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Die Hülle
Irgend etwas stimmte mit dieser Theraphosa blondi nicht.
Frank besaß drei Spinnen dieser Gattung in seiner Zucht, und wusste, wie schnell die Jungtiere wuchsen. Aber sie häuteteten sich definitiv nicht alle zwei Tage.
Das Tier hatte inzwischen eine Spannweite von über zwanzig Zentimetern erreicht. Auf der Terraristik Börse vor zwei Wochen war es noch klein wie ein Fingernagel gewesen.
Der Händler war Frank aber sowieso seltsam vorgekommen. Wollte ihm erzählen, dass diese Vogelspinne etwas ganz besonderes sei, dass er sie von einem guten Kontakt aus Südamerika erhalten habe, der wiederrum noch so einen guten Kontakt kannte, der dann auch wieder ...
Ein Spinner halt. Hatte er gedacht. Vor zwei Wochen.
Nun saß Frank da und überlegte. Die Spinne schaute in seine Richtung und fauchte in ihrem Terrarium. Bald würde sie wieder ein neues benötigen.
Ihre Umgebung zu wechseln stellte inzwischen eine echte Herausforderung dar. Das Tier war aggressiv, ging schon in Drohstellung, wenn man sich seiner Behausung nur näherte, und streifte ohne jegliche Vorwarnung die Brennhaare ab.
Frank sah auf seine linke Hand, die immer noch angeschwollen war.
Langsam näherte er sich dem Glas.
"Was mache ich nur mit dir?" - Die Spinne fauchte. Dann sprang sie gegen das Glas und Frank wich vor Schreck zurück.
Es war zu erkennen, dass sie sich bald wieder häuten würde. Inzwischen musste er sie mit Mäusen füttern. Heimchen tötete sie nur noch, ohne sie zu verzehren.
Die anderen Spinnen hatten Angst vor ihr. Mit jedem Tag wurden sie nervöser. Frank hatte das Terrarium inzwischen an einen Einzelplatz gestellt, wo es keine Nachbarn mehr hatte.
Dennoch lag eine Unruhe in der Luft, die zuvor nicht da gewesen war. Langsam wurde ihm klar: Dieses Tier stellte eine Bedrohung dar.
Er schnappte sich seinen Mantel und ging spazieren. Später wollte er sich im Internet an andere Züchter wenden.
***
Vier Wochen waren es inzwischen. Die Spinne lebte seit dem Morgen in einem Schlangenterrarium, das Frank noch übrig gehabt hatte. In einer Kiste hatte er sie dort reinverfrachtet und mehr als drei Stunden dafür benötigt. Seine Arme waren blutig gebissen. Alles brannte.
Die Häute der Spinne gingen ob ihrer Größe sämtlich kaputt und so konnte er die Spannweite des Tieres nur schätzen. Es mussten zirka sechzig Zentimeter sein.
In den Internetforen fragte man ihn, ob er noch ganz dicht sei. Er wäre doch sonst ein kompetenter Züchter, und nun diese Photoshop Fakes.
Keiner wollte ihm glauben. Frank konnte ja selbst nicht glauben, was da geschah.
Inzwischen war das Fauchen des Tieres durch mehrere Türen hindurch zu hören.
Und es wurde aggressiver.
***
Am Montag der fünften Woche wurde Frank von dem Geräusch splitternden Glases geweckt. Als die angelehnte Schlafzimmertür sich öffnete, wusste er, wer da reinkam.
"Was willst du?"
Die Spinne sprang auf das Bett und verharrte. Sie maß einen knappen Meter und war schwer auf seinen Beinen.
Frank wurde bewusst, dass er die letzten Wochen in einer Art ungläubiger Trance verbracht hatte. Plötzlich kam ihm in den Sinn, dass diese Spinne ihn töten konnte.
Er riss die Decke hoch und sprang aus dem Bett. Als er den Flur erreicht hatte, spürte er den durch die Brennhaare verursachten Schmerz im Rücken.
Schnell zog er die Tür zu, schrie kurz auf und dachte angestrengt nach.
Es gab nun keine Möglichkeit mehr. Er konnte sich an niemanden wenden, niemanden um Hilfe bitten.
Er ging ins Bad und schaute in den Spiegel. Es war schlimmer geworden. Sein Körper brannte, war heiß wie Feuer.
Nur eine Sache blieb ihm noch. Eine Sache, vor der er sich fürchtete, seit er sie vor zwei Wochen das erste Mal in Betracht gezogen hatte.
Frank spannte sämtliche Muskeln an und beobachte im Spiegel voller Grauen, wie sich seine Haut abzustreifen begann.