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Die gleichen Steine

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04.05.2003
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Die gleichen Steine

Die Menschen kommen mir, gerade jetzt wieder im Sommer, in der Zeit, wo ich sie am meisten sehe wieder recht dumm vor. Die Sonne lockt sie zu uns an den Strand. Wobei, wegen uns sind sie nicht hier. Sie kommen meist, um sich die Kleider vom Leib zu reißen und ins Wasser zu springen. Sie liegen faul herum, spazieren den Strand entlang, spielen, schreien, weinen, reden. Ich muss das nicht lange ausführen. Wir alle hier wissen, was die Menschen bei uns am Strand machen und ihr, ihr Menschen wisst es selbst auch am besten. Na was wohl? Wie ihr euch die Zeit so vertreibt, während ihr aus der Stadt flüchtet und hier zu uns kommt.

Aber zu erwähnen bleibt schon, dass sie sich dennoch auch sehr ausgiebig mit uns abgeben. Sie sammeln uns. Werfen und schleudern uns so weit sie nur können in alle Himmelsrichtungen. Sie spielen mit uns, bauen kleine oder größere Sachen mit uns. Von Mauern bis zu kleinen Kunstwerken. Ja, und hin und wieder kommt es dann vor, nicht zu oft aber dennoch regelmäßig, dass sie uns bewundern. Bewundern, uns Steine.

Ich hege auch eine Bewunderung für die Menschen. Es gibt sogar vieles, worum ich sie beneide, aber das sei ein anderes Thema. Denn erst heute ist mir wieder aufgefallen, wie dumm sie doch sind. Ich bekam wieder die Gedankengänge eines dieser besonderen Menschen mit, als er mich in der Hand hielt. Ich lag in seiner Hand und wurde gedreht und gewendet, abgetastet und gestreichelt. Wie vielfältig und einzigartig doch jeder einzelne Stein sei. In einem Ton, als würde ich darum beneidet werden. „Kein Stein gleicht dem anderen“ hörte ich aus dem Mund des Menschen und wie wunderbar das sei.

Nun ja, was soll ich sagen? Eigentlich ein schönes Kompliment. Aber so ist sie nun mal, die Natur. Sie ist vielfältig. Kein Baum gleicht dem anderen. Keine Pflanze wächst genau gleich wie eine andere, selbst von Tieren gebautes gleicht nichts dem eines anderen. Ach, ihr armen Menschen und das bewundert ihr?

Ihr seid doch auch zu gleichem fähig, zu dem, was ihr so bewundert an der Natur, von der ihr euch so abgrenzt. Ihr macht schon einen nicht einfach verständlichen Eindruck auf mich, wenn ihr in euer kurzen Freizeit vorbeischaut, um das zu bewundern, was ihr ebenfalls haben könntet. Ihr seid wirklich zu bemitleiden, nein, ich halte euch für dumm. Ihr scheint vergessen zu haben, dass ihr ebenfalls zur Natur und zwar immer noch, dazugehört. Ihr seid genau auf die gleiche Art und Weise einzigartig wie wir es sind, aber anscheinend habt ihr darauf vergessen. Oder ihr haltet es einfach nicht aus. Kann denn das der Grund sein?

Ihr baut euch Maschinen, die gleiches bauen. Ihr macht die gleichen Dinge die andere machen, kein Unterschied mehr, keine Vielfältigkeit. Ich beobachte euch schon lange und ihr werdet euch immer ähnlicher. Aber ihr verdient auch viel Geld mit eurer Gleichheit, nicht wahr? Ist das der Grund, warum ihr das macht? Ich hätte gerne eine Antwort darauf. Aber Fragen kann ich euch nicht stellen, ich darf lediglich zuhören, sobald mich einer von euch aufgreift. Ja, ich habe Interesse an euch, fragt nicht warum, ich weiß es nicht. Beinahe leider, ganz sicher bin ich mir nicht, darf ich immer nur jene Ausschnitte aus eurem Leben sehen, die ihr hier mit an den Strand bringt. Aber Geld scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Soweit ich das mitbekommen habe, ist das jenes Mittel, um euch am Leben zu erhalten, wofür ihr überhaupt lebt. Und mit Gleichheit, lässt sich viel gleiches Geld machen und mit Geld, gibt es wieder viele gleiche Sachen, die ihr euch aneignen könnt. Im Laufe der Zeit habe ich gesehen, wie ihr mit gleichen Schuhen, gleichen Haaren, gleichen Hosen, gleichen Geräten hier auftaucht. Selbst gleiche Musik höre ich mittlerweile aus den gleichen Geräten. Das Gleiche scheint euch mehr Vorteile zu verschaffen. Ist das so? Aber warum vermisst ihr dann das Einzigartige?

Ihr deckt alles, was euch betrifft mit den gleichen Mitteln ab. Und dann, dann stehen sie hier, ihr, die Menschen, weil sie, weil ihr es plötzlich nicht mehr aushaltet. Nicht alle, aber einige von ihnen versuchen auszubrechen, aus dieser Kette, wo jedes Glied gleich aussieht. Und oft bricht es ihnen das Genick, weil ihre einzigartigen Ausbruchversuche gegen die Masse der Gleichen nicht mehr ankommen. Ich habe schon oft belauscht, wie Ideen, die abweichend sind niedergeschmettert wurden.

