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Die Geschichte von Maria Dupois

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11.12.2003
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Die Geschichte von Maria Dupois

Zu Zeiten der Aufklärung gab es mutige Männer, eigentlich auch
Frauen. Eine davon war Marie Dupois, die Tochter eines Landarztes. Sie war Pornodarstellerin, ein damals eher ungewöhnlicher, wenn auch hoch angesehener Beruf, da für die Ausübung desselben mehrere Diplome vonnöten waren. Natürlich gab es zu jener Zeit noch keine Filmtechnik, weshalb die Aufführungen jeweils in einer Art Theater geschahen. Allerdings waren die Sitzplätze dabei rund um die Bühne verteilt. Abends mahnte der Vater Marie: "Kindchen, jetzt werde endlich vernünftig." Er war sehr besorgt über die Darbietungen seines Kindes. Deshalb beschloss er eines Abends, den Dorfpfarrer im Städtchen, um die Verfehlungen seiner Tochter zu beichten.
Der Pfarrer erklärte sich bereit, einmal eine Aufführung von Marie zu besuchen, um sich ein genaueres Bild über den Sachverhalt machen zu können. Also verkleidete er sich als normaler Dörfling, mit einer Brille und einem Schnurrbart getarnt, und machte sich eines Abends auf zum Theater "Fantasio Lustigo", wo die Darbietung stattfinden sollte.
Dummerweise vergass er seinen katholisches Kollar abzuziehen, was im später noch zum Verhängnis werden sollte. Doch zuerst trat er wortlos in das Etablissement ein und nahm auf einem der freien Sitzplätze Platz. Er war gebannt und musterte die Räumlichkeiten ohne den Kopf gross zu bewegen. Irgendwie war er angetan von der Atmosphäre; die feinen Stoffe, die Dunkelheit, das Unbekannte und die Wärme, all das behagte ihm.
Neben ihm sassen noch andere Männer. Dann wurde es dunkel und die Show ging los. Marie betrat die Bühne. Sie trug ein rosarotes Hasenkostüm. Es erklang klassische Musik, zu welcher sie sich sexy bewegte. Das dachte sie jedenfalls, denn in Wirklichkeit sah sie dabei recht unbeholfen aus. Der Tanz dauerte ungefähr eine halbe Stunde, während derer kaum etwas Interessantes geschah. Einmal machte sie einen Überschlag, doch sexy war auch das nicht. Als der Pfarrer bereits aufstehen und das Lokal verlassen wollte, merkte er, wie Marie mit übertrieben gekreuzten Schritten auf ihn zukam.

"Was haben wir denn hier? Ein unmündiger Gottesdiener?", fragte sie keck und selbstsicher. "Erzählen Sie mir von ihrem Gott", meinte Sie während Sie ihre rechte Hand auf seine Schulter legte und mit ihren Lippen beinahe diejenigen des Pastors berührte.
Der Pfarrer sagte nur: "Wenn Sie etwas über Gott erfahren wollen, lesen Sie die Bibel.", worauf die anderen Männer lachten, und gleichzeitig tuschelten. Marie fand es gar nicht witzig, da er ihr mit seiner Antwort die Show stahl. Sie zog ihr Hasenkostüm aus, worauf ein Elefantenkostüm zur Vorschein kam. Dies erklärte auch, weshalb ihre Bewegungen so ungelenk ausgesehen hatten. So eingepackt konnte sich niemand mehr agil bewegen. Sie ging zurück in die Mitte der Bühne, wo ein Mitarbeiter des Theaters inzwischen einen Holzsessel hingestellt hatte. Neben dem Stuhl stand eine Schüssel mit Wasser, in welcher zwei Goldfische schwammen. Ausserdem lehnte eine Schaufel am Stuhl. Marie kehrte den Zuschauern den Rücken zu, lehnte sich mit den Händen an den Stuhl und wippte dabei mit Ihren Beinen. Die Männer gröllten, ausser der Pfaffe. Jetzt kehrte sie sich wieder und rief in die Runde: "Meine Herren, ich liebe Gold..."
Nun wurde es richtig absurd. Sie tauchte den Rüssel von ihrem Elefantenkostüm in die Schüssel mit den Goldfischen und machte saugende Geräusche. Dann richtete sie sich ruckartig auf, schwang den nassen Rüssel nach hinten über ihre Schulter und rieb sich den Bauch, während sie "Mmmmh! War das lecker!", sagte.

Der Pfarrer erröte, stand auf und rief in die Menge:"Aufhören! Aufhören. Habt Ihr den alle den Verstand verloren?" Dieser Satz, aus dem Munde des Pfarrers in einem Puff, war der Anstoss für die fränzösische Revolution! Doch zuerst der Reihe nach. Auf der Bühne erschien plötzlich ein maskierter Mann, etwas dicklich, Mitte 25, dessen Leiste nur mit einem Efeu-Blatt bedeckt war. Er setzte sich auf den Stuhl. Marie zog nun auch das Elefantenkostüm aus, unter dem sie nichts mehr trug. Der Mann und sie vollzogen schliesslich den Akt, welcher den mit Abstand kürzesten Teil der gesamten Darbietung ausmachte. Genau genommen war das Spektakel nach zwei Minuten vorbei.

