Erzähler, ich weiß das nämlich nicht.
Nach "ich" gehört noch ein Komma.


Ich hoffe das war Sarkasmus :shy: ansonsten bin ich ziemlich verloren. :D

An dieser Stelle danke ich nochmal für deine helfenden Worte, und verspreche die Tipps alsbaldig einzubauen.

Liebe Grüße,

eccehomo

 

Ich hoffe das war Sarkasmus :shy: ansonsten bin ich ziemlich verloren. :D

Hallo eccehomo,

nein, ich meine das ganz ehrlich, ich habe wirklich nicht verstanden, was er damit meint. Ich habe zwar überlegt, ob ihn jemand auf den Hinterkopf gehauen hat, so dass er für eine Weile bewusstlos (oder tot?) war, aber die Wortwahl passte da meiner Meinung nach überhaupt nicht dazu. "Tupfen" ist eine leichte, schnelle Berührung, die oft eine Spur zurücklässt - ein Farbtupfer oder so - also jedenfalls verstehe ich darunter nichts Gewaltsames.

Jetzt hast du eine etwas ausführlichere Szene, wo es zu einem Kampf mit anderen kommt, also lag ich wohl nicht ganz falsch mit der Überlegung.

Du hast aber am Beginn vom letzten Absatz immer noch diese Formulierung drin:

Mittlerweile weiß ich was die Tupfer waren.
die jetzt nicht mehr so recht passt, weil jetzt oben gar nicht mehr von Tupfern die Rede ist, wenn ich mich nicht täusche.

Grüße von Perdita

 
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Hallo Perdita,

Jetzt kenn' ich mich aus. :D Ja das war ein bisschen sehr vage, aber du hast ja recht, mittlerweile ist es sinnlos, kommt davon wenn man schlampig ist. :Pfeif:
Danke nochmal für deine Hilfe!

Grüße,

eccehomo

 

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