Auf mich kommt jetzt wieder ein Mensch zu, er ist nicht mehr weit entfernt und ich bin ...
Ja, seine Hand greift nach mir. Es ist wieder einer der Menschen, der mich ich in seiner Hand bewundert. Ich scheine in der letzten Zeit wirklich gerade auf diese Art von Menschen Eindruck zu machen. Aber ich weiß schon, was passieren wird. Ich bin schon lange genug auf diesem Planeten. Die Bewunderung wird nicht lange anhalten, ein paar Minuten vielleicht, dann werde ich fliegen in einem weiten Bogen. Wer weiß denn schon wie weit, oder in welche Richtung? Vielleicht dieses Mal wieder ins Wasser? Dann dauert es wieder eine halbe Ewigkeit, bis ich wieder an Land gespült werde, wenn überhaupt. Vielleicht haben die Menschen bis zum nächsten Mal verändert? Aber, um ehrlich zu sein, selbst wenn ich nicht zurückgespült werde .. was verpasse ich denn? Die meisten Menschen sind doch jetzt schon gleich!

 
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Hallo sonah,

eine recht philosophische Geschichte hast Du da geschrieben. Die Erzählperspektive ist durchaus ungewöhnlich. Obwohl Du recht flüssig schreibst, sind mir zwei oder drei sprachliche Dinge aufgefallen:

- Der Stein redet manchmal von den Menschen, manchmal von "ihr Menschen". Da er ja selbst behauptet, dass er nicht zu Menschen sprechen kann, würde ich die dritte Person Plural der zweiten vorziehen, und zwar dann durchgängig. Freilich können wir Menschen ja nun doch lesen, was der Stein denkt, so argumentiert wäre auch die zweite Person richtig - aber meiner Meinung nach klingt es besser, wenn Du bei einer Variante bleibst.

- Du benutzt oft sehr einfache Wörter. Ich weiß nicht, ob das Absicht ist. Im ersten Absatz fallen Worte wie kommen, machen wiederholt auf, etwas weiter unten "Sachen", das könnte man etwas schöner ausdrücken.

- Du benutzt viele Füllwörter. Paradebeispiel ist der erste Satz des zweiten Absatzes: "... sie sich dennoch auch sehr ausgiebig..." Da kann man das "dennoch auch sehr" ersatzlos streichen, und ähnliche Stellen gibt es mehrere.

Zur inhaltlichen Kritik: Abgesehen von der interessanten Idee, aus der Perspektive eines Steins zu schreiben, hältst Du den moralischen Zeigefinger viel zu hoch, höher, als dass es nur die bescheidene Meinung eines Steins sein kann, die Du wiedergibst. Du wiederholst die immer gleichen Vorwürfe - die noch dazu völlig unberechtigt sind. Umgekehrt müsste der Stein sich nämlich unzulässige Pauschalisierung vorwerfen lassen. So wenig, wie die meisten Menschen die Natur eines Steins wirklich würdigen können, weil sie nicht darüber nachdenken, ist Deine Aussage (die des Steins), alle Menschen seien ziemlich gleich, äußerst pauschal und so nicht haltbar. Richtig erkennst Du an, dass Massenfertigung von Gegenständen aus finanziellen Gründen erfolgt. Ohne sie gäbe es beispielsweise keine für jeden erschwinglichen Computer und wir würden uns hier nicht unterhalten. Von daher gesehen halte ich eben eine pauschale Verurteilung für unangemessen. Aber vielleicht erschließen sich die Vorteile moderner Massenfertigung einem einfachen Stein nicht ;)

Der Irrtum der Gleichheit der Menschen, gipfelnd in der Anwendung der Schublade "Otto Normalverbraucher" lautet, dass es eine Menge Durchschnittsmenschen gibt. Aber nur, wer das Individuum nicht achtet, kann sich dem anschließen. Der Durchschnittsmensch existiert nur in Statistiken. Stell zwei beliebige Menschen nebeneinander, und Du wirst neben Gemeinsamkeiten auch Unmengen Unterschiede finden. Dein Stein zeigt jedenfalls kein besonderes Interesse, etwas darüber herauszufinden. Lieber liegt er mehrere Jahre in einem Flussbett und schaut sich das Wasser von unten an. Ich glaube nicht, dass die Fische abwechslungsreicher sind als die Menschen.

In diesem Sinne... schönen, warmen Tag noch :)

Fazit: sprachlich brauchbar, interessante Perspektive, fragwürdige, pauschale Aussage.

Uwe

 

Hi Uwe,

und danke für deine Kritik, gleich zu Beginn und als erstes!

Tja, der Stein hat wahrlich nicht die ganze Weisheit gepachtet. Kann er auch nicht, denn er kriegt auch nur einen kleinen Ausschnitt der Welt mit. Sprich, er kann gar nicht den Anspruch auf Vollständigkeit stellen. Aus deiner Sicht ist somit die Kritik völlig berechtigt. Alles was er und somit die Geschichte will ist zum Nachdenken anreden.

Ebenfalls einen schönen Tag für dich!
Sonah

 

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