Der Pfarrer schaute sich diese zwei Minuten an, danach ging er. Am nächsten Morgen verabredete er sich mit Maries Vater im Beichtstuhl. "Sind Sie es Herr Pfarrer", fragte der Vater. "Ich bins", der Pfarrer. "Und? Konnten Sie meine Tochter zur Vernunft bringen?", fragte der Vater.
"Niemand kann das. Niemand. Ich habe gestern den Daibl gesehen. (Anm. des Autors: Daibl war zu dieser Zeit die gängige Bezeichnung für Teufel). Er hat Ihre Tochter missbraucht. Wir müssen ihn töten."
"Aber Herr Pfarrer, ist das nicht... Mord?"

"Nein, ich nenne das Vernunft, Monsieur Dupois", der Gottesdiener.
"Wie Sie meinen", der Vater.
"Wir treffen uns heute um 21. Uhr vor der Bastille. Nehmen Sie ein Stück Papier und etwas zum Schreiben mit", so der Priester.
Herr Dubois verliess den Beichtstuhl und die Kirche.

Pünktlich zur abgemachten Zeit kam Herr Dubois zur Bastille. Der Pfarrer war schon dort. Er hielt ein Pornoheft in der Hand.

"Sie mögen erstaunt sein, Herr Dupois, darüber was ich gerade in der Hand trage. Aber warten Sie, ich habe einen guten Grund dafür!", sagte der Pfarrer ganz gelassen.
Er schlug das Heft auf und zeigte Herr Dupois eine Seite.

Da war Maria, nackt. Herr Dupois musste kotzen. "Warum zeigen Sie mir das? Sie Sau!"
"Aufklärung, ganz einfach", meinte der Pfarrer gelassen.
Da galoppierte plötzlich Marie im Pferdekostüm hinter einem Farnkraut hervor und rief "Wiha! Auf geht's, Pfaffilein!" Der Pfarrer bestieg sie, und zusammen reiteten sie in den Sonnenaufgang. Der Vater blieb nur verdutzt zurück und betrachtete abwechselnd die davonreitenden Beiden und das Sexheft. Er beschloss, nach Hause zu gehen, was er dann auch tat.

Wenig später heirateten der Pfarrer und Marie, und der Pfarrer stieg ins Drogengeschäft ein, weil er da näher bei Gott sein konnte, wie er gegenüber den Dorfleuten beteuerte.

Ende

 

Hallo ihr Zwei!
Die Geschichte hat mir sehr gefallen.
Sie hat eine klare Handlungsstruktur, die an den richtigen Stellen geschickt durch lose Fäden gebrochen wird.

Die für mich humoristischsten Stellen:

Also verkleidete er sich als normaler Dörfling, mit einer Brille und einem Schnurrbart getarnt, und machte sich eines Abends auf zum Theater "Fantasio Lustigo", wo die Darbietung stattfinden sollte.

Normale Dörflinge laufen getarnt mit Schnurbart und Brille herum. :D
Der Pfarrer verkleidet sich, um dann eines Abends, möglicherweise Wochen später, ins Theater zu gehen. :lol:

Sie zog ihr Hasenkostüm aus, worauf ein Elefantenkostüm zur Vorschein kam.
Joa, das knallt, ohne Schnörkel, kurz und trocken, direkt ins bildgebende Hirn. ;)


Gelungen auch die Schlussszene:

Da galoppierte plötzlich Marie im Pferdekostüm hinter einem Farnkraut hervor und rief "Wiha! Auf geht's, Pfaffilein!" Der Pfarrer bestieg sie, und zusammen reiteten sie in den Sonnenaufgang. Der Vater blieb nur verdutzt zurück und betrachtete abwechselnd die davonreitenden Beiden und das Sexheft.

:thumbsup:
Das Ende nach dem Schluss
Wenig später heirateten der Pfarrer und Marie, und der Pfarrer stieg ins Drogengeschäft ein, weil er da näher bei Gott sein konnte, wie er gegenüber den Dorfleuten beteuerte.
rückt die Geschichte ganz nahe an den Rand der Kategorie Weltliteratur ...
ich denke da an Heinrich Manns „Professor Unrat. Essenzielle Züge der Figur Raat finde ich deinem Pfaffen wieder. Auch dieser ist eine Karikatur, mit deren Hilfe die Autoren die Doppelmoral dieses Standes entblößen.
... jedoch nur quasitheoretisch, da viele Rechtschreibfehler (deren Anzahl nur so zu erklären ist, dass zwei Autoren eben doppelt so viele Fehler machen) dieses auf gemeine Weise verhindern. :(

Lieben Gruß

Asterix

;)

 

Hallo Asterix, vielen Dank für dein Lob! Ja, einige Fehler haben sich tatsächlich eingeschlichen. Das werden wir bei Gelegenheit verbessern.

Nochmals danke!

 

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