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Die Geschichte von einem Mann, der mehr gewann als er verlor
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Ein Mann saß auf einer Parkbank. Er blickte gebildet, schien auch klug, doch wissen konnte er es nicht. Im Rauschen jenes Blätterzitterns wunderte es ihn, wie alt er doch schon war. Wie viele Jahre er schon hier war und dort. Freundschaften wurden geschmiedet, zerrannen mit der Zeit, auch jene, von der man sagte, sie halte ewig. Ein Beischlaf zerstörte jene Idylle, Familie wird sie genannt. Es war vielleicht nicht richtig, aber zutiefst modern. Dem Mann entglitt ein Schluchzen. Ein Kind stolperte einem Eichhörnchen nach.
Den Mann trieb es jeden Tag hier in den Park. War jene Bank frei, so saß er darauf und blickte in die grüne Fläche, dem Gewand der vornehmen Natur entgegen. Hier war es ihm viel wärmer ums Herz. Zu Hause mochte er es nicht so sehr. Er rätselte oft, wie sich das so fügte, doch blieb jede Antwort aus. Er leugnete jegliche Wirkung der Vergangenheit. Doch war es genau diese, welche Eigenheim verfremdete.
Der Park pulsierte jugendlich als Läufer die Wege passierten, junge Mütter und Väter ihre vereinte Liebe vor sich schoben und Hunde nach dem Holze jagten. Der Mann fürchtete sich. Neben all der lebendigen Frische berührte ihn auch der Geschmack der unausweichlichen Verwesung. Er sah die alten Damen in Rollstühlen, Strahlenpatienten ihr letztes Picknick aufschlagen und spürte sich, sein Spiegelbild. Tränen füllten seine Augen.
Da kam an ihn eine Stimme näher. Gebrochen und sehr tief. Vertraut, aber anders als gewohnt, sprach sie in ihm. "Trenn dich, lass los, vergiss Gedachtes und leb befreit."
Gefesselt saß er bis in die Nacht, wohin der Tag ihn gebracht hatte. Er fühlte sich neu, in gewisser Art und Weise tot, jedenfalls nicht länger lebendig. Ein langbärtiger Herr in übel riechenden Kleidern gesellte sich zu ihm, bot ihm sogleich die Flasche purer Seele. Dankend lehnte der Mann ab, stand auf und ging weiter. Weiter weg hörte er einen Schrei: "Loslassen!" Als der Mann noch einen letzten prüfenden Blick zurückwarf, sah er zwei Obdachlose, um den Wodka kämpfen.
Das Bett stand so einladend da, dass es dem Mann leid tat, jetzt darauf verzichten zu müssen. Doch tat er den Entschluss, nicht länger zu rätseln, sondern zu handeln. Schmerzlich stellte er fest, wie falsch sein Zuhause war. Er sah sie. Er roch sie. Er spürte sie. Er fühlte sie. Die Vergangenheit. Die alles zerstörende, unwiderrufliche Vergangenheit. Fotographien, Audioaufnahmen, Möbel, Kleider, Spielsachen, Duftkerzen, Bücher, Briefe, Uhren, Besteck und Kissen. Das alles war sie. Sie, wie sie nicht sein durfte.
Der Mann brannte das Haus nieder.
Als er am gegenüberliegenden Fußgängerweg stand, allein, weinend und sichtlich verwirrt, konnte er beobachten, wie Menschen in Schutzanzügen den Brand zu löschen versuchten. Das Gebäude schmolz langsam, aber unaufhaltsam der Ehe gleich in sich zusammen, bis nur mehr ausgebrannte, schwarze Mauern übrig blieben und dem Feuer jeglicher Nährboden entrissen ward. Eine unwirkliche Wärme ging davon aus und der Mann bereute seine Tat.
Das Leben des Mannes schien langsamer, aber wieder im gewohnten Ablaufe fortzuschreiten. Die neue Wohnung im parknahen Altenheim sagte dem Mann zu und die bekannte Bank war nur noch sieben Minuten von ihm entfernt. Eines Tages jedoch erreichte ihn ein Paket. Beiliegend fand er ein sehr künstlich und unpersönlich klingendes Schreiben. Er musst nicht lesen, um zu wissen, dass dieses stählerne Kästchen das Inferno überdauert hatte. Der Mann erkannte das Erbstück seines Vaters. Als er das leicht beschädigte Kästchen öffnete, sah er eine Uhr. Er nahm sie wertvoller und schöner wahr, als je zuvor.
Zwei Tage darauf fand er sich in einer Goldschmiede wieder. Nach einer fachlichen Schätzung sollte der Verkauf erfolgen. Er tat es ungern, aber es musste sein. Sehr zu seiner Überraschung handelte es sich aber dann um eine Fälschung. Der Mann freute sich und lachte, wie seit langem nicht mehr.
Am selben Tage entschlief der Mann dem Leben. Zurück gelassen auf der Bank mit einer gefälschten Uhr blickte der leblose Körper freundlich in die Natur...